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Das Ziel der vorliegenden Studie war die Erarbeitung eines geeigneten Schmerzmanagements für Hunde, die wegen traumatisch bedingter Frakturen operiert wurden. Da die Kombination aus multimodaler und präemptiver Schmerztherapie als das optimale Konzept einer perioperativen Schmerztherapie angesehen wird (DAHL et al. 1990), sollte untersucht werden, ob dieser präventive analgetische Effekt auch bei Frakturpatienten zu erzielen ist. Dazu wurden Analgetika verschiedener Substanzklassen verwendet und bereits präoperativ mit deren Applikation begonnen. Aus ethischen Gründen wurde auf eine Plazebogruppe verzichtet.

Neben der Überprüfung der analgetischen Eigenschaften der verwendeten Schmerzmittel sollte auch eingehend untersucht werden, welche Nebenwirkungen durch die 5-tägige Anwendung von Carprofen auftreten, und ob die präoperative Carprofenapplikation ein erhöhtes Risiko an Nebenwirkungen bedingt.

5.1 Antinozizeptive Effizienz

Im Rahmen der hier durchgeführten multimodalen Analgesie wurden Carprofen als NSAID, Mepivacain als Lokalanästhetikum und die Opioide Buprenorphin, Fentanyl oder Levo-methadon verwendet. Zur Durchführung einer präemptiven Analgesie wurde den Patienten aller Gruppen dieser Studie Levomethadon präoperativ im Abstand von 4 bis 6 Stunden und zur Narkoseeinleitung verabreicht. In den Gruppen Cprä und LCprä erfolgte die Applikation von Carprofen 1 Stunde vor Einleitung und in den Gruppen LCpost und LCprä wurde eine Lokalanästhesie mit Mepivacain 15 Minuten vor der Operation durchgeführt. Damit sollte einer bei Frakturpatienten teilweise schon eingetretenen Sensibilisierung des Nervensystems (KISSIN 1996) möglichst frühzeitig entgegengewirkt sowie eine weitere periphere wie auch zentrale Sensibilisierung durch das folgende Operationstrauma verhindert werden.

Es zeigten sich in den beiden Lokalanästhesiegruppen LCpost und LCprä vor allem während der ersten 6 Stunden post operationem deutlich niedrigere VAS-Schmerzgrade im Vergleich zu den Gruppen Cpost und Cprä. Im Unterschied zu den Kollektiven Cpost und Cprä, in denen zum Teil über die Hälfte der Patienten während der ersten 6 Stunden postoperativ zusätzlich Fentanyl benötigten, war dies nur bei einem Patienten aus den Lokalanästhesiegruppen erforderlich. In anderen Studien an Menschen oder Tieren war durch eine präoperative Lokalanästhesie ebenfalls eine deutliche Reduktion des postoperativen Schmerzgrades zu

erreichen gewesen (RINGROSE und CROSS 1984, OWEN et al. 1986, McQUAY et al. 1988, TVERSKOY et al. 1990, JEBELES et al. 1991, EJLERSEN et al. 1992, HEARD et al. 1992, HENDRIX et al. 1996). Einschränkend muss jedoch angemerkt werden, dass die Untersu-chungen in den zitierten Studien nur an Patienten durchgeführt wurden, die präoperativ noch kein Trauma und damit keine Schmerzen erfahren hatten. Im Gegensatz dazu musste bei den Frakturpatienten der eigenen Studie bereits von einer Sensibilisierung des Nervensystems ausgegangen werden (KISSIN 1996). Dennoch konnte auch bei den selbst untersuchten Patienten ein präemptiver analgetischer Effekt der Lokalanästhesie nachgewiesen werden.

Diese Beobachtung steht im Einklang mit Studien am Menschen, in der auch Frakturpatienten eine Verbesserung des postoperativen Schmerzgrades durch die präoperative Durchführung einer Lokalanästhesie erfuhren (AIDA et al. 1999, NORMAN et al. 2001). In vorliegender Studie wurde somit ein weit über die Wirkungsdauer von Mepivacain (90 bis 180 Minuten) hinaus andauernder analgetischer Effekt nach präoperativer Durchführung einer Epidural- oder Plexus-Brachialis-Blockade erzielt. Dies ist vermutlich durch die starke Begrenzung der zentralen Sensibilisierung durch das Lokalanästhetikum zu erklären (BROSE und COUSINS 1991, DEVOR 1992). Andere Autoren beobachteten dagegen im Widerspruch zur eigenen Untersuchung und der von NORMAN et al. (2001) und AIDA et al. (1999) einen analgetischen Effekt nach Durchführung einer Epiduralanästhesie ausschließlich für die Dauer der Operation, nicht jedoch in der postoperativen Phase (BUGEDO et al. 1990, DAHL et al. 1992).

Der intraoperative Effekt der Lokalanästhesie wurde in vorliegender Studie vor allem durch den deutlich geringeren intraoperativen Isofluranverbrauch in den Lokalanästhesiegruppen im Vergleich zu den Gruppen Cpost und Cprä deutlich. Damit ist offensichtlich, daß die zusätzliche Lokalanästhesie die Narkose für den Patienten schonender macht und gleichzeitig eine Kostensenkung durch Dosisreduktion insbesondere der volatilen Anästhetika erreicht wird (TORSKE et al. 1998).

Bei professioneller Durchführung und Einhaltung steriler Kautelen ist das Risiko von Nebenwirkungen durch eine Lokalanästhesie äußerst gering, weshalb lokalanästhetische Techniken angesichts hervorragender intra- und postoperativer Analgesie einen äußerst wichtigen Bestandteil der präemptiven und multimodalen Schmerztherapie darstellen (KLIDE und SOMA 1968, HENDRIX et al. 1996).

Ein präemptiver Effekt wurde in den Gruppen LCpost und LCprä zwar für das Lokalanästhe-tikum festgestellt, doch führte die gleichzeitige präoperative Carprofenapplikation in diesen beiden Gruppen zu keiner weiteren Verbesserung der VAS-Schmerzgrade oder zu keiner Reduktion des zusätzlichen Opioidverbrauchs in der postoperativen Phase. Somit konnte bei

gleichzeitiger Durchführung einer Lokalanästhesie für Carprofen kein präemptiver Effekt nachgewiesen werden. Die starke lokalanästhetische Wirkung des Mepivacains führte wahrscheinlich zu einer Maskierung des präemptiven Carprofeneffektes in Gruppe LCprä.

Außerdem kam es möglicherweise durch die gleichzeitige präoperative Anwendung von Levomethadon zu einer Potenzierung des lokalanästhetischen Effektes des Mepivacains, was ebenfalls einen deutlicheren präemptiven Carprofeneffekt verhindert haben könnte. HILL et al.

(1987), DUPUIS et al. (1988) und BIGLER et al. (1992) konnten durch die präoperative Applikation eines NSAID und der gleichzeitigen Durchführung einer Lokalanästhesie und der Anwendung von Opioiden beim Menschen ebenfalls keinen zusätzlichen analgetischen Effekt nachweisen.

Wurde dagegen kein Lokalanästhetikum verwendet, konnten nach der präoperativen Applikation von Carprofen in Gruppe Cprä zwar geringere Schmerzgrade, bessere Belastungsgrade und ein geringerer Opioidverbrauch im Vergleich zu Gruppe Cpost beobachtet werden, doch konnte dies rechnerisch nicht belegt werden. Einen deutlichen präemptiven Carprofeneffekt erreichten dagegen LASCELLES et al. (1998) bei Hündinnen, die ovariohysterektomiert wurden. Also bei Patienten, die nicht bereits vor der Operation durch ein schmerzhaftes Trauma sensibilisiert waren. Beim Menschen erzielten DIONNE und COOPER (1978) und HILL et al. (1987) durch die präoperative Anwendung von Ibuprofen ebenfalls eine Verbesserung des postoperativen Schmerzgrades. Der präemptive Carprofeneffekt der Gruppe Cprä fiel unter Umständen in vorliegender Studie deshalb nicht so deutlich aus, weil bei den eigenen Frakturpatienten bei Vorstellung in der Klinik bereits eine Schmerzsensibilisierung stattgefunden hat (KISSIN 1996, AIDA et al. 2000, VANLERSBERGHE et al 1996). Vor allem aber könnte das zur Reduktion und Verhinderung einer weiteren zentralen oder peripheren Sensibilisierung schon präoperativ eingesetzte Opioid einen deutlicheren präventiven Carprofeneffekt überdeckt haben. So gelang es auch in vielen anderen Studien nicht, den postoperativen Schmerz durch die präoperative Applikation eines NSAID bei gleichzeitiger Applikation von Opioiden zu verringern (DICKENSON und SULLIVAN 1987, HILL et al. 1987, DUPUIS et al. 1988, DICKENSON et al. 1990, BIGLER et al. 1992, KATZ et al. 1992, TVERSKOY et al. 1994, PASCOE 2000). Nach DIERKING et al. (1992) kann durch eine präoperative Opioidgabe sogar ein postoperativer lokalanästhetischer Effekt maskiert werden.

Um den Erfolg einer Schmerztherapie zu überwachen, ist eine akkurate Schmerzbeurteilung Vorraussetzung. Nach MORTON und GRIFFITHS (1985) gibt es jedoch keine objektive

Methode für die Messung der Intensität von Schmerzen bei Tieren und die subjektive Einschätzung des Schmerzgrades gestaltet sich bei Tieren schwierig (MÖLLENHOFF 2001, WACKER 2002). Einerseits können Tiere ihren Schmerz nicht verbalisieren, andererseits reflektiert das Verhalten oft nicht den tatsächlichen Schmerzgrad (MANNE et al. 1992). Die Schmerzbeurteilung ist zudem stark abhängig von Alter, Rasse und Größe des Individuums;

Domestikations- und Sozialisierungsgrad beeinflussen die Schmerzbeurteilung ebenfalls sehr stark (HART und MILLER 1985, HANSEN 1997).

Wie in zahlreichen anderen Studien (MANNE et al. 1992, WELSH et al. 1993, CONZEMIUS et al. 1997) eigneten sich auch in vorliegender Studie die subjektiven Schmerzbeurteilungs-systeme VAS und NRS am besten zur Beurteilung des Analgesiegrades. Die visuell analoge Schmerzbeurteilung ist häufig sensitiver als die Beurteilung mit dem NRS-System (REID and NOLAN 1991, LASCELLES et al. 1994, LASCELLES et al. 1998, WACKER 2002), da im VAS-System individuelle Schwankungen und Rasseunterschiede berücksichtigt werden können und der Untersucher sich nicht an ein vorgegebenes starres Schema halten muss (MANNE et al. 1992, WELSH et al. 1993, CONZEMIUS et al. 1997).

Außerdem erwies sich in vorliegender Studie der postoperative Opioidverbrauch als geeigneter Schmerzindikator. Bei den Patienten, denen postoperativ zusätzlich Opioide appliziert wurden, trat hierauf eine deutliche Verringerung der Schmerzen ein, womit deren korrekte Einschätzung überprüft wurde. Sowohl in human- als auch in veterinärmedizinischen Studien gilt der postoperative Opioidverbrauch entsprechend als wichtiger Parameter zur Schmerzbeurteilung (RINGROSE und CROSS 1984, TVERSKOY et al. 1990, SLINGSBY und WATERMAN-PEARSON 1998, GRISNEAUX et al. 1999).

Dagegen konnte in der eigenen Studie zwischen VAS-System und Lahmheitsgrad oder mechanisch nozizeptiver Schwelle keine Korrelation nachgewiesen werden. So zeigten Hunde mit niedrigen VAS- und NRS-Schmerzgraden oft hohe Lahmheitsgrade und niedrige mechanisch nozizeptive Schwellenwerte und umgekehrt. CONZEMIUS et al. (1997), MÖLLENHOFF (2001) und WACKER (2002) halten die mechanisch nozizeptive Schwelle jedoch als geeignet zur Bestimmung des Analgesiegrades, obwohl die Messung abhängig ist von Messlokalisation, Hauttemperatur, Alter und Rasse und durch Aufregung oder Angst beeinflusst werden kann (HART und MILLER 1985, JOHNSON 1991a, LASCELLES et al.

1998). In der eigenen Studie ermöglichte die Messung der mechanisch nozizeptiven Schwelle bei stark sedierten Patienten zwischen Sedation und Analgesie zu unterscheiden. Ein Ergebnis, das auch in anderen Studien genutzt wurde (WATERMAN und KALTHUM 1992, WACKER 2002).

Im Unterschied zu vorliegender Studie beobachteten WELSH et al. (1993), HARDIE (2001) und MÖLLENHOFF (2001) eine gute Korrelation zwischen Belastungs- und Schmerzgraden.

Da mechanische oder neurologische Defizite neben Schmerz ebenfalls zu postoperativ erhöhten Lahmheitsgraden führen können, ist die Verwendung des Lahmheitsgrades als Schmerzindikator lediglich eingeschränkt möglich (VASSEUR et al. 1995).

Aufgrund sehr hoher Standardabweichungen und einer geringen Korrelation zum VAS- oder NRS-System und zum postoperativen Opioidverbrauch erwiesen sich in vorliegender Studie die Messung der Herz- und Atemfrequenz sowie die des Blutdruckes als ungeeignet zur Schmerzbeurteilung. Infolge Aktivierung des sympathoadrenalen Systems kann Schmerz zwar zu einer Erhöhung der Herz- und Atemfrequenz sowie des Blutdruckes führen (RUTBERG et al. 1984, FRAYN 1986, JOHNSON 1991b, HABERSTROH 1993), andererseits haben auch Angst, Stress, Analgetika, Anästhetika oder andere Erkrankungen einen unterschiedlichen Einfluß. Die Messung der Herz- und Atemfrequenz sowie des Blutdruckes wird daher von den allermeisten Autoren als unzureichend für die Beurteilung des Analgesiegrades angesehen (AITKENHEAD 1989, CONZEMIUS 1997, HANSEN 1997, HOLTON et al. 1998, MÖLLENHOFF 2001, WACKER 2002).

Als ebenfalls nicht geeignete Schmerzindikatoren erwiesen sich in der eigenen Studie die Glukose- und Kortisolkonzentration. Während AITKENHEAD (1989) und CONZEMIUS et al. (1997) ähnliche Beobachtungen machen konnten, stellten MÖLLENHOFF (2001) eine positive Korrelation zwischen Schmerzgrad und Glukosekonzentration und GRISNEAUX et al. (1999), WALSH et al. (1999) und MÖLLENHOFF (2001) eine gute Übereinstimmung zwischen Schmerzgrad und Kortisolkonzentration fest.