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1 Zusammenfassung

2.3 Arbeitsgruppe

Das Problem wurde schon vorgängig anfangs 2014 verwaltungsintern erkannt. Der Vorsteher der VGD hat deshalb am 24. Februar 2014 in Absprache mit dem Vorsteher der Sicherheitsdirektion (SID) Auftrag erteilt, eine Teilrevision des EG ZGB zur Einführung der ärztlichen fürsorgerischen Unterbringung bei Gefahr im Verzuge vorzubereiten und eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Gleichzei-tig wurde der Arbeitsgruppe der Auftrag erteilt, die §§ 22 und 23 GesG zur Schweigepflicht und Meldepflicht einer Teilrevision zu unterziehen. Da diese Gesetzesänderung vordringlich war und schneller erarbeitete werden konnte, wurde sie dem Landrat schon in einer separaten Vorlage6 unterbreitet.

Der Arbeitsgruppe haben angehört:

- René Merz, Stv. Generalsekretär und Leiter der Hauptabteilung Volkswirtschaft & Recht VGD (Vorsitz),

- Maritta Zimmerli, Juristin im Rechtsdienst VGD,

3 Vgl. LRV 2011/295, S. 45.

4 SR 811.11.

5 SGS 901.

6 Vgl. LRV 2014/392.

- Dominik Schorr, Kantonsarzt und Leiter der Hauptabteilung Gesundheit VGD,

- Franziska Vogel Mansour, Administrative Aufsichtsbehörde über die KESB und Leiterin der Hauptabteilung Recht der Zivilrechtsverwaltung SID,

- Guido Becker, Vizepräsident der Ärztegesellschaft Baselland, - Urs Buess, Vorstandsmitglied der Ärztegesellschaft Baselland, - Urs Argast, Vorstandsmitglied der Ärztegesellschaft Baselland, - Friedrich Schwab, Geschäftsführer der Ärztegesellschaft Baselland,

- Philipp Eich, Chefarzt Stv. der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Liestal,

- Andrea Koller Roth, Co-Präsidentin KESB Kreis Liestal (vormals Mitarbeiterin des kant. Vor-mundschaftsamtes),

- Christine Cabane, Co-Präsidentin KESB Kreis Liestal (vormals Co-Leiterin des kant. Vormund-schaftsamtes),

- Simon Habermacher, juristischer Volontär im Rechtsdienst der VGD,

- Sandra Ermel, Assistentin der Hauptabteilung Volkswirtschaft & Recht VGD (Administration).

Die Arbeitsgruppe ist im Hinblick auf den vorliegenden Teilauftrag zu 5 Sitzungen zusammengetre-ten.

3 Ziele

Ziel der Gesetzesrevision ist die Schaffung entsprechender Bestimmungen im EG ZGB, damit im Kanton Basel-Landschaft zusätzlich zur fürsorgerischen Unterbringung durch die KESB auch die ärztliche fürsorgerische Unterbringung bei Gefahr im Verzuge ermöglicht wird. Die vorgeschlage-nen Bestimmungen sollen dabei den Verhältnissen und Strukturen im Kanton Rechnung tragen und für das Gemeinwesen, für die Betroffenen sowie für die Ärzteschaft insgesamt eine möglichst einfache und kosteneffiziente Regelung enthalten, ohne dass dabei die Rechtsstaatlichkeit in Mit-leidenschaft gezogen wird.

4 Konzeption der fürsorgerischen Unterbringung 4.1 Fürsorgerische Unterbringung im Allgemeinen

Eine fürsorgerische Unterbringung gelangt zur Anwendung, wenn eine Person der persönlichen Fürsorge und Pflege bedarf, diese aber nur durch Unterbringung der Person in einer geeigneten Einrichtung erbracht werden können. Es handelt sich um die behördliche Bestimmung über den Aufenthalt gegen den bekannten, mutmasslichen oder hypothetischen Willen einer Person mit dem Ziel der Personensorge sowie um die mit dem Aufenthalt verbundenen Betreuung und/oder Be-handlung.7

Eine fürsorgerische Unterbringung kann bei einer volljährigen Person angeordnet werden, unab-hängig davon, ob sie handlungsfähig ist. Bei Minderjährigen unter elterlicher Sorge oder unter

7 Vgl. ROSCH, Daniel. In: ROSCH, Daniel; BÜCHLER, Andrea; JAKOB, Dominique (Hrsg.): Das neue Erwachsenenschutzrecht - Einführung und Kommentar zu Art. 360 ff. ZGB, Basel 2011, Art. 460, N 14.

Vormundschaft sind dieselben Bestimmungen gemäss den in Artikel 314b ZGB genannten Ein-schränkungen sinngemäss anwendbar8 (vgl. dazu auch die Ausführungen unter Punkt 4.4).

Hauptanwendungsgebiet ist die Einweisung in eine psychiatrische Klinik beziehungsweise in eine stationäre psychiatrisch-therapeutische Einrichtung. Daneben gelten aber auch Einweisungen in Spitäler, Tages- oder Nachtkliniken, Rehabilitationskliniken, Wohn- oder Pflegeheime, medizini-sche Abteilungen anderer Einrichtungen in seltenen Fällen auch Strafanstalten und selbst die Ver-pflichtung, sich in einer bestimmten Wohnung aufzuhalten, als fürsorgerische Unterbringung.9 Die Einweisung in ein Kinder- und Jugendheim ist ebenfalls als fürsorgerische Unterbringung anzuse-hen, wenn die darin untergebrachte Person einer stärkeren Freiheitsbeschränkung unterworfen ist als ihre in einer Familie aufwachsenden Altersgenossen.10

Voraussetzung für eine fürsorgerische Unterbringung ist das Vorliegen eines Schwächezustandes, der eine Behandlung oder Betreuung notwendig macht, die nicht anders als durch den Entzug der Freiheit erbracht werden kann. Zudem muss die Unterbringung für den angestrebten Zweck taug-lich sein. Die Unterbringung lässt sich deshalb immer nur mit Bezug auf die Einweisung in eine bestimmte, zweckdienliche Einrichtung rechtfertigen.11 Die Schwächezustände, welche eine für-sorgerische Unterbringung rechtfertigen können, sind in Artikel 426 Absatz 1 ZGB abschliessend aufgezählt. Es sind dies:

- psychische Störung (inklusive Abhängigkeitserkrankungen), - geistige Behinderung oder

- schwere Verwahrlosung.

Als Ausfluss des Verhältnismässigkeitsprinzips ist speziell zu beachten, dass eine fürsorgerische Unterbringung nur zulässig ist, wenn keine leichtere Massnahme der betroffenen Person genü-genden Schutz zu bieten vermag. Die gemäss Artikel 428 Absatz 1 ZGB für die Anordnung zu-ständige Erwachsenenschutzbehörde hat dabei ein weites Ermessen.12 Bei der fürsorgerischen Unterbringung handelt es sich aber nicht um einen sogenannten Ermessensentscheid. Denn sind die Voraussetzungen gegeben, muss die Behörde die Einweisung anordnen und kann nicht darauf verzichten.13

8 Vgl. GEISER, Thomas / ETZENSBERGER, Mario. In: HONSELL, Heinrich; VOGT, Nedim Peter;

GEISER, Thomas (Hrsg.): Basler Kommentar zum Zivilgesetzbuch I, 5. Auflage, Basel 2014, N 7 zur Art. 426-439.

9 Vgl. GUILLOD, Olivier. In: BÜCHLER, Andrea; HÄFELI, Christoph; LEUBA, Audrey; STETTLER, Martin (Hrsg.): Erwachsenenschutz, Bern 2013, N 67 zu Art. 426 und GEISER/ETZENSBERGER, BSK - ZGB I (5), N 3 zu Art. 426.

10 Vgl. GEISER/ETZENSBERGER, BSK - ZGB I (5), N 35 zu Art. 426 und BGE 121 III 306, E. 2b.

11 Vgl. GEISER/ETZENSBERGER, BSK - ZGB I (5), N 7 zu Art. 426.

12 Vgl. GEISER/ETZENSBERGER, BSK - ZGB I (5), N 22 ff. zu Art. 426.

13 Vgl. GEISER/ETZENSBERGER, BSK - ZGB I (5), N 28 zu Art. 426 und Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht), BBl 2006, S. 7001 (7062).

4.2 Spezialfall I: Zurückbehaltung freiwillig in eine Einrichtung eingetretener Personen Tritt eine Person freiwillig in eine Einrichtung ein, kann sie jederzeit wieder austreten, selbst wenn sie damit ihre Gesundheit gefährdet. Gestützt auf Artikel 427 Absatz 1 ZGB kann sie aber für höchstens drei Tage durch die Einrichtung zurückbehalten werden, wenn14

- die betreffende Person an einer psychischen Störung leidet, - die Einrichtung unter ärztlicher Leitung steht und

- sich eine ernsthafte Gefährdung nicht anders abwenden lässt.

Als ernsthaft ist die Gefährdung einzustufen, wenn eine konkrete und akute oder schwerwiegende Selbstgefährdung von Leib und Leben oder eine entsprechende Fremdgefährdung von Leben und körperlicher Integrität Dritter vorliegt.15

Zuständig für den Rückbehaltungsentscheid ist die ärztliche Leitung der Einrichtung. Handelt es sich um ein grösseres Spital, entscheidet die Leitung der entsprechenden Einheit, die eigenver-antwortlich für die Behandlung im betreffenden Zeitpunkt zuständig ist, in dem der Entscheid ge-troffen werden muss.16

4.3 Spezialfall II: Ärztliche fürsorgerische Unterbringung

Den Kantonen wird in Artikel 429 Absatz 1 ZGB die Kompetenz erteilt, Ärztinnen und Ärzte zu be-nennen, welche befugt sind, eine fürsorgerische Unterbringung während einer vom kantonalen Recht festgelegten Dauer, maximal aber während sechs Wochen anzuordnen. Machen sie von dieser Möglichkeit Gebrauch, besteht (zwingend) eine kumulative Zuständigkeit der bezeichneten Ärzteschaft und der Erwachsenenschutzbehörde.17 Zu beachten sind auch bei der ärztlichen Un-terbringung die in Artikel 426 ZGB geregelten Voraussetzungen zur fürsorgerischen Unterbrin-gung.18 Dies hat unter anderem zur Folge, dass es sich auch bei der ärztlichen fürsorgerischen Unterbringung nicht um einen Ermessensentscheid handelt. Sind die Voraussetzungen gegeben, muss der Arzt die Einweisung anordnen und darf nicht darauf verzichten.19

Nach dem Wortlaut von Artikel 429 Absatz 1 ZGB ist es den Kantonen untersagt, andere Gesund-heitsfachpersonen als Ärztinnen oder Ärzte zu bezeichnen. Die Kantone können somit nur Ärztin-nen und Ärzte im Sinne des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2006 über die universitären Medizinal-berufe20 zulassen.21 Weitere Anforderungen bestehen von Bundesrechtswegen hingegen nicht.

Das Bundesrecht setzt auch nicht voraus, dass eine kantonale Berufsausübungsbewilligung

14 Vgl. GUILLOD, Erw.Schutz, N 1 und 5 zu Art. 427 und GEISER/ETZENSBERGER, BSK - ZGB I (5), N 8 zu Art. 427.

15 Vgl. ROSCH, Neues Erwachsenenschutzrecht, Art. 427, N 4.

16 Vgl. GEISER/ETZENSBERGER, BSK - ZGB I (5), N 12 zu Art. 427.

17 Vgl. BREITSCHMID, Peter / MATT, Isabel. In: BREITSCHMID, Peter; RUMO-JUNGO, Alexandra (Hrsg.): Handkommentar zum Schweizerischen Privatrecht - Personen- und Familienrecht inkl.

Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, 2. Auflage, Zürich 2012, N 1 zu Art. 429 und NIVEAU, Gérard.

In: BÜCHLER, Andrea; HÄFELI, Christoph; LEUBA, Audrey; STETTLER, Martin (Hrsg.):

Erwachsenenschutz, Bern 2013, Psychiatrisches, N 24.

18 Vgl. Botschaft Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (7065).

19 Vgl. GEISER/ETZENSBERGER, BSK - ZGB I (5), N 28 zu Art. 426 und Botschaft Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (7062).

20 SR 811.11.

21 Vgl. GUILLOD, Erw.Schutz, N 11 f. zu Art. 429.

liegen muss. Die Kantone können aber eine differenziertere Zuständigkeitsordnung vorsehen.22 Weiter können die Kantone auch die Ärzte bezeichnen, welche auf ihrem Gebiet zur Unterbringung zuständig sein sollen. Dies können somit maximal alle in der Schweiz zugelassenen Ärzte sein.

Anknüpfungspunkt hinsichtlich der zur Anwendung gelangenden kantonalen Bestimmungen ist immer der Ort, wo der Entscheid über die Einweisung gefällt wird; massgebend ist also der Auf-enthaltsort und nicht etwa der Wohnsitz der betreffenden Person.23

Weil bei der fürsorgerischen Unterbringung der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens sehr grosse Bedeutung zukommt, hat der Gesetzgeber die Einweisung durch eine Ärztin oder einen Arzt hin-sichtlich des Verfahrens in Artikel 430 ZGB besonders geregelt.24 Dabei handelt es sich aber um Mindestanforderungen. Die Kantone können auch weitergehende Bestimmungen aufstellen.25 Gemäss Artikel 430 Absatz 1 ZGB muss der einweisende Arzt die betroffene Person selbst unter-suchen. Dies bedeutet, dass die Ärztin oder der Arzt selber die Untersuchung vornehmen muss und diese nicht durch Hilfspersonen vornehmen lassen darf oder nur auf Angaben von Drittperso-nen abstellen kann. Auch ein Telefongespräch oder eine Kontaktaufnahme durch Skype oder ähn-liche technische Hilfsmittel genügen nicht, denn die Ärztin oder der Arzt und die betroffene Person müssen sich persönlich und direkt begegnet sein. Weiter hat die Untersuchung dem Einweisungs-entscheid unmittelbar voranzugehen, selbst wenn die Ärztin oder der Arzt die Patientin oder den Patienten gut kennt und aufgrund von vorangehenden Untersuchungen bestens informiert ist.26 Zusammen mit der Untersuchung muss der Arzt die betreffende Person mündlich anhören. Dies bedeutet, dass er die betroffene Person in verständlicher Weise über den Vorgang, die Gründe und die Folgen der Unterbringung informieren muss, damit sich diese sodann äussern und dazu Stellung nehmen kann. Dass der Zustand der betroffenen Person ein solches Gespräch häufig nur beschränkt zulässt, ist kein Grund, es zu unterlassen. Dies ist nur zulässig, wenn die Patientin o-der o-der Patient gar nicht ansprechbar ist. Spricht die betroffene Person nur eine Fremdsprache ist gegebenenfalls eine Dolmetscherin oder ein Dolmetscher beizuziehen.27

In Artikel 430 Absatz 2 ZGB stellt der Bundesgesetzgeber für die ärztliche Unterbringung gewisse minimale Formvorschriften auf. Die Kantone können weitere formelle Anforderungen stellen sowie Formulare kreieren und deren Verwendung verbindlich vorschreiben.28 Folgende Angaben muss der ärztliche Unterbringungsentscheid zwingend enthalten29:

- Ort und Datum der Untersuchung - wobei auch festzuhalten ist, wie die Ärztin oder der Arzt mit dem Fall in Kontakt gekommen ist sowie in groben Zügen, worin die Untersuchung bestanden hat;

22 Vgl. GEISER/ETZENSBERGER, BSK - ZGB I (5), N 5 f. zu Art. 429/430.

23 Vgl. GEISER/ETZENSBERGER, BSK - ZGB I (5), N 10 f. zu Art. 429/430.

24 Vgl. GEISER/ETZENSBERGER, BSK - ZGB I (5), N 19. zu Art 429/430.

25 Vgl. ROSCH, Neues Erwachsenenschutzrecht, Art. 429-430, N 4 und GUILLOD, Erw.Schutz, N 2 zu Art. 430.

26 Vgl. GEISER/ETZENSBERGER, BSK - ZGB I (5), N 20 f. zu Art. 429/430, GUILLOD, Erw.Schutz, N 4 zu Art. 430 und ROSCH, Neues Erwachsenenschutzrecht, Art. 429-430, N 4.

27 Vgl. GEISER/ETZENSBERGER, BSK - ZGB I (5), N 23 zu Art. 429/430, GUILLOD, Erw.Schutz, N 5 zu Art. 430, ROSCH, Neues Erwachsenenschutzrecht, Art. 429-430, N 4 sowie Botschaft Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (7065).

28 Vgl. GEISER/ETZENSBERGER, BSK - ZGB I (5), N 24 zu Art. 429/430 und GUILLOD, Erw.Schutz, N 13 zu Art. 430.

- Name der Ärztin oder des Arztes - wobei auch die Personalien anzugeben sind, so dass die entscheidende Person nachträglich identifiziert werden kann;

- den Befund der Untersuchung sowie den Zweck und die Gründe der Unterbringung - wobei die Ausführungen nur ausreichen müssen, damit die Einrichtung die Patientin oder den Patienten zweckdienlich aufnehmen kann;

- eine Rechtsmittelbelehrung - mit der Nennung der zehntägigen Beschwerdefrist und des zu-ständigen Gerichts.

Nicht im ZGB genannt werden folgende zwingende Elemente im Unterbringungsentscheid, welche sich von selbst ergeben30

- die Anordnung als solche,

- die Personalien der betroffenen Person, - die Dauer der Unterbringung,

- die konkrete Einrichtung in welche die Unterbringung erfolgt.

Gestützt auf Artikel 430 Absatz 4 ZGB muss der ärztliche Unterbringungsentscheid von Bundes-rechtswegen schriftlich ausgefertigt, der betroffenen Person sofort eröffnet und ausgehändigt wer-den. Ein weiteres Exemplar des Entscheids ist der Einrichtung zu übergeben.31

Weiter haben die Ärztin oder der Arzt gemäss Artikel 430 Absatz 5 ZGB nach Möglichkeit eine der betroffenen Person nahestehende Person schriftlich über die Unterbringung zu informieren. Zweck dieser Information ist sicherzustellen, dass die alltäglichen Interessen der betroffenen Person ge-wahrt werden können und dass jemand an ihrer Stelle gegebenenfalls eine gerichtliche Beurteilung der Einweisung verlangen kann. Wer informiert werden soll (und in welchem Umfang) entscheidet in erster Linie die von der Unterbringung betroffene Person. Kann sich diese nicht dazu äussern, muss die Ärztin oder der Arzt aufgrund der konkreten Umstände entscheiden, wer zu informieren ist. Es wird sich dabei in erster Linie um den Ehegatten, die eingetragene Partnerin oder den ein-getragenen Partner oder die Lebenspartnerin oder den Lebenspartner handeln. Infrage kommen aber ausnahmsweise auch die Kinder, die Eltern oder gar Nachbarn oder andere Vertrauensper-sonen. Will die betroffene Person, dass keine Mitteilung erfolgt, so ist dieser Wille zu respektie-ren.32

Ein gegen die ärztliche fürsorgerische Unterbringung ergriffenes Rechtsmittel hat gemäss Artikel 430 Absatz 3 keine aufschiebende Wirkung, es sei denn die Ärztin oder der Arzt oder das zustän-dige Gericht haben etwas anderes verfügt.33

29 Vgl. GEISER/ETZENSBERGER, BSK - ZGB I (5), N 26 zu Art. 429/430, GUILLOD, Erw.Schutz, N 9 ff.

zu Art. 430 und ROSCH, Neues Erwachsenenschutzrecht, Art. 429-430, N 5.

30 Vgl. GEISER/ETZENSBERGER, BSK - ZGB I (5), N 25 zu Art. 429/430, GUILLOD, Erw.Schutz, N 9 ff.

zu Art. 430 und ROSCH, Neues Erwachsenenschutzrecht, Art. 429-430, N 5.

31 Vgl. GEISER/ETZENSBERGER, BSK - ZGB I (5), N 24 und 28 ff. zu Art. 429/430, GUILLOD, Erw.Schutz, N 18 f. zu Art. 430

32 Vgl. GEISER/ETZENSBERGER, BSK - ZGB I (5), N 35 ff. zu Art. 429/430, GUILLOD, Erw.Schutz, N 19 ff. zu Art. 430, ROSCH, Neues Erwachsenenschutzrecht, Art. 429-430, N 7 und Botschaft Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (7066).

33 Vgl. GEISER/ETZENSBERGER, BSK - ZGB I (5), N 31 ff. zu Art. 429/430, GUILLOD, Erw.Schutz, N 14 ff. zu Art. 430 und ROSCH, Neues Erwachsenenschutzrecht, Art. 429-430, N 6.

4.4 Spezialfall III: fürsorgerische Unterbringung bei Minderjährigen

Gemäss Artikel 314b Absatz 1 ZGB (zur Unterbringung von Minderjährigen unter elterlicher Sorge) und gemäss dem gleichlautenden Artikel 327c Absatz 3 ZGB (zur Unterbringung von Minderjähri-gen unter Vormundschaft) sind die BestimmunMinderjähri-gen der fürsorgerischen Unterbringung für Erwach-sene sinngemäss anwendbar, wenn das Kind in einer geschlosErwach-senen Einrichtung oder in einer psychiatrischen Klinik untergebracht werden muss. Die Bestimmungen der fürsorgerischen Unter-bringung sind somit nur dann auch für Minderjährige anwendbar, wenn sie in psychiatrisch ausge-richteten Krankenhäusern untergebracht werden sollen oder in Einrichtungen (oder Teilen davon), in welchen sich eine wesentlich grössere Einschränkung (namentlich bezüglich der Bewegungs-freiheit ausserhalb der Institution) ergibt, als sie sich im Zusammenleben in Heimen von selbst versteht. Die Unterbringung in einem Schulheim dürfte somit in der Regel keine fürsorgerische Unterbringung darstellen.34

Die materielle Voraussetzung für eine fürsorgerische Unterbringung eines Kindes findet sich in Artikel 310 Absatz 1 ZGB zur Aufhebung des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Eltern (Obhuts-entzug) und nicht in Artikel 426 ZGB. Dies bedeutet, dass eine spezifisch kindesrechtliche Gefähr-dungslage vorliegen muss, indem das Kind in der elterlichen Obhut nicht so geschützt und geför-dert wird, wie es für seine körperliche, geistige und sittliche Entfaltung nötig wäre. Die Einwei-sungsgründe sind somit breiter gefasst als bei der Unterbringung Erwachsener.35

4.5 Spezialfall IV: Ärztliche fürsorgerische Unterbringung bei Minderjährigen

Die Zulässigkeit der ärztlichen fürsorgerischen Unterbringung von Minderjährigen wird in der Lehre noch unterschiedlich beurteilt (die Rechtsprechung musste sich bisher noch nicht dazu äussern).

Die Mehrheit der Autoren lassen sie zu, einer lehnt sie ab und mehrere Autoren äussern sich ver-halten.36 Der Grund dafür liegt vornehmlich in der unklaren Botschaft zur Änderung des Schweize-rischen Zivilgesetzbuches (Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht) vom 28. Juni 2006. Diese enthält zu Artikel 314b Absatz 1 ZGB (Unterbringung von Minderjährigen unter elterli-cher Sorge) lediglich den Hinweis, dass die materielle Voraussetzung für eine fürsorgerische Un-terbringung des Kindes sich in Artikel 310 Absatz 1 ZGB (Obhutsentzug) finde (vgl. dazu die Aus-führungen oben zu Punkt 4.4). Zur Anwendbarkeit von Artikel 429 und 430 (ärztliche fürsorgeri-sche Unterbringung) werden hingegen keine Ausführungen gemacht37. Dafür kann der Botschaft

34 Vgl. BIDERBOST, Yvo. In: BREITSCHMID, Peter; RUMO-JUNGO, Alexandra (Hrsg.):

Handkommentar zum Schweizerischen Privatrecht - Personen- und Familienrecht inkl. Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, 2. Auflage, Zürich 2012, N 2 zu Art. 314b.

35 Vgl. Botschaft Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (7102), BIDERBOST - Hankommentar Privatrecht, N 1 zu Art. 314b und COTTIER, Michelle. In: BÜCHLER, Andrea; HÄFELI, Christoph;

LEUBA, Audrey; STETTLER, Martin (Hrsg.): Erwachsenenschutz, Bern 2013, N 4 zu Art. 314b.

36 Zustimmend: COTTIER, Erw.Schutz, N 9 zu Art. 314b, BIDERBOST - Hankommentar Privatrecht, N 3 zu Art. 314b, BREITSCHMID, Peter. In: HONSELL, Heinrich; VOGT, Nedim Peter; GEISER, Thomas (Hrsg.): Basler Kommentar zum Zivilgesetzbuch I, 5. Auflage, Basel 2014, N 4 und 1 zu Art. 314b und wohl GEISER/ETZENSBERGER, BSK - ZGB I (5), N 7 zur Art. 426-439 – Ablehnend: ROSCH, Daniel, Die fürsorgerische Unterbringung im revidierten Kindes- und Erwachsenenschutzrecht. In:

AJP/PJA 2011, S. 505 (514) – Verhalten: REUSSER, Ruth E. In: GEISER, Thomas; REUSSER, Ruth E. (Hrsg.): Basler Kommentar Erwachsenenschutz, Basel 2012, Vorbemerkungen, N 78 sowie SCHMID, Hermann, Kommentar Erwachsenenschutz, Zürich/St. Gallen 2010, N 2 vor Art. 426-439.

37 Vgl. Botschaft Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (7102).

zum (gleich wie Artikel 314b Absatz 1 ZGB lautenden) Artikel 327c Absatz 3 ZGB (Unterbringung von Minderjährigen unter Vormundschaft) entnommen werden, dass die Einweisung in jedem Fall entweder durch eine Ärztin oder einen Arzt oder durch die Kindesschutzbehörde erfolgen soll.38 Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass auch die ärztliche fürsorgerische Unterbringung von Min-derjährigen zulässig ist. Dafür spricht auch, dass die ärztliche Unterbringung von MinMin-derjährigen nach altem Recht möglich war und die Botschaft keine Ausführungen enthält, wonach dies nach neuem Recht nicht mehr möglich sein soll.39

Der altrechtliche Artikel 314a Absatz 3 aZGB bestimmte, dass die Kantone als Kindesschutzmass-nahme für Fälle in denen Gefahr im Verzuge liegt oder das Kind psychisch krank ist, die Zustän-digkeit zur Unterbringung in einer Anstalt ausser der Vormundschaftsbehörde auch anderen ge-eigneten Stellen einräumen können. Die Lehre legte diese Bestimmung so aus, dass weil «andere geeignete Stellen» (andere als die Vormundschaftsbehörde) nicht zum Obhutsentzug berechtigt waren, diese (anderen Stellen) vorläufige Unterbringungen (zum Zweck weiterer Untersuchungen oder zur Begutachtung) anordnen konnten.40

Mit Ausnahme weniger Kantone enthalten die kantonalen Ausführungsbestimmungen zum KESR keine Bestimmungen zur ärztlichen fürsorgerischen Unterbringung von Minderjährigen. Gleichwohl wird sie (in Weiterführung der schon nach altem Recht geltenden Praxis) in zahlreichen Kantonen gestützt auf Artikel 314b Absatz 1 ZGB (beziehungsweise Artikel 327c Absatz 3 ZGB) in Verbin-dung mit Artikel 429 Absatz 2 ZGB praktiziert, auch ohne Obhutsentzug.41 Artikel 429 Absatz 2 ZGB besagt, dass die ärztliche Unterbringung spätestens nach Ablauf der festgelegten Dauer (maximal sechs Wochen) dahin fällt, sofern nicht inzwischen ein vollstreckbarer Unterbringungs-entscheid der Behörde vorliegt. Bei Minderjährigen ist damit ein Obhutsentzug gemäss Artikel 310 Absatz 1 ZGB gemeint (welcher ausschliesslich von der Kindesschutzbehörde angeordnet werden darf). Ein solcher Obhutsentzug muss somit nicht bereits im Zeitpunkt der ärztlichen Unterbringung vorliegen, sondern erst bei der anschliessenden ordentlichen Unterbringung durch die Kindes-schutzbehörde. Die fürsorgerische Unterbringung von Minderjährigen ist demnach als eine gegen-über dem Obhutsentzug selbständige Massnahme anzusehen.42

Die Kantone Aargau43 und Bern44 haben die ärztliche fürsorgerische Unterbringung (ohne vorgän-gigen Obhutsentzug) in ihren Ausführungserlassen zum KESR auch bei Minderjährigen explizit für

38 Vgl. Botschaft Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (7104).

39 Entsprechende Abklärungen des Rechtsdienstes der VGD bei Prof. Dr. iur. Thomas Geiser (Mitglied der Expertenkommission Revision Vormundschaftsrecht) ergaben, dass die Frage der Zulässigkeit der ärztlichen fürsorgerischen Unterbringung von Minderjährigen auch während der parlamentarischen Behandlung der Vorlage zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht kein Thema war.

40 Vgl. BREITSCHMID, Peter. In: HONSELL, Heinrich; VOGT, Nedim Peter; GEISER, Thomas (Hrsg.):

Basler Kommentar zum Zivilgesetzbuch I, 3. Auflage, Basel 2006, N 11 und 9 zu Art. 314/314a.

41 Auf Anfrage des Rechtsdienstes der VGD hat auch Dr. iur. Ruth E. Reusser (ehem. stv. Direktorin des Bundesamtes für Justiz und Leiterin der Expertenkommission Revision Vormundschaftsrecht) erklärt, dass die Kantone die ärztliche Einweisung von Minderjährigen nicht ausdrücklich vorsehen müssen, da sich diese aus dem Verweis von Artikel 314b ZGB ergebe.

42 Vgl. BREITSCHMID, BSK - ZGB I (5), N 13 zu Art. 310.

42 Vgl. BREITSCHMID, BSK - ZGB I (5), N 13 zu Art. 310.