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Alters- und Hinterlassenenversicherung Renten

Im Dokument der AHV (Seite 67-77)

Urteil des EVO vom 16. September 1967 i. Sa. A. R.

Art. 18, Abs. 3, AHVG und Art. 3, Abs. 2, Bimdesbeschbiß über die Rechtsstellung der Flüchtlinge in der AHV und IV (FliiB). Der Flüchtling, der die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Altersrente erfüllt, kann die Rückerstattung der an die AHV be­

zahlten Beiträge nicht verlangen, auch wenn er sich in einem Lande niederläßt, mit welchem die Schweiz keine Vereinbarung über die AHV und IV abgeschlosssen hat.

Der am 19. Januar 1902 geborene Versicherte stammt aus Ungarn. Mit seiner am 1. April 1908 geborenen Frau wohnte er vom 19. April 1957 bis 18. März 1967 als Flüchtling in unserem Lande. Nach diesem Datum verließen die beiden Ehegatten die Schweiz endgültig, um sich als Einwanderer nach den Vereinigten Staaten zu begeben. Durch Verfügung vom 17. Februar 1967 hatte der Versicherte ab 1. Februar 1967 eine einfache Altersrente zuge­

sprochen erhalten. Im Verlauf des Monats März 1967, d. h. kurz vor seiner Abreise ins Ausland, verlangte er indessen die Rückerstattung der seit 1957 geleisteten AHVgV/EO-Beiträge. Mit Verfügung vom 7. März 1967 hat die zuständige Ausgleichskasse die Auszahlung der Rente auf den 31. März 1967 eingestellt und es abgelehnt, dem Gesuch auf Beitragsrückerstattung statt­

zugeben.

Der Versicherte erhob Beschwerde und beantragte, es sei

a. festzustellen, daß er keinen Anspruch auf eine Rente gehabt habe;

b. anzuordnen, daß ihm die seit 1957 bezahlten Beiträge zurückzuer­

statten seien.

Die Rekurskommission hat indessen die Beschwerde abgewiesen.

Das EVG seinerseits wies die Berufung gegen das kantonale Urteil aus folgenden Gründen ab:

1. Nach Art. 18, Abs. 3, AHVG. können Ausländern, mit deren Heimat­

staat keine zwischenstaatliche Vereinbarung besteht, Staatenlosen und Hin­

terlassenen solcher Personen ausnahmsweise unter bestimmten, vom Bundes­

rat festzulegenden Voraussetzungen die bezahlten Beiträge zurückvergütet werden, sofern diese keinen Rentenanspruch begründen. Die durch das Gesetz vorbehaltenen Voraussetzungen sind in der Verordnung über die Rückver­

gütung der von Ausländern und Staatenlosen an die AHV bezahlten Beiträge vom 14. März 1952 festgelegt. Art. 1, Abs. 1, dieser Verordnung bestimmt, daß Ausländer — mit deren Heimatstaat weder eine zwischenstaatliche Ver­

einbarung abgeschlossen ist noch in absehbarer Zukunft abgeschlossen wer­

den kann — wie auch Staatenlose, die an die AHV bezahlten Beiträge zu­

rückfordern können, sofern die Beiträge gesamthaft während mindestens eines vollen Jahres geleistet worden sind und keinen Rentenanspruch be­

gründen. Andererseits können nach Art. 3, Abs. 2, FlüB, Flüchtlinge, die die Schweiz verlassen haben, um sich in einem Lande niederzulassen, mit wel­

chem die Schweiz keine Vereinbarung über die AHV und TV abgeschlossen hat, die Rückerstattung ihrer Beiträge gemäß Art. 18, Abs. 3, AHVG ver­

langen.

2. Aus den Akten geht mit Gewißheit hervor, daß die für die Rück­

erstattung der Beiträge an Ausländer, Staatenlose und Flüchtlinge notwen­

dige Voraussetzung (der fehlende Rentenanspruch) im vorliegenden Falle nicht gegeben ist, da der Versicherte ab 1. Februar 1967 in den Genuß einer Altersrente gelangt ist, d. h. schon vor seiner Abreise in die Vereinigten Staaten. Die verfügte Zusprechung dieser Rente war sicherlich begründet:

Der Versicherte hatte im Zeitpunkt, in welchem er das 65. Altersjahr er­

reichte, Beiträge während mindestens eines ganzen Jahres entrichtet (Art. 29, Abs. 1, AHVG, der nach Art. 1 FlüB anzuwenden ist); sein Wohnsitz befand sich damals erwiesenermaßen in der Schweiz, wobei der Umstand, daß der Versicherte seine Abreise ins Ausland vorbereitete, keine Rolle spielte.

Man könnte sich immerhin fragen — wie dies das BSV getan hat — ob der Versicherte nicht auf seine Rechtsstellung als Flüchtling hätte ver­

zichten können und verlangen, als Ausländer behandelt zu werden. Ein Ren­

tenanspruch wäre somit erst nach zehn Beitragsjahren entstanden (Art. 18, Abs. 2, AHVG), eine Voraussetzung, die vom Versicherten im Zeitpunkt, als er die Schweiz verließ, nicht erfüllt war. Der Versicherte hatte jedoch keineswegs am 1. Februar 1967, dem Tag der Entstehung des Rentenan­

spruchs, auf seine Rechtsstellung als Flüchtling verzichtet. Vielmehr hat er die Betreffnisse für Februar und März der ihm auf Grund dieses Statuts zugesprochenen Rente angenommen. Im übrigen wäre ein im Hinblick auf eine Kapitalrückzahlung erfolgter derartiger Verzicht im Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers und demgemäß für den Standpunkt der AHV ohne Belang. Es geht aus der Botschaft des Bundesrates vom 9. Juli 1950 be­

treffend den Gesetzesentwurf über die Abänderung des AHVG (BB1 1950 H, S. 195) hervor, daß die Rückvergütung der Beiträge gemäß Art. 18, Abs. 3, AHVG nur «in Härtefällen» in Betracht fallen solle und die Voraussetzun­

gen für eine solche «sehr eng zu fassen» seien. «Eine weitherzige Auslegung von Art. 18, Abs. 3», führt der Bundesrat aus, «würde nicht nur weit über das gesetzte Ziel hinausschießen, sondern auch den Verwaltungsapparat der AHV in starkem Maße belasten Dem Art. 18, Abs. 3, muß unter allen Umständen der Charakter einer Sonderbestimmung zur Ausmerzung unzumutbarer Härten gewahrt bleiben». Unannehmbar wäre es, diesen Grundsätzen auszuweichen, zum Beispiel indem auf die Rechtsstellung als Flüchtling verzichtet würde, sogar wenn man dies tun könnte, ohne sich wieder unter den Schutz des nationalen Staates zu stellen. Man könnte im vorliegenden Fall auch nicht von einer unzumutbaren Härte sprechen. In der Tat ist es wenig wahrscheinlich, daß der Versicherte eines Tages wieder in die Schweiz zurückkehrt, sollte er es aber tun, so könnte er die Wieder­

aufnahme der Rentenleistung verlangen. Die unternommenen Bemühungen für eine Auswanderung nach Amerika hätten sich auch in die Länge ziehen

Invalidenversicherung

u. a.

Eingliederung

Urteil des EVG vom 17. August 1967 1. Sa. A. P.

Art. 12 IVG. Eine medizinische Maßnahme im Sinne von Art. 12 IVG liegt vor, wenn zur Zeit der Durchführung vorausgesetzt werden darf, die Gehfähigkeit des Versicherten werde wahrscheinlich der­

maßen und während so langer Zeit verbessert werden, daß er einen Beruf erlernen kann. Dies güt selbst dann, wenn die Gellfähigkeit infolge des fortschreitenden Grundleidens nach durchgefiihrter Ein­

gliederung wieder abnehmen sollte, aber trotzdem ein dauernder erwerblicher Erfolg zu erwarten ist.

Art. 78, Abs. 2, IW. Diese Vorschrift kann dem Versicherten, der gutgläubig das Einverständnis der IV-Kommission mit der durch­

geführten Eingliederungsmaßnahme voraussetzen durfte, nicht ent­

gegengehalten werden. (Erwägung 1)

Die im Jahre 1945 geborene Versicherte leidet an Friedreichscher Ataxie (erbliche degenerative Gehirnerkrankung mit Bewegungsstörungen). Obwohl bei ihr bereits im Alter von sieben Jahren Gehstörungen auftraten, die in der Folge zunahmen, konnte sie acht Primarklassen besuchen. Nachher ar­

beitete sie im Haushalt der Eltern mit. Im März 1961 wurde sie von ihrem Vater bei der TV angemeldet. Die IV-Kommission ließ die Versicherte im Spital Z untersuchen. Dort stellten die Ärzte fest, daß zur Zeit keine Operation angezeigt sei. Auf Antrag der IV-Regionalstelle übernahm die

oder nicht zum Ziele führen können. In einem solchen Falle hätte der Ver­

sicherte ohne Zweifel seine Rechtsstellung als Flüchtling vorgezogen und dann die AHV-Leistung in Form einer Rente bezogen. Der Umstand allein, daß ihm nun die Ausrichtung derselben wirtschaftlich gesehen weniger in­

teressant erscheint als die Rückerstattung der Beiträge, kann ein Ab­

weichen vom allgemeinen Prinzip, nach welchem die Beiträge dem Ver­

sicherten nicht zurückerstattet werden, nicht rechtfertigen. Zweck von Art. 18, Abs. 3, AHVG ist es, der Verwaltung die Möglichkeit zu geben, die Beiträge zurückzuerstatten, wenn die Billigkeit eine solche Lösung auf­

drängt, nicht hingegen dem Versicherten zu ermöglichen, den Vorteil der Rentenleistung im Verhältnis zur Rückerstattung eines Kapitals, wie es die von ihm bezahlten Beiträge darstellt, abzuwägen und sein persönliches Statut je nach den Umständen zu ändern.

Schließlich hat der Versicherte die Schweiz erst nach Entstehung seines Rentenanspruchs verlassen. Deshalb würde Art. 1, Abs. 1, der vorerwähnten Verordnung vom 14. März 1952, selbst wenn der Versicherte auf Grund von Art. 3 FlüB vom Zeitpunkt seiner Abreise an als amerikanischen Bürger hätte betrachtet werden können, einer Rückerstattung der strittigen Beiträge ebenfalls entgegenstehen.

Versicherung einen zweimonatigen Abklärungsaufenthalt in B. Deren Berichte lauteten nicht ungünstig. Insbesondere waren die Arbeitsversuche in der Spenglerei und Buchbinderei recht ermutigend. Am 27. Februar 1965 teilte die IV-Regionalstelle mit, für die Versicherte komme nur eine Beschäftigung in einer geschützten Werkstätte oder die Vermittlung einer Heimarbeit in Frage. Die Versicherte verrichte zur Zeit Heimarbeit, doch bewältige sie kaum den zehnten Teil einer anderen Heimarbeiterin. In einem weiteren Bericht ersuchte die IV-Regionalstelle die IV-Kommission, über die Renten­

frage einen Beschluß zu fassen.

Mit Verfügung vom 22. April 1966 wurde der Versicherten vom 1. März 1965 an eine ganze einfache IV-Rente zugesprochen.

In einem Schreiben vom 25. April 1966 teüte der Chirurg Dr. B der IV-Kommission mit, es sei angezeigt, die Versicherte zu operieren. Zwar ver­

möge ein chirurgischer Eingriff die Grundkrankheit nicht zu beeinflussen.

Jedoch würde die Korrektur der ausgeprägten Spitzfuß-Stellung durch Verlängerung der beidseitigen Achillessehnen sowie die gleichzeitige Operation der schmerzhaften Hammerzehen den Zustand der Versicherten und deren Arbeitsfähigkeit als Haustochter «sehr deutlich bessern». «Die Versicherte wird am 5. Mai in die Klinik eintreten, wo ich sie am 6. Mai operieren werde, Ihr Einverständnis voraussetzend». Mit Schreiben vom 5. Mai 1966 ersuchte die IV-Kommission die Klinik um ein Gutachten hinsichtlich der geplanten Operation. Eine Kopie dieses Briefes wurde Dr. B zugesteUt. Dieser operierte die Versicherte, wie es vorgesehen war, am 6. Mai 1966.

Durch Verfügung vom 20. Juni 1966 eröffnete die Ausgleichskasse der Versicherten, die Operation werde nicht übernommen. Es sei nach wie vor ausgeschlossen, eine Eingliederung durchzuführen, weil das Grundleiden dem entgegenstehe.

Der Vater der Versicherten erhob Beschwerde. Er machte geltend, seine Tochter sei dank der Operation imstande, auf den Füßen zu stehen. Er rechne damit, daß sie bald gehen werde. Alsdann wäre die berufliche Ein­

gliederung möglich.

Am 8. März 1967 entschied das kantonale Versicherungsgericht, die IV habe die «operative Behandlung des Spitzfußes zu übernehmen». Die Be­

gründung des die Beschwerde gutheißenden Urteils läßt sich wie folgt zu­

sammenfassen: Ein Anspruch gemäß Art. 85, Abs. 2, IVG falle von vornherein außer Betracht, weil die entsprechende fünfjährige Übergangsfrist Ende 1964 abgelaufen sei. Die Streitfrage müsse deshalb auf Grund von Art. 12, Abs. 1, IVG entschieden werden. Bei der Versicherten stehe nicht die Ataxie, die als solche nicht behandelt werden könne, im Vordergrund. Vielmehr gehe es darum, «eine Sekundärerscheinung der Ataxie, nämlich die Fußmißbildung im Sinne eines Spitzfußes zu korrigieren. Die am 6. Mai 1966 durchgeführte Operation habe in zeitlicher und maßlicher Hinsicht vorwiegend der beruf­

lichen Eingliederung gedient. Der Rekursantrag sei somit begründet. Eine Verwirkung gemäß Art. 78, Abs. 2, IW sei nicht eingetreten; denn die Versicherte, ihr Vater und der behandelnde Arzt hätten in gutem Glauben gehandelt.

Diesen Entscheid hat die Ausgleichskasse an das EVG weitergezogen. STe beantragt, das Urteil des Versicherungsgerichtes sei aufzuheben. Die Opera­

tion habe lediglich einen aus dem Gesamtleiden hervorgegangenen Teildefekt

korrigiert. Das genüge nach EVGE 1966, S. 217, nicht. Bei der Friedreichschen Ataxie handle es sich um labiles pathologisches Geschehen.

Während der Vater der Versicherten innert der ihm gesetzten Frist keine Antwort eingereicht hat, schließt das BSV in seinem Mitbericht auf Gutheißung der Berufung.

Das EVG hat die eingereichte Berufung im Sinne folgender Erwägungen erledigt:

1. Die IV-Kommission beschloß am 6. Juni 1966, die umstrittene Opera­

tion nicht zu übernehmen. Der Eingriff war bereits am 6. Mai 1966 vorge­

nommen worden. Unter diesen Umständen ist zunächst zu prüfen, ob ein allfälliger Anspruch nicht gemäß Art. 78, Abs. 2, IW verwirkt sei. Nach dieser Bestimmung übernimmt die Versicherung die Kosten einer schon durchgeführten Eingliederungsmaßnahme nur dann, wenn die Maßnahme aus wichtigen Gründen vor der Beschlußfassung der IV-Kommission durch­

geführt wurde und wenn die entsprechende Anmeldung innert sechs Monaten seit Beginn der Durchführung eingereicht wurde.

Die IV-Kommission wurde erstmals im Bericht der IV-Regionalstelle vom 1. Februar 1966 darauf aufmerksam gemacht, daß eine Operation ge­

plant sei. Das Gesuch des Vaters der Versicherten ging der IV-Kommission am 26. März 1966 zu. Am 5. April 1966 ersuchte die IV-Kommission Dr. B um einen Bericht. Dieser wurde ihr am 28. April 1966 zugestellt. Der Arzt teilte mit, er werde die Versicherte am 6. Mai 1966 operieren, «Ihr Einver­

ständnis voraussetzend». Die IV-Kommission gab nun der Versicherten und dem Arzt in zwei Schreiben vom 5. Mai 1966 bekannt, es müsse noch eine spezialärztliche Begutachtung in der Klinik B vorgenommen werden, bevor das Gesuch beurteilt werden könne. Die Operation erfolgte am 6. Mai 1966.

Dr. B erklärte später, bis zu diesem Zeitpunkt habe er keinen negativen Bescheid der IV-Kommission erhalten und deshalb angenommen, «die Ver- sichei-ung sei mit der besprochenen Operation einverstanden».

Die Vorinstanz kam zum Schluß, es sei keine Verwirkung eingetreten, weil die Versicherte, ihr Vater und der Arzt gutgläubig gewesen seien.

Dieser Betrachtungsweise, die in der Berufungsschrift der Ausgleichskasse nicht beanstandet wird, pflichtet auch das BSV bei. Angesichts dieser Sach­

lage hat die Berufungsinstanz keinen Anlaß, in diesem Punkte vom vor­

instanzlichen Urteil abzuweichen.

2. Die Versicherte leidet an Friedreichscher Ataxie. Diese Krankheit gehört zu den unter Ziffer 383 GgV aufgeführten heredodegenerativen Er­

krankungen des Nervensystems.

Nach Art. 13 IVG haben minderjährige Versicherte Anspruch auf alle zur Behandlung von Geburtsgebrechen notwendigen medizinischen Maßnah­

men, sofern diese Gebrechen ihrer Art nach zu einer Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit führen können. Der Anspruch auf Leistungen gemäß Art. 13 IVG steht während einer Dauer von fünf Jahren seit Inkrafttreten dieses Gesetzes auch volljährigen Versicherten zu, sofern das Geburtsgebre­

chen durch eine zeitlich beschränkte medizinische Maßnahme behoben oder dauernd gemildert werden kann (Art. 85, Abs. 2, IVG).

Die Versicherte wurde am 1. Februar 1965 volljährig. Das Gesuch um Übernahme der Operation erfolgte Ende März 1966. Der Eingriff selber wurde am 6. Mai 1966 durchgeführt. Damals war die Versicherte bereits

mündig und die Frist von Art. 85, Abs. 2, IVG schon abgelaufen. Demzufolge ist die Streitfrage einzig auf Grund von Art. 12, Abs. 1, IVG zu beurteilen.

3. Nach Art. 12, Abs. 1, IVG hat der Versicherte Anspruch auf medizini­

sche Maßnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die berufliche Eingliederung gerichtet und geeignet sind,

«die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesent­

licher Beeinträchtigung zu bewahren».

Die Vorinstanz ist zum Schluß gekommen, die umstrittene Operation habe vorwiegend der Eingliederung im Sinne von Art. 12, Abs. 1, IVG ge­

dient. Insbesondere sei die Bedingung der wesentlichen Dauer erfüllt, da nach dem Gesetz schon ein vier bis fünf Jahre dauernder Eingliederungs­

erfolg hinreichend sei, zumal der Begriff der Dauer «im Sinne der Gesamt­

konzeption des IVG» extensiv interpretiert werden müsse. Dieser Betrach­

tungsweise kann nicht unbesehen beigepflichtet werden. Zunächst Ist fest­

zuhalten, daß Art. 12, Abs. 1, IVG innerhalb des Gesetzes eine Sonderstellung einnimmt. Er dient wesentlich der Abgrenzung der IV von der sozialen Kranken- und Unfallversicherung, die vom Gesetzgeber vorausgesetzt wurde.

Nach dessen Willen gehört die medizinische Behandlung eines Leidens in der Regel in das der sozialen Kranken- und Unfallversicherung vorbehaltene Gebiet (EVGE) 1965, S. 39, ZAK 1965, S. 442 und EVGE 1965, S. 247, ZAK 1966, S. 260). Mit dieser Konzeption vertrüge es sich nicht, das gesetzliche, der erwähnten Abgrenzung dienende Erfordernis der dauernden und wesent­

lichen Verbesserung der Erwerbsfähigkeit so auszulegen, daß der entspre­

chende Eingliederungserfolg, ganz allgemein gesprochen, bloß «während längerer Zeit» bestehen müßte. Art. 12, Abs. 1, IVG ist in dieser Hinsicht deutlich von Art. 4 IVG zu unterscheiden, wo das Erfordernis der längeren Zeitdauer als Merkmal des Invaliditätsbegriffs verwendet wird. Der Vor­

instanz ist indessen in dem beschränkten Sinne beizustimmen, daß es Fälle geben kann, in denen eine vier bis fünf Jahre dauernde Verbesserung des Zustandes als wesentlich gemäß Art. 12, Abs. 1, IVG zu bewerten ist. Das gilt vor allem bei Jugendlichen, dann aber auch für junge Erwachsene, deren erstmalige Ausbildung wegen ihrer Invalidität verzögert wurde und die deshalb den Jugendlichen in dieser Hinsicht gleichgestellt werden dürfen.

Alsdann kann der voraussichtliche Eingliederungserfolg schon dann als wesentlich und dauernd betrachtet werden, wenn der Versicherte infolge einer längeren Zeit dauernden Verbesserung des Gesundheitsschadens (z. B.

der Gehfähigkeit) imstande ist, sich eine Ausbildung anzueignen, dank der er gegebenenfalls seinen Lebensunterhalt während eines beträchtlichen Teils der Aktivitätsperiode vornehmlich selber zu verdienen fähig ist; denn selbst wenn in einem solchen Fall ein gesundheitlicher Rückschlag (z. B. eine er­

neute starke Beeinträchtigung der Gehfähigkeit) einträte, wäre doch die grundlegende Erwerbsfähigkeit dauernd besser geworden.

Nachdem eine Eingliederungsstätte die Eingliederungsmögllchkeiten der Versicherten im August 1962 recht günstig eingeschätzt hatte, hoffte die IV-Regionalstelle vorerst, «bei diesem Versicherungsfall zum Erfolg zu kom­

men». Später gelangte sie dann aber zum Schluß, daß die großen Schwierig­

keiten, die sich beim Eingliederungsversuch inzwischen eingestellt hatten, in erster Linie auf die Gehunfähigkeit zuriickzufUhren seien. Im Bericht vom 1. Februar 1966 wurde erklärt, «eine gewisse Verbesserung der Geh­

Verfahren

fähigkeit» sei «eine notwendige Voraussetzung» weiterer Bemühungen um die Eingliederung. Dr. B erwartete von den Eingriffen, die er am 25. April 1966 der TV-Kommission empfahl und am 6. Mai 1966 durchführte, eine deutliche Verbesserung des Zustandes der Versicherten und deren Arbeits­

fähigkeit im Haushalt. Indessen kann auf Grund der Akten nicht mit der notwendigen Zuverlässigkeit beurteilt werden, ob die Operation auch als geeignet erschien, die Versicherte einer Berufsbildung und anschließend einer beachtlichen erwerblichen Tätigkeit zuzuführen. Die Eingriffe könnten nur übernommen werden, wenn zur Zeit als sie durchgeführt wurden, voraus­

gesetzt werden durfte, die Gehfähigkeit der Versicherten werde wahrschein­

lich so stark und während so langer Zeit verbessert werden, daß die Ver­

sicherte einen Beruf zu erlernen imstande sein werde, der ihr selbst dann, wenn die Gehfähigkeit infolge des Leidens, nach durchgeführter Eingliederung, wieder abnehmen würde, einen dauernden erwerblichen Erfolg zu gewähr­

leisten vermöchte. Es wird Sache der TV-Kommission sein, diesen entschei­

denden Aspekt zu prüfen und alsdann einen neuen Beschluß zu fassen.

Urteil des EVG vom 17. August 1967 1. Sa. H. N.

Art. 81 IVG und Art. 97 AHVO. Zur Frage der rückwirkenden Ab­

änderung von Kassenverfügungen, Schutz des guten Glaubens des Versicherten.

Art. 85, Abs. 2, Buchst, c, AHVG. Der kantonale Richter ist ver­

pflichtet, von Amtes wegen alles vorzukehren, was für die Ver- wirkllchung des materiellen Rechts erforderlich ist.

Der im Jahre 1955 geborene Versicherte wurde Ende August 1965 bei der TV angemeldet. Der Vater ersuchte um Gewährung medizinischer Maßnahmen und machte geltend, sein Sohn leide an Knick-Senkfüßen. Der Kinderarzt Dr. I diagnostizierte in seinem Bericht vom 3. September 1965, «starke Knick- Senkfüße bei schlaffen Bändern». Der Knabe bedürfe wegen der Geburts­

gebrechen voraussichtlich während zwei Jahren der medizinischen Behand­

lung. Ferner seien Schuheinlagen mit Innenranderhöhung notwendig. «Für die Anordnung dieser orthopädischen Maßnahme schlage ich eine orthopä­

dische Untersuchung durch Herrn Prof. Y vor, der gegen Ende des Jahres wieder konsiliarisch bei mir sein wird.»

Mit Verfügung vom 24. September 1965 eröffnete die Ausgleichskasse dem Vater des Versicherten u. a. folgendes:

«Auf Grund des TVG erhalten Sie gemäß den Feststellungen der TV- Kommission folgende Eingliederungsmaßnahmen zugesprochen:

Medizinische Maßnahmen: Zu den vereinbarten TV-Tarifen übernimmt die TV die Kosten der Behandlung der Geburtsgebrechen (Ziffern 182, 172 -|- 174 GgV vom 5. Januar 1961) u. a. orthopädische Untersuchung, wenn Spitalaufaufenthalt, in allgemeiner Abteilung.

Dauer der Leistungen: Ab 13. August 1965 bis 31. Dezember 1967.

Hilfsmittel: Zu den vereinbarten IV-Tarlfen übernimmt die IV

Hilfsmittel: Zu den vereinbarten IV-Tarlfen übernimmt die IV

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