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Antivirale Therapie

Im Dokument Die Immunschwäche der Katze (Seite 47-51)

4 Die FIV–Infektion der Katze

4.7 Therapie

4.7.1 Antivirale Therapie

Speziell für den Veterinärbedarf wurde bisher nur das feline Interferon-ω entwickelt, das – im Gegensatz zu anderen antiviralen Medikamenten – in Japan sowie in mehreren europäischen Ländern, wie z. B. in Deutschland, zugelassen ist. Es handelt sich dabei um ein rekombinantes Produkt, gegen welches die Katzen offenbar auch unter Langzeitanwendung keine Antikörper bilden. Untersuchungen von Hartmann/Hein ergaben 2008, dass die einzige Studie, in der Interferon-ω bis dato hinsichtlich seiner Effektivität überprüft wurde, keinen signifikanten Unterschied in der Überlebensrate zwischen behandelten und unbehandelten FIV-infizierten Katzen nachweisen konnte. Weiterhin war die Untersuchung wenig aussagekräftig, da sie keine Messungen der Viruslast (Virusload) oder der CD4+-Zellen mit einbezog.

Daneben steht heute eine, wenn auch geringe, Reihe an antiviralen und immunstimulierenden Chemotherapeutika für die Bekämpfung der Immunschwäche bei Katzen zur Verfügung, die im Rahmen der HIV-Forschung entwickelt worden sind und demzufolge auch bei Menschen mit einer HIV-Infektion verabreicht werden.23 Dennoch werden diese Medikamente in der Tierarztpraxis kaum genutzt, was unter anderem auch daran liegen mag, dass es bisher nur wenige kontrollierte in-vitro-Studien als auch in-vivo-in-vitro-Studien an natürlich infizierten Tieren gegeben hat und dass die Erkenntnisse über die Anwendung entsprechender Chemotherapeutika bei Katzen daher kaum gesichert sind. Dennoch konnte die Effektivität vieler Chemotherapeutika, die bei HIV zum Einsatz kommen, auch gegen das FIV belegt werden. Meist dient das FIV in diesen Untersuchungen freilich als Modell, weshalb

„die meisten dieser Medikamente nie für die Veterinärmedizin zugänglich sein“

werden (Hartmann/Hein 2008, 13). Darüber hinaus lassen sich die erzielten Erfolge der antiviralen Substanzen bei FIV-infizierten Tieren letztlich nicht mit denen, die sich bei HIV-infizierten Menschen einstellen, vergleichen.

Für Katzen sind folgende antivirale Wirkstoffe zugelassen: Zidovudin (AZT, 3’-Azido-2’,3’-Dideoxythymidin; Handelsname: Retrovir®), Interferone (humanes Interferon-α und felines Interferon-ω), Foscarnet (Phosphonoformat) sowie Ribavirin24 (1-β-D-Ribofuranosyl-1H-1,2,4-Triazol-3-Carboxamid, RTCA) (Hartmann/Hein 2008, 13). Die

23 Vgl. hierzu Tabelle 13.6.3 bei NELSON/COUTO (2003), 1379. Die Autoren listen darin Medikamente auf, die bei virämischen, kranken Katzen angewendet werden können und geben Hinweise zu deren genauer Administration. Vgl. darüber hinaus Tabelle 1.5, S. 15 und Tabelle 1.6, S. 16 bei HARTMANN/HEIN (2008). In der Tabelle 1.5 sind allgemein Medikamente aufgeführt, die eine Wirkung bei einer FIV-Infektion zeigen. Zudem gibt diese Tabelle Aufschluss über Wirksamkeit, Toxizität und Kontraindikation der einzelnen Chemotherapeutika bei Katzen. In der Tabelle 1.6 sind hingegen nur die Substanzen zusammengefasst, die heute gewöhnlich bei einer FIV-Infektion zum Einsatz kommen. Darüber hinaus wird darin die jeweilige Dosierung und Darreichungsform genannt.

24 Siehe speziell zu diesem Wirkstoff HARTMANN/HEIN 2008, 55.

beiden letzteren sind allerdings für Katzen ausgesprochen toxisch, weshalb sie nur sehr eingeschränkt angewendet werden.

Die meisten Erfahrungen hat man bislang mit AZT gesammelt, einer Substanz, die sich hemmend auf die Reverse Transkriptase der Retroviren auswirkt, indem sie im Verlauf des Virenreplikationszyklus in den dabei entstehenden DNA-Strang eingebaut wird und auf diese Weise eine Neuinfektion der Zellen verhindert.25 In der Bekämpfung des HIV hat sich der Wirkstoff im Rahmen von Kombinationstherapien längst etabliert, wenn mittlerweile auch bereits resistente HIV-Mutanten aufgetreten sind (Horzinek 1990; Hartmann/Hein 2008). Die Meinungen bezüglich der Effektivität der Substanz bei Katzen sind freilich geteilt (Nelson/Couto 2003). Gemäß Hartmann/Hein reduziert AZT jedoch „den Plasma-Virus-Load“, es „verbessert den immunologischen Status bei FIV-infizierten Katzen, hat einen positiven Einfluss auf die klinischen Symptome (z. B. Stomatitis, neurologische Symptome) und führt zu einer Verlängerung der symptomfreien Phase.“ Durch diese Wirkungsweise wird für das infizierte Tier im Regelfall sowohl eine verbesserte Lebensqualität als auch eine erhöhte Lebenserwartung erzielt (Hartmann 2003). Langzeitstudien mit dem Chemotherapeutikum belegen, dass die Katzen die Substanz, trotz deren Toxizität für die Tiere, verhältnismäßig gut vertragen (Hart/Nolte 1993; Hartmann et al. 1995a und b). Allerdings sollte in regelmäßigen Abständen das Blut kontrolliert werden, da AZT in höheren Dosen eine aregenerative Anämie bewirken kann. Der Tierarzt sollte die Therapie dringend unterbrechen, wenn der Hämatokritwert die Marke von 20 % unterschreitet. AZT ist lediglich bei erkrankten FIV-infizierten Tieren indiziert, insbesondere, wenn sie unter Stomatitiden und/oder neurologischen Symptomen leiden. Der Wirkstoff wird gewöhnlich alle zwölf Stunden in einer Dosierung von 5 mg/kg entweder per os oder subkutan appliziert. Die Erfahrung lehrt, dass analog zum HIV „bereits nach sechs Monaten resistente FIV-Stämme entstehen“ können (Hartmann/Hein 2008, 13).

Neben dem felinen Interferon-ω wird auch humanes Interferon-α in der Therapie der FIV-Infektion genutzt. Unterschiede bezüglich der Effektivität beider Substanzen sind

25 Zu der Anwendung von AZT siehe HARTMANN et al. 1995a und b.

diskutiert worden, konnten jedoch nicht belegt werden. Interferone zeigen zwar immunmodulatorische Effekte, entfalten allerdings auch eine direkte antivirale Wirkung, indem sie die Synthese viraler Nukleinsäuren und Proteine behindern.

„Interferone binden an spezifische Zellrezeptoren, die Enzyme aktivieren, die“

wiederum „die Synthese, den Zusammenbau und die Freisetzung von Viren hemmen“ (Hartmann/Hein 2008, 14). Wie das feline Interferon-ω wurde auch das humane Interferon-α als rekombinantes Produkt eingeführt. Damit eine antivirale Wirkung eintreten kann, muss das Medikament jedoch in hohen parenteralen Dosen verabreicht werden, wobei Katzen bereits nach kurzer Zeit – zwischen drei und sieben Wochen – neutralisierende Antikörper gegen humane Interferone bilden (Hartmann/Hein 2008). Daher wäre eine orale Gabe zu bevorzugen, die sich allerdings nur immunstimulierend auswirkt. Letzteres gilt es jedoch bei FIV-Infektionen zu vermeiden, weshalb eine orale Applikation von Interferon-α nicht sinnvoll erscheint.

Eine weitere gebräuchliche Substanz ist das bovine Lactoferrin, das bei vielen Säugetieren natürlicherweise in Schleimhautepithelzellen entsteht und daher beispielsweise in Milch, Speichel, Tränen-, Samen- und Vaginalflüssigkeit sowie in äußerst geringen Mengen auch im Blutplasma vorkommt. Es handelt sich dabei um ein Eisen bindendes Glykoprotein. Nebenwirkungen sind bisher keine bekannt.

Lactoferrin entfaltet nicht nur antivirale Wirkungen, sondern auch antibakterielle, antimykotische und antiprotozoale, weshalb es auch im Hinblick auf Sekundärerkrankungen, die mit der FIV-Infektion in Zusammenhang stehen, von Interesse sein kann. Insbesondere in der Behandlung von therapieresistenten Stomatitiden hat sich die Substanz als hilfreich erwiesen (Sato et al. 1996;

Nelson/Couto 2003). Lactoferrin „ist als Pulver erhältlich, das lokal […] auf die veränderten Schleimhautstellen aufgebracht wird“ (Hartmann/Hein 2008, 14). Man trägt es alle 24 Stunden mindestens vierzehn Tage lang in einer Dosierung von 200 mg/kg mit dem Finger, einer weichen Zahnbürste oder in Lösung mithilfe einer Spritze auf.

Mit dem Stammzellaktivator AMD3100, der bisher bei Patienten nach

Knochenmarkstransplantationen eingesetzt wird, jedoch nicht als antiviraler Wirkstoff zugelassen ist, steht im Armametrium zur Bekämpfung der FIV-Infektion mittlerweile noch ein weiteres Erfolg versprechendes Mittel zur Verfügung. In einer in-vitro-Studie konnte die Effektivität von AMD3100 gegen FIV nachgewiesen werden. Darüber hinaus verbesserten sich die klinischen Symptome bei natürlich infizierten Katzen, die im Rahmen einer placebokontrollierten Doppelblindstudie mit dem Wirkstoff behandelt worden waren, in statistisch signifikanter Weise. Das Medikament senkte zudem die Viruslast. Nebenwirkungen traten in dieser Studie nicht auf (Hartmann/Hein 2008).

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