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Anschreiben/Einholen einer wirksamen Einwilligung zur Datenerhebung

C. Familienbesuch und seine (datenschutz-) rechtliche Würdigung

II. Anschreiben/Einholen einer wirksamen Einwilligung zur Datenerhebung

Die für die Information der (werdenden) Eltern zuständige Stelle ist befugt, mit den Eltern Kontakt aufzunehmen. Auch bei der Art, wie die erste Kontaktaufnahme gestaltet wird, mit der eine Einwilligung zum Besuch – und damit auch zu der mit dem Besuch verbundenen Datenerhebung – eingeholt werden soll, bestehen in den Modellkommunen unterschiedliche Vorgehensweisen:

1. Anforderung des Besuchs mittels Rückantwortpostkarte

Zum Teil versenden die Kommunen Schreiben, in denen sie auf die Möglich-keit des Willkommensbesuchs hinweisen. Dieser kann mittels Rückant-wortpostkarte angefordert werden. Es sei darauf hingewiesen, dass hierzu ausreichend ist, dass ein Elternteil den Besuch anfordert und damit sein Einverständnis erteilt. Das Schreiben ist an die Eltern gerichtet. Antwor- tet ein Elternteil, ist davon auszugehen, dass dieser bevollmächtigt ist (§ 167 BGB), entweder selbstständig den Besuch für sich zu wünschen und/

oder für den anderen Elternteil bzw die anderen Haushaltsangehörigen

mitzusprechen. Im Hinblick auf das Kind ist davon auszugehen, dass beide Elternteile jeweils allein entscheidungsbefugt hinsichtlich des Familienbe-suchs sind (vgl. hierzu § 1687 Abs. 1 S. 3, § 1687a BGB).

Bei dieser Vorgehensweise entscheiden die Eltern, ob sie einen Willkom-mensbesuch bekommen möchten. Antworten sie zustimmend auf das An-gebot, ist von einer wirksamen Einwilligung auszugehen. Im Modellprojekt hat sich allerdings gezeigt, dass die Rücklaufquote nur sehr gering ist.45

2. Besuchsangebot mit Ablehnungsoption

In einigen Modellkommunen werden an die Familien Schreiben versandt, in denen ihnen ein Besuchsangebot mit Terminvorschlag gemacht wird.

Hierbei besteht eine Ablehnungsoption. Sofern die Eltern den Termin nicht ablehnen, erfolgt zum angekündigten Termin ein Familienbesuch.

In der mangelnden Ablehnung ist keine Einwilligung zu sehen. Schwei-gen ist grundsätzlich keine Willenserklärung. Es beinhaltet weder eine Zustimmung noch eine Ablehnung.46 Wird also der Besuch mit Termin angekündigt und erfolgt keine Antwort, kann der Familienbesuchsdienst nicht davon ausgehen, dass die Eltern hiermit dem Besuch zustimmen.

Mit dem Schweigen haben die Eltern noch nicht über ihre Grundrechte auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) und informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 2 GG) verfügt. Es ergibt sich folglich noch keine Befugnis, die Wohnung zu betreten und den Besuch durchzuführen.

3. Eigeninitiative der zu besuchenden Familien

Zum Teil haben die Eltern auf sonstigem Wege von dem Projekt erfahren, z. B.

über Bekannte, durch Flyer, Presse oder sonstige Öffentlichkeitsarbeit der Gemeinde und sich aktiv um den Erhalt eines Familienbesuchs bemüht.47 Eine Einwilligung liegt in diesen Fällen also vor.

4. Rechtliche Einordnung

Die verschiedenen dargestellten Wege der Kontaktaufnahme seitens der Familienbesuchsdienste mit den Eltern sind rechtlich zulässig.

Unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten bedarf die Kontaktaufnah-me mittels Anschreiben keiner gesetzlichen Aufgabe bzw Befugnis, da hier-in kehier-in Ehier-ingriff hier-in das Grundrecht auf hier-informationelle Selbstbestimmung zu sehen ist. Schließlich muss die Verwaltung (z. B. Bürgermeisteramt oder Jugendamt) mit den Bürger/inne/n in Kontakt treten können. Auch freien Trägern ist es möglich, Familien zu kontaktieren, um diese beispielsweise auf eigene bzw in der Kommune bestehende Leistungsangebote hinzuwei-sen.

Die öffentliche Verwaltung braucht für ihr Verwaltungshandeln das Vor-liegen einer öffentlichen Aufgabe. Sofern das Bürgermeisteramt oder das Landratsamt die Eltern anschreibt, ist von einer durch die Kommune selbst festgelegten, freiwilligen Aufgabe, etwa im Rahmen der kommunalen Da-seinsvorsorge, auszugehen. Schreibt der öffentliche Träger der Jugendhilfe die Familien an, ist ihm diese Informationsaufgabe nach § 2 Abs. 1 KKG mangels anderweitiger landesgesetzlicher Regelungen gesetzlich zugewie-sen (§ 2 Abs. 2 S. 3 KKG). Die Kommune kann, wie bei allen schlichthoheitli-chen Aufgaben, freie Träger oder Privatpersonen zur Erfüllung heranziehen.

III. Besuch

Die Durchführung des Familienbesuchs stellt ein Eindringen in die Privat-sphäre der betroffenen Bürger/inne/n dar. Sie ist mangels anderer gesetz-licher Legitimation einzig zulässig, wenn eine Einwilligung der Betroffenen vorliegt.48 Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG). Eine gesetzliche Ermäch-tigungsnorm zum Familienbesuch besteht nicht.

1. Besuchsangebot

a) Besuchsangebot und schriftliche oder telefonische Einwilligung In einigen Modellkommunen werden die Familienbesuche nur durchge-führt, wenn eine entsprechende Einwilligung der Eltern (telefonisch oder per Rückantwortpostkarte) vorliegt. Bei diesem Vorgehen werden nicht so viele Familien und weniger die benachteiligten Familien erreicht, die eher Schwierigkeiten haben, Zugang zu den Informationen über Hilfeangebote zu finden. Es ergeben sich daher Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Ange-bots und des entsprechenden Mitteleinsatzes.49

b) Klärung der Einwilligung durch Besuch beim Besuchsangebot mit Ablehnungsoption

Nach einem anderen Modell wird der Besuchstermin mit Ablehnungsop-tion angekündigt. Melden sich die Betroffenen daraufhin nicht, sucht die Familienbesucherin die Familie zum angekündigten Zeitpunkt auf, ohne zu wissen, ob die Familie tatsächlich mit dem Besuch einverstanden ist. Es wird also erst durch den Besuch an sich geklärt, ob die Familie bereit ist, diesen zu empfangen.50

Hierbei stellt sich die Frage nach einem Eingriff in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung. Die Ablehnung des Besuchs enthält Informationen über den Betroffenen, also handelt es sich auch hier um eine Datenerhebung.

Im Ergebnis kann aber nicht so weit gegangen werden, hierin einen Grund-rechtseingriff zu sehen. Wie oben bereits ausgeführt, muss die Verwaltung mit den Bürger/inne/n in Kontakt treten können. Sofern die Betroffenen die Möglichkeit haben, den Familienbesuch auch dann noch abzulehnen, wenn die Familienbesucherin vor der Tür steht, die Freiwilligkeit des Angebots also gewährleistet ist und auch transparent gemacht wird, bestehen gegen dieses Vorgehen keine rechtlichen Bedenken. Aus fachlicher Sicht sind die Wirkungen dieser Form des Kontaktaufbaus zu berücksichtigen. Soll der Familienbesuch als Teil der Frühen Hilfen den Grundstock einer

Vertrauens-beziehung legen, scheint ein (möglicherweise) nicht erwünschter Besuch, der vor der Tür steht, nachdem man auf das vorhergehende Schreiben nicht reagiert hat, diesem Ziel nicht gerade dienlich zu sein. Allerdings ist auf der anderen Seite zu beachten, dass eine möglichst große Zahl der Familien von dem Familienbesuch profitieren können soll.

Trifft die Familienbesucherin die Familie nicht an, bestehen ebenfalls unter-schiedliche Vorgehensweisen. Teilweise hat es damit sein Bewenden und werden keine weiteren Angebote gemacht. Teilweise wird erneut versucht, die Familie zu erreichen.

In jedem Fall bleibt die Inanspruchnahme des Angebots freiwillig. Daher ist eine Praxis unzulässig, die bei einem nicht in Anspruch genommenen oder verweigerten Besuch die Information an die Sozialen Dienste im Jugend-amt zwecks Überprüfung der Familie weitergibt oder die Familie so oft aufsucht, bis schließlich jemand angetroffen wird, der sich zum Angebot – zustimmend oder ablehnend – äußert. Bei einem solchen Vorgehen würde aus dem freiwilligen Informationsangebot eine unzulässige Elternkontrolle.

c) Besuch ohne vorhergehendes Schreiben/Telefonat

Erfolgt der Familienbesuch ohne Ankündigung, gilt im Wesentlichen das Gleiche wie in der zuvor geschilderten Konstellation einer Ankündigung des Besuchs mit Ablehnungsoption. Auch hier ist entscheidend, zu beach-ten, dass die Freiwilligkeit des Angebots gewährleistet ist und transparent gemacht wird. Insbesondere dürfen auch hier keinerlei negative Schlüsse aus einer etwaigen Ablehnung des Besuchs gezogen werden. Dies haben die Familienbesucherinnen den betroffenen Eltern bei ihrem unangekün-digten Besuch auch deutlich zu machen, damit diese sich nicht genötigt fühlen, die Familienbesucherin zu empfangen. Aus fachlicher Sicht unter-liegt dieses Vorgehen Zweifeln, inwieweit es als vertrauensbildende Maß-nahme geeignet ist. Es erinnert eher an Haustürverkäufe (oder gar an eine Hausdurchsuchung/Kontrolle, die das Überraschungsmoment ausnutzt) als an ein zugewandt willkommen heißendes, informierendes, beratendes und unterstützendes Angebot.

2. Durchführung des Besuchs/Datenerhebung während des Besuchs

Nach der Projektkonzeption der Uniklinik Ulm sollten während des Fami-lienbesuchs im Gespräch allgemeine Informationen vermittelt werden und Hinweise auf die bestehenden Hilfs- und Beratungsangebote in der Gemeinde erfolgen. Gegebenenfalls sollte bereits vor Ort ein Kontakt her-gestellt werden zwischen den Eltern und einer Hilfe- und Beratungsinstitu-tion bzw einem entsprechenden Anbieter oder die Einwilligung eingeholt werden, um zu ermöglichen, später nach dem Besuch den betreffenden Stel-len mitzuteiStel-len, dass die Familie an einer Kontaktaufnahme interessiert ist.51 Ein solcher Übergang von der allgemeinen Information über Hilfs- und Beratungsangebote hin zu einer konkreten Vermittlung wirft auch da-tenschutzrechtliche Fragen auf, was beim Familienbesuch erlaubt ist und insbesondere, was von der Einwilligung der Eltern in den Familienbesuch umfasst ist bzw was weiterer Konsentierung bedarf.

a) Kompetente Einwilligung in den Besuch

Stimmt die Familie dem Besuch zu, willigt sie damit zunächst in die Daten-erhebung ein. Mit Betreten der Wohnung erlangt die Familienbesucherin im Rahmen des Besuchs und im Gespräch mit der Familie Informationen, die die persönlichen Lebensverhältnisse betreffen.

Die Informationen, die die Familienbesucherin bereits durch den Besuch an sich über die Lebensverhältnisse der Familie erlangt, beispielsweise über den Zustand der Wohnung, sind von der Einwilligung in den Familienbe-such gedeckt. Stimmen die Eltern dem Betreten ihrer Wohnung zu, ist da-mit zwangsläufig verbunden, dass die Familienbesucherin diese Informati-onen erlangt. Den Umfang der Einwilligung bestimmen die Besuchten. Von der Einladung hereinzukommen ist daher selbstverständlich nicht umfasst, dass die Familienbesucherin sich die ganze Wohnung (im Sinne eines Kontrollganges) anschaut. Will die Familienbesucherin beispielsweise das Kinderzimmer sehen, wäre zu klären und den Eltern zu erläutern, weshalb und inwieweit diese Neugier noch von der reinen Informationsaufgabe des

§ 2 Abs. 1 KKG gedeckt ist.

Hilfe und Kontrolle sind insbesondere bei einem Besuch in der Familie nicht abgrenzbar, denn Hinschauen und Hinhören hat immer auch kontrollieren-de Elemente. Die Aufgabe kontrollieren-der Familienbesucherin, die notwendig gewisse Kontrolle inkludiert, ist jedoch, die Familie zu informieren. Entscheidend ist im Hinblick auf die Kontrollelemente daher, dass diese transparent sind.

Das wäre nicht der Fall, wenn die Familienbesucherin mit einem inneren oder von außen vorgegebenen Auftrag in die Familie geht, die Eltern daraufhin zu kontrollieren, ob bei ihnen alles in Ordnung ist oder ob sie gar potenziell ihre Kinder vernachlässigen oder misshandeln. Derartige „Ge-heimaufträge“, also den Eltern gegenüber nicht transparent offengelegte Aufträge, wären in jeder Hinsicht unzulässig.

Nicht nur die Informationsaufgabe, auch etwaige Intentionen zur Überprü-fung der Familienverhältnisse sind den Eltern darzulegen und zwar in einer Weise, dass sie verstehen, was die Familienbesucherin – alles – mit ihrem Besuch bezweckt. Die Freiwilligkeit des Angebots und die Steuerung durch die Eltern werden nur gewahrt, wenn sie eine kompetente Entscheidung darüber treffen können, ob sie die Information – mit allen intendierten Elementen und Begleiterscheinungen – wünschen oder nicht. Sie müssen jederzeit die Möglichkeit haben, das Angebot – denn ein solches ist es und muss es aus (verfassungs)rechtlicher Sicht auch bleiben – abzulehnen. An die bloße Ablehnung des Angebots dürfen keine Konsequenzen im Hinblick auf weitere Beobachtung geknüpft oder aus ihr gar negative Schlüsse gezogen werden.

b) Zweckbindung der Datenerhebung

aa) Allgemeine Information und Datenerhebung

Über die allgemeinen Informationen hinaus, die bereits durch die Anwe-senheit in der Wohnung erlangt werden, dürfen grundsätzlich nur solche Daten erhoben werden, die der Aufgabenerfüllung dienen. Die Aufgabe nach dem neuen § 2 Abs. 1 KKG ist die Information der Eltern.

Kompetente und effektive/zielführende Information über die Hilfs- und Beratungsangebote ist nur möglich, wenn man die Situation der Betrof-fenen kennt. Somit dürfen auch Daten über die Lebensverhältnisse der Familie erhoben werden, um die Aufgabe erfüllen zu können, die Eltern zielführend und adressatengerecht zu informieren. So kann sich aus dem Gespräch beispielsweise ergeben, dass insbesondere Informationen über Kinderbetreuungsmöglichkeiten für die Familie relevant sind, da diese keine Verwandtschaft vor Ort hat, dass Elterngeld bereits beantragt ist oder dass die Familie auf Wohnungssuche ist etc. Dies sind Informationen über die Familie, die es der Familienbesucherin erst ermöglichen, die Eltern passgenau zu informieren. Die Grenze ist erreicht, wenn die im Gespräch abgefragten/angesprochenen Informationen keinen Bezug mehr zu den Angeboten haben, über die informiert werden soll.

Für die Frage, welche datenschutzrechtlichen Vorschriften für den Familien-besuch gelten, ist zwischen einer Durchführung durch das Jugendamt und einem Besuch durch freie Träger oder Privatpersonen zu unterscheiden:

Erfolgt der Besuch durch Jugendamtsmitarbeiterinnen, handelt das Jugendamt nicht als Sozialleistungsträger, weshalb das SGB VIII nicht gilt.

Die sozialdatenschutzrechtlichen Vorschriften sind auf den Familienbesuch selbst nicht anwendbar, denn bei den erhobenen Daten handelt es sich nicht um Sozialdaten nach § 67 Abs. 1 SGB X (iVm § 61 Abs. 1 SGB VIII). Dies wäre nur der Fall, wenn die entsprechende Erhebung/Verwendung für die Erfüllung einer Aufgabe nach dem Sozialgesetzbuch erfolgen würde. Die Vorschriften der §§ 61 ff SGB VIII gelten nur dann, wenn das Jugendamt eine Aufgabe nach dem SGB VIII wahrnimmt (§ 61 Abs. 1 S. 2 SGB VIII).52 Hier werden Aufgaben nach dem KKG wahrgenommen, das kein Teil des Sozialgesetzbuchs ist.

Führt eine andere Stelle (z. B. freier Träger oder eine Privatperson) die Familienbesuche durch, ergibt sich der Umfang einer zulässigen Daten-erhebung aus dem Vertrag zwischen den Besuchten und der Besucherin, den diese über den Beratungsauftrag im Einzelfall abschließen. Wird ein vorliegender/aktueller Hilfebedarf erkannt, kann versucht werden, für die Inanspruchnahme von Hilfen zu werben und hierüber zu informieren. Die Familienbesucherin kann hierbei jeweils so weit gehen, wie die besuchten Eltern noch damit einverstanden sind, mithin auch diese Aspekte

Bestand-bb) Datenerhebung bei Erweiterung des Beratungsangebots während Familienbesuch durch Jugendamt

Im Laufe des Familienbesuchs kann sich herausstellen, dass eine Familie weitergehenden Beratungs-/Hilfebedarf hat. Während freien Trägern und Privatpersonen frei steht, ihren Beratungsauftrag mit den Klient/

inn/en privatvertraglich zu erweitern, haben Jugendämter weitere, über die Informationsaufgaben des § 2 Abs. 1 KKG hinausgehende gesetzliche Beratungs- und Untersuchungsaufgaben aus dem SGB VIII. Deshalb kann sich bei Durchführung des Familienbesuchs durch Jugendamtsmitar-beiterinnen der Auftrag der Familienbesucherin im Laufe des Gesprächs ändern. Beispielsweise kann die Information übergehen in eine Beratung und Hilfe in Fragen der Partnerschaft und des Aufbaus elterlicher Erzie-hungs- und Beziehungskompetenzen (§ 16 SGB VIII) oder in eine Beratung und Unterstützung bei Vaterschaftsfeststellung und Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen (§ 52a Abs. 1 SGB VIII). Gleiches gilt, wenn die Einschätzung besteht, dass eine Gewährung von Hilfe zur Erziehung (§§ 27 ff SGB VIII) in Betracht kommen könnte. In diesem Fall wechselt etwa ein besuchendes Jugendamt während des Besuchs seine Rolle und verlässt den Aufgabenbereich des Familienbesuchs.

Der Wechsel vom Familienbesuch zu einer anderen Beratung aus dem originären Leistungsspektrum des Jugendamts ist hierbei transparent zu machen. Er ist den Eltern also in einer Weise zu kommunizieren, dass sie die Erweiterung des Besuchszwecks verstehen (z. B. „Ich sehe gerade, es strengt sie sehr an, wenn ihre Tochter schreit. Ich würde mich gerne mit Ihnen auch hierüber ein wenig unterhalten. Wäre das okay für Sie?“ oder „Ihre Wohnung macht auf mich einen Eindruck, als ob Ihnen die Situation mit Ihrem Kleinen ganz schön zu schaffen macht. Wollen wir auch mal darüber sprechen?“). Die Herstellung von Transparenz ermöglicht den besuchten Eltern, weiter kompetent darüber entscheiden zu können, ob und in wel-cher Weise sie den Besuch weiterhin wünschen bzw den Kontakt mit dem Jugendamt gestaltet sehen wollen.

In dem Moment, in dem die Familienbesucherin zusätzlich Aufgaben nach dem SGB VIII wahrnimmt – und nicht mehr „nur“ einen Willkommensbe-such durchführt – kommt der spezielle Sozialdatenschutz nach §§ 61 ff SGB VIII zum Tragen. Für die Datenerhebung ist insbesondere ist die Vor-schrift des § 62 SGB VIII zu beachten. Der bereichsspezifische Datenschutz gilt für alle Stellen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, z. B. auch für Einrichtungen und Anstalten der öffentlichen Jugendhilfe (Kindergärten, Erziehungsberatungsstellen etc), soweit sie Aufgaben nach dem SGB VIII wahrnehmen.54 Wenn sich im SGB VIII abschließende Regelungen oder Abweichungen zum allgemeinen (Sozial-)Datenschutz nach dem SGB I, dem SGB X, dem BDSG oder dem jeweiligen LDSG finden, gehen die §§ 61 ff SGB VIII als speziellere Vorschriften vor.54

Die Datenerhebung setzt auch bei der Aufgabenerfüllung nach dem SGB VIII grundsätzlich Freiwilligkeit voraus. Die Sozialdaten sind bei den Betroffenen zu erheben (Grundsatz der Betroffenenerhebung, § 62 Abs. 2 S. 1 SGB VIII).

Umfasst sind bei entsprechender Einwilligung alle Daten, die zur Beratung oder zur Prüfung der Voraussetzungen einer Leistung erforderlich sind.

Das Jugendamt kann möglicherweise befugt sein, auch ohne Einverständ-nis der Betroffenen Daten bei Dritten zu erheben (§ 62 Abs. 3 SGB VIII).

Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn das Jugendamt dem Kind eine Leistung ermöglichen will, die Eltern aber keine Mitwirkungsbereitschaft zeigen (§ 62 Abs. 3 Nr 2a SGB VIII). Besondere praktische Bedeutung hat die Datenerhebung bei Dritten auch im Rahmen der Gefährdungsabschätzung wegen (möglicher) Kindeswohlgefährdung (§ 62 Abs. 3 Nr 2d).55

Kommt die Gewährung von weitergehenden Leistungen in Betracht, für die es einer vorherigen Entscheidung des Jugendamts über die Bewilligung bedarf, folgt die Aufgabe zur Erhebung der für die (Entscheidung über eine) Leistungsgewährung erforderlichen Daten aus dem in § 20 SGB X veranker-ten Untersuchungsgrundsatz. Die bloße Einwilligung zum Familienbesuch umfasst eine solche Datenerhebung, die über die Erfüllung der Informati-onsaufgaben nach § 2 Abs. 1 KKG hinausgeht, jedenfalls nicht.

cc) Datenweitergabe bei fehlendem Einverständnis zur Vermittlung weitergehender Hilfen

Bei Einverständnis der Eltern kann beispielsweise eine direkte Kontaktauf-nahme mit einer Beratungsstelle durch die Familienbesucherin möglich sein; die Einwilligung bewirkt auch hier, dass kein Grundrechtseingriff vorliegt. Bei Ablehnung und erkanntem (möglichen) weitergehenden Hil-febedarf nimmt die Familienbesucherin Kontakt zum Jugendamt oder zur Fachberatung bei einer anderen Stelle zu einer anonymen Fallberatung auf.

Ggf wird ein zweiter Besuch mit der Familie vereinbart.

In Fällen einer Kindeswohlgefährdung ergibt sich die Zulässigkeit einer Datenweitergabe aus dem Gedanken des rechtfertigenden Notstandes (vgl. § 34 StGB).56

Sofern die Schwelle einer (möglichen) Kindeswohlgefährdung nicht er-reicht ist, und die Eltern die Datenweitergabe bei bestehendem oder durch die Familienbesucherin vermutetem Hilfebedarf an eine Beratungsstelle ablehnen, besteht auch keine Befugnis zur Datenweitergabe – weder durch das Jugendamt (vorausgesetzt, es blieb bei einem reinen Familienbesuch) noch durch den freien Träger. Es bleibt bei dem – ggf fortgesetzten – Ver-such für die Inanspruchnahme von Hilfen zu werben.

Über den allgemeinen Datenschutz hinaus gibt es besondere strafbewehr-te Schweigepflichstrafbewehr-ten (§ 203 StGB). Angehörige bestimmstrafbewehr-ter Berufsgruppen haben eine Schweigepflicht, deren Verletzung strafrechtliche Konsequen-zen nach sich ziehen kann. Sinn und Zweck ist es, das besondere Vertrauen beispielsweise zwischen Arzt/Ärztin und Patient/in, Rechtsanwalt/-wältin und Mandant/in oder in ähnlichen Beziehungen zu schützen.57 Besondere strafbewehrte Schweigepflichten, die für Angehörige bestimmter Berufs-gruppen bestehen, die hier auch zum Teil als Familienbesucherinnen einge-setzt wurden/werden, wie z. B. Krankenschwestern, gelten aber nur, sofern die Informationen in Ausübung des Berufs bzw in innerem Zusammen-hang mit dem Beruf erlangt wurden58 (vgl. auch § 4 Abs. 1, Abs. 3 KKG, der korrespondierend eine Durchbrechung der Schweigepflicht zulässt). Diese

die strafbewehrten Schweigepflichten für Amtsträger/für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete nach § 203 Abs. 2 Nr 1, Nr 2 StGB für Mitar-beiterinnen des Jugendamts oder sonstige kommunale MitarMitar-beiterinnen auch im Rahmen des Familienbesuchs.