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Atypische Arbeitsverhältnisse als Indikatoren von Unsicherheit

2.2 Operationalisierung atypisch-prekärer Arbeitsverhältnisse

2.2.2 Atypische Arbeitsverhältnisse als Indikatoren von Unsicherheit

2.2.2 Atypische Arbeitsverhältnisse als Indikatoren von Unsicherheit

Nicht jedes atypische Arbeitsverhältnis bringt auch zwingend eine Hauptunsicherheit mit sich.

Beispielsweise ist eine projektbezogene Stelle in einem über mehrere Jahre dauerndem Projekt zwar befristet, deren zeitliche Unsicherheit ist jedoch nicht höher als bei einem Normalarbeitsverhältnis. Die Zuordnung der einzelnen atypischen Arbeitsverhältnisse zu den Hauptunsicherheiten ist deshalb an Bedingungen geknüpft, auf die in den nachfolgenden Abschnitten kurz eingegangen wird.

a) Zeitlich begrenzte Arbeitsverhältnisse (1. Hauptunsicherheit)

Zeitlich begrenzte Arbeitsverhältnisse können über befristete Arbeitsverträge oder Temporärbeschäftigung operationalisiert werden.

Befristete Arbeitsverträge werden für eine bestimmte Dauer oder eine bestimmte Aufgabe abgeschlossen, d.h. vor Beginn des Arbeitsverhältnisses ist der Zeitpunkt, an dem das Arbeitsverhältnis enden wird, bereits vereinbart. Als problematisch werden insbesondere kurze Befristungen gesehen. Ein befristetes Arbeitsverhältnis wird deshalb nur dann als potenziell atypisch-prekäres Arbeitsverhältnis eingestuft, wenn die Vertragsdauer maximal ein Jahr (365 Tage) beträgt.21 Ein Spezialfall befristeter Arbeitsverträge stellen die Kettenarbeitsverträge dar. Diese können mit der SAKE jedoch nicht identifiziert werden.

Temporärbeschäftigung22 ist – wie der Personalverleih generell – insofern eine spezielle Form von Arbeitsverhältnis, als drei Parteien vertraglich miteinander verknüpft sind: Eine Temporärfirma vermittelt einen Arbeitnehmer an eine Drittfirma, wobei der Arbeitnehmer rechtlich an die Temporärfirma, wirtschaftlich hingegen an die Drittfirma gebunden ist. In der SAKE-Befragung werden sowohl Erwerbstätige, die aktuell in einer Temporärbeschäftigung tätig sind, als temporär bezeichnet, wie auch jene, die ihre aktuelle Arbeitsstelle (auch Festanstellung) über ein Personalvermittlungsbüro gefunden haben. Für die vorliegende Studie werden hingegen nur Personen, die ihren heutigen Lohn direkt vom Temporärbüro erhalten, und somit aktuell in einer Temporärbeschäftigung tätig sind, als Temporärbeschäftigte betrachtet. Hingegen werden Beschäftigte, die den Lohn direkt vom aktuellen Arbeitgeber erhalten, nicht als Temporärbeschäftigte eingestuft.23

b) Kurzfristig schwenkendes Arbeitsvolumen (2. Hauptunsicherheit)

Von kurzfristig schwankenden Arbeitsvolumina sind insbesondere die beiden Arbeitsformen Arbeit auf Abruf und Heim-/Telearbeit betroffen.

Arbeit auf Abruf stellt eine der flexibelsten Formen von Arbeit dar, weil der Arbeitgeber die auf Abruf Arbeitenden bei Bedarf kurzfristig zur Arbeit aufbieten kann. Die SAKE

21 Können keine Angaben über die Dauer der Befristung gemacht werden, wird davon ausgegangen, dass die Befristung über einen längeren Zeitraum gilt und diese deshalb nicht als kritisch betrachtet wird (im Unterschied zu der Definition in der Studie von 2003).

22 Der Begriff Temporärarbeit bezeichnet in der Schweiz jene Arbeitsverhältnisse, die in Deutschland als Leiharbeit bezeichnet werden. Obwohl diese häufig auch befristet ist, sind Temporärarbeit und befristete Arbeitsverhältnisse nicht gleichzusetzen.

23 Temporäre Arbeitsverhältnisse sind häufig auch befristet. In der Studie von 2003 wurden Arbeitsverhältnisse, die beiden Gruppen angehörten, nur den temporären Arbeitsverhältnissen zugeordnet. Dadurch wird die Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse jedoch unterschätzt. Deshalb werden diese Arbeitsverhältnisse hier beiden Kategorien zugeteilt. Dies hat nur eine Auswirkung auf die Anzahl der befristeten Arbeitsverhältnisse, nicht aber auf die Anzahl potenzieller Arbeitsverhältnisse (ohne Doppelzählungen), da beide zur selben Hauptunsicherheit gezählt werden.

unterscheidet zwischen Arbeitsverhältnissen auf Abruf mit und ohne eine garantierte Mindestzahl von Arbeitsstunden.

Heimarbeit zeichnet sich primär dadurch aus, dass sie nicht im Betrieb des Arbeitgebers, sondern in der Wohnung des Heimarbeitenden oder einem anderen von ihm bestimmten Arbeitsraum mit relativ grosser Autonomie erbracht wird und dafür auch Familienangehörige beigezogen werden dürfen. Damit befindet sich Heimarbeit oftmals im Grenzbereich zwischen unselbständiger und selbständiger Arbeit. Mit Hilfe der SAKE-Befragung können wir nicht nur die Zahl der Heimarbeitsverhältnisse ermitteln, sondern – analog zu Arbeit auf Abruf – zusätzlich unterscheiden, ob ein Heimarbeitsverhältnis mit einer fixierten Anzahl von Arbeitsstunden oder mit einer schwankenden Stundenzahl gekoppelt ist. Heimarbeit per se kann nicht als atypisch-prekäres Arbeitsverhältnis betrachtet werden, da sich bei einer garantierten Stundenzahl die Heimarbeit bezüglich den drei Hauptunsicherheiten nicht grundlegend von einem Normalarbeitsverhältnis (bzw.

Teilzeitarbeit) unterscheidet. Sind allerdings keine oder nur eine stark schwankende Anzahl Stunden vertraglich festgelegt, verfügt die Heimarbeit über die gleichen Eigenschaften wie Arbeit auf Abruf und gilt als problematisch.

c) Unterbeschäftigung (2. Hauptunsicherheit)

Unterbeschäftigung kann nur in Teilzeitarbeit vorkommen. Wesentlich für die Beurteilung von Unterbeschäftigung ist allerdings nicht die Teilzeitarbeit per se, sondern der Wunsch, mehr zu arbeiten. Deshalb gilt eine Person nur als unterbeschäftigt, wenn sie teilzeitbeschäftigt ist und in der SAKE angibt, sie würde lieber mehr24 oder sogar Vollzeit arbeiten. Der Wunsch mehr zu arbeiten ist allerdings wiederum nur dann problematisch, wenn die Unterbeschäftigung nicht durch eine Nebenbeschäftigung selber ausgeglichen werden kann.

Deshalb müssen folgende weitere Bedingungen erfüllt sein, damit eine Teilzeitstelle (bei Wunsch nach Mehrarbeit) als atypisch-prekär gelten kann:25

• Es ist keine fixe Arbeitsregelung (bspw. immer Montag und Dienstag) vorhanden: Bei einer fixen Einsatzregelung besteht die Möglichkeit, mit einer Nebenbeschäftigung die Unterbeschäftigung auszugleichen. Bei flexiblen Einsätzen ist eine Koordination mit einer allfälligen Nebenbeschäftigung zu schwierig.

• Falls bereits einer Nebenbeschäftigung nachgegangen wird, darf die Gesamtzahl der Stunden in der Haupt- und der Nebenbeschäftigung die gewünschte Anzahl Stunden nicht überschreiten. Ansonsten kann argumentiert werden, dass die Unterbeschäftigung bereits ausgeglichen ist (auch wenn flexible Einsätze in der Hauptbeschäftigung verlangt werden).

24 Die Differenz zwischen vertraglich festgelegter Stundenzahl und gewünschter Stundenzahl muss dabei mindestens vier Stunden betragen. Dadurch werden gewisse Ungenauigkeiten bei der Umrechnung zwischen prozentualen und effektiven Stundenangaben eliminiert.

25 Die erste Bedingung mit den flexiblen Einsatzzeiten wurde bereits 2003 vorausgesetzt. Die Nebenbeschäftigung wurde damals jedoch noch nicht berücksichtigt. Durch die beiden zusätzlichen Voraussetzungen sinkt die Anzahl potenziell prekärer Teilzeitarbeitsverhältnisse um ca. 5% bis 10%.

• Die gewünschte Arbeitszeit darf nicht bei über 90% liegen. Anstellungen über 90% gelten gemäss Bundesamt für Statistik als Vollzeitstellen.

d) Unsicherheit betreffend Sozialleistungen / Scheinselbstständigkeit (3.

Hauptunsicherheit)

Die Scheinselbständigkeit unterscheidet sich von „normaler“ Selbständigkeit dadurch, dass der Dienstleistende zwar formell als „Selbständigerwerbender“ tätig ist, bezüglich persönlicher Weisungsgebundenheit und Eingliederung in die betriebliche Organisation des Auftraggebers oder Werkbestellers aber ähnlich abhängig ist wie ein Arbeitnehmer, weshalb er eben nur zum Scheine selbständig erwerbend und ebenfalls als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist. Dies ist vor allem dann gegeben, wenn die selbstständige Person nur oder mehrheitlich für einen Auftraggeber arbeitet. Die Scheinselbständigkeit ist gegenüber einer normalen Anstellung deshalb als problematisch zu bezeichnen, weil Selbständigerwerbende nicht über die gleichen Sozialleistungen wie Angestellte verfügen.

Seit der SAKE 2001 werden selbständige Personen nach der Anzahl Auftraggeber bzw.

Kunden befragt.26 Dadurch können die neuen Selbständigen identifiziert und ausgewertet werden. Jedoch gelten Selbständige mit mehr als zwei Angestellten nicht mehr als Scheinselbständige.

e) In SAKE nicht messbare Unsicherheiten

Wie bereits in der Abbildung 2-4 aufgezeigt wurde, können auf Basis der SAKE Daten nicht alle Unsicherheiten identifiziert werden. Nicht identifiziert werden können:

• Kurzfristige Arbeitspläne

• Hoher variabler Lohnanteil mit tiefen Fixum

• Verletzung der Schutzbestimmungen

• Vertretungs-Unsicherheit

• Fehlende Arbeitssicherheit.