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Anerkennung ausländischer Qualifikationen

IV. Weitere Integrationsmaßnahmen

IV.3 Anerkennung ausländischer Qualifikationen

In vielen Wirtschaftsbereichen zeichnet sich bereits heute demographisch bedingt ein hoher

Fachkräftebedarf ab. Selbst im Krisenjahr 2009 wurden beispielsweise Lehrer, Mathematiker, Informatiker, Naturwissenschaftler und Techniker gesucht. In Sachsen-Anhalt

werden z. B. in den kommenden Jahren rund 700 Ärztinnen und Ärzte fehlen. Neueste Mo-dellrechnungen (Prognos AG 2010) zeigen, dass selbst bei einer nachhaltigen Schwächung der deutschen Wirtschaft durch die Krise schon mittelfristig – bis 2015 – mit einer Arbeits-kräftelücke von 2,4 Millionen Menschen, bei einem früheren Anziehen der Konjunktur sogar mit 3 Millionen, zu rechnen ist.2 Eine wieder anziehende Konjunktur wird die Nachfrage nach Fachkräften und damit den Mangel weiter verschärfen, was die wirtschaftliche Erholung zu-sätzlich erschweren könnte. Sachsen-Anhalt braucht daher wie alle anderen Bundesländer eine qualifizierte Zuwanderung und konkurriert mit ihnen bei der Anwerbung von Fach-kräften.

Daneben sollten natürlich alle Qualifikationspotentiale der bereits in Sachsen-Anhalt leben-den Migrantinnen und Migranten aktiviert und genutzt werleben-den. Rund 2,8 Millionen Menschen in Deutschland können nicht in ihrem erlernten Beruf arbeiten, da es an der Anerkennung des von ihnen im Ausland erworbenen Abschlusses mangelt und sie auch keinen Rechtsan-spruch auf eine entsprechende Prüfung haben. Unter ihnen befinden sich etwa 800.000 zu-gewanderte Akademiker, deren Abschlüsse in Deutschland nicht anerkannt werden und die deshalb nicht ausbildungsadäquat arbeiten können. Genaue Daten für Sachsen-Anhalt lie-gen derzeit nicht vor. In der Praxis werden deshalb auch Hochqualifizierte in Umschulungs-maßnahmen vermittelt, in denen sie Qualifikationen unterhalb ihres akademischen Niveaus erhalten. Etwa 70 % der arbeitslosen Ausländer werden durch die Bundesagentur für Arbeit als „nicht qualifiziert“ geführt, weil die im Ausland erworbenen Abschlüsse hier erst seit kur-zem registriert werden.

Voraussetzung zur Nutzung der vorhandenen Potentiale ebenso wie zum Abbau der Arbeits-losigkeit von Migrantinnen und Migranten ist daher, dass die im Ausland erworbenen berufli-chen Qualifikationen und Berufserfahrungen bewertet und anerkannt werden. Dieses Thema wird derzeit in einem nationalen Prozess aufbereitet, ausgehend von der Vereinbarung der Regierungschefs von Bund und Ländern am 22. Oktober 2008 in Dresden, im Rahmen der Qualifizierungsinitiative „Aufstieg durch Bildung“ bis Mitte 2009 gemeinsam über mögliche Ausweitungen und Verbesserungen der Rechtsgrundlagen und der Verfahren zur Anerken-nung von nicht in Deutschland erworbenen beruflichen Qualifikationen sowie über die geeig-nete Förderung von Ergänzungs- und Anpassungsqualifizierungen zu entscheiden.

Rechtsansprüche auf Anerkennungsverfahren bzw. auf die Bewertung mitgebrachter Qualifi-kationen existieren bisher nur für bestimmte Personengruppen (Spätaussiedler/innen, Bürger/innen aus der EU und Staaten, mit denen bilaterale Abkommen zur beruflichen Aner-kennung bestehen, sowie Bürger/innen aus Unterzeichnerstaaten der Lissabon-Konvention).

Sie gelten zum Teil auch nur für bestimmte Berufsgruppen. In der Folge der genannten Ver-einbarung der Regierungschefs wurde eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Anerkennungsver-fahren“ auf Staatssekretärsebene der Kultusministerkonferenz eingesetzt, in der auch die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) mitarbeitet.

Die Bundesregierung hat mit den am 9. Dezember 2009 beschlossenen Eckpunkten zur

„Verbesserung der Feststellung und Anerkennung von im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen und Berufsabschlüssen“ ihren politischen Willen erklärt, die entsprechenden Verfahren auszuweiten, um so zur Sicherung des Fachkräftebedarfs und zur besseren Inte-gration der Betroffenen in den deutschen Arbeitsmarkt beizutragen.

Hierin bekräftigte die Bundesregierung, dass von 2011 an alle Migrantinnen und Migranten einen gesetzlichen Anspruch auf ein Anerkennungsverfahren für im Ausland erworbene Be-rufsabschlüsse und Qualifikationen erhalten.

Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat zwischenzeitlich den Sachstand und Regelungsbedarf analysiert und begonnen, die notwendigen Abstimmungsverfahren und Umsetzungsschritte bei diesem sehr komplexen und vielfältige Entscheidungsebenen berührenden Thema zu koordinieren. Die Bundesregierung bereitet z. Z. ein Anerkennungsgesetz vor, das derzeit durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit den anderen Bundesressorts abgestimmt wird.

Das von der Integrationsbeauftragten der Landesregierung geförderte Interkulturelle Kompe-tenzzentrum für die Arbeitsmarktintegration von Migrantinnen und Migranten beim Caritas-verband für das Bistum Magdeburg e. V. hat im Jahr 2010 die Anerkennungspraxis in Sachsen-Anhalt analysiert und gemeinsam mit dem Ministerium für Gesundheit und Soziales einen Leitfaden „Übersetzung ist gut, Anerkennung ist besser“ herausgegeben, der sowohl Betroffenen auf dem Weg zur Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen Berufsqualifikation in Sachsen-Anhalt eine erste Hilfe bietet als auch den unterschiedlichen Anerkennungs-stellen und Beratungsdiensten einen guten Überblick und eine schnelle Orientierung ermög-licht. Der Umstand, dass bereits die zweite, überarbeitete Auflage vorbereitet wird, zeigt zum einen das hohe Informationsbedürfnis zu diesem Thema, zum anderen die Komplexität und Veränderungsgeschwindigkeit.

Auch der Integrationsbeirat des Landes Sachsen-Anhalt hat zum Arbeitsschwerpunkt „Aner-kennung ausländischer Berufsqualifikationen“ eine Arbeitsgruppe eingerichtet. In seiner zweiten Sitzung am 14. Oktober 2010 empfahl er u. a. unter dem Titel „Potentiale der Zuwanderung nutzen – Anerkennung ausländischer beruflicher Qualifikationen verbessern“

die Einrichtung einer zentralen Servicestelle, in der alle am Anerkennungsverfahren für aus-ländische Berufsqualifikationen beteiligten Behörden und Akteure besser miteinander ver-netzt und ggf. koordiniert werden können. Allein in Sachsen-Anhalt sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt 23 verschiedene Stellen für die unterschiedlichen Anerkennungsverfahren zustän-dig.

Es wird künftig darauf ankommen, in enger Abstimmung mit allen Beteiligten (z. B. den Kam-mern), den anderen Bundesländern und der Bundesregierung

ƒ Kompetenzstellen zur Bewertung ausländischer Berufsabschlüsse auszubauen, zu bün-deln bzw. zu koordinieren und deren Finanzierung sicherzustellen,

ƒ einheitliche transparente und effiziente Verfahren zu entwickeln,

ƒ die Durchführung und Finanzierung von Anpassungsqualifikationen zu klären,

ƒ rechtliche Regelungen sowohl hinsichtlich des Zugangs zu reglementierten Berufen als auch in anderen Bereichen, z. B. zur sozialrechtlichen Sicherung, zu prüfen, weiter zu entwickeln und auf einander abzustimmen und

ƒ die unterschiedlichen Akteure zu vernetzen.

Die Koordination der dazu erforderlichen Aktivitäten aller Ressorts ist in Sachsen-Anhalt durch Beschluss der Landesregierung der vom Ministerium des Innern geleiteten interminis-teriellen Arbeitsgruppe „Integration“ übertragen worden.