• Keine Ergebnisse gefunden

Abz¨ ahlbarkeit und ¨ Uberabz¨ ahlbarkeit

Im Dokument Skript (Seite 38-46)

Allgemeiner kann man zeigen, dass f¨ur a, n∈Nmit n≥2 folgendes gilt:

Entweder ist √n

a∈Noder √n

aist irrational. Insbesondere ist √n

pirrational f¨ur alle Primzahlenp.

Als einfache Folgerung aus diesem Lemma erhalten wir die Abz¨ahlbarkeit von Z: Es ist Z = N0∪ {−n:n∈N}. N0 ist abz¨ahlbar (siehe oben) und auch A := {−n:n∈N} ist abz¨ahlbar, denn f : N → A mit f(n) := −n definiert eine bijektive Abbildung. Also ist nach dem obigen Lemma auchZ abz¨ahlbar.

Das mag auf den ersten Blick etwas merkw¨urdig erscheinen, gibt es doch gef¨uhlt mehr ganze als nat¨urliche Zahlen. Es gilt aber sogar noch mehr.

Satz II.5.3. Die Menge Q der rationalen Zahlen ist abz¨ahlbar.

Beweis. Wir zeigen zuerst, dass Q+:={x∈Q:x >0} abz¨ahlbar ist. Dazu schreiben wir die Elemente vonQ+ in folgendem Schema auf:

1 1

2 1

3 1

4 1. . . 1

2 2 2

3 2

4 2. . . 1

3 2 3

3 3

4 3. . . 1

4 2 4

3 4

4 4. . . ... ... ... ...

Dieses Schema z¨ahlen wir nun l¨angs der Nebendiagonalen durch, d. h. wir definieren eine surjektive Abbildungf :N→Q+ durch f(1) = 1/1, f(2) = 2/1,f(3) = 1/2,f(4) = 3/1, f(5) = 2/2,f(6) = 1/3,f(7) = 4/1, f(8) = 3/2, f(9) = 2/3, f(10) = 1/4, usw. (wir belassen es bei dieser etwas informalen Definition und verzichten darauf, eine explizite Formel f¨urf(n) anzugeben, obwohl auch das m¨oglich w¨are).

Somit ist also Q+ abz¨ahlbar. Ferner ist dann nat¨urlich auch die Menge Q:={x∈Q:x <0} abz¨ahlbar, denng :N→Q mit g(n) :=−f(n) ist surjektiv.

Schließlich folgt aus Lemma II.5.2, dass auchQ=Q+∪ {0} ∪Q abz¨ahlbar ist.

Da selbst Q abz¨ahlbar ist, dr¨angt sich langsam die Frage auf, ob es

¨

uberhaupt ¨uberabz¨ahlbare Mengen gibt. Die Antwort liefert der folgende Satz.

Satz II.5.4. R ist ¨uberabz¨ahlbar.

Beweis. Da Teilmengen von abz¨ahlbaren Mengen wieder abz¨ahlbar sind (Beweis als ¨Ubung), gen¨ugt es zu zeigen, dass das Intervall [0,1) ¨uberabz¨ahlbar ist. Hierzu verwenden wir im Vorgriff die Dezimaldarstellung reeller Zahlen, die wir eigentlich erst sp¨ater offiziell einf¨uhren werden. Da Ihnen diese

Darstellung aber sicherlich aus der Schule hinl¨anglich vertraut ist, erlauben wir uns diesen kleinen Bruch im deduktiven Aufbau.

Um die Eindeutigkeit der Dezimaldarstellung zu erzwingen, einigen wir uns darauf, keine Darstellungen mit der Periode 9 zu zulassen. So schreiben wir etwa 1/10 als 0,1000. . . (und nicht als 0,0999. . .).

Angenommen nun [0,1) w¨are abz¨ahlbar. Dann g¨abe es eine surjektive Abbil-dungf :N→[0,1). Jedes f(n) schreiben wir nun in seiner Dezimaldarstel-lung auf:

f(1) = 0, a11a12a13a14. . . f(2) = 0, a21a22a23a24. . . f(3) = 0, a31a32a33a34. . . f(4) = 0, a41a42a43a44. . .

...

Allgemein bezeichnen wir mit aij diej-te Nachkommastelle vonf(i).

Nun definieren wir f¨ur jedes k∈N: bk:=

(5, fallsakk6= 5 4, fallsakk= 5.

Schließlich setzen wiry := 0, b1b2b3. . .. Dann ist y ∈[0,1) und wegen der Surjektivit¨at vonf muss alsoy=f(n) f¨ur ein n∈N gelten.

Andererseits ist nach Konstruktion bk 6= akk f¨ur alle k ∈ N, d. h. die k-te Nachkommastelle vony ist ungleich der k-ten Nachkommastelle vonf(k), mithiny6=f(k) f¨ur alle k∈N, was ein Widerspruch ist.

Also ist [0,1) und folglich auch ganz R¨uberabz¨ahlbar.

Als einfache Folgerung erh¨alt man, dass es ¨uberabz¨ahlbar viele irrationale Zahlen geben muss. Es existieren also in gewissem Sinne wesentlich mehr irrationale als rationale Zahlen.

Korollar II.5.5. Die Menge R\Qder irrationalen Zahlen ist ¨uberabz¨ahlbar.

Beweis. Angenommen R\ Q w¨are abz¨ahlbar. Wegen Lemma II.5.2 und der Abz¨ahlbarkeit von Q w¨are dann auch R= Q∪(R\Q) abz¨ahlbar, im Widerspruch zu Satz II.5.4. Also mussR\Quberabz¨¨ ahlbar sein.

Die obigen Beweise zur Abz¨ahlbarkeit von Q und ¨Uberabz¨ahlbarkeit von R stammen ¨ubrigens von Georg Cantor (1845–1918), dem Begr¨under der Mengenlehre. Seine Beweistechniken sind auch als erstes und zweites Cantorsches Diagonalverfahren bekannt.

Zum Schluss dieses Kapitels wollen wir nun noch zeigen, dass zwischen je zwei reellen Zahlen sowohl eine rationale als auch eine irrationale Zahl liegt (man sagt dazu auch:Q undR\Qliegen dicht inR).

Satz II.5.6. F¨ur alle reellen Zahlen x < y existiert eine rationale Zahl q mitx < q < y. Ebenso existiert eine irrationale Zahl r mit x < r < y.

Beweis. Seien x, y ∈R mit x < y. Wir nehmen zun¨achst x ≥0 an. Es ist d:=y−x >0. W¨ahle einn∈N mitn >1/d (Archimedisches Axiom).

Die Menge A :=

k∈N0: nk ≤x ist nicht leer (da 0∈A) und endlich.16 Nach Beispiel II.3.5 existiert alsom:= max(A). Dann ist q := m+1n ∈Qund es giltx < q < y.

Beweis dazu: Wegenm+1> m= max(A) istm+1∈/ A, alsoq= (m+1)/n >

x. Ferner ist wegen n >1/dauchq = (m+ 1)/n=m/n+ 1/n < m/n+d≤ x+d=y.

Istx <0< y, so ist 0 eine rationale Zahl zwischenx und y.

Ist schließlichx < y≤0, so ist−x >−y≥0 und nach dem schon Bewiesenen existiert ein q∈Q mit−x > q >−y. Dann ist−q ∈Q mitx <−q < y.

F¨ur die Dichtheit der irrationalen Zahlen beachte man, dass mit x < y auch x/√

2< y/√

2 gilt. Daher existiert einq ∈Qmit x/√

2< q < y/√

2. Dann ist r:=q√

2 irrational (warum?) und x < r < y.

16Wiederum wegen des Archimedischen Axioms existiert einNNmitN > xn. Dann istkN ur allekA, alsoA⊆ {0, . . . , N}undAist endlich.

III Folgen und Grenzwerte

Mit diesem Kapitel beginnt nun die eigentliche Analysis. Wir wollen den zentralen Begriff des Grenzwertes einer Folge einf¨uhren und studieren. Hierzu sei vorab schon einmal an die Dreiecksungleichung|x+y| ≤ |x|+|y|erinnert (siehe Lemma II.2.8), die wir im Folgenden h¨aufig verwenden werden.

III.1 Definition und Beispiele

Den Begriff der Folgen und die ¨ublichen Notationen hatten wir schon gegen Ende von Abschnitt II.3 eingef¨uhrt, siehe also dort. Hier kommen wir direkt zum Begriff der Konvergenz.

Definition III.1.1. Sei (an)n∈N eine Folge reeller Zahlen und sei a ∈ R. Wir sagen, dass (an)n∈N gegen akonvergiert (oder gegen akonvergent ist), falls folgendes gilt:

∀ε >0 ∃n0 ∈N∀n≥n0 |an−a| ≤ε.

In diesem Fall schreibt manan→a.

Eine Folge, welche nicht konvergiert, heißtdivergent. Eine Folge, die gegen 0 konvergiert, heißtNullfolge.

Zur Erinnerung: ∀bedeutet “f¨ur alle” und ∃ bedeutet “es existiert”. Die obige Definition liest sich also ausf¨uhrlich als: “F¨ur alleε >0 existiert ein n0 ∈N, sodass f¨ur alle n≥n0 |an−a| ≤εgilt.”

Man beachte, dass der Indexn0 vonεabh¨angt, man sollte also eigentlich n0(ε) schreiben, was man aber meist der K¨urze halber nicht tut.

Anschaulich gesprochen bedeutet die Definition der Konvergenz, dass die Folgenglieder dem Wertabeliebig nahe kommen, wenn man den Index nur groß genug macht.

Die Bedingung |an−a| ≤ ε ist ¨ubrigens ¨aquivalent zu a−ε ≤ an ≤ a+ε (Beweis?), was man manchmal auch so ausdr¨uckt: an liegt in einer ε-Umgebung von a.

Nat¨urlich ist es nicht wesentlich, dass die Nummerierung der Folgenglieder bei 1 beginnt. Alle folgenden Definitionen und Aussagen gelten sinngem¨aß auch f¨ur Folgen (an)n≥N mit beliebigem Anfangsindex N ∈N0.

Wir werden gleich einige Beispiele betrachten. Vorher m¨ussen wir aber noch festhalten, dass eine Folge nicht gegen zwei verschiedene Zahlen konver-gieren kann.

Lemma III.1.2. Sei (an)n∈N eine Folge reeller Zahlen und seien a, b∈R mitan→a und an→b. Dann gilt a=b.

Beweis. Angenommen es ista6=b. Dann ist|a−b|>0. Wir w¨ahlen einεmit 0< ε <|a−b|/2. Wegenan→aexistiert ein Indexn0 ∈Nmit |an−a| ≤ε f¨ur alle n≥n0.

Wegen an→bexistiert ebenfalls ein n1∈Nmit |an−b| ≤εf¨ur allen≥n1. Sei nunm:= max{n0, n1}. Dann ist |am−a| ≤εund|am−b| ≤ε, also gilt wegen der Dreiecksungleichung

|a−b|=|a−am+am−b| ≤ |a−am|+|am−b| ≤ε+ε= 2ε.

Andererseits istε <|a−b|/2, also|a−b|>2ε, was ein Widerspruch ist.

Also muss a=b gelten.

Diese Eindeutigkeitsaussage rechtfertigt auch die folgende Schreibweise:

Ist an→ a, so heißta der Grenzwert (oder der Limes) von (an) und man schreibt auch

n→∞lim an=a.

Wir kommen nun zu einigen Beispielen: Zun¨achst das einfachste Beispiel an=af¨ur allen∈N(konstante Folge). Dann ist nat¨urlich|an−a|= 0 f¨ur allen∈N, also erst recht an→a. Selbiges gilt nat¨urlich auch, falls (an) nur von einer Stelle an konstant ist (d. h. falls ein n0 ∈ Nmit an = a f¨ur alle n≥n0 existiert).

Nun zu etwas interessanteren Beispielen.

Beispiel III.1.3. Es gilt

n→∞lim 1 n = 0.

Beweis. Wir geben uns ein beliebigesε >0 vor und m¨ussen ein n0 ∈Nmit

|1/n−0|= 1/n≤εf¨urn≥n0 finden.

Dazu w¨ahlen wir einn0∈Nmitn0 ≥1/ε (dass das in der Tat m¨oglich ist, folgt aus dem Archimedischen Axiom). Dann gilt f¨ur alle n≥n0

1 n ≤ 1

n0 ≤ε, wie gew¨unscht.

Beispiel III.1.4. Es gilt

n→∞lim 1 n2 = 0.

Beweis. Wieder geben wir uns ein beliebiges ε >0 vor und versuchen ein passendesn0 zu finden.

W¨ahlen wirn0 ∈N mitn0 ≥1/√

ε, so gilt f¨ur alle n≥n0 1

n2 ≤ 1 n20 ≤ε, wie gew¨unscht.

Beispiel III.1.5. Seiq∈Rmit|q|<1. Dann gilt

n→∞lim qn= 0.

Beweis. Die Aussage ist klar f¨ur q= 0. Sei also q6= 0 und seiε >0 beliebig.

Wir setzenx:= |q|1 −1. Wegen |q|<1 ist |q|1 >1, alsox >0.

Nach der Bernoulli-Ungleichung (siehe Beispiel II.3.4) gilt (1 +x)n≥1 +nx,

also 1

|q|n ≥1 +nx f¨ur alle n∈N. Wir w¨ahlen nun eine nat¨urliche Zahl n0 mitn0x1 1ε−1

.

Dann gilt f¨ur alle n≥n0 auch nx≥ 1ε−1 (beachtex >0) und folglich 1

|q|n ≥1 +nx≥ 1 ε. Daraus folgt|qn|=|q|n≤εf¨urn≥n0.

Das n¨achste Beispiel liefert sogar eine noch st¨arkere Aussage.

Beispiel III.1.6. Seiq∈Rmit|q|<1. Dann gilt

n→∞lim nqn= 0.

Beweis. Wieder sei ohne Einschr¨ankung q 6= 0, ε > 0 beliebig und x :=

1

|q|−1>0. Die obige Absch¨atzung mit der Bernoulli-Ungleichung reicht jetzt aber nicht mehr aus. Stattdessen verwenden wir den binomischen Satz (Satz II.3.10): F¨urn≥2 gilt

1

|q|n = (1 +x)n=

n

X

k=0

n k

xk≥ n

2

x2 = n!

2!(n−2)!x2 = 1

2n(n−1)x2. (III.1) Die obige Ungleichung gilt, weil alle Summanden nk

xk positiv sind.

Nun w¨ahlen wir eine nat¨urliche Zahl n0 mit n0≥max

2,1 + 2 εx2

.

Dann gilt f¨ur allen≥n0 einersetitsn≥2 und andererseitsn−1≥2/(εx2), folglich wegen (III.1) auch

1 n|q|n ≥ 1

2(n−1)x2≥ 1 ε. Also ist |nqn|=n|q|n≤εf¨urn≥n0.

Beispiel III.1.7. Seia >0. Dann gilt

n→∞lim

n

a= 1.

Beweis. Das ist klar f¨ur a= 1. Sei nun a >1 und sei ε >0 beliebig. Wir w¨ahlen ein n0∈Nmitn0 ≥a/ε. Nach der Bernoulli-Ungleichung (Beispiel II.3.4) gilt dann f¨urn≥n0

(1 +ε)n≥1 +nε≥1 +n0ε > n0ε≥a und folglich √n

a≤ 1 +ε. Wegen a > 1 ist auch √n

a > 1, also |√n

a−1|=

n

a−1≤εf¨urn≥n0.

Sei nun 0< a <1 und sei wieder ε >0. Ohne Einschr¨ankung k¨onnen wir auch ε <1 annehmen (warum?).

Nun ist 1/a >1 und nach dem soeben Bewiesenen muss also limn→∞1/√n a= 1 gelten. Sei ε0:= 1−εε . Dann istε0>0 und folglich existiert ein n0 ∈N mit

|1/√n

a−1| ≤ε0 f¨ur n≥n0. Dann ist 1/√n

a≤1 +ε0 = 1/(1−ε) und somit

n

a≥1−εf¨urn≥n0. Wegen a <1 ist auch √n

a <1 f¨ur allen. Daher folgt |√n

a−1| ≤εf¨ur alle n≥n0.

Beispiel III.1.8. Es ist

n→∞lim

n

n= 1.

Beweis. Sei ε > 0 beliebig. Wir verwenden wieder den binomischen Satz (Satz II.3.10): F¨ur alle n≥2 gilt

(1 +ε)n=

n

X

k=0

n k

εk ≥ n

2

ε2 = 1

2n(n−1)ε2. Nun wir w¨ahlen wir einn0 ∈Nmitn0 ≥max

2,ε22 + 1 . F¨ur alle n≥n0 gilt dann

(1 +ε)n≥ 1

2n(n−1)ε2 ≥ 1 2n2

ε2ε2=n, also 1 +ε≥ √n

n.

Da nat¨urlich stets √n

n≥1 gilt, folgt|√n

n−1| ≤εf¨urn≥n0.

Zum Schluss betrachten wir noch das Standardbeispiel f¨ur eine divergente Folge.

Beispiel III.1.9. Die Folge ((−1)n)n∈N ist divergent.

Beweis. Anschaulich kann man die Divergenz dieser Folge folgendermaßen begreifen: Die Glieder der Folge springen immer abwechselnd zwischen−1 und 1 hin und her, n¨ahern sich also keinem bestimmten Wert an.

Eine solche Begr¨undung ist aber nat¨urlich f¨ur den Mathematiker nicht ausreichend. Es muss ein wasserdichter Beweis gef¨uhrt werden, der z. B. wie folgt aussieht:

Angenommen es g¨abe ein a∈R mit (−1)n→a. Dann g¨abe es insbesondere einen Indexn0 mit|(−1)n−a| ≤1/2 f¨ur alle n≥n0.

Es folgt|1−a| ≤1/2 und| −1−a| ≤1/2 und somit (Dreiecksungleichung) 2 =|1−a−(−1−a)| ≤ |1−a|+| −1−a| ≤1, was nat¨urlich ein Widerspruch ist. Also ist ((−1)n)n∈N in der Tat nicht konvergent.

Im Dokument Skript (Seite 38-46)