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Analyse: Beispielhafte Wirkung des Impulses auf die Lehrerfortbildung

Auf dem Lehrerfortbildungs- Fachtag „Gesundheit und Schule“ des Wissenschaftlichen Instituts für Schulpraxis Bremen wird 1990 im Zusammenhang mit der Ableitung eines neuen Präventionskonzeptes für Schulen auf beide Handlungsstrategien zurückgegriffen, die erfolgreich eingesetzt werden müssen, um Gesundheitsförderung zu implementieren. Die grundlegenden Bedingungen (prerequisites for health) bzw.

konstitutiven Momente von Gesundheit müssen erfüllt sein, und die Menschen müssen

zur Verwirklichung ihres größtmöglichen Gesundheitspotentials befähigt werden

(enable...):

„In der Ottawa- Charta wird festgestellt, dass Gesundheitsförderung auf einen Prozess zielt, der allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit befähigen soll. Dazu wird es für notwendig gehalten, dass sowohl der einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern bzw. verändern können. Gesundheit wird als wesentlicher Bestandteil des alltäglichen Lebens verstanden und steht für ein positives Konzept, das in gleicher Weise die Bedeutung sozialer und individueller Ressourcen betont, wie die körperlichen Fähigkeiten. Als grundlegende Bedingungen und konstituierende Momente von Gesundheit werden Frieden, angemessene Wohnbedingungen, Bildung, Ernährung, Einkommen, ein stabiles Ökosystem, eine sorgfältige Verwendung vorhandener Naturressourcen, soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit benannt.

Dieses Präventionskonzept geht weit über die traditionellen Ansätze der Gesundheitserziehung, -aufklärung und -beratung hinaus. Neben die Befähigung von Menschen zur Verwirklichung ihres größtmöglichen Gesundheitspotentials wird die gemeinsame Verantwortung für die natürliche und soziale Umwelt und die Erhaltung der vorhandenen natürlichen Ressourcen gestellt.

Standen anfangs Programme zur Umsetzung des Konzeptes zur Gesundheitsförderung auf Gemeindeebene (Gesunde – Städte – Programm) im Vordergrund, so wurden diese ausgeweitet und ergänzt durch Gesundheitsförderung im Betrieb, Gesundheitsförderung im Krankenhaus und Gesundheitsförderung in Schulen.

Mit ihrem umfassenden, ganzheitlichen Bildungsauftrag ist die Schule in optimaler Weise legitimiert und aufgefordert zu einer ganzheitlichen Gesundheitsförderung im Sinne der Vorgaben der Ottawa – Charta“ (Troschke, 1992, S.28).

Auch auf dem landesweiten Lehrerfortbildungsveranstaltung des Landesinstitut Schleswig- Holstein für Praxis und Theorie der Schule ‚Schule und Gesundheit - Freude am Leben’ werden 1990 als Grundvoraussetzungen von Gesundheit in dem auch für Schleswig- Holstein vorgeschlagenen neuen Konzept der Gesundheitsförderung die in der Charta definierte Bedingungen übernommen und damit in die Lehrerfortbildung von Schleswig – Holstein eingeführt:

„In der Ottawa- Charta wurde dies [gemeint ist, dass sich das Konzept der Gesundheitsförderung als umfassendes Programm versteht] besonders deutlich. Dort heißt es : ‚Grundlegende Bedingungen [‚prerequisites for health …’] und konstituierende Momente der Gesundheit sind Frieden, angemessene Wohnbedingungen, Bildung, Ernährung, Einkommen, ein stabiles Öko- System, eine sorgfältige Behandlung der vorhandenen Energiequellen, soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit. Jede Verbesserung der Gesundheit kann nur von einer solchen Basis aus erreicht werden ’“ (Waller, 1990, S.16).

1995 findet vom Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien als Lehrerfortbildungsveranstaltung das ‚Zentrale Forum „Lebensfreude in der Schule ?! - Gesundheitsförderung in und mit Schulen“ statt. Erneut wird der programmatische Einfluss der Ottawa- Charta, hier im Hinblick auf die Neuorientierung der Prävention durch die Gesundheitsförderung, deutlich gemacht. Die Thüringer Ministerin für Soziales und Gesundheit hebt in Ihrem Grußwort bei der Eröffnung des Forums die neu gegebenen Gestaltungsmöglichkeiten der Lebensbedingungen durch die Menschen selbst hervor und zieht die Linie direkt zur Gesundheit.

„In der ‚Ottawa – Charta’ vom November 1986 wird das Konzept der Gesundheitsförderung als neues Denkmuster für die Prävention und die Gesundheitspolitik dargestellt. Es geht also nicht mehr um eine

individuelle Krankheitsvorbeugung, sondern um die Gestaltung solcher Lebensbedingungen, die es dem einzelnen in gemeinschaftlicher Arbeit mit anderen ermöglichen, auf die Gesundheit aktiv und selbstbestimmten Einfluss zu nehmen.

Im Mittelpunkt steht nicht mehr die Frage ‚Was macht uns krank?’ sondern die Frage ‚Was hält uns gesund?’. Wenn auch in der Praxis sich die beiden Fragestellungen überschneiden, so ist es doch wichtig, dass eine Orientierung an der Gesundheit erfolgt, statt an der Krankheit“ (Ellenberger, 1999, S.6).

Die Freie und Hansestadt Hamburg- Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung informiert in ihrer ‚Hamburger Konferenz: Schule und Gesundheitsförderung’ 1996 auf dem Hintergrund der Teilnahme Hamburger Schulen an dem Europäischen Netzwerk Gesundheitsfördernder Schulen über Perspektiven und beispielhafte Praxisansätze gesundheitsfördernder Schulen. Bei ihrer Eröffnung fordert der Landesschulrat von Hamburg, unter Hinweis auf die in der Ottawa- Charta aufgestellten Handlungsstrategien zur Implementation von Gesundheitsförderung, Verhältnisprävention für den ‚Lebensraum‘ Schule ein. Hervorgehoben wird von ihm die Bedeutung der Einflussmöglichkeit der Menschen auf die Faktoren, die ihre Gesundheit beeinflussen:

„Neben der Verhaltensprävention, also der rechtzeitigen Einflussnahme auf die Lebensweise der einzelnen, gewinnt damit auch bei der Gesundheitsförderung in der Schule die Verhältnisprävention – d.h.

auf die Verhältnisse frühzeitig Einfluss nehmen, die mitgestalten - an Bedeutung. Wenn es in der Ottawa- Charta der WHO von 1986 heiß ‚Menschen können ihr Gesundheitspotential nur dann weitgehend entfalten, wenn sie auf die Faktoren, die ihre Gesundheit beeinflussen, auch Einfluss nehmen können’, so ist damit z. B. auch die Einflussnahme auf gesundheitsförderliche Faktoren des Lebensraumes Schule gemeint. Ein, wenn auch weit gestecktes Ziel, ist die Entwicklung einer bewusst umweltverträglichen und einer unterstützenden sozialen Umwelt die Schüler befähigt, ihr größtmögliches Gesundheitspotential zu verwirklichen“ (Daschner, 1996, S.3).

Das Landesinstitut Mecklenburg- Vorpommern für Schule und Ausbildung bringt die Notwendigkeit, den Menschen die Möglichkeit der Einflussnahme auf die ihre Gesundheit bestimmenden Faktoren zu geben, in den „Lebensraum“ Schule ein und fordert Schüler und Lehrkräfte zu einem bewussten Umgang mit Gesundheit auf:

„Wenn es in der Ottawa- Charta der WHO heißt ‚Menschen können ihr Gesundheitspotential nur dann weitgehend erhalten, wenn sie auf die Faktoren, die ihre Gesundheit beeinflussen, auch Einfluss nehmen können’, so ist damit auch der Lebensraum Schule angesprochen. Ziel ist es, dass Schüler und Lehrer sich der Bedeutung ihrer Gesundheit bewusst werden und miteinander und mit sich selbst behutsamer und achtsamer umzugehen lernen“ (Landesinstitut Mecklenburg- Vorpommern für Schule und Ausbildung, 1997, S.3).

Interpretation: Auswirkungen des Impulses „Handlungsstrategie der Ottawa-

Charta“ auf die Entwicklung in Deutschland

Abb. 11 veranschaulicht die Verortung der Handlungsstrategien in 5 Bundesländern in der Lehrerfortbildung, allerdings als einzige Entscheidungsebene. Der übernommene Impuls zur Sicherung der Voraussetzungen von Gesundheit (prerequisites) entspricht dabei deutschem, grundsätzlichem Problemlösungszugang: die gesundheitspolitischen bzw. bildungspolitischen Rahmenbedingungen müssen stimmen. Eher innovativ muss die Aufnahme der Handlungsstrategie der aktiven, selbstbestimmten Einflussnahme (enable) auf die Gestaltung gesundheitsfördernder Lebensbedingungen interpretiert werden. Hier wird die pädagogische Linie zum „Lebensraum“ Schule gezogen mit den so gegebenen gestalterischen Möglichkeiten. Lehrkräfte, Schüler und Eltern bestimmen ihre gesundheitsfördernde Schule.

Abbildung 11: Die Aufnahme der Handlungsstrategien der Ottawa- Charta in Deutschland

INSTITUTIONEN UND WIRKUNG DER IMPULSE

Wissenschaftliches Institut für Schulpraxis Bremen Zentraler Lehrerfortbildungs- Fachtag „ Gesundheit und Schule“ 1990

● Neues Präventionskonzept „Gesundheitsförderung“ übernimmt die Ottawa - Handlungsstrategien der Sicherung der Grundvoraussetzungen für Gesundheit und der Befähigung der Menschen

zur Verwirklichung ihres größtmöglichen Gesundheitspotentials

Landesinstitut Schleswig- Holstein für Praxis und Theorie der Schule

Zentrale Lehrerfortbildungsveranstaltung „Schule und Gesundheit – Freude am Leben“ 1990

● Die Handlungsstrategie der Herstellung der Grundvoraussetzungen für Gesundheit gilt für die zu implementierende Gesundheitsförderung in Schulen .

Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien Zentrales (Lehrerfortbildungs-) Forum „Lebensfreude in der Schule?! -

Gesundheitsförderung in und mit Schulen.“ 1995

● Prävention wird als die Gestaltung von Lebensbedingungen verstanden, die es dem einzelnen ermöglicht, auf seine Gesundheit direkt Einfluss zu nehmen

Freie und Hansestadt Hamburg- Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung Zentrale Lehrerfortbildung „Hamburger Konferenz Schule und Gesundheitsförderung“ 1996 ● Einflussnahme der Menschen auf die ihre Gesundheit bestimmenden Faktoren ermöglicht Einflussnahme auf gesundheitsförderliche Faktoren des Lebensraumes Schule

Landesinstitut Mecklenburg-Vorpommern für Schule und Ausbildung Handreichung für Lehrkräfte „Die Bedeutung der Gesundheitserziehung in den Schulen

Mecklenburg – Vorpommerns“ 1997

● Einflussmöglichkeit des Menschen auf die seine Gesundheit bestimmenden Faktoren bedeutet entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten im Lebensraum