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Aufbau der Arbeit

Im Dokument Dramaturgie als Geometrie (Seite 31-34)

1   Einleitung

1.4   Aufbau der Arbeit

Nach der näheren Darlegung meines dramaturgischen Ansatzes in den vorigen Ab-schnitten geht es im Weiteren um die konkrete szenische Analyse und Interpretation der Werke Büchners. Zunächst behandele ich die Anfangsszenen der Dramen, die durch und durch Schau-Spiele sind, was meine Ausführungen im Einzelnen herausstellen. Das Sehen und Hören im Theater ist ein elementarer Aspekt der Dramaturgie Büchners, zahlreiche deiktische Verweise in den Anfangsauftritten zeigen das. Im Vordergrund steht theatrales Spiel als Geschehen, weniger als Handlung. Meine Überlegungen im zweiten Kapitel stel-len heraus, wie der Gedanke des Spiels immer wieder selbstreflexiv in Szene gesetzt und das Theater als Verweiszusammenhang von Zeichen inszeniert wird. Prägender Gedanke ist der Körper des Schauspielers und seine Aktion im Bild-Raum der Bühne.

Das dritte Kapitel steht ganz im Zeichen von Danton’s Tod und bildet den Schwerpunkt meiner Untersuchung. Dreh- und Angelpunkt des Dramas sind die Fenster- und Guillotine-Szenen, die einen symbolischen Verweiszusammenhang kennzeichnen, der sich auf die theatrale Kommunikationssituation beziehen lässt. So markieren Fenster, Guillotine und das Guckkastenfenster der Bühne eine assoziationsträchtige Schnittfläche im Verhältnis des Zuschauers zum theatralen Spiel. Der Zuschauer wird zu einer persönlichen Verortung gegenüber dem Geschehen gezwungen. In den ersten Abschnitten führe ich den Gedanken der Bühne als Fenster näher aus und verfolge die damit in der Moderne verbundenen sym-bolischen Implikationen des Wechselspiels von Wahrnehmung und Imagination, was u.a.

durch zwei Exkurse zur Fenster-Symbolik bei Rilke und Breton illustriert wird. Daran schließen sich Einzelanalysen an, die den mit Fenster und Guillotine verbundenen Szenographien auf die Spur gehen und den Gedanken der Dramaturgie als Geometrie mit Leben füllen.

Mit seiner Behandlung der Bühne als Bildfläche und -raum kann das Revolutionsdrama als dramaturgisches Modell den beiden anderen Stücken Büchners (kontrastierend) voran-gestellt werden, wenngleich in der Verbindung von Fenster und Guillotine ein besonderer symbolischer Zusammenhang zu erkennen ist, der mit seiner originellen Zuspitzung der Bild- und Raumproblematik des Theaters in den anderen Schauspielen derart nicht gege-ben ist. Im Revolutionsstück sind Fenster und Guillotine im Bühnenfenster mediale Orte eines Dazwischen. So verdichten und vereinigen sich im Fenster-Symbol und der Guillo-tine bildhaft die imaginäre Spielgrenze der vierten Wand einerseits und die Konfiguration

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der Guckkastenbühne andererseits. Die daraus resultierende Bewegung, verstanden als Spiel zwischen den einzelnen theatralen Kommunikationsebenen, setzt sich in Leonce und Lena sowie Woyzeck fort, allerdings unter anderen Vorzeichen und mit veränderten Schwerpunkten. Verbindender Aspekt bleibt das Fenster-Symbol (Woyzeck) und der Ge-danke der Bühne als Fenster, der alle drei Texte durchdringt. Die Dramaturgie der Schau-spiele ist von einem virtuosen Umgang mit der Geometrie des Theaters gekennzeichnet.

Der Zuschauer ist einerseits in das Geschehen eingerückt, andererseits werden ihm stets die Mechanismen der theatralen Illusionsbildung vor Augen geführt.

Kapitel 4 behandelt Büchners Leonce und Lena. Der nähere Interpretationskontext ist hier der Umgang mit Figur und Raum sowie die daraus resultierende Kommunikations-problematik. Der erste Abschnitt beschäftigt sich mit Leonce und Valerio, die als Figuren immer wieder ihren Rollenstatus im Lustspiel reflektieren und ein doppeltes Spiel mit Schein und Sein treiben. Beide leiden unter einer Spaltung ihrer Identität. Der zweite Ab-schnitt spitzt die Auseinandersetzung mit der Bühnengeometrie und der Theaterillusion, die in Büchners Komödie im Spielverlauf mehr und mehr ausgehöhlt werden, weiter zu:

Die Bloßstellung des theatralen Apparats ist in der Rosetta-Szene Programm und mündet in der Engführung des szenischen Raums mit dem mentalen Kopf-Raum des Zuschauers.

Das Ende der Ausführungen zu Leonce und Lena bilden Überlegungen zur Relation von Mensch und Raum in Verbindung mit unterschiedlichen dramaturgischen Konzepten der Illusionsbildung im Theater. Leitend bleiben die Reflexion der theatralen Bild- und Raum-frage und die Hervorhebung ihres Stellenwerts innerhalb der Dramaturgie Büchners.

Den Abschluss der szenischen Analysen im Ganzen markieren Überlegungen zu Woy-zeck (Kapitel 5) und die darin inszenierten Spiel-, Blick- und Raumkonstellationen. In die-sem Kontext wird immer wieder die Beobachterposition des Zuschauers im Rahmen des Bühnenspiels thematisiert und reflektiert. Die Vorführung theatraler Wahrnehmungsstrate-gien nimmt breiten Raum im Drama ein. So wird der Zuschauer permanent dazu verpflich-tet, sich zu orientieren und gegenüber dem Bühnengeschehen zu verorten. Dabei werden perspektivisch zugerichtete Szenen mit quasi gegen-perspektivischen kontrastiert, wodurch der theatrale Raum verstärkt atmosphärisch belebt erscheint. Die Bühne wird prominent als Seh- und Vorstellungsraum des Zuschauers herausgestellt, der immer wieder die Möglich-keit erhält, sich mit (fiktionalen) Beobachterfiguren auf der Bühne zu identifizieren oder sich von ihnen abzugrenzen.

Das Schlusskapitel meiner Arbeit fasst die Ergebnisse unter dem Blickwinkel der Dra-maturgie als Geometrie noch einmal kurz zusammen. Im Vorfeld der folgenden

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gischen Überlegungen und szenischen Analysen möchte ich hier ausdrücklich betonen:

Wenn auch theaterästhetische Aspekte und eine den Texten Georg Büchners implizite Dramaturgie im Mittelpunkt meiner Arbeit stehen, bedeutet das zu keinem Zeitpunkt eine Abwertung oder Relativierung der politischen Stoßrichtung seines Werks und Wirkens.

Georg Büchner war, ist und bleibt „der Prototyp des intellektuellen Revolutionärs“,105 ein durch und durch politischer Autor. Sowohl im Kontext wissenschaftlicher und mentalitäts-geschichtlicher Forschungen und Fragen seiner Rezeption als auch hinsichtlich seiner poli-tischen Verortung ist Büchner ein „Extremfall“.106 Die „Ästhetik des Widerspruchs“,107 die sein Werk kennzeichnet, impliziert die Kritik politischer, ökonomischer, sozialer und thea-traler Verhältnisse und Fragen. So ist die Dramaturgie Büchners und das aus ihr resultie-rende Theater ein Ort öffentlicher Kontroversen und damit verbundener Diskussionen.

Büchners Theater stellt produktiv aus, beinhaltet einen politisch-gesellschaftlichen wie ästhetischen Gestus, der auf die Veränderung unhaltbarer Zustände hinzielt. So bedient er sich dramaturgischer Wirkmechanismen im Kontext einer – als Prozess der Auseinander-setzung zu fassenden – Geometrie und Anti-Geometrie der Bühne und zielt dezidiert auf den Zuschauer und seine Fähigkeit zu kritischer (Selbst-)Reflexion.

105 Eke 2005, S. 91.

106 Vgl. Hermand 2000, S. 395-411; direktes Zitat 395.

107 Knapp 2000, S. 25.

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2 Schau-Spiele: Kommunikation und Wahrnehmung

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