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2. H INZURECHNUNGSBESTEUERUNG – INTERNATIONALE V ORGABEN

2.2. ATAD 1 und ATAD 2 – Anti-Missbrauchs-Richtlinien der EU

2.2.1. ATAD 1 - Richtlinie

Mit der ATAD 1 - Richtlinie, auch Anti-BEPS-RL genannt, wurden zunächst einige Aktionspunkte des BEPS-Projektes herausgegriffen, um dafür möglichst zügig EU-weite Mindeststandards in einer Richtlinie festzulegen. Es sind dies die folgenden Themen:

Abb.: 6 Übersicht - ATAD-Themen / Vergleich – BEPS-Aktion

Quelle: Vgl Staringer in Die Anti-Tax-Avoidance-Richtlinie1, 2 bzw Kofler, in, Anti-BEPS-Richtlinie:

Konzernsteuerrecht im Umbruch?1, 14f bzw Schlager, Änderung der Anti-BEPS-Richtlinie: Neue Bestimmungen für hybride Gestaltungen, SWI 7/2017, 360.

Die einzelnen Themen betreffen jeweils sehr unterschiedliche Bereiche des Wirtschaftslebens. Es ist daher davon auszugehen, dass diese schwerlich allesamt von den einzelnen Mitgliedstaaten befürwortet oder abgelehnt werden. Dennoch wurde die ATAD als Gesamtpaket schlussendlich von allen Mitgliedstaaten akzeptiert.24 Im Erwägungsgrund 1 der ATAD 1 wird einleitend betont, dass einer Besteuerung am Ort der Gewinnerwirtschaftung und Wertschöpfung Priorität eingeräumt wird und dass demzufolge es erforderlich ist, dass das Vertrauen in die Fairness der Steuersysteme wiederhergestellt wird und den Regierungen der Mitgliedstaaten eine wirksame Ausübung der Steuerhoheit möglich gemacht wird.25 Heruntergebrochen auf österreichische Verhältnisse wird in der Fachliteratur allerdings der Handlungsbedarf betreffend „Wiederherstellung des Vertrauens in die Fairness der Steuersysteme“

relativiert. Einerseits ist zu beachten, dass die Problematik betreffend Steueroasen in

24Vgl Staringer in Die Anti-Tax-Avoidance-Richtlinie1, 7.

25 Vgl RICHTLINIE (EU) 2016/1164 DES RATES vom 12. Juli 2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts, ABl L 193/1 vom 19.7.2016, ErwGr 1.

Thema ATAD Artikel BEPS-Aktion / Umsetzungsfrist

Österreich hinsichtlich ihres Ausmaßes eher als unterdurchschnittlich einzustufen ist und andererseits hatte das österreichische Steuersystem bereits vor „BEPS-Zeiten“

Abwehrmechanismen wie beispielsweise die Missbrauchsbestimmungen der §§ 21 und 22 BAO. Erstmalig werden nunmehr mit den ATAD - Richtlinien in den dargestellten Themengebieten im Bereich der Unternehmensbesteuerung Mindest-Besteuerungs-Standards eingeführt. Eine derartige Neuausrichtung des sekundären EU-Rechtes stellt somit ein Novum dar, denn bislang stand vor allem der Abbau von Marktgrenzen im Vordergrund. Es sollen damit also in erster Linie die Mitgliedstaaten und deren Steuerhoheit unterstützt werden und nicht so sehr die Unternehmen im Binnenmarkt.

Von der Breitenwirkung der ATAD-Themen her wird auch angenommen, dass letztlich doch nur eher eine kleine Gruppe von Unternehmen betroffen sein wird. Eine vergleichsweise große Breitenwirkung hätten wohl Regelungen zur Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (Common Consolidated Corporate Tax Base bzw CCCTB) oder zum Steuersatz – diese werden aber wohl beim gebotenen Prinzip der Einstimmigkeit bei direkten Steuern voraussichtlich für noch längere Zeit in der Regelungs-Kompetenz der Mitgliedstaaten bleiben. Bei der Unterstützung der Mitgliedstaaten in ihrer Steuerhoheit mit Mindeststandards darf aber auch nicht ein gewisser Steuerwettbewerb vergessen werden. Letztlich bedeuten die festgelegten Mindeststandards für die Mitgliedstaaten zwangsläufig Nachteile im internationalen Steuerwettbewerb etwa gegenüber den USA (mit angekündigten Steuerreformen) oder gegenüber dem Vereinigten Königreich, welches nach einem allfälligen Brexit sozusagen vor den Toren Europas höchstwahrscheinlich versuchen wird, seine Attraktivität in Sachen Steuern zu steigern.26 Die ATAD 1 - Richtlinie enthält nun also fünf Maßnahmen (siehe auch Abbildung oben), welche verpflichtend von den Mitgliedstaaten umzusetzen sind. Außer den Regelungen zur Wegzubesteuerung, welche offenbar eine Reaktion auf einschlägige EuGH-Entscheidungen darstellen, leiten sich sämtliche übrigen Maßnahmen vom „OECD / G20 – BEPS – Aktionsplan“ ab.

Die Maßnahmen im Einzelnen:27

Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen (Art 4):

26 Vgl Staringer in Die Anti-Tax-Avoidance-Richtlinie1, 9ff.

27 Vgl Kofler in Anti-BEPS-Richtlinie: Konzernsteuerrecht im Umbruch?1, 14f.

Nach Abs 1 des Art 4 sind überschüssige Fremdkapitalzinsen (also der Nettozinsaufwand) nur bis 30 % des EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) abzugsfähig. In den weiteren Absätzen des Art 4 werden den Mitgliedstaaten diverse Möglichkeiten wie etwa Freibeträge eingeräumt, um Ausnahmen vom Abzugsverbot vorzusehen.

Übertragung von Vermögenswerten und Wegzugsbesteuerung (Art 5):

Hierbei wird festgelegt, dass stille Reserven im Ausmaß des Differenzbetrages zwischen dem Marktwert der Vermögenswerte zum Zeitpunkt der Übertragung oder des Wegzugs abzüglich des steuerlichen Wertes zu versteuern sind. Erfasst davon sind die Übertragung von Wirtschaftsgütern, die Verlegung von Betriebsstätten, sowie Sitzverlegungen generell. Die Wegzugsbesteuerung leitet sich nicht vom „OECD / G20 – BEPS – Aktionsplan“ sondern offenbar von der EuGH-Rechtsprechung (DMC und Verder LabTec) ab. Nach Abs 2 kann bei Wegzug im EU-Raum und in den EWR mit bestehender Vollstreckungshilfe die Zahlung der Steuer auf zumindest fünf jährliche Raten aufgeteilt werden. Insoweit der Marktwert zutreffend ist, hat nach Abs 5 im Zuzugsstaat eine Aufwertung auf diesen zu erfolgen.

Allgemeine Vorschrift zur Verhinderung von Missbrauch (Art 6):

Gestaltungen zum wesentlichen Zweck des Erlangens eines steuerlichen Vorteils sind nicht anzuerkennen, wenn sie nicht auf triftigen wirtschaftlichen Gründen, die die wirtschaftliche Realität widerspiegeln, basieren.

Vorschriften für beherrschte ausländische Unternehmen (Art 7 und 8):

Der Artikel 7 der ATAD 1 - Richtlinie lautet (auszugsweise):

„Artikel 7

Vorschrift für beherrschte ausländische Unternehmen

(1) Der Mitgliedstaat eines Steuerpflichtigen behandelt Unternehmen oder

Betriebsstätten, deren Gewinne in diesem Mitgliedstaat nicht der Steuer unterliegen oder steuerbefreit sind, als beherrschtes ausländisches Unternehmen, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

a) Im Falle eines Unternehmens hält der Steuerpflichtige selbst oder zusammen mit seinen verbundenen Unternehmen unmittelbar oder mittelbar mehr als 50 % der Stimmrechte oder hält unmittelbar oder mittelbar mehr als 50 % des Kapitals oder hat Anspruch auf mehr als 50 % der Gewinne dieses Unternehmens; und

b) die von dem Unternehmen oder der Betriebsstätte tatsächlich entrichtete

Körperschaftsteuer auf seine bzw. ihre Gewinne ist niedriger als die Differenz zwischen der Körperschaftsteuer, die nach der geltenden Körperschaftsteuerregelung im

Mitgliedstaat des Steuerpflichtigen für das Unternehmen oder die Betriebsstätte erhoben worden wäre, und der von dem Unternehmen oder der Betriebsstätte tatsächlich

entrichteten Körperschaftsteuer auf seine bzw. ihre Gewinne.

Für die Zwecke von Unterabsatz 1 Buchstabe b wird die Betriebsstätte eines beherrschten ausländischen Unternehmens, die im Steuergebiet des beherrschten ausländischen Unternehmens nicht der Steuer unterliegt oder steuerbefreit ist, nicht berücksichtigt. Zudem ist unter der Körperschaftsteuer, die in dem Mitgliedstaat des Steuerpflichtigen erhoben worden wäre, die Körperschaftsteuer zu verstehen, wie sie gemäß den Vorschriften des Mitgliedstaats des Steuerpflichtigen berechnet wird.

(2)…..“

Aus den Artikeln 7 und 8 ergibt sich die sogenannte Hinzurechnungsbesteuerung bzw ergeben sich die Controlled-Foreign-Company (CFC) – Regeln, welche in weiterer Folge eingehend ausgeführt werden. Bezüglich Tochtergesellschaften im EU-Raum und EWR sind unter Beachtung grundfreiheitsrechtlicher Anforderungen (Cadbury Schweppes) Einschränkungen bei der Hinzurechnungsbesteuerung vorgesehen.

Hybride Gestaltungen (Art 9):

Damit soll bei hybriden Gestaltungen der doppelte Abzug von Ausgaben oder ein Abzug bei korrespondierender Nichtbesteuerung unterbunden werden. Die diesbezüglichen Regelungen wurden durch die am 7.6.2017 veröffentliche „Anti-BEPS-RL II“ (bzw ATAD 2 – Richtlinie) ersetzt und umfangreich ausgedehnt.28