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Art und Bedeutung der Wechselwirkungen

Im Dokument 11 08 (Seite 145-150)

5. Wechselwirkungen zwischen Energieoptimierung und Kläranlagenbetrieb

5.1. Art und Bedeutung der Wechselwirkungen

Da Energieoptimierung nicht primäres Ziel der Abwasserbehandlung ist, müssen die Auswirkungen von Energiesparmaßnahmen auf den Kläranlagenbetrieb regelmäßig geprüft werden. Dies ist auch eine Grundvoraussetzung für die Akzeptanz und Nach-haltigkeit der Energieoptimierung in Kläranlagen. Außerdem ist bei einer gesamtöko-logischen, d. h. sektorübergreifenden Betrachtung nach IVU-Richtlinie die Verschie-bung von umweltschädigenden Einflüssen zwischen den Sektoren Wasser, Boden und Luft zu vermeiden.

Das kann im Einzelfall bedeuten, dass energiesparende Maßnahmen aus überge-ordneten Gesichtspunkten nicht zu empfehlen sind. Umgekehrt können Verfahren, die betriebliche oder wirtschaftliche Vorteile bei der Abwasser- oder Klärschlammbe-handlung aufweisen, aus energetischen Gründen ungünstig sind. Nachfolgend wer-den deshalb die Wechselwirkungen wichtiger Ansatzpunkte der Energieeinsparung mit dem Kläranlagenbetrieb und den übrigen Bereichen der IVU-Richtlinie untersucht.

Um die Vielzahl möglicher Wechselwirkungen zu strukturieren, werden zunächst Be-reiche im Kläranlagenbetrieb definiert, auf die sich Energiesparmaßnahmen auswir-ken können und eine grundsätzliche Bewertung und Gewichtung dieser Bereiche vorgenommen. Im Kapitel 5.2 werden dann ausgewählte Wechselwirkungen für die wichtigsten Ansatzpunkte zur Energieeffizienz näher beschrieben. Für die Neuen Techniken wurden die Querverbindungen bereits im Kapitel 4 beschrieben und des-halb hier nicht wiederholt.

Einflussbereiche der Energieoptimierung auf Kläranlagen 1. Reinigungsleistung

Eine gute Reinigungsleistung ist zunächst einmal das maßgebliche Ziel der Ab-wasserbehandlung und somit wesentlichstes Kriterium für alle Maßnahmen auf Kläranlagen. Es ist darüber hinaus ein besonders empfindlicher Bereich, weil so-wohl das Betriebspersonal als auch die politisch Verantwortlichen an den

Ergeb-nissen in diesem Bereich gemessen und ggf. sogar strafrechtlich dafür zur Re-chenschaft gezogen werden. Alle Energiesparmaßnahmen, die eine Verschlech-terung der Reinigungsleistung zur Folge haben, sind daher von vornherein aus-geschlossen.

Allerdings zeigt die Erfahrung, dass Energieoptimierung meist dann im Einklang mit einer guten Reinigungsleistung steht, wenn sie eine verfahrenstechnische Op-timierung darstellt (Beseitigung versteckter Mängel und ungünstiger Betriebswei-sen) und/oder auf einer verbesserten Qualität der eingesetzten Materialien und Aggregate basiert (z.B. Belüftermaterial, energiesparende Motoren). Auch im Be-reich der Stickstoffelimination gehen Maßnahmen zur Energieeinsparung (z.B. bei der Belüftung) häufig überein mit einer Verbesserung der Ablaufwerte.

2. Betriebsstabilität

In der Regel können Energiesparmaßnahmen nur in Zusammenarbeit mit dem Betriebspersonal umgesetzt werden. Für den Betreiber ist aber die Betriebsstabili-tät der Anlage nicht zuletzt im Hinblick auf die Anforderungen an die Reinigungs-leistung ein sehr wichtiges Kriterium. Da oft bestimmte Betriebsweisen empirisch aus mühsamer Erfahrung mit vielen Versuchen entstanden sind und sich nicht unbedingt rational begründen oder nachvollziehen lassen, werden Änderungen der Betriebsweise besonders an sensiblen Anlagenteilen (z.B. Faulturm und Be-lebung) vom Betreiber mit großer Skepsis betrachtet.

Eine „nur“ energetisch begründete Änderung der Regelkreise, der Umwälzung oder Belüftung etc., wird häufig abgelehnt, weil entweder schon negative Be-triebserfahrungen damit vorliegen oder befürchtet werden. Problematisch ist da-bei, dass negative Folgeerscheinungen von Eingriffen oft erst Monate oder Jahre später auftreten oder sich nur schleichend bemerkbar machen. Sie können dann auch nicht immer eindeutig einer Maßnahme zugeordnet werden. Typisch dafür sind z. B.

Änderungen bei der Belüfterregelung, die sich auf die Absetzbarkeit des Belebtschlammes auswirken (Bläh- und Schwimmschlammbildung) Verschleißerscheinungen bei Lagern durch häufige Schaltspiele

Verstopfungsanfälligkeit von Pumpen bei geänderter Drehzahl

Hier ist meist eine Phase der Vertrauensbildung und die Durchführung von Pilot-versuchen (eventuell an einzelnen Straßen) erforderlich und sinnvoll. Außerdem ist ohne eine Bereitschaft des Betriebspersonals zu Versuchen (die ja Mehrarbeit bedeuten) Energieeinsparung kaum möglich. Mit zunehmender Personalknapp-heit ist die Kapazität des Betriebspersonals aber gebunden durch die Bewältigung des täglichen Betriebes und die Beseitigung von Störfällen, die natürlich immer Vorrang haben vor einer Energieoptimierung.

Umgekehrt ist aber die Bereitschaft zu einer Energieoptimierung sehr groß, wenn die Aussicht besteht, dass vorhandene Probleme wie störanfällige Pumpen, über-schäumende Faultürme oder schlechte Reinigungsleistung damit beseitigt wer-den. Kurz gesagt, haben Energiesparmaßnahmen dann große Aussicht auf Er-folg, wenn sie den Betrieb einfacher und stabiler machen, was häufig der Fall ist.

3. Kosten

Bei den Kosten muss zunächst unterschieden werden zwischen der Energieopti-mierung im laufenden Betrieb und dem Neubau bzw. wesentlichen Umbau von Kläranlagen, wo Energieeinsparung in die Entscheidungsfindung für die Wahl ei-ner Verfahrenstechnik oder eine Bauweise eingehen kann. Im ersteren Fall sind Energiekosten zwar einer der wenigen Kostenblöcke, die sich noch beeinflussen lassen. Sie sind aber im Vergleich zu den Kapital- und sonstigen Fixkosten nur von untergeordneter Bedeutung, so dass der Spielraum für zusätzliche Investitio-nen gering ist. Häufig sind Energiesparmaßnahmen zwar kostendeckend, aber nicht so rentabel, dass dadurch eine merkliche Gebührensenkung möglich wäre.

Außerdem müssen die erforderlichen Investitionen oft erst in politischen Gremien bewilligt werden, die den potenziellen Einsparungen oft skeptisch gegenüber ste-hen.

Werden Maßnahmen wie z. B. Kofermentation oder der Einsatz von BHKWs nicht ordnungspolitisch verlangt oder durch politische Willenserklärung der Betreiber gefördert, haben sie daher kaum Chancen auf Umsetzung.

Umgekehrt erfordern Energiesparmaßnahmen konzeptioneller Art oft erhebliche Investitionen in die Anlagentechnik (z.B. Umstellung auf Faulung, Änderung der Belüftungsart), denen keine entsprechenden Einsparungen gegenüberstehen.

Daher können diese Veränderungen nur in Zusammenhang mit ohnehin notwen-digen Umbauten oder Ersatzinvestitionen realisiert werden (so genannte „abhän-gige Maßnahmen“). In dem Maße, wie Neu- oder Umbauten selten werden, ver-ringert sich das mögliche Einsparpotenzial.

Hinzu kommt, dass Energiekosten quasi als unabänderliche Sachkosten betrach-tet werden, die nicht zu rechtfertigen sind. Allenfalls bei signifikanten Strompreis-steigerungen (wie in den letzten Jahren) wird die Möglichkeit zur Stromeinspa-rung wieder diskutiert. Eigeninitiative und zusätzliche Anstrengungen des Be-triebspersonals zur Energieeinsparung werden allerdings selten honoriert.

In der Summe bedeutet dies, dass Kostenüberlegungen eher begrenzend wirken auf die Energieeinsparung, weil eher die anfänglichen Mehrkosten als die mögli-cherweise langfristig erzielbaren Einsparungen gesehen werden. Dagegen wer-den Energiesparmaßnahmen regelmäßig dann interessant, wenn damit gleichzei-tig Einsparungen in anderen Bereichen erzielt werden können, z.B. bei den Er-satzinvestitionen für stillgelegte Anlagenteile, bei Wartungs- und Chemikalienkos-ten oder der Klärschlammentsorgung.

4. Menge und Beschaffenheit von Klärschlamm

Viele Energiesparmaßnahmen betreffen unmittelbar die Menge oder Beschaffen-heit des Klärschlammes, weil dieser durch seinen organischen Anteil ein wichtiger Energieträger ist und seine Behandlung viel Energie verbraucht. Neben den be-reits o. g. Problemen der Absetzbarkeit und Entwässerbarkeit des Schlammes spielen hier besonders die Anforderungen der Klärschlamm-Entsorger an die Konsistenz des Schlammes und damit verbundene Entsorgungskosten eine wich-tige Rolle. Wechselwirkungen ergeben sich durch

Art der Schlammstabilisierung (aerob oder anaerob) Art und Umfang der Entwässerung und Trocknung Größe der Vorklärung (Primärschlammanfall) Klärschlammdesintegration

5. Nährstoff-Rückgewinnung

Energiesparmaßnahmen wirken sich selten auf die Nährstoffrückgewinnung aus.

Wichtige Ausnahme ist allerdings die getrennte Prozesswasserbehandlung, die maßgeblichen Einfluss auf die Möglichkeiten der Stickstoff- und Phosphorrück-gewinnung hat.

6. Arbeitsschutz

Der Arbeitsschutz ist selten ein Argument gegen Energieeinsparung. Allerdings besteht eine gewisse Skepsis gegen die Einführung der Schlammfaulung auf kleineren Kläranlagen, weil man die sicherheitstechnischen Risiken der Faulgas-erzeugung und -verwertung fürchtet.

7. Klimagase

Der Einfluss von Energiesparmaßnahmen auf die Klimagase ist meist per se posi-tiv, da die Einsparung von CO2 ja ein Hauptgrund dafür ist. Allerdings kann es bei der anaeroben Schlammstabilisierung in Ausnahmefällen zu einer verstärkten Emission von Methan kommen (z.B. aus Schlammeindickern oder Schlamment-wässerung), die im Extremfall die Einsparung von CO2-Emissionen überkompen-sieren kann. Die Faulschlammentgasung durch Unterdruck sowie die Abdeckung von Schlammspeichern mit Gasrückführung in den Speicher ist in Kläranlagen nicht üblich.

Schwieriger ist die Bewertung der Klärschlammverwertung, da sehr unterschiedli-che Bereiunterschiedli-che tangiert werden (Energiebedarf für Trocknung, CO2-Gutschriften aus Verbrennung, Ersatz von Mineraldünger, Emissionen aus Transport). Die ent-sprechenden Zusammenhänge wurden bereits im Kap. 4.5.3 über die CO2-Bilanz dargestellt.

Ein dritter wichtiger Bereich ist die Emission von stark klimarelevantem

Distickstoffmonoxid (Lachgas, N2O), das bei bestimmten Milieubedingungen wäh-rend der Nitrifikation und Denitrifikation im Belebungsbecken freigesetzt wird. Da die Zusammenhänge noch unklar sind und keine eindeutige Wechselwirkung

zwi-schen Energieeffizienz bei der Belüftung und Umfang der N2O-Emission besteht, wird dieser Einfluss nicht betrachtet.

8. Einsatz gefährlicher Stoffe

Bei den wesentlichen Ansatzpunkten der Energieoptimierung ist kaum ein Ein-fluss auf den Einsatz gefährlicher Stoffe zu erkennen, da sie weniger die Dosie-rung von Chemikalien, sondern eher die Konzeption und Betriebsweise von Ag-gregaten betreffen. Einzige Ausnahme ist künftig möglicherweise die Rückgewin-nung von Phosphor aus Prozesswasser und Klärschlamm(asche), bei der teilwei-se Säuren und Laugen eingeteilwei-setzt und Schwermetalle remobilisiert werden.

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