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2.2 Freizeit-Trends

2.2.5 Aktuelle Freizeit-Trends

Aus den übergeordneten Trends lassen sich die nachfolgend beschriebenen konkreten aktuellen Trends im Freizeitbereich ableiten. Die verschiedenen Freizeitaktivitäten haben qualitativ (z.B. Ästhetik) und quantitativ (v.a. Flächenbeanspruchung) unterschiedlich starke Auswirkungen auf die Landschaft.

Trendsport

„Aktives Sporttreiben gehört in den Schweiz zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten. Gegen zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung sagen, dass sie mindestens einmal pro Woche in irgendeiner Form sportlich aktiv seien. Rund ein Zehntel ist zumindest sporadische aktiv und nur ein gutes Viertel gilt als Nichtsportler im engeren Sinne. (…) Auf der Beliebtheits-skala von Freizeitaktivitäten nimmt der Sport damit einen Spitzenplatz ein. Nur gerade

„sich entspannen, nichts tun“ steht häufiger als das Sporttreiben auf der Beliebtheitsska-la.“ (Lamprecht 2002, 35)

Für die Betrachtung der zukünftigen Entwicklung ist das Augenmerk besonders auf die aktuellen Sportpräferenzen der Jugendlichen (die ‚Trendsetter der Zukunft’), sowie auf das Entwicklungspotential der ‚Trendsportarten’ zu richten. Die Trendsportarten haben ein unterschiedliches Veränderungspotential bezüglich der Landschaft im Ballungsraum. Heike

& Kleinhans (2000, 55ff.) fassen diese in der Gruppe der ‚Soul Sports’ (Genuss- und Kör-perbetonte Sportarten, z.B. Windsurfing, Inline Skating, Mountainbiking) zusammen.

„Trendsportarten sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht nur neue Bewegungsfor-men mit neuen Sportgeräten kreieren, sondern auch ein Sportverständnis propagieren, das teilweise quer zum traditionellen Sportbegriff steht (…) Unter den Begriff Trendsport-arten fallen insbesondere Snowboarding, Mountainbiking, Skateboarding, Inlineskating, Freeclimbing, Windsurfing, Streetball, Paragliding, Riverrafting, Canyoning, (…). (…) Erst

die Kombination zwischen Bewegungsform, Technologie und Lebensstil-Elementen macht eine Trendsportart im engeren Sinne aus und erlaubt ihre umfassende Kommerzialisie-rung.“ (Lamprecht 1998, 370, 373). Nach Lamprecht (2002, 110) durchlaufen Trend-sportarten, analog den Innovoations- und Produktlebenszyklen fünf Phasen eines Entwick-lungsmusters: 1 Invention – 2 Innovation – 3 Entfaltung und Wachstum – 4 reife und Diffusion – 5 Sättigung (vgl. auch Abb. 1). Dabei schaffen es einige Sportarten sich zu Massensportarten zu etablieren (Inline Skating, Beach Volleyball, Snowboarden), andere verharren einige Zeit als Nischensportarten (Freeclimbing), oder sie geraten allmählich in Vergessenheit (Streetsoccer).

Einen interessanten Strukturierungsversuch aller Trend- und Natursportarten unterneh-men Egner und Kleinhans (in Kleinhans 2000, 55ff.): Sie unterscheiden ‚Fun Sports, (Spass und Abenteuer’)‚ Thrill Sports’ (Kick durch extreme, riskante Situationen), ‚Extreme Sports’ (Erfahrung der körperlichen Grenze) und Soul Sports’ (Genuss- und Körperbetont).

Beispiele für die Zuordnung der Trendsportarten, sowie die Überschneidungsbereiche sind in Abb. 3 dargestellt.

Abb. 3: Einteilung der Trendsportarten (Kleinhans 2000, 55ff)

Nischenfunktion von Trendsportarten

Für die Entwicklung zum Breitensport kommen nur ‚Fun Sports’ und ‚Soul Sports’ in Frage.

Die meisten ‚Fun Sports’ dürften dies – obwohl sie Spass bereiten - nicht schaffen, da für die Mehrheit der Freizeitsportler und Freizeitsportlerinnen das Interesse nach einmaligen respektive nach wenigen Sporterlebnissen wieder nachlässt: Viele geben sich mit ein bis zwei Riverrafting-Abenteuern zufrieden. – Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den so genann-ten ‚Soul Sports’ (z.B. Windsurfing). Hier ist es der grosse Vorbereitungs- und

Trai-ningsaufwand, der eine Entwicklung zum Massensport verhindert: Die Mehrheit der Bevöl-kerung ist nicht bereit, regelmässig einen so hohen Aufwand in der Freizeit zu leisten.

Die B.A.T7-Erhebungen in Deutschland kommen zum Schluss, dass die ‚ausgefallenen Sportarten’8 weiterhin eher die Ausnahme als die Regel darstellen werden. Für Männer ist und bleibt Fussball die dominierende Sportart, Frauen geben Schwimmen und Aero-bic/Gymnastik an. Sogar die Jugend ist mehr der Tradition als der Innovation verhaftet:

„Den Abenteuersport gibt es bisher fast nur in der Phantasie. Sportaktivitäten der 14- bis 29-Jährigen in Deutschland sind: schwimmen (14 %), radeln (16 %), kicken (23 %), Vol-leyball (7 %), Jogging (12 %), Fitnesscenter (16 %). Die Jugendrevolution im Sport hat noch nicht stattgefunden“ (Opaschowski 2001, 167).

Erholung in der freien Natur

‚Ins Grüne gehen’ - Bewegung in Form von Spazieren, Wandern, Fahrrad fahren in der freien Natur ist nach der Studie „Sport Schweiz“ im Jahr 2000 nach ‚nichts tun’ und Sport treiben’ die dritt-beliebteste Freizeitaktivität der Schweizer Bevölkerung. (Lamprecht 2002, S. 36). Da bisher Untersuchungen zu den zukünftigen Präferenzen der Naherholungsu-chenden in den Ballungsräumen fehlen, muss auf die Entwicklung im Tourismusbereich zurückgegriffen werden: Natur-Tourismus, das heisst intensives Naturerleben einer mög-lichst unberührten Landschaft, steht in den neuesten B.A.T-Umfragen in Deutschland nach wie vor an erster Stelle der Urlaubswünsche (27%) (vor Wellness 20%, Fern- und Städtetourismus je 16%) (Opaschowski 2001, 180).

Es kann davon ausgegangen werden, dass dieser Tourismus-Trend auch das Freizeitver-halten im Naherholungsbereich bestimmt. Die Aktivitäten, Spazieren, Wandern, Fahrrad fahren in der freien Natur, werden in den nächsten Jahren sogar noch zunehmen. Dieser Trend wird unterstützt durch die verstärkte demographische Alterung in den Gesellschaf-ten der hochentwickelGesellschaf-ten Länder: Die Gruppe der über 50-jährigen wächst sehr stark, genau dieser Teil der Bevölkerung geht bevorzugt im Grünen spazieren. Bei den 14- bis 24-Jährige sind es 16% bei den 50- bis 64-jährige 35% (B.A.T.-Studie für Deutschland, 2000).

Wellness und Gesundheitsbewusstsein

Gerken und Konitzer (1996, 78) betonen die Zukunft der Angebote, die den Menschen auf der Suche nach Selbsterfahrung, Grenzerfahrung, Erleuchtung, Glückserzeugung unter-stützen. Diese Suche ist im Cluburlaub oder bei Miniurlauben übers Wochenende zu erle-ben: „Prädestiniert dazu sind hochkultivierte Badezentren, wie es sie in Bad Homburg, Kassel, Wien und massenhaft in Japan gibt. Das sind sehr gepflegte Tempel der Lange-weile. Hier können Menschen in eine Art künstliche Tropen eintauchen.“

7 B.A.T Freizeit-Forschungsinstitut GmbH, Hamburg

8 Wir definieren ‚ausgefallene Sportarten, als Trendsportarten die den Schritt 3 ‚Entfaltung und Wachstum’ nach Lamprecht (2002, S. 110) nicht oder nur teilweise erreicht haben.

Dieser Trend zu Wellness ist nicht ganz neu. Schon 1982 spricht Lasch vom neuen ‚Zeital-ter des Narzismus’. Trotzdem sind keine Hinweise zu finden, dass sich der Wellness-Trend in den nächsten Jahren abschwächen würde. Schäfer (1995, 157) und Opaschowski (2001, 182) betonen zusätzlich das zunehmende Gesundheitsbewusstsein, sowie die wich-tiger werdende Lustdimension (Genuss, Spass) von Wellness-Angeboten.

Erlebnis-Shopping

Einkaufen wird als Genuss und Erlebnis dargestellt. Im Jahr 2000 fanden 70% der deut-schen 14- bis 29-Jährigen es sei wichtig, zu wissen, was ‚in’ ist.’ Dieser Trend ist laut Opa-schowski steigend, man könne bereits von ‚Konsumstress’ für die Jugend sprechen. Auch der steile Anstieg der Verschuldung bei Schweizer Jugendlichen untermauert diesen Be-fund9. Es gibt keine Hinweise, dass der erhöhte Zeitaufwand für Erlebnis-Shopping als

‚Naherholung’ verstanden werden könnte. Das knapper werdende Zeitbudget kann aber dafür verantwortlich sein, dass in der Palette der Erholungsangebote, besonders ‚effizien-te’ ausgewählt werden. Die schwindende Bereitschaft, sich in Sportvereinen zu engagie-ren, könnte eine Folge dieser Zeitbudget-Restriktion sein.

Wenn Einkaufen, Wellness, Kultur und (Indoor-)Sportangebote räumlich nah zusammen angeboten werden, fördert dies die Freizeiteffizienz. Das Bedürfnis nach ‚Beschleunigung’

kann dadurch erfüllt werden.

Erlebnis-Parks

Seit einigen Jahren konzentrieren sich Freizeitnutzungen vermehrt auf wenige, intensiv genutzte Flächen (z.B. Freizeit- und Erlebnisparks, Indoorski, Indoorklettern). In der Schweiz sind nebst den bestehenden Erlebnis-Parks (z.B. Mystery-Park) weitere Grossan-lagen geplant.

Ein eindrückliches Beispiel aus Deutschland ist die Autostadt von Volkswagen in Wolfsburg als zweitgrösste Touristen-Attraktion Deutschlands. Rund 4,75 Millionen Besucher sind bislang nach Wolfsburg gereist, um in die Erlebniswelten aus Glas, Wasser, Technik und Natur einzutauchen. Wolfsburg erhofft sich dank der Autostadt und weiteren Angeboten mittelfristig 10 Millionen zusätzliche Logiernächte pro Jahr10.

Grossveranstaltungen (Events) in Sport und Kultur

Laut Opaschowski (2001, 187) steigt die Bereitschaft junger Menschen, sowie der wach-senden Bevölkerungsgruppe der ‚Singles’, für Grossveranstaltungen und Ereignisse (E-vents) in den Bereichen Sport, Kultur und Unterhaltung öfter längere Reisen zu unter-nehmen. Die Ursachen für dieses Verhalten sind bereits im Abschnitt ‚Mobilität’ erläutert.

Als Folge der Kommerzialisierung werden Ereignisse als Sport- oder Kultur-Shows insze-niert (Gerken & Konitzer 1996, 112).

9Gschwend, Jürg, Präsident des Dachverbandes Schuldenberatung, Aarau, in ZeSo 5/2004 auf http://www.schulden.ch (13.9.2004)

10 Jonas, Ulrich (2002), in Wolfsburg-Journal, Ausgabe 2/2002, S. 2