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4. Material und Methoden

4.1. Zellkultur HEK 293t-Zellen

4.3.1. Allgemeine Grundlagen

Zur Charakterisierung der neurophysiologischen Merkmale und Besonderheiten von Ionenkanälen ist das Patch-Clamp Verfahren heute die weltweit verbreitete elektrophysiologische Messmethode der Wahl. Neher und Sakmann beschrieben 1976 erstmalig das Prinzip der sogenannten „Membranfleckklemmung“, bei welcher Spannungs-, Strom-, sowie Potential-Änderungen einzelner Ionenkanäle gemessen werden können62. Das Prinzip dieser Methode besteht darin, eine Glaspipette mit einer definierten Öffnungsfläche mittels Mikromanipulator an die Zellmembran der zu messenden Zelle heranzubringen, diese durch einen Unterdruck anzusaugen und einen hoch abgedichteten Kontakt zwischen dem isolierten Membranfleck („patch“) und Pipette mit einem Widerstand im Gigaohmbereich zu erzeugen (sog. „Gigaseal“).

Für die Entwicklung dieser Methode erhielten die beiden Deutschen 1991 den Nobelpreis.

Es existieren verschiedene Konfigurationen des Patch-Clamp Verfahrens, wobei in den vorliegenden Experimenten ausschließlich die „whole-cell“-Konfiguration verwendet wurde. Hierbei handelt es sich, wie beschrieben, um eine kurzzeitige Erhöhung des Pipettenunterdrucks, um die Perforation der Zellmembran zu erreichen. Geschieht dies vorsichtig, wird die Umgebung um die Pipettenspitze nicht geschädigt und man erhält eine direkte elektrische Verbindung über die intakte Zellmembran ins Zellinnere. Ist nun eine Spannung voreingestellt, so wird das Prinzip der Strommessung über die Zellmembran als Spannungsklemmenverfahren („Voltage clamp“) bezeichnet. Das Zytosol der zu untersuchenden Zelle wird währenddessen gegen die speziell hergestellte Lösung in der Pipette ausgetauscht.

Nun ist es möglich, die gesamte Zellmembran auf ein vorher definiertes Potential („Sollspannung“) zu bringen und elektrische Vorgänge und deren Veränderungen unter Applikation von Testsubstanzen auch an der intakten Membran zu messen.

4.3.2. Versuchsaufbau

Die Experimente wurden unter einem inversen Mikroskop auf einem schwingungsgedämpften Metalltisch durchgeführt. Alle Geräte waren über einen Verstärker geerdet und zudem von einem geerdeten Farraday´schen Käfig umgeben, um eine optimale Abschirmung gegen Signalrauschen durch elektromagnetische Wellen zu gewährleisten63. Zur Verstärkung der gemessenen Ströme wurde ein HEKA Electronics USB10-Verstärker (HEKA-Instruments Inc., New York, USA) verwendet. Die einzelnen Ströme wurden zur Unterdrückung von hochfrequentem Rauschen bei 5kHz gefiltert und digitalisiert. Die Versuche wurden im Bereich einer 25kHz-Abtastfrequenz (digitalisierte Sampling Rate) durchgeführt und die Datenerfassung erfolgte mit einem konventionellen PC und der Patchmaster-Software v20x60 (HEKA-Instruments Inc.). Pro Petrischale wurde nur eine Zelle für die Experimente verwendet. Einzelne Versuchsreihen wurden an mindestens 2-3 unabhängigen Experimentiertagen durchgeführt. Alle Messungen wurden bei Raumtemperatur durchgeführt und aufgezeichnet. Als Referenzelektrode diente ein chlorierter Silberdraht (Ag/AgCl-Elektrode), welcher in die Messkammer eingelegt und mit dem Verstärker verbunden war. Die zu applizierenden Lösungen befanden sich in einem nachfüllbaren Perfusionssystem aus Spritzenhaltern. Dieses System

war in geeigneter Höhe seitlich über der Messkammer befestigt, um einen konstanten gravitationsbedingten Fließdruck zu gewährleisten und Messflüssigkeiten sehr nah an die Zelle applizieren zu können. Das Perfusionssystem bestand aus 7 in Spritzenhaltern eingelegten 10ml Spritzenbehältern ohne Stempel mit Drei-Wege-Hähnen. Diese Spritzenbehälter wurden über ein Schlauchsystem zusammengeführt, und vereinigten sich am Ende zu einer Kapillare.

Die Kapillare wurde mit Hilfe eines Mikromanipulators (Märzhäuser, Wetzlar, Deutschland) bis auf etwa 100µm an die zu untersuchende Zelle herangeführt und die jeweilige Lösung gravitationsgetrieben appliziert. Das Schlauchsystem wurde zwischen den Versuchen mit Extrazellularlösung durchgespült und gereinigt. Das mikrometergenaue Heranfahren des Pipettenhalters samt Patchelektrode an die Zelle wurde mit Hilfe eines elektrischen Mikromanipulators (Narishige, Tokyo, Japan) gewährleistet. Am Pipettenhalter war ein flexibler Schlauch mit einer handelsüblichen 2ml Spritze befestigt, der es ermöglichte, einen kurzzeitigen Unterdruck zu erzeugen.

Die Pipetten wurden aus Borosilikatglas ohne Filament (GB150EFT-8P, Science Products, Hofheim, Deutschland) mit Hilfe eines Pipettenpullers selbst hergestellt (Zeitz, Martinsried, Deutschland, Widerstand von 2,7-3,2 Mega-Ohm). Eventuelle Unreinheiten an den Pipettenspitzen wurden beseitigt. Die Zeiteinstellung des zweizeitigen Ausziehens wurde manuell eingestellt.

4.3.3. Versuchsdurchführung

Für die durchgeführten elektrophysiologischen Untersuchungen wurden die Zellen nach erfolgreicher Transfektion mit 1,5ml Trypsin vom Boden der T-25-Flasks abgelöst, auf 35mm dishes ausgesät und erneut inkubiert. Am nächsten Tag erfolgte vor Versuchsbeginn die Kontrolle der Zellen an dem inversen Mikroskop unter UV-Licht. Die Zellen wurden vor Beginn des Versuchs mit einer Extrazellularlösung gewaschen, welche aus 140 mM NaCl, 5 mM KCl, 2 mM MgCl2, 1,2 mM CaCl2, 10 mM HEPES (Gibco-Invitrogen) und 10 mM Glukose bestand. Der pH-Wert dieser Extrazellularlösung wurde bei Bedarf mit Tetramethylammoniumhydroxid (TMA-OH) auf einen pH-Wert von 7,4 eingestellt. Als zusätzliche Extrazellularlösung wurde zudem calciumfreie Lösung verwandt welche 140 mM NaCL, 5 mM KCL, 2 mM MgCl2, 5 mM EGTA, 10 mM HEPES (Gibco-Invitrogen) und 10 mM Glukose

enthielt. Auch diese Lösung wurde mit TMA-OH bei Bedarf auf einen pH-Wert von 7,4 eingestellt.

Jeweils eine erfolgreich transfizierte Zelle wurde anhand der in der Zellwand und in den Organellen angereicherten fluoreszierenden Proteine ausgewählt und für die Experimente genutzt. Vor Ausrichten des Perfusionssystems an die Zelle wurde die Refenzelektrode aus chloriertem Silberdraht im Lösungsbad platziert. Die Borosilikatglaspipette wurde nun mit Intrazellularlösung gefüllt, welche sich wie folgt zusammensetzte: 140 mM CsF, 10 mM NaCl, 1 mM EGTA, und 10 mM HEPES (Gibco-Invitrogen). Bei Bedarf wurde die Intrazellularlösung mit Cäsiumhydroxid auf einen pH-Wert von 7,4 eingestellt.

Nach Heranfahren der Meßpipette mit Hilfe des Mikromanipulators bis auf die Zellmembran wurde durch leichten Unterdruck die Zellwand angesaugt und perforiert. Mit langsamem manuellem Sog wurde ein Gigaseal und im Anschluss durch Perforation der Zellmembran der „Whole-Cell-Modus“ geschaffen. Lag der über die Pipette gemessene Widerstand der Zelle unter 1 Gigaohm, oder ergab sich während der Messung ein Leckstrom von mehr als 1,0 nA, so wurde die Messung abgebrochen und die Zelle verworfen.

Nach der Applikation der Testlösungen (Lidocain, Capsaicin und QX-314) wurde das Perfusionssystem jeweils mit der Extrazellularlösung ausgewaschen. Die Filterfrequenz für die Experimente mit Natriumkanälen betrug 5 kHz, die Aufnahmefrequenz 25 kHz. Der Serienwiderstand wurde zu 60-80% kompensiert und die Kondensatorkapazitätsartefakte durch die Patchmaster Software unterdrückt.

Was die Bestimmung der tonischen Blockade betraf, wurden die Daten der bestimmten Widerstände von vier hyperpolarisierenden Pulsen genutzt. Die Leckströme wurden linear subtrahiert. Die Pulse wurden nach Applikation eines depolarisierenden Testpotentials gemessen. Für die Experimente mit den TRPV1-Kanälen betrug die Filterfrequenz 2 kHz, die Aufnahmefrequenz 10 kHz. Alle Experimente und Aufzeichnungen wurden bei Raumtemperatur durchgeführt.

Die Reihenfolge der unterschiedlichen Experimente wird in der Abbildung 4 zusammengefasst.

Abbildung 4: Schematische Darstellung der chronologischen Reihenfolge der Experimente.

4.4. Chemikalien

Als Chemikalien wurden Lidocain und QX-314 (beide von Sigma-Aldrich, Darmstadt, Deutschland) direkt in die Extrazellularlösung, bzw. für die Kontrollmessungen in die Intrazellularlösung gelöst, um eine Stocklösung von 100 mM zu erhalten. Mit Hilfe von Tetramethylammoniumhydroxid wurde der pH-Wert aller Lösungen, wenn nicht anders erwähnt, auf einen pH-Wert von 7,4 eingestellt. Der TRPV1-Agonist Capsaicin (Biotrend, Köln, Deutschland) wurde in Ethanol gelöst, um Lösungen von 0,01 - 1 mM herzustellen. Alle Stock-Lösungen wurden bei -20°C aufbewahrt und für die Experimente in entsprechenden Testkonzentrationen, extrazellulärer Pufferlösung oder Zellkulturmedium verdünnt.

4.5. Datenanalyse

Alle Datenaufzeichnungen der Einwärtsströme wurden nach Aufzeichnung als berechnete Mittelwerte mit Standardfehler abgebildet. Wenn repetitive Messungen erfolgten, wurden die Stromantworten jeweils zur initialen Stromantwort der Zelle

normalisiert. Die statistische Signifikanz wurde auf einen Irrtumswahrscheinlichkeitswert oder p-Wert von <0,05 angelegt. Die statistische Analyse wurde mit dem Programm GraphPrism (GraphPad Software Inc., La Jolla, USA) durchgeführt. Ausgewertet und aufbereitet wurden die Daten mit Hilfe der Software Pulsefit (HEKA-Instruments), sowie Origin 6.0 (Microcal Software, Northhampton, MA, USA). Vergleiche zwischen zwei Gruppen mit verschiedenen Probengrößen (Strömen) wurden nichtparametrisch, zweiseitig anhand des Kruskal-Wallis-Test durchgeführt. Dieser Test wurde als äquivalent zum t-Test für nicht parametrische unabhängige Stichproben angewendet, da unsere Ergebnisse nicht aus isolierten Einzelmesswerten bestanden, sondern auch aus Membranpotential-Verteilungskurven. Mehrfachvergleiche für Gruppen mit gleichen, balancierten Proben wurden mit einem Dunns-post-hoc-Test nach dem oben genannten Kruskal-Wallis-Test ausgeführt. Die als Kurven dargestellten Graphiken wurden aus den Doppel-Puls-Protokollen generiert. Die erhobenen Daten wurden durch die Boltzmann-Gleichung (y = 1/ {1 + exp (EPP-0,5) /kh}) angepasst, wobei EPP ein bearbeitetes Pulspotential darstellt, 0,5 die elektrische Spannung bei der y = 0,5 und kh den Faktor des Anstiegs. Durch die Hill-Gleichung (y 0 ymax x {(IV50n/IC50n x Cn)}), wurden die Daten des Verhältnisses aus Konzentration und Inhibition durch Lidocain angepasst und als Konzentrations-Inhibitions-Kurven aufgetragen. Bei der Hill-Gleichung steht ymax für die maximale Amplitude, IC50 für die halbmaximale Blockierungskonzentration, wenn y/ymax = 0,5 und n für den Hill-Koeffizienten. Um den IC50 -Wert (halbmaximale Blockierungskonzentration) für den tonischen Block durch Lidocain zu ermitteln, wurden die Maximalstromamplituden der verschiedenen Stoffkonzentrationen an den Wert angepasst, welcher in der jeweiligen Kontrolllösung herrschte. Die Hill-Gleichung wurde daher für die statistische Darstellung der Substratbindung in das Medium benutzt.

Für die Schätzung des Umfangs der Stichproben wurden frühere Studien der Arbeitsgruppe herangezogen, d. h., es wurde anhand der Daten aus vorangegangenen Experimenten eine Leistungsanalyse und Probenmengenprojektion durchgeführt.

5. Ergebnisse

Der erste Versuchsaufbau hatte als Ziel, die idealen tonischen Blockaden zu bestimmen, um zu einem späteren Zeitpunkt die Wirkung von QX-314 untersuchen zu können. Zur Kontrolle wurde ein Haltepotential von -70 mV etabliert. Die ausgewählten Zellen unter diesem Haltepotential wurden jeweils 40 depolarisierenden Pulsen von -10 mV bei einer Frequenz von 0,1 Hz ausgesetzt (Abbildung 4, erste Spalte). Hierbei zeigte sich in der Kontrolllösung ein starker Abfall der Spitzenstromamplitude und somit eine zunehmende Inaktivierung der NaV1.7 Kanäle (45  28%, n = 23; siehe Abbildung 5B). Als das gleiche Protokoll bei einem Haltepotential von -120 mV angewandt wurde, ergab sich kein Amplitudenabfall, sondern eine leichte Zunahme des Spitzenstroms über die Zeit (6  10%; n = 25), was auf eine Zunahme der Offenheitswahrscheinlichkeit der spannungsabhängigen Natriumkanäle im Falle der Depolarisierung hindeutet.

Abbildung 5: Experimentelle Bestimmung der Haltepotentiale der hNaV1.7 transfizierten HEK-293t Zellen. (A) Beispiele der Pulsmessungen bei einem Ausgangspotential (Haltepotential) von -120 mV (obere Reihe) bzw. -70 mV (untere Reihe). (B) Normalisierte Darstellung von 40 durchgeführten Messungen der Hauptspannungsamplitude bei einem Haltepotential von -120 mV (schwarz) bzw.

-70 mV (blau). Punkte stellen den Durchschnitt, Klammerbalken den Standardfehler für jede Messung dar.

Um das ideale Haltepotential für die im Anschluss stattfindenden Experimente zu bestätigen, wurden die Zellen mittels einer spannungsabhängigen schnellen Inaktivierung getestet. Diese Inaktivierung entspricht nicht wie im Vorexperiment dem Mechanismus, der normalerweise nach Depolarisierung für die refraktäre Phase eines Kanals verantwortlich ist, sondern stellt die Inaktivierung im offenen Zustand des Kanals dar. Die für die schnelle Inaktivierung benötigten Versuche umfassten 100 ms lange Vorpulse, welche sich von -150 mV bis -10 mV erstreckten und in Schritten von 10 mV an die Zellen gelegt wurden. Anschließend wurde die Stromamplitude mit einem Testpuls bei -10 mV ermittelt (siehe Abbildung 5A oben rechts) und an die entsprechende Spannung des Ruhe-Membranpotentials angeglichen. Obgleich eine wesentliche Anzahl der Natriumkanäle bei -70 mV noch inaktiviert war, waren bei -120 mV 100% der Kanäle verfügbar (Mittelpunkt der Innaktivierung (50%) im offenen Zustand bei -79 mV  6 mV, n= 8; Abbildung 6).

Daher wurden die weiteren Versuche mit Protokollen von Natriumströmen in Zellen mit einem Haltepotential von -120 mV aufgezeichnet.

Abbildung 6: Bestimmung der schnellen Inaktivierung der hNaV1.7-Kanäle mit Vorpulsen von -150 mV bis -10 mV während 100 ms, gefolgt von einem -10 mV Puls. Normalisierte Darstellung der gemessenen Hauptspannungsamplituden. Die durchgezogene Linie ergibt sich aus der Boltzmann-Gleichung der Werte (Wahrscheinlichkeits-Annäherung) und erlaubt die Bestimmung der Werte bei Haltepotentialen von -120 mV und -70 mV (gestrichelte Linien). Punkte stellen Mittelwerte, Klammerbalken den Standardfehler für jede Messung dar.

Da in früheren Publikationen bereits bei geringen extrazellulären Konzentrationen von 5 mM QX-314 ein bedeutender Abfall der Natriumionenströme an embryonalen Spinalganglienzellen bei Ratten gemessen werden konnte1,64, wurde eine QX-314-Lösung mit einer Konzentration von 5 mM QX-314 für die vorliegenden Experimente verwendet. Wie in der Abbildung 4 beschrieben, waren die co-transfizierten hNaV1.7/hTRPV1-Zellen folgenden Reagenzien extrazellulär für 60 Sekunden bei einem Haltepotential von -120 mV ausgesetzt:

 1 µM Capsaicin

 Capsaicin in Kombination mit 5 mM QX-314

 Capsaicin in Kombination mit 30 mM QX-314

Nach dieser definierten Zeit erfolgte eine erneute Messung mit einem Puls von -10 mV (Abbildung 7A). Nach Applikation jeder Kombination der Testsubstanzen konnte ein Rückgang der Spitzenstromamplitude beobachtet werden (Abbildung 7B).

Diese Ergebnisse wurden nun mit dem gemessenen Abfall der Spitzenstromamplituden bei alleiniger Auswirkung von 1 µM Capsaicin (20%  14% Rückgang, n = 10), sowie der Kombination aus Capsaicin und QX-314 auf die Zellen verglichen. Hierbei konnte festgestellt werden, dass die Kombination aus Capsaicin und 5 mM QX-314 (35%  24% Rückgang, n = 16), bzw.

Capsaicin und 30 mM QX-314 (23%  18% Rückgang, n = 26) zu keinem signifikant stärkeren Rückgang der Gesamtströme führte als Capsaicin alleine (p > 0,05, Kruskal-Wallis und post hoc Dunn Test) (Abbildung 7C). Auch die alleinige Applikation von 30 mM QX-314 führte zu keiner signifikanten Inhibition65.

Abbildung 7: Wirkung unterschiedlicher extrazellulärer Substanzen auf die tonische Blockade von Natriumströmen in hNaV1.7/hTRPV1-exprimierenden Zellen durch QX-314. (A) Schematische Darstellung der Versuchsreihe in chronologischer Folge. (B) Beispiel einer Patch-Clamp Messung vor (Natriumstrom links), während (Capsaicin-induzierter Strom Mitte) und nach (Natriumstrom rechts) Behandlung der Zelle mit 1 M Capsaicin und 5 mM QX-314 während 60 Sekunden. (C) Normalisierte Darstellung der gemessenen Stromamplituden der Natriumströme unter der Wirkung unterschiedlicher Substanzen. Balken stellen Mittelwerte, Klammerbalken den Standardfehler für jede Messreihe dar.

n.s. nicht statistisch signifikante Unterschiede.

Aufgrund der nun vorliegenden Daten wurde die Hypothese aufgestellt, dass eine kombinierte extrazelluläre Exposition mit QX-314 und Capsaicin über 60 Sekunden keine robuste Blockade an Natriumkanälen auslösen konnte. Zum besseren Verständnis der Wirkungsweise wurde daher ein tonischer Block mittels Lidocain an ruhenden NaV1.7-Kanälen untersucht, da sich die Potenz der Inhibition des Natriumkanals im Zytosol zwischen den Lokalanästhetika Lidocain und QX-314 nicht wesentlich unterscheidet. Das Haltepotential der hNaV1.7-transfizierten Zellen, die extrazellulär jeweils verschiedenen Konzentrationen (10 bis 30 000 µM) von Lidocain ausgesetzt wurden, betrug -120 mV (Abbildung 8). Der für diesen tonischen Block errechnete IC50-Wert (mittlere effektive Konzentration) betrug 1710 µM  242 µM (n = 6 bis 11 Zellen je unterschiedlicher Konzentration) (siehe Hill-Gleichung in Material und Methoden).

Abbildung 8: Wirkung der extrazellulären Applikation von Lidocain auf hNav1.7. (A) Komparative Superposition der Stromkurven unter steigenden Konzentrationen von Lidocain induziert durch einen Puls von -10 mV bei einem Haltepotential von -120 mV. (B) Normalisierte Darstellung der gemessenen Stromamplituden unter der Wirkung steigender Konzentrationen von Lidocain. Punkte stellen Mittelwerte, Klammerbalken den Standardfehler für jede Messreihe dar. Die durchgezogene Linie ergibt sich aus der Hill-Gleichung der nichtparametrischen Werte.

Anhand dieser Ergebnisse, welche die Notwendigkeit von hohen intrazellulären Konzentrationen von QX-314 im Zytosol, analog zu Lidocain, erahnen ließen, strebten wir eine Verlängerung der Einwirkzeit von QX-314 an, um eine starke Blockade der ruhenden Natriumkanäle zu induzieren. In vorherigen Arbeiten konnte diesbezüglich der Zusammenhang einer längeren Einwirkzeit und stärkerer Blockade aufgezeigt werden1.

Die Verlängerung der Einwirkzeit auf >3 Minuten bei der kombinierten Gabe von QX-314 und Capsaicin wurde allerdings durch die zunehmende Instabilität der Zellen beim Aufzeichnen der Ströme limitiert. Durch die beobachtete Membraninstabilität war die Natriumkanalblockade durch QX-314 von einer unspezifischen Stromabnahme nicht mehr zu unterscheiden. Zudem war in den früheren Aufzeichnungen der durch Capsaicin verursachten Einwärtströme durch die hTRPV1-Pore gezeigt worden, dass diese innerhalb der 60 Sekunden des Experiments fast komplett abnahmen (Abbildung 7B).

Wenn die Hypothese angenommen werden soll, dass QX-314 durch die Kanalporen von hTRPV1 permeieren muss, um Natriumkanäle zu inhibieren, so ist es schwer nachvollziehbar, dass allein durch die verlängerte Einwirkzeit bei jedoch

gleichzeitiger Inaktivierung von hTRPV1 nach etwa 60 Sekunden, überhaupt ein verstärkter Blockade-Effekt auftreten könnte.

Als alternatives Vorgehen wurde daraufhin versucht, die Natriumkanalblockade im Rahmen der Verlängerung der refraktären Phase der Zellen zu analysieren. Hierzu wurde die QX-314-vermittelte frequenzabhängige Blockade der Natriumströme ohne Co-Applikation von Capsaicin unter 100 depolarisierenden Pulsen von -10 mV und einer Frequenz von 10 Hz an mit hNaV1.7-transfizierten Zellen gemessen. Das Haltepotential betrug weiterhin -120 mV. Zuerst erfolgte die extrazelluläre Gabe einer geringen Konzentration von QX-314 ohne Zugabe von Capsaicin. Die Ergebnisse des vorgegebenen Pulsprogramms wurden dann mit den Ergebnissen in Kontrolllösung verglichen (p > 0,05, Kruskal-Wallis mit post hoc Dunn-Test). Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der Wirkung von sehr niedrigen (100 µM QX-314, 6  4% Rückgang, n = 5) und sehr hohen Konzentrationen (5 mM QX-314, 4  3% Rückgang, n = 7) von QX-314 im Vergleich zu den Membranpotentialen der hNaV1.7-transfizierten Zellen in Kontrolllösung (5  5% Rückgang, n = 5) (Abbildung 9A-C). Wurde allerdings QX-314 direkt intrazellulär in einer sehr niedrigen Konzentration über die Pipettenlösung gegeben, konnte bei 10 Hz eine frequenzabhängige Blockade am Natriumkanal erzeugt werden (100 µM QX-314, 54  14% Rückgang, n = 10; p = < 0,001, Kruskal-Wallis mit Dunn post hoc -Test, Abbildung 9C). Die alleinige extrazelluläre Gabe von 100 µM QX-314 erzeugte keine wesentliche frequenzabhängige Blockade der Natriumkanäle (7  5% Rückgang, n = 6, Abbildung 9A).

Abbildung 9: Bestimmung der frequenzabhängigen Blockade der hNaV1.7-transfizierten HEK-293t-Zellen. (A,B) Beispiele der progredienten Blockade bei extrazellulärer (A) bzw. intrazellulärer (B) Gabe von 100 µM QX-314. (C) Normalisierte Darstellung von 100 durchgeführten Strompulsen mit 10 Hz bei einem Haltepotential von -120 mV, ohne signifikante Unterschiede für die extrazellulären Applikationen ohne Capsaicin und Kontrolllösung und starke frequenzabhängige Blockade nach intrazellulärer Applikation von QX-314. Punkte stellen Mittelwerte, Klammerbalken den Standardfehler für jede Messung dar.

Nav1.7

Allerdings ließ sich eine signifikante frequenzabhängige Blockade bei extrazellulärer Co-Applikation von 1 µM Capsaicin und 5 mM QX-314 (34%  18% Rückgang, n = 13; p<0,01, Kruskal-Wallis mit Dunns-post hoc Test, Abbildung 10B) an mit hNaV1.7/hTRPV1-co-transfizierten HEK-293t-Zellen erzeugen. Diese Messergebnisse bewiesen erstmalig, dass QX-314 wirklich durch aktivierte humane TRPV1-Kanäle permeieren kann, um hNaV1.7 zu inhibieren. Somit konnte nach den durchgeführten Experimenten hTRPV1 tatsächlich als Voraussetzung für die Membranpermeation von QX-314 bestimmt werden, um Natriumkanäle durch dieses Lokalanästhetikum intrazellulär zu blockieren (Abbildung 10).

Abbildung 10: QX-314 permeiert die humane Isoform des Transient Receptor Potential Vanilloid 1 unter extrazellulärer Hinzugabe von 1 µM Capsaicin und verursacht eine frequenzabhängige Blockade von Natriumströmen in hNaV1.7/hTRPV1-co-transfizierten HEK-293t-Zellen. (A) Schematische Darstellung der Versuchsreihe in chronologischer Folge. (B) Normalisierte Darstellung der Messungen unter Applikation von 1 µM Capsaicin (weiß), die Kombination von 1 µM Capsaicin mit 5 mM QX-314 (blau) und 5 mM QX-314 (rot). Punkte oder Balken stellen Mittelwerte, Klammerbalken den Standardfehler für jede Messung dar.

Nav1.7 + hTRPV1

6. Diskussion

Durch die durchgeführten Experimente konnten neue Erkenntnisse des Transports nicht membranpermeabler Substanzen oder Wirkstoffe, in diesem Fall QX-314, durch die humane Isoform des Transienten Vanilloidrezeptorpotential 1 (hTRPV1) in die Zelle gewonnen werden. QX-314 vermittelte hierbei eine frequenzabhängige Blockade des auf nozizeptiven Nervenfasern exprimierten Natriumkanals Nav1.7.

Ergebnisse vorangegangener Studien deuteten bereits an, dass es möglich ist, TRPV1 als Shuttle für QX-314 in das Zytosol von Nozizeptoren zu benutzen66. Die Permeation von QX-314 durch TRPV1 mit anschließender Lokalanästhesie wurde von Binshtok et al. als erstes bei Ratten beschrieben1. Spätere Studien benutzten mehrere TRPV1-Agonisten, um QX-314 durch TRPV1 zu schleusen1,64,67-70. Andere Arbeiten wiederum postulierten, dass QX-314 eine TRPV1-unabhängige Lokalanästhesie, sowie eine motorische Blockade auslöse, obwohl keinerlei TRPV1-Agonisten co-appliziert wurden71-73. Die Fähigkeit von QX-314, eine motorische Blockade zu induzieren, erweckt die Vorstellung, dass andere zusätzliche Abläufe bei der Wirkung dieses Anästhetikums eine Rolle spielen könnten, als die Aktivierung von TRPV1 durch Agonisten und Übergang des QX-314 ins Zytosol.

Somit kann die Hypothese aufgestellt werden, dass nicht nur extrazellulär appliziertes QX-314 spannungsgesteuerte Natriumkanäle blockiert, sondern andere Transmembranproteine der Familie der TRP-Kanäle möglicherweise ebenfalls den Übertritt von QX-314 in das Zytosol bewirken können. In diesem Zusammenhang wurde beschrieben, dass eine Aktivierung des Toll-Like-Rezeptors 5 in A-ß-Fasern durch den Liganden Flagellin zu einer Blockade spannungsgesteuerter Natriumkanäle führte74.

Darüber hinaus geben eine steigende Anzahl von Arbeiten zahlreiche Hinweise auf unterschiedliche Funktionsweisen und pharmakologische Eigenschaften auf dem Gebiet der Spezies-spezifischen Unterscheidung von Isoformen der TRP-Kanäle bei Mensch und Nager71-74. Bei den meisten dieser wahrscheinlich molekularen Unterschiede handelt es sich um von der genetischen Kodierung veränderte Residuen im Inneren der Porenregion. Es ist nicht geklärt, ob Isoformen bei Menschen und Ratte dieselbe Fähigkeit der Vermittlung oder Funktion von Schleuserproteinen in Bezug auf nicht membranpermeable Substanzen, bzw.

Darüber hinaus geben eine steigende Anzahl von Arbeiten zahlreiche Hinweise auf unterschiedliche Funktionsweisen und pharmakologische Eigenschaften auf dem Gebiet der Spezies-spezifischen Unterscheidung von Isoformen der TRP-Kanäle bei Mensch und Nager71-74. Bei den meisten dieser wahrscheinlich molekularen Unterschiede handelt es sich um von der genetischen Kodierung veränderte Residuen im Inneren der Porenregion. Es ist nicht geklärt, ob Isoformen bei Menschen und Ratte dieselbe Fähigkeit der Vermittlung oder Funktion von Schleuserproteinen in Bezug auf nicht membranpermeable Substanzen, bzw.