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Analyse von Innovationsprozessen

Im Dokument Neue Städte braucht das Land (Seite 23-28)

Jede Kommune hat ihre eigene Geschichte der Innovation, die über eine Struktur- und Ver­

laufsuntersuchung erschlossen werden soll. Dabei stehen fo lge nde analytische Prozeßdi­

mensionen und -merkm ale im Zentrum:

(1) Ausgangssituation

Da die Wandlungsprozesse ohne genaue Kenntnis der Ausgangsiage der Kommune nicht zu verstehen sind, müssen die makro- und mesoökonomischen, politischen und gesellschaftlich-sozialen Bedingungen herangezogen werden. Zu diesen Ausgangsbedin­

gungen gehört a u c h die politisch-institutionelle Struktur der Kommunen m it ihren historisch gew achsenen Organisationen, Parteien und V erbänden und d en spezifischen Beziehungs­

konstellationen (z.B. zwischen Staat und Kommunen, Politik und Verwaltung, Kommune und Interessengruppen/Verbände) und ihren Gesetzen, Spielregein und norm ativen Orientierun­

gen.

(2) Triebkräfte

Eine zweite w ichtige Untersuchungsdimension bilden die Triebkräfte, die der Umstrukturie­

rung in den Kommunen Richtung und Dynamik g e g e b e n haben. Durch w elche spezifischen Bedingungen (z.B. Ressourcenknappheit, politischer Druck) und durch w e lche Akteure (z.B.

Verwaltungsführung, Zentralstaat) wurden die Prozesse angestoßen? W eiche Modernisie­

rungsinteressen w urden im laufenden Prozeß verstärkt ode r entwertet? W elche Akteure for­

cierten nachhaltig die Entwicklung, w elche waren eher "Bedenkenträger", w elche behin­

dern den Prozeß? Und schließlich: W elcher Art waren die Anreize und die Ressourcen, m it denen die dom inanten Akteure den Prozeß vorantrieben?

(3) Kooperation und Koordination

Die dritte Dimension bilden die Kooperationen und Koordinationsformen unter den Akteu­

ren, die neue Lösungsmuster begünstigt haben. Entstanden neben den etablierten

Regulati-onsmustern neue Formen der Koordination und Kooperation m it neuen (informellen) Spielre­

geln ode r formellen Kontrakten? G a b es bspw. neue Netzwerke etw a zwischen Kommune, Beschäftigten, Gewerkschaften (Modernisierungsvereinbarungen) ode r zwischen Kommune und örtlichen Unternehmen und ihren Verbänden? Auf der anderen Seite: W elche Interes­

senskollisionen, Konflikte und Käm pfe haben Prozeß und Resultat beeinflußt?

Mit der Benennung dieser prozeßrelevanten Untersuchungsdimensionen ist abe r noch nichts über ihren Stellenwert im Prozeßgeschehen und über Zusammenhänge und Wechselwirkun­

gen ausgesagt. In diesem Punkt b iete t die Literatur unterschiedliche Antworten:

■ In der NPM-Diskussion wird ein enger Zusammenhang zwischen der Ressourcenausstat­

tung einer Kommune und ihren Entwicklungsprozessen behauptet. Allerdings g ib t es hier­

zu zwei konträre Positionen: In der Regel wird eine dram atische Unterausstattung m it Res­

sourcen und der dam it verbundene "Leidensdruck" als treiben de Kraft für W andlungspro­

zesse gesehen. Für viele w o hlh abend e Städte (meist am Rande von Agglom erationsräu­

men) wird andererseits oft das G egenteil postuliert: relativer Ressourcenüberfluß erm ög­

licht Innovationsentwicklungen.

* Nach dem Path-Dependency-Ansatz w andeln sich Organisationen gem äß ihrem in die G eschichte eingeschriebenen Grundmuster. Die Entwicklung von G em einden wird dem ­ nach wesentlich g e p rä g t von Basisfaktoren wie bspw. einem hohen Verrechtlichungs­

grad und der spezifischen Staatsstruktur, die die Entwicklung jenseits dieser G rundpara­

m eter als unwahrscheinlich gelten läßt. Die Schwäche des Ansatzes liegt in der e n d o g e ­ nen Prozeßdeterminiertheit der Entwicklung.

* Kontextbezogene Erklärungsansätze (insb. Pettigrew 1992) betonen die Bedeutung der

"Umwelt" für organisatorische Entwicklungsprozesse, insbesondere zwei Perspektiven sind h ie rvo n Bedeutung: (1) die Betonung von "Metaorganisationen" bei städtischen Entwick­

lungsprozessen; und (2) die Rolie der Makropolitik bei der Konzipierung, Durchsetzung und Kontrolle lokaler Wandlungsprozesse.

W ährend in den genannten Erklärungsansätzen einzelne Prozeßdimensionen in den Vorder­

grund gestellt werden, versucht der Governance-Ansatz eine integrierte Betrachtung sol­

cher Einflußfaktoren, die die konkreten Entwicklungen in den Kommunen zwar nicht erklärt, abe r zumindest einige G rundüberlegungen zur Verbindung von Rahm enbedingungen und Akteurshandeln beim W andel von Governance-Regimes in ökonom ischen Branchen und Ökonom ien anb ietet (C am pbell und Lindberg 1991, 356ff.). Entsprechend beruht unser Mo­

dell von Innovationsprozessen in der Kommune auf der zunächst sehr allgem ein gehaltenen Grundprämisse, daß die Akteure zwar einerseits bestimmten Zwängen ("constraints") ausge­

setzt sind, wie ökonomisch-politischen, fiskalischen, institutioneilen und kulturellen Rahmen­

bedingungen, andererseits a b e r gleichzeitig kreative und aktiv han delnde Akteure sind, die die Handlungsbedingungen verändern. Die geg ebenen Rahm enbedingungen in einem Land bzw. einer Kommune beschränken dem na ch die Bandbreite der Handlungsoptionen, die den Akteuren zur Verfügung steht.

Von Veränderungen einzelner oder mehrerer Bedingungen g e h t ein Druck a u f den W andel des vorherrschenden hierarchischen Governance-Regimes aus, der bei den Akteuren Such­

prozesse n ach neuen optim alen Kombinationen von Steuerungsmechanismen zur Erstellung öffentlicher Dienstleistungen auslöst. Mit anderen Worten: Exogene und e n d ogen e Kräfte führen zu Beeinträchtigungen und Störungen der Funktionsweise einer Kommunalverwal­

tung, die durch eine Serie von komplexen Entscheidungen überw unden werden. Diese Ent­

scheidungen sind Resultate von Lernprozessen, von Verhandlungen, Kooperationen, Konflik­

ten und Zwängen; sie gelten folglich nicht als autonom e, individuelle W ahlhandlungen der Akteure, sondern als kollektive, institutionalisierte Entscheidungen, die zu einem neuen Governance-R egim e führen. Die fo lge nde A bbildung 2 illustriert dieses einfa che Modell der Entwicklung eines Governance-Regimes in einer Kommune in Anlehnung in C am pbell und

Ein zweites wichtiges Element des Modells ist die Differenzierung der Akteursgruppen ("sets of actors"; C am pbell und Lindberg 1993, 128) n ach aktiven und reaktiven.Akteuren. Wir gehen d avo n aus, daß erste Impulse für Innovationsprozesse in der Kommune in der Regel entw e­

der von der Verwaltungsspitze oder von zentralstaatlicher Seite ausgehen. Andere Akteurs­

gruppen wie Verbände, Bürgerinitiativen, Gewerkschaften, Beschäftigte, Parteien usw. rea­

gieren auf diese Anstöße m it unterschiedlicher Intensität und verschiedenartigen M

acht-und Einflußressourcen wie Verhandlung, Zwang, Konflikt acht-und Kooperation. N achstehende A bbildung zeigt am Beispiel einer deutschen Kommune die prozeßrelevanten Akteursgrup­

pen, die die Entscheidung für eine neue Entwicklungsrichtung m it verschiedenen Koordinati­

onsmechanismen, d.h. a f hierarchischem Wege, durch Recht und Anweisung, über gere­

gelten Konflikt (Associations), über marktliche Anreize, dem okratische Kontrolle und Net­

zwerkkooperationen beeinflussen.

Abb, 3: Prozeßrelevante Akteursaruppen und relevante Handlunasloaiken (am Beispiel einer deutschen Kommune)

Macht Markt --- r--- Associations Hierarchie

demokratische Kontrolle Netze

Bei der konkreten Analyse des Untersuchungsprozesses nehm en für uns die Akteure in der Komm unalverwaltung als Hauptinitiatoren eine Schlüsselstellung ein. Dies impliziert, daß die Innovationsprozesse im wesentlichen aus der Perspektive dieser Akteure nachgezeichnet

werden. Aus ihrer Sicht erscheinen zahlreiche R ahm enbedingungen (z.B. Tarifverträge, Arbeitnehmer-Interessenverbände) als "constraints", die aus der Perspektive anderer Akteure wiederum Handlungsmöglichkeiten eröffnen.

Als relevante Rahm enbedingungen, die Veränderungsdruck in den Kommunen auslösen, und die die Handlungsoptionen der Akteure beeeinflussen, können gelten:

* makroökonomische und makropolitische Konstellationen auf nationaler und europäi­

scher bzw. internationaler Ebene;

* konkrete Haushaltsentwicklung und -situation in der Kommune vor dem Hintergrund zen­

tralstaatlicher Finanzkrisen;

« dem ographische Entwicklungen und daraus resultierende neue Anforderungen an die Kommune;

* veränderte Ansprüche der Bürger v.a. gegenüber der Leistungsverwaltung;

■ Entwicklung von Informations- und Kommunikationstechnologien;

* Personalprobleme (m angelnde Qualifikation und Motivation, usw.);

* geringe Professionalität in der Führung der a) politischen Vertretung gegenüb er der Ver­

w altung u nd /od er b) der Verwaltungspitze gegenüber den Verwaltungseinheiten.

Zu analysieren wäre darüber hinaus das konkrete Beziehungsgeflecht von Akteursgruppen, in dem sich die jeweiligen Kommunen befinden, und ihre sich wechselseitig beeinflussenden Such- und Lernprozesse. In der Logik des Prozeßablaufs sollen die Lösungskonzepte der Initia­

toren, die politische Verarbeitung dieser Konzepte durch die verschiedenen Akteursgruppen sowie die letztendliche Institutionalisierung der Innovationsentscheidungen durch Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, neue betriebliche Praktiken, neue Organisations- und M ana­

gem entform en u.a.m. erfasst werden.

Aus den oben gen annten Untersuchungskriterien sollen schließlich die Kommunen nach Be­

dingungskonstellationen und Prozeßverläufen typisiert werden. N ach vorläufigen Überlegun­

gen können Kommunen hinsichtlich der Bedingungskonstellationen auf einer Skala zwischen den Extremen “stark restriktiv" und "stark begünstigt" eingeordnet werden. Die Kommunen sollen desweiteren n ach den vorherrschenden politischen Entscheidungs- und Im plem enta­

tionsmodi (1) Zwang, (2) Konflikt, (3) Verhandlung und (4) Kooperation unterschieden wer­

den. Eine gem einsam e Betrachtung von Ausgangssituation und der Entscheidungsmodi die­

ser Kommune könnte die Hypothese bestätigen, daß Kommunen unter stark restriktiven Rah­

m enbedingungen eher den Politikmodus Zwang/Konflikt wählen.

Im Dokument Neue Städte braucht das Land (Seite 23-28)