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Die Anwendung des Begriffs Beschäftigungsfähigkeit in der Politik und Wissenschaft

5 Modernisierungsbedingter Wandel der Berufe und Profes- Profes-sionen

6 Die Beschäftigungsfähigkeit

6.3 Die Anwendung des Begriffs Beschäftigungsfähigkeit in der Politik und Wissenschaft

Der Begriff Beschäftigungsfähigkeit wird z. T. sehr unterschiedlich gedeutet. So werden in den Erklärungen und Kommuniqués im Rahmen der Bologna-Reform Praxisorientierung und Berufsorientierung äquivalent zu Employability verwendet.

Um dieses begriffliche Missverständnis aufzuheben, werden im Folgenden verschie-dene Definitionen und Begriffsbeschreibungen für Beschäftigungsfähigkeit aufgezeigt und abschließend eine Definition festgehalten, auf die in der aktuellen Diskussion am häufigsten zurückgegriffen wird und die in dieser Arbeit verwendet wird. Dazu wird als Erstes auf die Vorstellungen aus der Politik eingegangen. Anschließend werden wissenschaftliche Anwendungen vorgestellt.

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6.3.1 Die Anwendung in der Politik

Die Europäische Kommission, die die Beschäftigungsfähigkeit zu einem vorrangi-gen Aktionsbereich erklärt hat, versteht unter Beschäftigungsfähigkeit das Abzielen

„auf dynamische und auf dem neuesten Stand befindliche Kompetenzen und arbeits-marktorientiertes Verhalten einer jeden Erwerbsperson“ … „Beschäftigungsfähigkeit sollte die Beschäftigungssituation verbessern und die Erwerbsbevölkerung rüsten, sich an die Anforderungen der Arbeitsmärkte des 21. Jahrhunderts anzupassen“

(Weinert, 2001, S. 14f.).

In den Papieren des Deutschen Bundestages wurde 2002

BeschäftigungsfähigkeitP43F44P begrifflich folgendermaßen angewendet: Qualifikation („Wertschöpfungsfähigkeit“) und Flexibilität („Anpassungsfähigkeit“) der Arbeitnehmer/innen im Konzept der Beschäftigungsfähigkeit sind „einerseits die Eintrittskarte und andererseits die Aufenthaltsberechtigung für den Arbeitsmarkt“

(Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, 2002).

Damit geht das Begriffsverständnis des Bundestages weiter als das der Europäischen Kommission, da hier nicht nur die Befähigung für den Eintritt in den Arbeitsmarkt definiert wird, sondern auch die Notwendigkeit des Erhaltens der Befähigung. Sowohl beim Bundestag als auch der EU wird deutlich, dass die Aufgabe, Befähigung zu erlangen, in erster Linie dem Individuum zugeschrieben wird, dem allerdings durch entsprechende Bildungsinstitutionen die Möglichkeit des Erwerbs der Befähigung angeboten werden muss, woran also ein Bildungsauftrag gekoppelt ist. Dem Arbeits-markt als Akteur wird in diesen Interpretationen der Beschäftigungsfähigkeit keine Rolle zur Befähigung beigemessen.

Im Rahmen eines Bologna-SeminarsP44F45P, welches von Hochschul- und Arbeitsmarkt-forscher/innen der Mitgliedsstaaten im Jahr 2004 durchgeführt wurde, definierten die Teilnehmer/innen den Begriff Beschäftigungsfähigkeit als „eine Reihe von Errungen-schaften – Qualifikationen, Kompetenzen und persönlichen EigenErrungen-schaften –, die Absolventen mit einer größeren Wahrscheinlichkeit eine Anstellung finden lässt“ (zit.

nach Eckardt, 2005, S. 60). Dies soll durch den Aufbau von Qualitätssicherungs-systemen, die Einführung des Diploma Supplement, die Modularisierung der Studi-engänge, den Ausbau der Möglichkeiten für ein lebenslanges Lernen sowie die För-derung der Mobilität und der Internationalisierung des Studiums erreicht werden. Ein Hochschulstudium soll die Ausgangsqualifikationen erhöhen, was durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Hochschulen, Sozialpartnern und Studieren-den zu realisieren ist.

Hier ist der modernisierungsbedingte Wandel im Bereich der Arbeit aufgenommen worden und soll in den Bereich der Bildung transportiert werden. Allerdings wird stark

44 In dem Dokument wird allerdings Employability verwendet.

45The official Bologna Seminar on Employability in the context of the Bologna process. Bled/Slovenia 21st-23rd of October 2004. Quelle: http://www.ehea.info/Uploads/Seminars/041023Conclusions.pdf

59 an dem Qualifikationskonzept festgehalten, dass Individuen in speziellen Institu-tionen nach dem Berufskonzept (aus)gebildet werden, um in erster Linie den Einstieg in den Erwerbsprozess zu meistern. So wie es Beck mit seiner Modernisierungstheorie beschrieben hat, werden Elemente der Ersten Moderne (Berufskonzept, Qualifika-tionsorientierung) übernommen, um diese so zu ändern, dass sie dem modernisierten Arbeitsmarkt der Zweiten Moderne entsprechen.

6.3.2 Anwendungen in der Wissenschaft

Die Thematik des Kompetenzerwerbs zur Befähigung der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit hat Helmut Schelsky bereits 1965 angesprochen. Dort wird Beschäfti-gungsfähigkeit als „Berufskönnen“ bezeichnet. Das „Berufskönnen“, so Schelsky, „ist fast die einzige persönliche soziale Sicherheit, die der Mensch in den Krisen der modernen Gesellschaft besitzt“ (Schelsky, 1965, S. 27, in: Luckmann, 1972).

Schelsky bezieht sich dabei auf Karl Marx und fasst das Berufskönnen als das Produktionsmittel der modernen Gesellschaft auf, welches dem Arbeitnehmer auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten nicht genommen werden kann. Dieser Fakt trifft

„für den Facharbeiter genauso wie für den Gelehrten zu“ (Schelsky, 1965, S. 27, in:

Luckmann, 1972).

Beschäftigungsfähigkeit wird oft gleichgesetzt mit Praxis- oder Berufsorientierung.

Götz Schindler versteht unter Praxisorientierung „die Bezugnahme und Vorberei-tung der Studierenden auf die allgemeine berufliche Praxis, ohne dass bestimmte Berufe den Bezugspunkt darstellen“ (Schindler, 2004, S. 2). Genau hierin unterschei-det sich der Ansatz von Schindler von dem von Schelsky. Beschäftigungsfähigkeit ist nicht an einen Beruf gekoppelt, sondern an Erwerbstätigkeit im Allgemeinen. Die Berufsorientierung geht über die Praxisorientierung hinaus und „meint den Erwerb fachlich-inhaltlicher, methodischer und sozialer Qualifikationen für Tätigkeiten in einem speziellen berufsspezifischen Aufgabenspektrum“ (Schindler, 2004, S. 7). Für Schindler beinhaltet Beschäftigungsfähigkeit bezogen auf das Studium „nicht nur … den Erwerb von Fachkenntnissen und Praxiserfahrungen, die auf eine spätere Berufs-tätigkeit bezogen sind, sondern die Vermittlung von Fähigkeiten zu Selfmanagement, Selfmarketing und Selbstbehauptung im Beschäftigungssystem“ (Schindler, 2004, S.

8). Beschäftigungsfähigkeit ist demnach die Fähigkeit, den Eintritt in den Arbeits-markt zu meistern, sich auf dem ArbeitsArbeits-markt zu behaupten, den Änderungen des Arbeitsmarktes standzuhalten und bei Verlust des Arbeitsplatzes die Beschäftigungs-fähigkeit so zu gestalten, dass ein Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt gelingt.

Die Beschäftigungsfähigkeit für den Arbeitsmarkt der Wissensgesellschaft definiert Gertraude Mikl-Horke als „in der Persönlichkeit liegende, kognitive Eigenschaften“, die durch Politik und Wirtschaft definiert werden. Mikl-Horke sieht, obwohl weithin argumentiert wird, dass der „Einzelne […] sein ‚Humankapital‘ […] durch autonome Investitionen in Bildung erhöhen“ kann, letztlich die Beschäftigungsfähigkeit als von Politik und Wirtschaft definierte Kriterien der Arbeitsmarktbefähigung. Der Begriff der

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Beschäftigungsfähigkeit teilt die Gesellschaft somit in „Beschäftigbare“ und „Nicht-beschäftigbare“ (Mikl-Horke, 2007, S. 262). Dabei geht diese Aufteilung weiter als die weiter vorn beschriebene Verwendung des Begriffes Beschäftigungsfähigkeit zur Differenzierung von beschäftigungsfähigen und nichtbeschäftigungsfähigen Perso-nen, wie sie in den 1950er Jahren in den USA genutzt wurde. Die „Nichtbeschäftig-baren“ setzt Mikl-Horke nicht mit Arbeitslosen gleich, sondern sieht darin Randgrup-pen, die vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind. Mikl-Horke sieht in der Diskussion um die Beschäftigungsfähigkeit keine Lösung für Vollbeschäftigung, da der Gesell-schaft die Arbeit im Sinne der Erwerbsarbeit ausgeht (Mikl-Horke, 2007, S. 263).

Hier wird ein weiterer Aspekt, den auch Beck in seiner Modernisierungstheorie auf-gezeigt hatte, thematisiert. Die Diskussion um die Befähigung für den Arbeitsmarkt der Moderne allein wird nicht genügen, um dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung zu tragen.

Dieter Grühn hat in dem Artikel „Praxisorientierung in Bachelorstudiengängen“ zwei Schemata entwickelt, die die charakterisierenden Merkmale der Beschäftigungsfähig-keit strukturiert beschreiben. BeschäftigungsfähigBeschäftigungsfähig-keit ist für Grühn „Befähigung zum Managen des eigenen Lebens“ (Grühn, 2001, S. 107, in: Welbers/Waldeyer, 2001).

Ziel der Hochschule soll sein, den Absolvent/innen praxisorientierendes Wissen zu vermitteln, um die Beschäftigungsfähigkeit zu erlangen. Praxisorientierendes Wissen beinhaltet für Grühn, und er bezieht sich dabei auf Welbers (vgl. Welbers, 1999, S.

321–347), „biographisches Wissen über die eigenen Qualifikationen und Möglichkei-ten …“, „kulturelles Wissen, insofern es die eigene Rolle verstehbar macht und zu einer selbst gesteuerten Identitätsentwicklung beiträgt“, und „gesellschaftliches Wis-sen, insofern dies aus der Passivität führt und die Umwelt und die darin zu bestim-mende Rolle als gestaltbar ansieht“ (Grühn, 2001, S. 107, in: Welbers/Waldeyer, 2001).Er nennt die Beschäftigungsfähigkeit Handlungskompetenz, wobei seine Definition für Handlungskompetenz der Begriffsbeschreibung von Schindler sehr nahe kommt. „Unter Handlungskompetenz wird hier die individuelle qualifikatorische Grundlage für eine erfolgreiche umfassende Lebensführung verstanden.“

Insbesondere geht es ihm um die „Befähigung zur Berufsausübung“ (Grühn, 2001, S. 110f., in: Welbers/Waldeyer, 2001). Grühn unterscheidet vier Qualifikationstypen, die die Befähigung zur Berufsausübung bestimmen. Die Aufteilung der Qualifikationen und Kompetenzen, die Grühn der Handlungskompetenz zuschreibt, wird in der folgenden Abbildung gezeigt.

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Abbildung 6: Charakterisierung der Beschäftigungsfähigkeit nach Grühn (Quelle: Grühn, 2001, S. 111, in: Welbers/Waldeyer, 2001)

Katrin Kraus entwickelt das Schema von Grühn weiter und definiert Beschäftigungs-fähigkeit als „die Abkehr von tradierten Berufsstrukturen und -ordnungen sowie von gesellschaftlich definierten, formalen Qualifikationen und Hinwendungen zur indivi-duellen Kompetenz“ (Kraus, 2007, S. 84). Wolfgang Wittwer bezeichnet dies als

„biografieorientierte Kompetenzentwicklung“ (Wittwer, 2001, in: Kraus, 2007, S. 84).

Der Unterschied zwischen Beruf und Beschäftigungsfähigkeit liegt für Kraus darin, dass „Beruf … ein überbetriebliches, öffentlich-reguliertes Prinzip, an dessen Ausge-staltung mehrere Partner mitwirken“, ist, wohingegen die Beschäftigungsfähigkeit dem Individuum mehr Gestaltungsspielraum bietet als der Beruf und die Vorausset-zung von Beschäftigung ist (Kraus, 2007, S. 70). Kraus analysiert verschiedene Definitionen der Beschäftigungsfähigkeit und kommt selbst zu dem Schluss, dass Beschäftigungsfähigkeit „nicht klar definierbar ist und vielmehr einen Funktions-zusammenhang als ein klar abgrenzbares Ensemble von Qualifikationen und Kompe-tenzen beschreibt, trifft es doch angesichts der Unsicherheiten eines flexiblen

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Arbeitsmarktes gerade durch fehlende langfristig gesicherte und verlässliche Perspektiven im Erwerbsverlauf subjektive Orientierungsbemühungen“ (Kraus, 2007, S. 113). Die Beschäftigungsfähigkeit verbindet somit Bildung und Beruf. „Bildung steht in diesem Gegensatzpaar für die Orientierung am Individuum und die Ermög-lichung individueller Entfaltungen bzw. Vervollkommnung der Persönlichkeit, der Beruf hingegen für die Brauchbarkeit und die Anpassung des Menschen an äußere – gesellschaftliche oder ökonomische – Zwänge und Zwecke.“ (Krause, 2006, S. 51) Die Beschäftigungsfähigkeit bezieht sich auf die Möglichkeit, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, wobei insbesondere die individuelle Seite beleuchtet wird. Die Nutzung des Begriffs Beschäftigungsfähigkeit verdeutlicht, dass aufgrund der gesellschaft-lichen und ökonomischen Änderungsprozesse „zwischen Unternehmen und Beschäf-tigten … ein neuer Kontrakt“ eingegangen wird (Kraus, 2007, S. 62).

Bei der Beschäftigungsfähigkeit treten Staat, Unternehmen und Individuum mit jeweils eigenen Erwartungen miteinander in Verbindung. Die Unternehmen verfolgen das Ziel der Wettbewerbsfähigkeit und haben an die Individuen die Erwartung, dass diese Beschäftigungsfähigkeit erwerben, sowie an den Staat, insbesondere an (Aus-)Bildungseinrichtungen, dass die Grundlagen für den Erwerb dieser Fähigkeiten organisiert werden. Die Individuen verfolgen das Ziel, die Beschäftigungsfähigkeit zu erlangen, und haben Erwartungen gegenüber Unternehmen und Staat. Die Unter-nehmen sollen dem Individuum entsprechend seinen Fähigkeiten eine Beschäftigung anbieten. Die staatlichen Institutionen sollen, den Erwartungen der Individuen entsprechend, Möglichkeiten des Erwerbs der Beschäftigungsfähigkeit bieten. Der Staat verfolgt das Ziel, die Beschäftigungsfähigkeit zu erhöhen und zu sichern, indem die individuelle Beschäftigungsfähigkeit gefördert wird. Die staatliche Politik erwartet von den Unternehmen, dass die Individuen entsprechend ihrer Fähigkeiten beschäf-tigt werden und die Unternehmen interne Rahmenbedingungen für den Erwerb und den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit schaffen. Die staatliche Politik erwartet von den Individuen, dass sie den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit sichern (vgl. Kraus, 2007, S. 139). Hier wird sichtbar, dass Beschäftigungsfähigkeit kein individuelles Problem oder Anliegen ist, sondern durch das Zusammenspiel der verschiedenen Akteure Beschäftigungsfähigkeit von „gesellschaftlichen, sozialen und individuellen Restriktionen“ bestimmt wird (Kraus, 2007, S. 73).

Der Argumentation von Kraus wird hier gefolgt und die These vertreten, dass sich der traditionelle Beruf auflöst und die professionalisierten Berufe der Zweiten Moderne „biografieorientierte Kompetenzentwicklungen“ (Kraus, 2007) erfordern oder im Sinne der Modernisierungstheorie einer outputorientierten Bildung bedürfen.

Die Beschäftigungsfähigkeit als ein Konglomerat aus Fähigkeiten und Kompetenzen, die den Arbeitskraftunternehmer für die Ausübung von beruflichen Beschäfti-gungen/Erwerbstätigkeiten qualifizieren, die über das Anforderungsprofil der tradi-tionellen Berufe hinausgehen, ist eine Möglichkeit, die komplexen Anforderungen, wie individuelle, fachliche, fachübergreifende sowie fachnahe Fähigkeiten, zu bündeln.

Aktuelle Definitionen verknüpfen sowohl interaktive als auch kollektive Dimensionen.

„Beschäftigungsfähigkeit ist dabei … die relative Fähigkeit einer Person, unter Berücksichtigung der Interaktion zwischen ihren persönlichen Eigenschaften und dem Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu finden“ (Gazier, 2001, S. 27, in: Weinert u. a.,

63 2001). Auch Gazier sieht damit die Verantwortung nicht allein bei dem/der einzelnen Arbeitnehmer/in, die Humanressourcen den sich ändernden Arbeitsmarktbedin-gungen anzupassen, sondern es ist auch eine arbeitsmarktpolitische Komponente, das Möglichkeiten bspw. zum lebenslangen Lernen organisiert werden müssen, so wie es bei Kraus angesprochen wurde. Letztlich bieten sich dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin bessere Chancen, sich selbst zu vermarkten, wie auch dem Unter-nehmen, die eigene Leistungsfähigkeit zu optimieren. Es wäre ein Trugschluss, so die aktuelle Begriffsdiskussion, die Beschäftigungsfähigkeit allein als Persönlichkeits-merkmal zu beschreiben und sozioökonomische Faktoren außer Acht zu lassen.

Beschäftigungsfähigkeit bezieht sich nicht auf einzelne Berufe, sondern auf diverse Erwerbstätigkeiten innerhalb eines Einsatzbereiches. Eine Definition, die aktuell sehr häufig in Texten und Diskussionen um Beschäftigungsfähigkeit zu finden ist, beschreibt diese als „die Fähigkeit einer Person, auf der Grundlage ihrer fachlichen und Handlungskompetenzen, Wertschöpfungs- und Leistungsfähigkeit ihre kraft anbieten zu können und damit in das Erwerbsleben einzutreten, ihre Arbeits-stelle zu halten oder, wenn nötig, sich eine neue Erwerbsbeschäftigung zu suchen“

(Blancke/Roth/Schmid, 2000, S. 9). Damit ist Beschäftigungsfähigkeit mehr als Praxisorientierung oder Berufsorientierung. Beschäftigungsfähigkeit umfasst Fähig-keiten zum Managen der eigenen Zukunft, wobei hier erschwerend hinzukommt, dass das Erwerbsleben der Zweiten Moderne immer weniger planbar ist. Die Beschäfti-gungsfähigkeit fokussiert die Individualität, was sich insbesondere in der Erweiterung des Schlüsselqualifikationskonzeptes hin zum Kompetenzkonzept zeigt. In der Diskussion um die Beschäftigungsfähigkeit sind Einstellungen und Kompetenzen von Interesse, die für das individuelle Verhältnis zu Gesellschaft und Wirtschaft sowie insbesondere zur Bewältigung der Anforderungen in der Erwerbsarbeit maßgeblich sind. Beschäftigungsfähigkeit umfasst biografisches, kulturelles und gesellschaft-liches Wissen.

Sowohl Schelsky, Grühn, Schindler, Kraus als auch die Europäische Kommission, der Deutsche Bundestag und der Wissenschaftsrat betrachten die Beschäftigungsfähig-keit als individuelle FähigBeschäftigungsfähig-keit. Das erworbene Berufskönnen, wie Schelsky es nennt, geht dem Individuum auch in Krisensituationen nicht verloren und wird ihm auch nicht mit Ausscheiden aus einer Tätigkeit abgenommen. Wobei es hier durchaus unterschiedliche Auslegungen in den Texten gibt. Während sich Schelsky sehr stark auf den eigentlichen Arbeitsprozess bezieht, übertragen Schindler, Kraus und Grühn die Beschäftigungsfähigkeit als Handlungskompetenz oder als Selfmarke-ting, -management und Selbstbehauptung auch auf alle anderen Bereiche des Lebens. Diese Argumentation erscheint insbesondere der Situation des Wissensar-beiters oder eben des Arbeitskraftunternehmers zu entsprechen. Zudem verdeutlicht es die weiter vorn angesprochene Entgrenzung der Arbeit und die damit verbundene Durchdringung verschiedener Lebensbereiche durch Arbeit. Anhand des Fähigkeiten-bündels Beschäftigungsfähigkeit, welches während des gesamten Bildungszyklus erworben und erweitert wird, ist es dem Wissensarbeiter, dem Erwerbstätigen der Wissensgesellschaft, möglich, sein eigenes Leben zu organisieren.

Ziel der Beschäftigungsfähigkeit ist, und auch darüber besteht Einigkeit, die Erwerbs-tätigen zu befähigen, erwerbstätig zu sein. Dazu gehört, eine Erwerbsarbeit zu erlangen, sie auszuüben und beim Wechsel der Tätigkeit wiederum befähigt zu sein,

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eine andere Erwerbstätigkeit auszuüben, wobei die Beschäftigungsfähigkeit eine Einzigartigkeit hinsichtlich der Erwerbsarbeit des Individuums ist. Sowohl Grühn, Schindler als auch Kraus zeigen, dass es sich bei der Beschäftigungsfähigkeit um Fähigkeiten handelt, die den beruflichen wie auch den außerberuflichen Bereich tangieren. So ist dann auch logisch, dass ein solches Fähigkeitenbündel nicht in einem Kurs oder Seminar erworben oder erlernt werden kann. Nach dem Sprichwort

„Viele Wege führen nach Rom“ wird Beschäftigungsfähigkeit dann nicht nach einem vorgegebenen Muster, wie einer beruflichen Ausbildung, erworben, sondern die Indi-viduen haben die Möglichkeit, die Fähigkeiten, Kompetenzen und Qualifikationen auf vielfältige Weise zu erlangen. Die Beschäftigungsfähigkeit kann auch nicht mit einem Zertifikat belegt werden, da es sich um einen kontinuierlichen Prozess handelt, der im Sinne des lebenslangen Lernens frühestens dann abgeschlossen ist, wenn das Individuum in die Phase der Pensionierung eintritt. Die Meinungen über die Beschäf-tigungsfähigkeit differieren insbesondere in dem Bereich der Verantwortlichkeit und der genauen inhaltlichen Bestimmung. Es reicht inzwischen nicht mehr aus, ein

„Berufskönnen“, wie bei Schelsky dargestellt, zu erlangen, wenn sich, wie Kraus argumentiert, die Beruflichkeit im Rahmen der Modernisierung auflöst. Bei der Diskussion um die Beschäftigungsfähigkeit geht es um eine „Politik der Individuali-sierung“ (Kraus, 2007, S. 67), die darauf ausgerichtet ist, die individuellen Voraus-setzungen für eine Erwerbstätigkeit neu zu bestimmen. Insbesondere dieser Aspekt muss kritisch beobachtet werden, da die Fokussierung des Individuums die Unter-nehmen aus der Verantwortung entlässt und von der Bringepflicht in Form von Organisation von Weiterbildung und Konzipierung von Strategien der Personalent-wicklung entbindet. Hier greifen die Aspekte der reflexiven Modernisierung, die in den Abschnitten zuvor aufgezeigt wurden, in den Bereich des Individuums. Der moderne Erwerbstätige, der sich als „Portfolio Worker“ auf einem subjektivierten und fluiden Arbeitsmarkt bewegt, wird in die Situation versetzt, sich eine individuelle Wettbewerbsfähigkeit, und zwar die Beschäftigungsfähigkeit, anzueignen und zu behalten.

Beschäftigungsfähigkeit wird für diese Arbeit als Bündel an individuellen Fähigkeiten und Qualifikationen verstanden, die während des gesamten Bildungs- und Soziali-sationsprozesses eines Individuums erworben und weiterentwickelt werden. Diese Fähigkeiten finden in erster Linie im Erwerbsleben Anwendungen, wobei sie nicht auf diesen Bereich begrenzt werden können. Die Beschäftigungsfähigkeit umfasst die Bereiche Fachqualifikationen, fachliche Zusatzqualifikationen, fachnahe Schlüssel-qualifikationen und SchlüsselSchlüssel-qualifikationen. Bei der Vermittlung dieser Fähigkeiten und Qualifikationen sind diverse Akteure (das Individuum, welches die Beschäfti-gungsfähigkeit erlangen soll, Bildungsinstitutionen, Arbeitgeber/innen, der Staat) beteiligt. Die Anwendung des Konzeptes der Beschäftigungsfähigkeit im Kontext der Bildung – und hier insbesondere der Hochschulbildung – ist als Antwort auf den modernisierungsbedingten Wandel im Bereich der Arbeit zu verstehen, der darauf zielt, Studierende dahingehend zu befähigen, dass sie in einen (sachlich, sozial, räumlich, zeitlich) entgrenzten Arbeitsmarkt einsteigen und sich dort bewegen und entwickeln können.

Folgend wird der Begriff Beschäftigungsfähigkeit auf die hier untersuchte Gruppe der Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen angewendet.

65 6.4 Geistes- und Sozialwissenschaften und Beschäftigungsfähigkeit

Nach der Analyse des gesellschaftlichen Wandels sowie der begrifflichen Klärungen von Arbeit, Beruf und Beschäftigungsfähigkeit ist es nun an der Zeit festzulegen, was Beschäftigungsfähigkeit bezogen auf die Geistes- und Sozialwissenschaften bedeutet.

Welche Fähigkeiten benötigen Absolvent/innen, um einer bildungsadäquaten Tätig-keit nachzugehen oder eine Profession auszuüben, und wie werden Studierende der Geistes- und Sozialwissenschaften im Rahmen des universitären Studiums nach diesem Konzept qualifiziert? Wie weiter vorn bereits erläutert wurde, sollte bei Erwerbstätigkeiten im geistes- und sozialwissenschaftlichen Bereich nicht von Berufen gesprochen werden, da sie die Kriterien des Berufes nach dem Berufskonzept nicht erfüllen.

Zur Klärung der Frage der Beschäftigungsfähigkeit von Geistes- und Sozialwissen-schaftler/innen ist es erforderlich, genau zu bestimmen, welche Fächer zu den Geistes- und Sozialwissenschaften gezählt werden, da die Zuordnung in verschie-denen Diskussionen unterschiedlich erfolgt. Zur abschließenden Klärung der Frage, ob Absolvent/innen mit einem Bachelor oder Master in einem geistes- oder sozialwis-senschaftlichen Fach Beschäftigungsfähigkeit erlangen, ist ein Abgleich mit den Erwartungen der Unternehmen notwendig. Dies erfolgt im zweiten Teil dieser Arbeit, ebenso wie die Untersuchung der Absolvent/innen hinsichtlich ihrer eigenen Einschät-zung.

Bevor auf die Differenzierung der Fachdisziplinen in den Geistes- und Sozialwissen-schaften eingegangen wird, seien Aspekte zur Einteilung der wissenschaftlichen Disziplinen von Rudolf Stichweh vorausgeschickt. Stichweh definiert wissenschaft-liche Disziplinen als „Formen sozialer Institutionalisierung eines mit vergleichsweise unklaren Grenzziehungen verlaufenden Prozesses kognitiver Differenzierung der Wissenschaft“ (Stichweh, 1994, S. 17). Eine wissenschaftliche Disziplin ist geprägt durch:

1. einen hinreichend homogenen Kommunikationszusammenhang von Forschern

1. einen hinreichend homogenen Kommunikationszusammenhang von Forschern