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Es lag in den Acten nur ein Fall vor, der einen dop- dop-pelten Ehebruch behandelt, in welchem aber der Beklagte

Im Dokument Juristische Studien. (Seite 87-94)

frei-gesprochen und nur zum Ersetzen „derer Fiskalischen als auch der Kanzelley Unkosten, welche erstere auf 35 Rbl, moderiret, die anderen aber auf 19 Rtl. 2 Weisse gesetzt worden," ver-urtheilt wurde, Die Strafe des doppelten Ehebruchs war nach dem Landtag die Enthauptung durchs Schwert,

Durch einen Ukas vom 6. April 1764 hörte der

Ehe-bruch auf criminell strafbar zu fein. Nach demselben wurde der

einfache Ehebruch mit 4 Rubel, der doppelte aber mit 8 Rubel

von jeder Person zum Besten der Kirche bestraft und die

Verhandlung folcher Sachen gehörte feitdem zur Competenz

der Kirchenvorsteher,

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Oap. I X . Die Mnzuchtsdelicte.

8 1. Incest.

Durch das noch im vorigen Jahrhundert geltende schwe-dische Recht wurden die Gränzen der Blutschande am weitesten gezogen und mit ihnen auch deren Strafe bedeutend verschärft.

I n dieser Beziehung ruhte das schwedische Recht ganz auf der Grundlage des mosaischen, was deutlich aus einem „Königl, Brief ans Gothländifche Hofgericht" den 28. Sept. 1699 her-vorgeht: „Begehet einer im Verwandtfchafts-Grade Blutschande, der nicht ausdrücklich Levit. Cav. 18 verbohten steht, der büßt dafür 80 Dahl. Silb. Müntz." Während im X V I I . Jahrhundert nur auf den gefchlechtlichen Umgang zwifchen Blutsverwandten auf- und absteigender Linie die Todesstrafe stand, der Incest aber begangen zwischen Geschwistern, wie auch zwischen Verschwägerten ersten Grades in grader und in der Seitenlinie, nur die Ruthenstrafe und ewige Landes-verweisung nach sich zog, so wurde schon durch eine in den Lllndesordnungen verzeichnete Verordnung vom 1, August 1693 „die Fleischliche Vermischung in dem ersten und andern Grade" der Schwägerschaft in gerader Linie, wie auch zwi-schen Geschwistern mit der Todesstrafe belegt, welche durch eine neue Verordnung vom 17. November 1699 auch noch auf den Incest, begangen innerhalb des ersten Grades der Schwägerschaft in der Seitenlinie, bezogen wurde. Diese letztere Verordnung wurde aber durch eine russische „Reichs-justizcollegiums Resolution" vom 23. December 1769 aufge-hoben, welche verfügt, daß „der Incestus in primo aMnita-ti» Araäu lineae «nilatsi'ali« nicht mehr mit der Todesstrafe belegt werden sollte." Der geschlechtliche Umgang zwischen Geschwisterkindern wurde „mit 80 Dahl. Silb. Müntz" be-straft, waren dieselben unvermögend, so trat die Ruthenstafe ein. Nach dem Landtag ?»F. 91 lag kein Incest vor, wenn

ein „unverheuratheter Mann seiner vorigen Frauen Vater-Nruders oder Vater-Schwester-Bruders oder Mutter-Schwester-Tochter (uxoris deinortuae Oonsobrinm, vol M>

ti'uäain Äuiitinain vel iuatru6llm), die auch unbeheurathet ist, beschlafen, solches wird als Hurerey zwischen Fremden angesehen und darnach bestraffet," I n den Acten habe ich ver-hältnißmllßig wenig Falle über Blutschande gefunden, doch sind auch hier, — ähnlich wie in den vorhergehenden Abschnitten, dar-gelegt— die Strafen viel milder, als gesetzlich erlaubt, ausgefallen.

I. I n einem Schreiben an den Cavitain Beyer von Weißfeldt wird folgendes mitgeteilt: „Es hat das Erl, Hof-gericht in Criminlll Sachen des Neuhofschen Bauern Reino perdi Hans wegen der mit seiner eigenen Tochter begangenen Blutschande, dieser letzteren halber dergestalt Leuterando vom 14, Nov. 1728 l,. p. verfügt, daß selbige nach allhie ausge-standenen Ruthenstrafe vom Lande weg und nach dem Per-nauschen Kreyse gebracht und an den Herrn Cavitaine ausgeliefert werden foll, mit beigefügtem Bericht, daß von der rigifchen Oeconomie dem Herrn Cavitaine schon damals eröffnet, wo-hin die Deliquentin weiter zu befördern sey," Aus welchem Grunde die Deliquentin nicht zur verdienten Todesstrafe ver-urteilt worden war, entzieht sich meiner Beurteilung, da in den Acten sonst nichts von diesem Fall enthalten ist').

II. I m Jahr 1765 waren der Kossi Laus und Pawli Tio vors Gericht berufen, „weyln er mit der Tio, als seiner Mutter-Schwester Bluthschande getrieben." Beide gestanden

„im Jahre 1762 einmahlen sich fleischlich mit einander ver-mischet zu Habens". Das Urteil lautete: „Weyl vor Ema-nirung des allerhöchsten Pardon Placats solche Extravagance

1) Von» Vater der Deliqueutiu wird nur erwähnt, daß er „seine Strafe ausgestanden hat," Vermutlich wohl die Todesstrafe.

2) „Nebenbei hat das Gericht bemerkt, daß der Laus ein sehr ein-fältiger Menfch sey,"

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geschehen, so werden beyde dimitiret, unter der ernstl, Ver-warnung hinführo sich vor dergleichen Sünden zu hüten und an kastori loci geschrieben ihnen beyden, durch ernstlichen Vorwurf dafür zu warnen."

I I I , 1775 war der Lahhentagfche Bauer Subli Toenu beim Landgericht «in puneto inoegwZ et infantioiäii insi-luulati" verklagt. Das Urteil fiel folgendermaßen aus:

„ . . . hat das Landgericht vor Recht erkannt: Inquisitus Toenn hat nach seinem Geständniß mit seines Vaterbruders Witwe Trien seit vorigen Winters einem Jahre, bis Iohannis a. p.

in fleischlicher Neywohnung gelebt und nachdem bei deren Lebzeiten ihre leibliche Schwester Mcckri vor Weyhnachten ».

z). geheyrathet; darauf nachdem ein todtes Kind zwey Wochen vor Mar. Verl. u. o. auf feinem Haufes Boden sich vorge-funden, und er, daß solches von der verstorbenen Trien dahin versteckt, und daß er Vater von selbigem sey, sich überzeugt be-funden, dahero er in Ansehung des doppelten lueestus, als auch der Veranlassung und des Antheils an dem Intantioiäio die rigoreufe Lebensstrafe verwirkt zu haben scheint. Wann aber, was den fleischlichen Umgang mit feines Vaters-Bruders Witwe Trien belangt, solche «üb 8z>s matrimonii gefchehen und das Crimen auf Inquisiti, als eines einfältigen Menschen Seite gemildert w i r d , weil er um die Concession dieser Hei-rath angehalten und es nicht abzusehen, warum das Kayserl.

öselsche Consistorium für ihn darin die zu erhaltende Dispen-sation bey Gin Erl. Hohen Reichs-Iustice Collegium nicht tentiret, bey dem andern Fall aber, daß er nämlich bei Leb-zeiten der Trien ihre Schwester M a r r i geheyrathet, vermöge Eines Erl. Hochpreißl. Kayserl. Hofgerichts Rescrivti vom 3.

Sept. 1771 keine höhere Strafe als von 10 paar Ruthen bey der Kirchen um so weniger Statt hat, als Inquisitus Toenn seinem Bekenntnisse nach von der verstorbenen Trien, mit welcher allen fleischlichen Umgang cefsiret, unter beragenden.

Gründen zu dieser Heirath persuadiret worden und sodann betreffend die Inculpation der etwaigen Teilnehmung an dem Kindermord, der Inquisiti Entschuldigung von seiner Un-wissenheit der Schwangerschaft als auch des abgelegten Kin-des, denen Umständen nach wahrscheinlich so wie seine an-fängliche Verheimlichung des versteckten Cadavers billig seiner Bestürzung zuzuschreiben, überdem aber auch, dessen Eheweib von ihm schwanger ihn zur Ehe behalten will und Vorbitte für ihn thut, Als erkennet das Kayserl. Landgericht für Recht, daß Inquisitus Toenn an einem Sonntage bei der Kielkond-schen Kirche mit 10 paar Ruthen gestrichen werde, darauf die Kirchensühne untergehen solle und von aller andern Strafe zu befreyen sey. . ." Arensburg 1775')."

I V, 1785 den 16, September war der 21jährige Kangro Gustav, Caspers Sohn in puuoto incWtu» vors Gericht citirt „nebsten feiner verwittweten Stiefmutter Marre, mit der er das Nelictum begangen," Das Urteil lautete: „Nach-dem beyde Inquisiti laut ihrem beyderseitigen beharrlichen Bekenntniß die Sünde des Incestus dergestalt betrieben, daß der Gustav während feines unverheyratheten Standes die

N Ich fübrc hier das Urteil des Hofgcrichts an i „Eines Kayserl iiand Gerichts der Provinh Desel in Inauisitions Sachen wieder den Pri-mat Lahhentagschen Bauern Subi Toenn i n zwnoto iuoeztu» ot mlantioi-äii erfundenes Urteil, desmittelst Inquisitus dahin vertheilet worden, daß derselbe an einem Tonntage bey der Kiclkondschen Kirche mit 10 Paar Ruthen gestrichen und einmahliger Kirchensühne untergehen solle, will ein Kllyserl. Hofgericht ratioiw dcr Kirchcnsühne zwar bestätiget, in Ansehung der Ruchenstrafe aber dahin geschärft haben, daß selbiger mit 2N Paar Ruthen an zween Sonntagen jedesmahl mit 10 Paar bei der Kirchen ge-strichen werden solle, indem, obgleich der incsstu» nicht völlig erwiesen worden, Inquisilus doch eingestanden, daß er der verstorbenen Schwester seines Weibes und seines Vatcrbruders Wittwe Trine beigewotznet, daß das aus seinein Boden gefundene todte Kind von ihr und er Vater von selbigem seyn müsse, auch das Kind von seinem Weibe Marre genommen und heim-lich verstecket. Inzwischen ist die Ehe diescrhnlb nicht zu trennen. V. R.

W. Riga 1775, 2U. May,"

fleischliche Vermischung 5—6 auch noch mehrere mahl, die sie sich nicht zu erinnern wissen mit gedachter seiner damals ver-wittweten Stiefmutter Marre verübet, und obgleich sie keine Erlaubnis sich zu ehelichen erhalten, dem ungeachtet nicht nur nachher, sondern auch, nachdem der Gustav eine andere geheirathet, diesen incestuösen Beischlaf viermahl wiederholet und sodann in diesem Delicto keinerley cireuiustÄiitia t'acti concurriren, welche als untissantss anzusehen wären, vielmehr beyde Teliquenten nicht wenig aggraviret, daß auf Seiten der Marre wegen einer Fruchtabtreibung der Verdacht nicht ganz gehoben, und noch minder von dem Gustav derjenige einer begangenen Sodomiterey, als welches Verbrechens wegen er schon vor 4 Jahren unter Inquisition gewesen und bloß durch sein Leugnen bei ermangelnden hinlänglichen Beweisen freigekommen: Als erkennet das Gericht dahin, daß beide Inquisiti die gesetzliche Cavitalstrase laut Placats vom 1, Aug, 1693 pass, der Landes - Ordnungen 562 ingleichen dem Cav, I I I § 1 not, d, L, L, Tit,: „Von Ehesachen" verwirket haben, Arensburg 25. Sept, 1785."

Von 1719 liegt ein Fall der Blutschande vor, begangen von Geschwister-Kindern, bei welchem das Urteil sich leider-nicht erhalten hat,

§ 2, Sodomie.

Aus den Acten gehen nur Fälle der soäniuiÄ ration«

Fenoris hervor, keine aber der soäomia ration« «exus, unter der man zu damaliger Zeit die Päderastie verstand. Die »c>-äomia ratiaue Fensris muß in Oesel sehr häufig vorge-kommen fein, was aus den vielen Anklageakten entnommen werden kann, denn eine jede auch zufällig anstandswidrige Positur hinter einer Kuh oder Stute scheint den Zeugen derselben zu einer Klage beim Landgericht veranlaßt zu haben. Ich habe nicht weniger als 30 solcher Denunciationen in den Acten

ge-funden', von denen die meisten blos leere Anschuldigungen sind, in denen der Angeklagte völlig freigesprochen, der De-nunciant dagegen häufig zu einer Geldstrafe verurteilt wird.

So wurde im Jahre 1771 „die Denunciantin wegen der ungegründeten Angabe und der leichtsinnig ausgebrachten ehrenrührigen Rede dahin vertheilet, die verursachten Kosten mit 1 Rbl, 30 Cop. baar zu erlegen mit der Verwarnung sich künftighin vor dergleichen Anfchuldigung eines oriniwis eapiwii» bey exemplarischen Ruthenstrafe zu verhüten," I m felben I l l h r wurde ein Lieutenant von Buencken „wen (wegen) einer leeren Anschuldigung außer zur Erlegung der Canzelley Gebühren noch zu 4 Rbl, Strafe" verurteilt. Nach dem Land-lag wurde derjenige, der „beim Verbrechen der Sodomie auf frischer That" ergriffen oder durch unstreitige Zeugen „mit Beistimmung des Gerichts" des Verbrechens überwiesen wurde, mit dem Tier zusammen „lebendig in. die Erde verscharret oder mit Feuer verbrennet." Aber schon vor 1709 war die Strafe in soweit gemildert worden, als der Missethäter vor-her enthauptet und darnach auf einem Scheiterhaufen ver-brannt wurde. Milder fiel die Strafe aus, wenn er nicht auf der That ertappt wurde; in diesem Fall fand die Ruthen-strafe statt mit nllchheriger Verwendung auf eine gewisse Zeit zu publiker Arbeit, Einer Kirchensühne mußte der Deliquent sich in allen Fällen unterwerfen, auch bei der Verurteilung zur ewigen Landesverweisung, was im X V I I . Jahrhundert in Livlllnd noch nicht der Fall gewesen war.') Nur wo der Deliquent zur Todesstrafe verurteilt wurde, fand keine Kirchen-fühne statt. Vor der Unterziehung der letzteren wurde der

„Missethäter von neuem im Christenthums belehret und her-nach erst llbsolviret," Die Strafen des Landgerichts für das 1) Cfr. W, o. N l l l n k c n h l l g e n ' K Abhandlung üb« das livl.

Strafrecht in XVII, Jahrhundert.

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in den Acten als „stumme Sünde" bezeichnete Verbrechen waren auch hier sehr milde. I n einem Urteil, in welchem der Angeklagte freigesprochen wurde, äußerte sich das Land-gericht folgendermaßen: „. . - - so wird Inquisitus hier nach der Richter Regel bei existirendem dunklen Bewandtniß, lieber einen Schuldigen loszulassen als einen Unschuldigen zu ver-dammen, freigesprochen," Ich führe nun einige Fälle an. Aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts liegen mir von den maßgebenderen Fällen leider nur die Hofgerichtsurteile vor.

I> „Eines Kllyferl. Landgerichts der Province Oesel wieder des Abrofchen Bauern Ubstani Perto Knecht Jürgen in puuoto soäoiuia eröffnetes Urtheil, Inhalt dessen Inqui-situs dahin vertheilet worden, daß er, nach erlangter Wissen-schaft seines Christenthums, zu zween mahlen mit 10 paar Ruthen gestrichen, eine zweyjährige publique Arbeit in der Festung Bernau untergehen, nachgehends aber die Province Oesel auf ewig räumen, das Corpus Delicti anbeneben aus dem Wege geräumt werden solle, will das Kayserl, Hofgericht aus denen in actis sich befindenden Umstanden loutoi-auäc»

dergestalt geändert haben, daß Inquisitus, wenn er zuförderst in seinem Christenthume genügsam unterrichtet worden zwey-mahliger Kirchensühne untergehe, sodann an zween Sonntagen jedesmahl mit 10 paar Ruthen gestrichen werde und vier-jährige publique Arbeit, welche jedoch in Rücksicht I h r o Kay-serl. Maj. jüngsthin emanirten Hohen Pardons-Placats und

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