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Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit lassen sich wie folgt zusammenfassen:

(1) Auf der Oberfläche aller Darmabschnitte sind Gal-, GalNAc-, Glc-, GlcNAc-, Man- und Sial-haltige Zuckerstrukturen nachweisbar. Da in einigen Fällen das Bindungsvermögen (und somit die Anfärbungsintensität) des gleichen Lektins in verschiedenen Darmabschnitten bzw. Altersstufen Unterschiede aufwies, scheint der genaue Aufbau dieser Zuckerstrukturen lokalisations- und altersabhängig zu variieren.

Für alle oben genannten Zucker sind Funktionen als Rezeptoren für mikrobielle Lektine prinzipiell denkbar. Diese als lektinvermittelte Adhäsion bezeichnete Anheftung von Mikroorganismen kann den ersten Schritt zur Kolonisation des Darmes darstellen. Im Fall pathogener Mikroorganismen bildet diese Kolonisation eine wesentliche Voraussetzung für die Infektion. Die Unterbindung der Ligand-Rezeptor-Interaktion im Sinne einer antiadhäsiven Therapie (s. Abschnitt II, Kap. 5.3.) kann somit zur Unterbrechung der Infektkette führen.

So konnten z. B. OYOFO et al. (1989c) die Anheftung eines Fimbrien-Typ1-positiven Stammes von Salmonella typhimurium an Kükendünndärme in vitro durch die Zugabe von verschiedenen Kohlenhydraten deutlich vermindern. Als besonders effektiv erwiesen sich dabei D-Man und ein weiteres Mannosederivat. Entsprechend vermuten die Autoren als epithelialen Bindungspartner für diesen S. typhimurium-Stamm einen Rezeptor mit terminalen Man-Rest. Tatsächlich konnten Man-Reste in der vorliegenden Arbeit auf der Oberfläche von Jejunoileum, Dottersackstiel, Caecum und auf dem IFE der Bursa cloacalis nachgewiesen werden. Auch andere Autoren konnten mittels lektinhistochemischer Untersuchungen Man in

unterschiedlichen Darmbereichen detektieren (SUPRASERT et al., 1987; SUPRASERT und FUJIOKA, 1988; ALROY et al.;1989; KATO et al., 1992 sowie KITAGAWA et al., 2000).

Dass die Verminderung der Bindung des mikrobiellen Liganden an den epithelialen Rezeptor durch ein antiadhäsives Agens auch in vivo möglich ist, konnte durch weitere Versuche von OYOFO et al. (1989 a und b) bewiesen werden. Sie konnten durch die Verabreichung Man-supplementierten Trinkwassers die Kolonisation von Broiler-Blinddärmen mit S. typhimurium (Fimbrien-Typ1-positiver Stamm) signifikant reduzieren. ZHOU et al (1995) konnten ebenfalls durch die Gabe eines Mannosederivats die Bindung von Salmonella pullorum an das Dünndarmepithel von Hühnerküken deutlich vermindern. Sie vermuten das für die Adhäsion verantwortliche Man-haltige Glykokonjugat jedoch nicht auf der Epithelzelloberfläche, sondern auf der Oberfläche der Bakterien.

Die oben aufgeführten Beispiele verdeutlichen die Wichtigkeit, genauere Kenntnisse über die intestinalen Glykokonjugate zu erlangen. An dieser Stelle sei aber nochmals darauf hingewiesen, dass für die Funktion eines Glykokonjugates als Rezeptor neben der (meist terminal determinierten) Monosaccharid-Spezifität häufig noch weitere, subterminale Zucker, die räumliche Anordnung dieser Zucker sowie elektrostatische und hydrophobe Wechselwirkungen zwischen Ligand (Lektin) und Rezeptor von Bedeutung sind. In der vorliegenden Arbeit wird dies verdeutlicht durch die unterschiedliche Bindungsfähigkeit von Lektinen gleicher Monosaccharid-Spezifität sowie durch die Inhibition der Bindung von CMA II, DSA und LEA durch Chitotriose, nicht jedoch durch GlcNAc. Es könnte effektiver sein, als antiadhäsives Agens Liganden einzusetzen, deren Spezifität für den entsprechenden Rezeptor bzw. Liganden über die einfache Monosaccharid-Spezifität hinausgeht. Daneben muss gegebenenfalls die altersabhängige Variation in der Kohlenhydratzusammensetzung berücksichtigt werden. Weitere Untersuchungen zur näheren Charakterisierung der Zuckerstrukturen, beispielsweise mittels sequentieller enzymatischer Digestion, sind als Grundlage einer derartigen antiadhäsiven Therapie notwendig. Die Entwicklung antiadhäsiver Therapeutika scheint vor allem in Hinblick auf die steigende Zahl von Antibiotika-Resistenzen sowie der zunehmenden Restriktion des Antibiotika-Einsatzes im Geflügelbereich von Bedeutung.

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Die Beobachtung lokaler Unterschiede in der Verteilung epithelialer Glykokonjugate im Verlauf des Darmes wird durch die Arbeiten von ALROY et al. (1989) sowie KATO et al.

(1992) gestützt. Auch sie erzielten bei Verwendung des gleichen Lektins unterschiedlich starke Anfärbungen der luminalen Oberfläche in den von ihnen untersuchten Darmabschnitten. Da die Kohlenhydratstrukturen als Rezeptoren für Mikroorganismen dienen können ( s. Abschnitt II, Kap. 6.1.), liegt in der unterschiedlichen Verteilung von Zuckern im Verlauf des Darmtraktes möglicherweise der Grund für die Lokalisationsspezifität von Protozoen oder anderen Mikroorganismen.

Altersabhängige Veränderungen von Zuckerstrukturen im Darm wurden auch bei anderen Tierarten wie beispielsweise Ratte (TAATJES u. ROTH, 1990) oder Schwein (GELBERG et al., 1992; CHAE u. LEE, 1995; KING et al., 1995) festgestellt. Ein Zusammenhang zwischen der Veränderung von bestimmten zuckerhaltigen Rezeptoren auf der Epitheloberfläche im Laufe der postnatalen Entwicklung und altersabhängiger Resistenz bzw. Empfänglichkeit gegenüber mikrobiellen Infektionen ist dabei durchaus denkbar.

(2) Das FAE der Tonsillae caecales bzw. des Dottersackstieles lässt sich mit den in dieser Arbeit verwendeten Lektinen nicht spezifisch anfärben.

Obwohl mit allen verwendeten Lektinen Anfärbungen im FAE der Bursa cloacalis erzielt werden konnte, ließ sich diese Reaktionen nicht grundsätzlich auf das FAE von Tonsillae caecales oder Dottersackstiels übertragen. Während vor allem mit GlcNAc-spezifischen Lektinen ( z. B. DSA, LEA und UDA) an der Bursa cloacalis recht spezifische Reaktionen in den Zellen des FAE hervorgerufen werden konnten, konnte am FAE von Tonsillae caecales und Dottersackstiel allenfalls die luminale Oberfläche mit bestimmten Lektinen markiert werden. Da diese Lektine aber immer auch eine Anfärbung der Zylinderepitheloberfläche verursachten, kommt keins dieser Lektine als selektiver Marker für M-Zellen im Darm in Frage. JEURISSEN et al. (1999) konnten Markierungen von M-Zellen mit WGA, SBA (soyabean-Agglutinin) und AAA (Anguilla anguilla-Agglutinin) erzielen, aber auch hier handelte es sich um eine unspezifische Färbung, da diese Lektine auch an andere Epithelzellen banden.

Zuckerstrukturen auf den zellulären Oberflächen des FAE der Bursa cloacalis bzw. des FAE im Darm sind vor allem in Hinblick auf die orale bzw. kloakale Vakzination von Bedeutung.

So könnten Lektine, die spezifisch oder zumindest verstärkt an M-Zellen binden, an Antigene gekoppelt werden und nach oraler bzw. kloakaler Applikation die verstärkte Bindung und Aufnahme dieser Antigene an bzw. durch M-Zellen vermitteln. Die Effektivität oraler bzw.

kloakaler Vakzination würde dadurch deutlich gesteigert.

Untersuchungen am Mäusemodell erbrachten, dass sich die M-Zellen der Peyerschen Platten bei dieser Tierart selektiv mit UEA I (Ulex europaeus-Agglutinin I) markieren lassen (CLARK et al., 1993; CLARK et al., 1994a; GIANNASCA et al., 1994; JEPSON et al., 1995). Außerdem banden in diesem Bereich WBA (Winged-bean-Agglutinin) (CLARK et al., 1993) und EEA (Euonymus europaeus-Agglutinin) (CLARK et al., 1995a).

Auch die selektive Aufnahme von UEA I durch M-Zellen der Peyerschen Platten konnte nachgewiesen werden (GIANNASCA et al., 1994; CLARK et al., 1995b), ein Targeting von UEA I konjugierten Latexpartikeln erwies sich als sehr erfolgreich (FOSTER et al., 1998).

Die spezielle Bindungsfähigkeit von UEA I an die M-Zellen der Maus beschränkte sich dabei allerdings auf die Peyerschen Platten, caecale M-Zellen reagierten nicht (CLARK et al., 1994, JEPSON et al., 1995). Eine Oberflächenmarkierung der caecalen M-Zellen der Maus gelang dagegen bisher mit EEA und BSA I B4 (Bandeiraea (oder Griffonia) simplicifolia-Agglutinin) (CLARK et al., 1995a).

Neben den lokalen Unterschieden existieren Interspeziesdifferenzen. Für die M-Zellen der Peyerschen Platten des Kaninchens konnte bisher in vivo eine verstärkte Bindungsaffinität für WGA und RCA (Ricinus communis-Agglutinin) I und II festgestellt werden (NEUTRA et al.,1987). UEA I dagegen markierte beim Kaninchen neben BSA I, PNA (Peanut-Agglutinin) und WGA die M-Zellen im Caecum, im Gegensatz zur Maus jedoch nicht die M-Zellen der Peyerschen Platten (JEPSON et al, 1995). Beim Menschen blieben Versuche, M-Zellen lektinhistochemisch selektiv zu markieren, bisher erfolglos (SHARMA et al., 1996;

SHARMA u. SCHUMACHER, 2001). Eine Übertragung der Ergebnisse der lektinhistochemischen M-Zell-Markierung von einer Spezies auf eine andere ist dementsprechend nicht grundsätzlich möglich.

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Ebenso wie bei Maus und Kaninchen lassen sich in der vorliegenden Arbeit auch für das Haushuhn lokale Unterschiede in der Ausbildung der Zuckerkomponenten der M-Zellen feststellen: M-Zellen der Bursa cloacalis verfügen offenbar über eine andere Zuckerzusammensetzung als die der Tonsillae caecales oder des Dottersackstieles. Dies legt die Vermutung einer unterschiedlichen Spezialisierung dieser Zellen nahe. Unterschiedliche regionale Ausprägungen der Zuckerstrukturen sowie Interspeziesdifferenzen müssen beim Einsatz von Lektinen als Targeting-Moleküle für die Vakzinierung berücksichtigt werden, sowohl bei der Auswahl des entsprechenden Lektins als auch bei der Applikationsart (oral/kloakal). Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit legen die Vermutung nahe, dass durch die Verwendung eines GlcNAc-spezifischen Lektins oder eines GlcNAc-spezifischen lektinähnlichen Liganden als Targeting-Molekül die Effektivität der Aufnahme kloakal verabreichter Vakzinen über das FAE der Bursa cloacalis gesteigert werden kann.