RiB iTWO MagiCAD
4. Empirische Untersuchung
4.5. Ergebnisse und Auswertung der Interviews
4.5.9. Akzeptanz von BIM in der Bauausführung
Es ist nun zu betrachten, ob diese zukunftsweisende neue Art der Informationsbe‐
schaffung in der traditionsbehafteten Baubranche Fuß fassen kann. Schließlich erfordert das Arbeiten mit dem Modell sowohl Fachwissen als auch eine techni‐
sche Grundausstattung auf der Baustelle (vgl. Kapitel 4.3), was mit zusätzlichen Kosten einhergeht. Zufolge dem Bauleiter des Auftragnehmers ist je Baustelle mit Mehrkosten von €500 für Laptop, Computermaus und Internetanschluss zu rech‐
nen. Da die Geräte für eine Vielzahl an Baustellen verwendet werden können, fallen diese zusätzlichen Kosten vergleichsweise gering aus. Des Weiteren ist eine Schulung des Baustellenführungspersonals nötig, damit die Programme richtig angewandt werden. Aufgrund des simplen Programmaufbaus kann hier mit einer Dauer der Einführung von einer halben bis zu einer Stunde gerechnet werden. Die planende Firma verlangte keine zusätzlichen Kosten für die Einweisung, da als Profit ein besseres Verständnis für den Polier gegeben und im Zuge dessen weni‐
ger Rücksprachen notwendig waren. Es zeigte sich kein Hemmnis zufolge erhöhter Kosten durch das BIM.
Der Dialog mit dem Polier brachte allerdings die Erkenntnis, dass sich körperliche Arbeit nur schwer mit der filigranen Hardware verbinden lässt. Da kleine Baustel‐
len die Mitarbeit des Poliers erfordern, wurde die Befürchtung laut den Laptop bei gleichzeitiger Verwendung zu beschädigen und zu verschmutzen. Zwar bietet der Markt bereits erschütterungs‐ und wasserunempfindliche Geräte an, allerdings stellt diese Spezialanfertigung eine kostenintensive Investition dar. Vor allem die‐
se Berührungsängste mit dem Laptop minderten die Akzeptanz der Anwendung eines BIM auf der Baustelle.
4.5.10. Fazit
Ein Building Information Model direkt auf der Baustelle kann für das Baustellen‐
führungspersonal durch zahlreiche Funktionen wie automatische Mengenermitt‐
lung und gute Visualisierung hilfreich sein.
In der folgenden Tabelle wurden die ermittelten Zeitbedarfswerte der REFA‐
Studie über eine Woche aufsummiert (vgl. Kapitel 9.6). Das Hochfahren des Lap‐
tops wurde in der Spalte „Dauer mit BIM“ nicht berücksichtigt, da für diesen Vor‐
gang die Anwesenheit des Poliers nicht erforderlich ist.
Vorgang
Anzahl pro Woche
Dauer konven‐
tionell
Dauer
mit BIM Anmerkungen bzgl. BIM
Bautagesbericht
verfassen 5 35 min 35 min
große Vorteile in Folge durch
Digitalisierung (7 min pro Tag)
Materialbedarf
ermitteln 4 24 min 4 min
Vorbereiten der Betonier‐
abschnitte in den Notizen (1 min)
Material beschaf‐
fen 4 8 min 8 min
Unklarheiten werden aus‐
geschlossen
Änderungen in der
Planung 1
wurde aufgrund der Kom‐
plexität nicht mit BIM durchgeführt
Störungen, Prob‐
leme, Unklarheiten
auf der Baustelle 60 min6 20 min7
(aufsummiert über die ge‐
samte Woche) Fortschritt kontrol‐
lieren 5 15 min 15 min
„Abfallprodukt": 4D‐
Visualisierungen
Summe 142 min 82 min 57,75%
Tabelle 2: Ergebnis REFA‐Studie (vgl. Kapitel 9.6)
6 Erfahrungswert von Baustelle ähnlicher Größe
7 Summe an Telefonaten zwischen Polier und Bauleitung wegen Unklarheiten
Es ist zu erkennen, dass das BIM auf der Baustelle einen zeitlichen Vorteil gegen‐
über einer konventionellen Baustelle bringt, da sich ausgewählte Vorgänge durch ein Building Information Modell optimieren lassen. Es ergab sich in Summe eine Reduktion der Dauer auf rund 60% für die aufgeschlüsselten Vorgänge, wenn ein Building Information Model zum Einsatz kommt. In der REFA‐Studie wurden aller‐
dings nur die Abläufe direkt auf der Baustelle betrachtet. Weitere Folgewirkungen eines BIM wie eine optimierte Nachkalkulation seitens der Baufirma und die Ab‐
rechnung seitens des Bauherrn wurden hierbei nicht betrachtet. Tatsächlich kann vor allem in diesen Bereichen davon profitiert werden, da das Building Informati‐
on Model durch die kontinuierliche Erfassung der Daten auf der Baustelle eine gute Grundlage für alle weiteren Berechnungen bietet.
Bereits kleine Projekte wie „Wohnen im Grünen“ profitieren von der kontinuierli‐
chen Erfassung der Informationen, große komplexe Projekte lassen sich erst durch ein Building Information Model voll begreifen. Farbfilter helfen zur Aufbereitung der Datenmenge, wodurch in Folge einfache Kontrollen (z.B.: Soll‐Termin vor Ist‐
Termin, Einhaltung Kostenziel) für Bauwerke in jeder Größenordnung möglich sind. So kann ohne zeitlichen Versatz auf die konkreten Probleme (z.B.: Verzug) eingegangen werden.
5. Baufortschrittsdokumentation im BIM („BIM‐BauDoku“)
Ein Building Information Model birgt in der Phase der Bauausführung das große Potenzial der Erfassung von baustellenrelevanten Daten, welche z.B. für die Do‐
kumentation oder für die Nachkalkulation genutzt werden können. Die Übertra‐
gung der Daten aus den Bautagesberichten in das BIM stellt ohne die Zuhilfenah‐
me einer speziellen Software einen zusätzlichen Arbeitsprozess dar. In diesem Kapitel wird eine alternative Methode angedacht, wie die Datenerfassung auf der Baustelle automatisiert und kontinuierlich in das Building Information Model übertragen werden kann. Dadurch sollen sämtliche Vorteile eines BIM in der Pha‐
se der Bauausführung genutzt werden können, ohne ein zeitliches Defizit in Kauf nehmen zu müssen.
5.1. Idee
Die automatisierte Integration ablaufrelevanter Informationen in ein Building Information Model soll auf Basis der Bautagesberichte erfolgen. Diese täglich er‐
stellten Berichte enthalten bereits die kontinuierliche Dokumentation des Bau‐
fortschritts. In Kapitel 4.5.8.1 wurden unterschiedliche Ansätze angedacht, wie ein Bautagesbericht digitalisiert und mit dem Building Information Model verknüpft werden kann. Es wurde auch beispielhaft ein Software‐Programm vorgestellt, welches die Digitalisierung der Bautagesberichte erlaubt. Allerdings sind die auf dem Markt vorhandenen digitalen Bautagebücher reine Textdokumente. Für die Verknüpfung mit dem BIM ist der Bauteil‐Bezug der Information jedoch unab‐
dingbar, denn nur so können die ablaufrelevanten Daten je Element ausgewertet werden. Daher muss eine neue Software konzipiert werden, die sogenannte „BIM‐
BauDoku“, welche den gestellten Anforderungen genügt. Als Basis‐Programm wird der Modell‐Viewer „Ceapoint“ verwendet, welcher im Zuge dieser Masterar‐
beit bereits vorgestellt wurde (vgl. Kapitel 2.3.3) und auf der Baustelle „Wohnen im Grünen“ Anwendung fand.