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Allgemeine Therapieempfehlung

3. Medikamentenbezogene Störungen

3.0 Allgemeine Behandlungsgrundsätze

3.1.7.1 Allgemeine Therapieempfehlung

Empfehlung Empfehlungsgrad

3.1-6

Wenn das Absetzen eines Opioid-Arzneimittels indiziert ist, dann soll dieses langsam ausschleichend abgesetzt werden.

Klinischer Konsenspunkt Abstimmungsergebnis: 100 % 3.1-7

Liegen kein Abhängigkeitssyndrom oder gravierende psychische Erkrankungen vor, sollte den Patient*innen ein ambulantes und/oder stationäres Ausschleichen in einer interdisziplinären schmerztherapeutischen Einrichtung angeboten werden.

Klinischer Konsenspunkt Abstimmungsergebnis: 94 % 3.1-8

Liegt ein Abhängigkeitssyndrom und/oder gravierende psychische Erkrankungen vor, sollte den Patient*innen ein Qualifizierter Entzug in einer suchtmedizinischen, psychiatrischen Einrichtung angeboten werden.

Klinischer Konsenspunkt Abstimmungsergebnis: 87 % 3.1-9

Die Dauer der Behandlung soll sich individuell an der Schwere der Entzugserscheinungen und der körperlichen und psychischen Begleit- oder Folgeerkrankungen orientieren.

Klinischer Konsenspunkt Abstimmungsergebnis: 93 % 3.1-10

Da ein körperlicher Entzug alleine keine hinreichende Therapie der Abhängigkeitserkrankung darstellt, sollen weitere suchtmedizinische Hilfen vorgehalten bzw. vermittelt werden.

Klinischer Konsenspunkt Abstimmungsergebnis: 100 %

3.1.7.2 Hintergrund und Evidenz

Hintergrund und Evidenz zur Empfehlung 3.1-6

Das Entzugssyndrom (siehe 6) setzt sich aus einem Komplex aus psychischen und körperlichen Symptomen zusammen und kann je nach verwendeter Substanz bereits vier bis sechs Stunden nach der letzten Aufnahme auftreten (zwei bis drei Halbwertszeiten nach der letzten Einnahme des Medikamentes) und den Höhepunkt nach zwei bis drei Tagen erreichen.

Dies ist unter anderem abhängig von der Dosis, der Dauer der Einnahme, der Halbwertszeit des Medikamentes und der Geschwindigkeit des Absetzens.

Bei langwirksamen Opioiden sind erste Entzugssymptome bis 36 Stunden nach der letzten Einnahme zu erwarten und das voll entwickelte Entzugssyndrom nach 72-96 Stunden. Ab welcher Behandlungsdauer bei regelmäßiger Opioid-Einnahme Entzugssyndrome gesichert auftreten ist nicht bekannt. Nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnis ist davon auszugehen, dass bei der regelmäßigen Einnahme von Opioiden, zum Beispiel im Rahmen einer nicht-tumor bedingten Schmerztherapie nach einer Behandlungsdauer von zwei bis drei Wochen Entzugssymptome auftreten können.

Patient*innen, die von opioidhaltigen Medikamenten abhängig sind, welche in der Regel wegen Schmerzen verordnet wurden, befürchten ein Wiederauftreten der Schmerzen. Beim plötzlichen Absetzen des opioidhaltigen Medikamentes wird der Patient/die Patientin (m/w/d) mit diesen Ängsten zusätzlich konfrontiert. Daher soll kein abruptes Absetzen der Medikation erfolgen, sondern die Medikation langsam ausgeschlichen werden, um den oben genannten Aspekten Rechnung zu tragen.

Hintergrund und Evidenz zur Empfehlung 3.1-7

Wenn bei dem Patient*inn nur eine körperliche Toleranzentwicklung gegenüber dem Opiat oder Opioid vorliegt und keine Abhängigkeitserkrankung nach ICD 10 mit spezifischen Hinweisen (s. z.B. auch Tab 5) sowie auch keine andere ausgeprägte psychische Erkrankung, kann ein ambulantes und/oder stationäres Ausschleichen in einer interdisziplinären schmerztherapeutischen Einrichtung angeboten werden. Bei unkomplizierten Behandlungsverläufen kann die Medikamentenreduktion in schmerztherapeutischen Ambulanzen beziehungsweise bei niedergelassenen Schmerztherapeuten realisiert werden.

Eine stationäre Behandlung in einer schmerztherapeutischen Einrichtung ist empfehlenswert, wenn in einem ambulanten Setting ein Ausschleichen der Medikation nicht erfolgreich ist [84].

Da im Rahmen der Medikamentenreduktion sowohl psychische als auch körperliche Beschwerden auftreten können und von Seiten der Patient*innen Ängste bestehen, dass bei der künftigen Abstinenz die körperlichen Beschwerden wieder auftreten können, die zur

Verordnung der Medikation geführt haben, ist die Betreuung dieser Patient*innen in einem interdisziplinären Rahmen anzuraten.

Hintergrund und Evidenz zur Empfehlung 3.1-8

Bei Bestehen aber einer Opioid-Abhängigkeitserkrankung wie oben dargelegt, führt das Auftreten von Opioid-Entzugssymptomen zu einem Anstieg von Craving, welches mit einer erhöhten Rückfallrate einhergehen kann. Hier ist eine Reduktion von Craving, auch im Rahmen einer Opioid-Entzugsbehandlung geboten. Sandhu et al. (2018) empfehlen ein Ausschleichen von 10-20% der Dosis des verwendeten Opioids pro Woche [85]. Neben den reinen körperlichen Symptomen des Opioid-Entzuges sind auch die psychischen Symptome wie die komorbiden Störungen zu berücksichtigen (zum Beispiel Depressionen, Angststörungen, etc.).

Liegt eine Abhängigkeitserkrankung und/oder eine ausgeprägte psychische Störung bei den Patient*innen vor, ist ein stationärer qualifizierter Entzug in einer suchtmedizinischen, psychiatrischen Einrichtung empfehlenswert. Eine qualifizierte Entzugsbehandlung wird von einem multiprofessionellen Team, bestehend aus Ärzt*innen, psychiatrischem Pflegepersonal, Sozialarbeiter*innen, Psycholog*innen und anderen Spezialtherapeut*innen durchgeführt.

Eine qualifizierte Entzugsbehandlung beinhaltet nicht nur die Medikamentenreduktion und die Therapie der dabei auftretenden körperlichen und psychischen Symptome, sondern auch die Motivationsarbeit sowie die Anbahnung von weiterführenden Hilfen.

Hintergrund und Evidenz zur Empfehlung 3.1-9

Die Dauer der Behandlung orientiert sich individuell an der Schwere der Entzugserscheinungen und den körperlichen und psychischen Begleit- oder Folgeerkrankungen. Dabei kann die Dauer der Entzugssymptome sehr unterschiedlich sein, insbesondere in Abhängigkeit von der Dauer der Vorbehandlung mit den opioidhaltigen Medikamenten und unter Berücksichtigung der verschiedenen Halbwertszeiten. Die Geschwindigkeit des Ausschleichens des Medikamentes orientiert sich ebenfalls an den individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt auftretenden körperlichen und psychischen Entzugssymptomen. Des Weiteren sind auch körperliche beziehungsweise psychische Begleiterkrankungen, welche den Entzug erschweren können, zu berücksichtigen. Insofern ist die Dauer der Behandlung im Sinne der partizipativen Entscheidungsfindung mit dem Patient*innen individuell festzulegen. Ein fixer Standard für die Dauer der Behandlung würde der Komplexität des Störungsbildes nicht gerecht.

Hintergrund und Evidenz zur Empfehlung 3.1-10

Ein ausschließlicher körperlicher Entzug von opioidhaltigen Medikamenten ist keine ausreichende Therapie der Abhängigkeit. Neben der reinen körperlichen Entzugsbehandlung sind psychotherapeutische Methoden zur Förderung der Motivation, Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartungen, Behandlungszuversicht, etc. in einem multiprofessionellen Team empfehlenswert. Weiterhin erforderlich sind Information und Organisation von weiterführenden Hilfen, um die Einhaltung einer Abstinenz nach erfolgreicher Entzugsbehandlung zu realisieren. Auch Dugosh et al. (2014) kommen in ihrem systematischen Review zu dem Ergebnis, dass psychosoziale Interventionen, einschließlich einer psychotherapeutischen Behandlung vorteilhafter als eine reine körperliche Entzugsbehandlung der Patient*innen sind [86].