• Keine Ergebnisse gefunden

Wurzeln

Im Dokument Skript (Seite 34-38)

Wir hatten in den Beispielen der vorangegangenen Abschnitte zwar schon mehrfach Wurzeln reeller Zahlen verwendet, wir wollen sie aber in diesem Abschnitt noch einmal offiziell einf¨uhren und etwas n¨aher diskutieren. In der Tat ist bei n¨aherer ¨Uberlegung die Existenz einer Zahl wie √

2, also einer reellen Zahl deren Quadrat gleich 2 ist, durchaus keine Selbstverst¨andlichkeit.

Es gilt aber der folgende Satz.

Satz II.4.1. F¨ur alle reellen Zahlen a≥0 und alle n∈N existiert genau eine reelle Zahl b≥0 mit bn=a.

Dieser Satz m¨usste nat¨urlich bewiesen werden und das w¨are auch an dieser Stelle bereits m¨oglich. Da wir ihn aber sp¨ater (durch die Maschinerie der stetigen Funktionen und des Zwischenwertsatzes) quasi “umsonst” bekommen werden, verzichten wir an dieser Stelle auf einen Beweis und nehmen den Satz einstweilen als gegeben hin.

Dieser Satz erlaubt es nun, Wurzeln zu definieren.

Definition II.4.2. Seien a ≥ 0 und n ∈ N. Diejenige, nach Satz II.4.1 existierende und eindeutig bestimmte, reelle Zahlb≥0 mitbn=awird die n-te Wurzel aus agenannt und mit √n

abezeichnet.

Statt √2

aschreibt man kurz√

aund spricht von der Quadratwurzel oder kurz der Wurzel ausa.

Es gelten die folgenden Rechengesetze:

Lemma II.4.3. F¨ur allea, b≥0 und alle n, m∈Ngilt:

(i) √n

ab= √n a√n

b (ii) pn

m

a= nm√ a Beweis. (i) Es gilt (√n

a√n

b)n= (√n a)n(√n

b)n=ab, folglich ist √n

ab= √n a√n

b.

(ii) Es gilt

n

q

m√ a

nm

=

n

q

m√ a

nm

= (m

a)m=a, also pn m

a= nm√ a.

15Leonardo Fibonacci (ca.1170–1240) war ein Mathematiker aus Pisa, der diese Folge zur Beschreibung des Wachstums einer Kaninchenpopulation verwendete. Mittlerweile weiß man, dass auch zahlreiche andere Wachstumsvorg¨ange in der Natur sich durch diese Folge beschreiben lassen.

Weitere Rechenregeln ergeben sich hieraus leicht bei Bedarf, z. B. folgt aus Teil (i) des obigen Lemmas durch vollst¨andige Induktion leicht √n

am = (√n a)m f¨ur allen, m∈N(Induktion nachm bei festemn). Weiter ist wegen (i) auch

n

a= n r

ba b = n

√ bn

ra b, also

n

ra b =

n

a

n

b. Insbesondere ist n

b−1 = (√n b)−1.

Hier noch eine kleine Warnung bez¨uglich des Vorzeichens: Ist a∈R, so hat die Gleichung x2 = a2 nat¨urlich zwei L¨osungen, n¨amlich x = a und x = −a. Die Wurzel von a ist per definionem die positive dieser beiden L¨osungen. Mit anderen Worten

a2 =a ist nur richtig, fallsa≥0 ist. F¨ur a <0 ist √

a2 =−a. Allgemein gilt also √

a2 =|a|.

Wir k¨onnen die Wurzeln verwenden, um Potenzen mit rationalen Expo-nenten zu definieren. Zuerst dehnen wir die Definition auf negative ganze Zahlen aus.

Definition II.4.4. Sei a∈Rmit a6= 0 und sei n∈N. Wir setzena−n:=

(a−1)n.

Die Potenzgesetze ¨ubertragen sich entsprechend auch auf ganzzahlige Exponenten: Es gilt

an+m =anam (am)n=anm (ab)n=anbn, f¨ur alle a, b∈R\ {0} und alle n, m∈Z (Beweis als ¨Ubung).

Als N¨achstes wollen wir die Definition auch auf rationale Exponenten ausdehnen. Daf¨ur muss die Basis aallerdings positiv sein.

Definition II.4.5. Sei a >0 und sei x ∈Q. Dann schreibex als x= p/q f¨ur geeignete p∈Zund q ∈Nund setze

ax:= √q ap. Beispiel: a1/2 =√

a,a3/2=

a3,a2/3 = 3

√ a2.

Mit dieser Definition gibt es allerdings noch ein kleines Problem. Die Darstellung einer rationalen Zahl als Bruch zweier ganzer Zahlen ist nat¨urlich nicht eindeutig, beispielsweise ist 4/6 = 2/3. Der Wert von ax darf aber nat¨urlich nur vonxabh¨angen und nicht von der speziell gew¨ahlten Bruchdar-stellung. Mit anderen Worten, bevor die obige Definition akzeptiert werden kann, m¨ussen wir noch folgendes zeigen:

Lemma II.4.6. Sei a >0. Sind p, r∈Z und q, s∈N mit p/q=r/s, so ist auch √q

ap=√s ar.

Beweis. Es ist (√q

ap)s=pq

(ap)s=√q aps. Wegen p/q=r/sist ps=qr, also folgt (√q

ap)s=√q

aqr =pq

(ar)q =ar. Daraus folgt √q

ap=√s

ar, wie gew¨unscht.

Die Potenzegesetze ¨ubertragen sich auch auf rationale Exponenten.

Lemma II.4.7. F¨ur allea, b >0 und alle x, y∈Q gilt:

(i) ax+y =axay (ii) (ax)y =axy (iii) (ab)x=axbx

Beweis. Wir schreibenx=p/q und y=r/smitp, r∈Zund q, s∈N. (i) Es gilt (axay)qs= (√q

aps

ar)qs = (√q

ap)qs(√s

ar)qs= (ap)s(ar)q=aps+qr. Es folgtaxay = qs

aps+qr =a(ps+qr)/qs =ax+y.

Die Beweise f¨ur (ii) und (iii) ¨uberlasse ich Ihnen zur ¨Ubung.

Als N¨achstes wollen wir das Verhalten von Potenzen und Wurzeln bez¨uglich der Ordnung <diskutieren.

Lemma II.4.8. Es gilt:

(i) 0≤a < b ⇒ an< bn f¨ur alle n∈N.

(ii) 0< a < b ⇒ b−n< a−n f¨ur allen∈N. (iii) a >1 ⇒ ak< ak+1 f¨ur allek∈Z. (iv) 0< a <1 ⇒ ak+1< ak f¨ur allek∈Z.

(v) 0≤a < b ⇒ √n a < √n

b f¨ur alle n∈N. (vi) a >1 ⇒ n+1

a < √n

a f¨ur allen∈N. (vii) 0< a <1 ⇒ √n

a < n+1

a f¨ur allen∈N.

Beweis. (i) beweist man leicht durch vollst¨andige Induktion, was ich Ihnen zur ¨Ubung ¨uberlasse. (ii) folgt aus (i) durch Kehrwertbildung.

(iii) und (iv) beweisen wir parallel: Ist a > 1, so zeigt man leicht durch vollst¨andige Induktionan< an+1 f¨ur allen∈N0 ( ¨Ubung). Ebenso zeigt man an+1< an f¨ur 0< a <1 undn∈N0.

Sei nun a > 0 und k = −n f¨ur ein n ∈ N. Dann ist ak = (a−1)n und ak+1 = (a−1)n−1.

Ista >1, so ist a−1= 1/a <1 und daher gilt nach dem schon Bewiesenen:

(a−1)n<(a−1)n−1, also ak< ak+1.

Ist a < 1, so ist a−1 >1, also gilt nach dem bereits Gezeigten: (a−1)n >

(a−1)n−1, also ak> ak+1.

(v) Seien 0 ≤ a < b. W¨are √n

a ≥ √n

b, so w¨are wegen (i) a = (√n a)n ≥ (√n

b)n=b, was ein Widerspruch ist. Also gilt √n a < √n

b.

(vi) Seia >1. W¨are n+1√ a≥ √n

a, so w¨are wegen (i) aucha= (n+1

a)n+1≥ (√n

a)n+1=a√n

a, also 1≥ √n

a, also 1≥(√n

a)n=a, was ein Widerspruch ist.

Also muss n+1√ a < √n

agelten.

(vii) schließlich folgt aus (vi) durch Kehrwertbildung (Details als ¨Ubung).

Aus diesem Lemma folgt weiter (wie?):ak< al f¨ura >1 undk, l∈Zmit k < l(Verallgemeinerung von (iii)). Auch die Aussagen (iv), (vi) und (vii) lassen sich entsprechend verallgemeinern. Schließlich kann man die Aussagen auch auf rationale Exponenten ausdehnen:

Lemma II.4.9. Es gilt:

(i) 0< a < b ⇒ ax< bx f¨ur alle x∈Q mitx >0.

(ii) 0< a < b ⇒ bx < ax f¨ur alle x∈Q mitx <0.

(iii) a >1 ⇒ ax< ay f¨ur allex, y∈Q mit x < y.

(iv) 0< a <1 ⇒ ax> ay f¨ur allex, y∈Q mit x < y.

Den Beweis dieses Lemmas ¨uberlasse ich Ihnen als ¨Ubungsaufgabe.

Es ist m¨oglich,axauch f¨ur irrationale Exponentenxsinnvoll zu definieren.

Das verschieben wir allerdings noch ein ganzes St¨uck (siehe Abschnitt V.3).

Zum Abschluss wollen wir nun noch beweisen, was Ihnen als Aussage sicherlich schon bekannt ist: √

2 ist keine rationale Zahl.

Satz II.4.10. √

2 ist irrational.

Beweis. Wir beginnen mit einer kleinen Vor¨uberlegung: Ist n ∈ N eine ungerade Zahl, so ist auchn2 ungerade. (Beweis: Als ungerade Zahl l¨asst sich n schreiben als n = 2k+ 1 f¨ur ein geeignetes k ∈ N0. Dann ist aber n2= (2k+ 1)2 = 4k2+ 4k+ 1 ebenfalls ungerade, denn 4k2+ 4kist gerade.) Nun zum eigentlichen Beweis der Irrationalit¨at von √

2. Solch eine Aussage zeigt man grunds¨atzlich durch einen Widerspruchsbeweis: Angenommen √

2 w¨are rational. Dann w¨are √

2 = a/b f¨ur gewisse a, b ∈ N, wobei wir ohne Einschr¨ankung annehmen k¨onnen, dass der Bruch bereits ausgek¨urzt ist, d. h.

aund bhaben keinen gemeinsamen Teiler außer 1.

Durch quadrieren folgt 2 =a2/b2, also 2b2 =a2. Daher ist a2 gerade und wegen unserer Vor¨uberlegung muss dann auchagerade sein. Also ist a= 2k f¨ur eink∈N.

Dann folgt aber 2b2 =a2 = 4k2 und somit b2= 2k2. Also istb2 gerade und wiederum wegen der Vor¨uberlegung ist dann auch bselbst gerade.

Also w¨aren aundb beide teilbar durch 2, obwohl sie teilerfremd sein sollten.

Das ist ein Widerspruch und folglich kann √

2 nicht rational sein.

Allgemeiner kann man zeigen, dass f¨ur a, n∈Nmit n≥2 folgendes gilt:

Entweder ist √n

a∈Noder √n

aist irrational. Insbesondere ist √n

pirrational f¨ur alle Primzahlenp.

Im Dokument Skript (Seite 34-38)