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Abweichklauseln im Bausektor

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3. Vermutungsregeln, Abweichklauseln

3.5 Abweichklauseln im Bausektor

Besonderheiten gelten für den umfangreichen und sehr vielgestaltigen Bereich der Baupro-dukte. Als Prinzip gilt, dass für neue, also nicht von den allgemein anerkannten Regeln der Bautechnik abgedeckte Baustoffe, Bauteile, Einrichtungen und Bauarten ein spezieller Brauchbarkeitsnachweis erforderlich ist, der durch behördliche Zustimmung im Einzelfall oder durch allgemeine bauaufsichtliche Zulassung behördlicherseits anerkannt bzw. durch Anerkennung einer Prüfzeichenpflicht entbehrlich gemacht werden muss.148 Die Richtlinie über Bauprodukte149 wurde durch das Bauproduktengesetz150 und durch die Musterbauord-nung151 umgesetzt. Danach gelten für unterschiedliche Abweichungskonstellationen folgende Regelungen:

– In bauordnungsrechtlicher Hinsicht sind nur die als Technische Baubestimmungen durch öffentliche Bekanntmachung der obersten Bauaufsichtsbehörden eingeführten technischen Regeln zu beachten.152 Von ihnen darf abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung in gleichem Maße gewährleistet ist, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbe-sondere Leben, Gesundheit oder die natürliche, Lebensgrundlagen, nicht gefährdet wer-den.153

– Bauprodukte, deren Inverkehrbringen und Handel nicht öffentlich-rechtlich geregelt sind, die aber aaRdT entsprechen, dürfen auch verwendet werden, wenn diese Regeln nicht in der Bauregelliste A bekannt gemacht sind. Weichen sie von aaRdT ab, benötigen sie trotz-dem keinen Verwendbarkeitsnachweis durch eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung, ein allgemeines bauaufsichtliches Zeugnis oder eine Zustimmung im Einzelfall.154

– Bauprodukte, für die technische Regeln in der Bauregelliste A bekannt gemacht worden sind und die von diesen wesentlich abweichen oder für die es Technische Baubestimmun-gen oder aaRdT nicht gibt (nicht geregelte Bauprodukte), müssen eine allgemeine bauauf-sichtliche Zulassung, ein allgemeines bauaufbauauf-sichtliches Prüfzeugnis oder eine Zustimmung

148 Vgl. Di Fabio 1994b, 1271 f.

149 Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 21.12.1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvor-schriften der Mitgliedstaaten für Bauprodukte, ABl. L 40 v. 11.2.1989, 12, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003, ABl. L 284 v. 31.10.2003, 1.

150 Gesetz über das Inverkehrbringen von und den freien Warenverkehr mit Bauprodukten zur Umsetzung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungs-vorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte und andere Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaf-ten v. 10.8.1992, BGBl. I S. 1495, neu gefasst durch Bekanntmachung vom 28.4.1998, BGBl. I S. 812, zuletzt geändert durch Art. 8a des Gesetzes vom 6.1.2004, BGBl. I, S. 2.

151 Musterbauordnung – MBO, Fassung November 2002.

152 Siehe § 3 Abs. 3 Satz 1 MBO.

153 § 3 Abs. 3 Satz 3 MBO. Siehe auch § 3 Abs. 3 Satz 3 LBO Ba-Wü; § 3 Abs. 3 Satz 4 LBO Berlin.

154 Vgl. § 20 Abs. 1 Sätze 2 und 3 MBO. Vgl. dazu v. Bernstorff 1994, 69-101. Siehe auch § 17 Absätze 1 und 2 LBO Ba-Wü; Art. 20 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BauO NW; § 24 Abs. 1 Sätze 2 und 3 NBauO.

im Einzelfall haben. Ausgenommen sind Bauprodukte, die für die Erfüllung der bauord-nungsrechtlichen Anforderungen nur untergeordnete Bedeutung haben und die das DIBt im Einvernehmen mit der obersten Bauaufsichtsbehörde in einer Liste CV öffentlich bekannt gemacht hat.155

– Mit Zustimmung der obersten Bauaufsichtsbehörde dürfen im Einzelfall Bauprodukte, die ausschließlich nach dem Bauproduktengesetz oder nach sonstigen Vorschriften zur Um-setzung von EG-Richtlinien in Verkehr gebracht und gehandelt werden, jedoch deren An-forderungen nicht erfüllen, verwendet werden, wenn deren Verwendbarkeit für die ord-nungsgemäße Errichtung baulicher Anlagen nachgewiesen ist. Gleiches gilt für nicht gere-gelte Bauprodukte Wenn Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbeson-dere Leben, Gesundheit oder die natürlichen Lebensgrundlagen, nicht zu erwarten sind, kann die oberste Bauaufsichtsbehörde im Einzelfall erklären, dass ihre Zustimmung nicht erforderlich ist.156

– Bauarten, die von Technischen Baubestimmungen wesentlich abweichen oder für die es aaRdT nicht gibt (nicht geregelte Bauarten), dürfen bei der Errichtung, Änderung und In-standhaltung baulicher Anlagen nur angewendet werden, wenn für sie eine allgemeine bau-aufsichtliche Zulassung oder eine Zustimmung im Einzelfall erteilt worden ist. Anstelle einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung genügt ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis, wenn die Bauart nicht der Erfüllung erheblicher Anforderungen an die Sicher-heit baulicher Anlagen dient oder nach allgemein anerkannten Prüfverfahren beurteilt wird.

Das DIBt macht diese Bauarten in der Bauregelliste A, Teil 3 bekannt.

– Weicht ein Bauprodukt nur unwesentlich von bekannt gemachten harmonisierten oder an-erkannten Normen ab, gilt es trotzdem als brauchbar.157 Ist die Abweichung dagegen we-sentlich, ist die Brauchbarkeit durch eine europäische technische Zulassung nachzuweisen, wenn der Zusammenschluss der von den EG-Mitgliedstaaten benannten Zulassungsstellen für dieses Bauprodukt Leitlinien für die technische Zulassung verabschiedet hat und die Kommission die Mitgliedstaaten aufgefordert hat, die Leitlinien in ihren Amtssprachen zu veröffentlichen.158 Fehlen solche Leitlinien, kann die Brauchbarkeit durch eine europäische technische Zulassung unter der Voraussetzung nachgewiesen werden, dass Einvernehmen mit den für europäische technische Zulassungen bestimmten Zulassungsstellen der EG-Mitgliedstaaten und der anderen Vertragstaaten des EWR-Abkommens darüber erzielt wird, dass der Brauchbarkeitsnachweis erbracht ist.159 Weniger schwerfällig bei wesent-lichen Abweichungen von bekannt gemachten harmonisierten und anerkannten Normen dürfte die Variante sein, die Brauchbarkeit mittels einer Erstprüfung durch eine hierfür an-erkannte Prüfstelle nachzuweisen.160

155 Vgl. § 20 Abs. 3 MBO. Vgl. dazu v. Bernstorff 1994, 95-98. Siehe auch § 17 Abs. 3 LBO Ba-Wü; § 20 Abs. 3 BayBO; § 18 Abs. 3 BauO Berlin; § 24 Abs. 3 NBauO.

156 Vgl. § 22 Abs. 1 MBO. Siehe auch § 20 Abs. 1 LBO BaWü; Art. 23 Abs. 1 BayBO; § 20 BauO Berlin;

§ 23 Abs. 1 BauO NW; § 26 Abs. 1 NbauO.

157 § 5 Abs. 2 BauPG.

158 § 5 Abs. 3 Satz 1 BauPG.

159 § 5 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 6 Abs. 4 Satz 2 BauPG.

160 § 5 Abs. 5 i. V. m. § 9 Abs. 4 BauPG.

3.6 Zusammenfassung

Die TrinkwV 2001 verweist auf die aaRdT. Die DVGW-Regeln sind zwar grundsätzlich geeignet, diese Anforderungen zu konkretisieren. Allerdings ist eine Anerkennung durch branchenweite Übung erforderlich. Im Unterschied zu einigen anderen Gesetzen und Verordnungen nimmt die TrinkwV 2001 die Nachweisarbeit dafür nicht durch eine Vermu-tungsregel ab. In diesem Fall würde eine solche aber auch nicht weiterhelfen, da über die fehlende branchenweite Übung hinsichtlich der Rohrinnensanierung von Hausinstallationen kein Streit besteht.

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