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In der Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und der Klinik und Poliklinik für Phoniatrie und Pädaudiologie der MHH Hannover erfolgte die Abklärungsdiagnostik. Dieser Diagnostik wurden zugeführt:

• Kinder zur Erstmessung (selten)

• Neugeborene mit auffälligem Befund aus den Geburtskliniken

• Auffällige Neugeborene überwiesen von HNO-Ärzten

Bei der letzten Gruppe bestand schon ein erhärteter Verdacht auf eine Hörstörung.

Die Abklärung beinhaltete eine automatisierte und nach ungenügender Messung eine manuelle (zum Beispiel ILO88) TEOAE-Messung, eine Tympanometrie und bei weiterhin auffälligem Befund eine BERA zur Schwellenbestimmung. Eingeschlossen war eine HNO-ärztliche Anamneseerhebung inklusive Familienanamnese und Untersuchung.

Sofern die Compliance des Kindes eine postprandiale BERA nicht zuließ, war eine komplette audiologische Untersuchung in Vollnarkose, ggf. mit Durchführung einer Bildgebung (CT oder MRT) erforderlich.

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Abbildung 2-11: Abklärungsdiagnostik in Narkose mit TEOAE, BERA Kombinationsgerät (als Ergänzung)

Bei der Narkoseuntersuchung konnte zusätzlich eine Nasen-Rachenuntersuchung mit ggf.

folgender Adenotomie und Ohrinspektion, ggf. mit folgender Paracentese angeschlossen werden. Die prä- und postoperative Aufklärung erfolgte durch den HNO-Arzt.

Abbildung 2-12 zeigte die komplexen Ergebnisse von OAE und Hirnstammaudiometrie- Messungen. Ziel dieser Abklärungsdiagnostik war die Hörschwellenbestimmung, möglichst frequenzabhängig, und die Lokalisation der Hörstörung.

links: negative DPOAE mitte: regelrechte DPOAE rechts: BERA Befund

Abbildung 2-12: graphische Darstellung von verschiedenen regelrechten und pathologischen BERA/DPOAE Ergebnissen

32 2.5 Konsequenz des Neugeborenen-Hörscreenings

Ein Hörverlust von mehr als 30 dB, einseitig wie beidseitig, muss therapiert werden [Boenninghaus und Lenarz, 2005]. Bei leicht bis mittelgradigen Schallempfindungs-schwerhörigkeiten kommen Hörgeräte zum Einsatz (Abbildung 2-13), bei hochgradigem Hörverlust ist letztlich ein Cochlea-Implantat (CI) indiziert. Das zeitliche Vorgehen bei einem hochgradigen Hörverlust wird bestimmt durch die Zuverlässigkeit der Diagnostik, das Lebensalter des Patienten und die Vorstellungen der Eltern aufgrund der individuellen Erfahrung der Hörentwicklung des Kindes [Lesinski-Schiedat et al., 2004].

Zeitgleich mit der Hörgeräteversorgung wird eine auditive Frühförderung begonnen. Die Verlaufskontrolle der Hörgeräteversorgung erfolgt über den sonderpädagogischen Frühförderer, Pädakustiker und den HNO-Facharzt und seine Überprüfung des subjektiven Hörvermögens des Kleinkindes mit und ohne Hörgerät (Abbildung 2-14) Die Qualitätssicherung mit dem CI ist ausgerichtet an den Leitlinien der CI-Versorgung [Boenninghaus und Lenarz, 2005].

Abbildung 2-13: Orientierende Hörprüfung Hörgeräteverordnung

33 2.6 Die Screeningzentrale

Die Screeningzentrale war verantwortlich für die Aufrechterhaltung und Qualität der Screeningtätigkeit.

Deren primäre Aufgabe lag in der Erfassung der Daten dar (so genanntes Monitoring) und der passive Nachverfolgung (so genanntes Tracking) der betroffenen Kinder.

Zur Qualitätssicherung gehörte außerdem die Problembewältigung (so genanntes troubleshooting).

Die Screeningzentrale sorgte für eine Telefonhotline, die von geschulten Mitarbeitern der Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung besetzt wurde. Bei auftretenden Problemen konnten sich die Kliniken telefonisch an die Screeningzentrale wenden. Einfache Schwierigkeiten wurden sofort telefonisch gelöst. Bei komplexeren Problemstellungen erfolgte der Einsatz eines ärztlichen Mitarbeiters der HNO-Klinik. Zu den Aufgaben der Screeningzentrale gehörte darüber hinaus die Bereitstellung von Dokumentationsmaterial, ggf. eines Ersatzgerätes und die digitale Verarbeitung und Analyse der Daten. Aufgrund der analysierten Daten und ihrer Häufigkeit sowie des Inhalts der telefonischen Anfragen konnten der Kontroll- und Schulungsbedarf der einzelnen Kliniken abgeschätzt werden.

2.6.1 Monitoring

Zur Überprüfung und Aufrechterhaltung der Qualität der Messungen war eine lückenlose Dokumentation und Analyse der gesammelten Daten notwendig.

Ziele des Monitorings waren:

• Erreichung der kontinuierlichen Machbarkeit

• Erreichung einer geringen Fehlerquote

• Stärkung der Eigenverantwortlichkeit

Die notwendige Qualitätssicherung wurde gewährleistet unter anderem durch Dokumentationsbögen, Vorortbesuche und Befragungen. Anhand der vorgegebenen Dokumentation in den Kliniken und HNO-Praxen konnten die Messaktivitäten verfolgt werden. Diese Bögen standen und stehen in drei Versionen bereit: für die Kliniken mit Regelgeburten, für die Neonatalabteilungen, bei denen weitere Messverfahren zum Einsatz kamen, und für die HNO-Praxen sowie Abklärungsinstitutionen, in der die

34 Abklärungsdiagnostik festgehalten wurde. Das Monitoring orientierte sich an der Auswertung der Daten aus den Dokumentationsbögen.

Zur Sicherung der Ergebnisqualität dienten folgende Punkte als Indikatoren:

• Ablehnungsquote

• Erfassungsquote

• Rate der Wiederholungsuntersuchungen

• Rate der Verdachtsbefunde

Die Häufigkeit der Vorortbesuche resultierte aus der Anzahl der Rückfragen an die Screeningzentrale und insbesondere aus der Messquote der zu erfassenden Kinder. Falls besondere Abweichungen vom Durchschnitt der auffälligen Raten der Kinder registriert wurden, erfolgte ebenfalls eine Überprüfung, ob methodische Fehler ursächlich waren.

Bei den Auswertungen erfolgten nicht nur krankenhausspezifisch, sondern auch untersucherspezifisch. Voraussetzung hierfür war, dass jeder Untersucher sich selbst in der Dokumentation der Untersuchung mit einer individuellen Kodierung registrierte.

Hierdurch konnten Lücken personenspezifisch aufgedeckt und mittels besonders punktgenaue Schulung geschlossen werden.

Die qualitätssichernden Maßnahmen in den Kliniken respektive HNO-Praxen zielten auf folgende Gesichtspunkte:

• Pflegekonzept und Organisation des Kinderzimmers

• Pflegerische Verantwortlichkeit

• Ärztliche Verantwortlichkeit

• Organisation des Screenings

• Organisation der Dokumentation

• Umgang mit dem Screeninggerät

Die standardisierte und überwachte Dokumentation (Anhang 6.2.7 bis 6.2.10) war eine der wesentlichen Voraussetzungen für die qualitätsgesicherte Durchführung des Neugeborenen-Hörscreenings.

35 2.6.2 Tracking

Auf des Neugeborenen-Hörscreenings folgte zwingend die Nachverfolgung (Tracking) der betroffenen Kinder. Dieses war und ist eine wesentliches Element des NHS und die zweite Hauptaufgabe einer potentiellen Screeningzentrale [Delb et al., 2004]. Dieses bedeutet, dass die Eltern von der Screeningzentrale schriftlich aufgefordert werden, dem Anfangsverdacht nachzugehen, eine Abklärungsdiagnostik durchführen zu lassen und die möglichen therapeutischen Konsequenzen in Anspruch zu nehmen.

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3 Ergebnisse

Die Einführung des NHS erfolgte schrittweise in alle Kliniken. Beteiligt wurden in der thematischen Einführung neben der HNO-Klinik auch die Epidemiologie, die im wesentlichen die Funktion einer später zu initiierenden Screeningzentrale übernahm.

Abhängig von der internen Klinikorganisation und der Größe der Kliniken konnte auf die thematische die organisatorische Einführung unmittelbar folgen, so dass der Zeitraum bis zur abgeschlossenen Einführung aller beteiligten Kliniken nach ca. sechs Monaten erreicht wurde (Abbildung 3-1).

In den einzelnen Kliniken wurde mit einer Testphase begonnen, die bei Überschreiten einer durch das Projekt vorgegebenen Erfassungsrate von 95% beendet war. Ab diesem Zeitpunkt befand sich die Klinik im Routinebetrieb. Im Durchschnitt betrug die Testphase drei Monate (1 Tag bis 197 Tage), abhängig von Faktoren wie der Größe der Klinik, der Bettenzahl, des Personalschlüssels und der Personalstrukturorganisation. In diesem Zusammenhang musste bei einer hohen Zahl von Mitarbeitern an strukturelle Maßnahmen gedacht werden wie: Rotation, Schichtwechsel, dauerhafter Arbeitsplatzwechsel, unterschiedliche inhaltliche und persönliche Interessenlagen in Bezug auf die ernsthafte Akzeptanz der Notwendigkeit. Diese Einflussfaktoren zwangen dazu, regelmäßige Wiederholungen in engem zeitlichen Abstand als Schulungstermin anzubieten. Da einige Kliniken praktisch keine Testphase benötigten, wurde die Entscheidung bezüglich dieser wiederholten Schulungen individuell nach Beginn der Einführung für jede Klinik getroffen. Ab März 2001 befanden sich alle Kliniken im Routinebetrieb.

In Abbildung 3-1 ist die Gesamterfassungsquote der Kliniken nach Abzug der ambulanten Patienten dargestellt. Nach sechs Monaten konnte im Mittel 95% der Neugeborenen erfasst werden, im Jahr 2001 96,4% und im Jahr 2002 97,1%.

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Abbildung 3-1: Erfassungsquote gescreenter Kinder nach Klinikgeburten über den Projektzeitraum [Lenarz, Reuter, Buser und Altenhofen, 2004]

Zur Bestimmung der prozentualen Erfassungsquoten lagen verschiedene Basiszahlen zu Grunde. Zunächst basierten die Angaben in den Geburtskliniken und Neonatalabteilungen auf Geburten-Selbstangaben, sowie auf den Eintragungen des Niedersächsischen Landesamtes für Statistik (NLS). Hausgeburten wurden nicht systematisch von den Hebammen erfasst. Das NLS bezog sich auf die Meldungen an das Einwohnermeldeamt.

Hierbei waren, aufgrund oben genannter Problematik, Abweichungen zu verzeichnen.

Abbildung 3-2: Screeniguntesuchungen der Modellregion anhand der Geburtenbücher (Juli 2000 – Dezember 2002) ohne Hausgeburten [Lenarz, Reuter, Buser und Altenhofen, 2004]

Anzahl der Lebendgeborenen

Gemessene in den Geburtskliniken

N=16.251

Gemessene in den Kinderkliniken

N=1.669 Erstmessungen in den

HNO-Praxen N=1.783 Ambulante Geburten (Klinik)

N=2.478 (21,4%)

Stationäre Geburten N=19.422 (88,6%)

Insgesamt Gemessene N=19.703

38 Basierend auf den Daten der Kliniken, wurden in dem Modellzeitraum (N=21900) Geburten registriert. Im gleichen Zeitraum erfolgten zusätzlich 437 Hausgeburten. Bei dem überwiegenden Teil von 19422 (88,6%) Geburten handelte es sich um stationäre Geburten.

Mit 16251 (82,5%) Geburten konnte der größte Teil in den Geburtskliniken gemessen werden. Vor der Messung wurden 1800 (9,3%) Kinder verlegt, bei 247 Kindern (1,2%) wurde die Messung von den Eltern abgelehnt. Somit hätten 17.375 Kinder in den Kliniken untersucht werden können. Tatsächlich wurden aber nur 16.251 Untersuchungen vorgenommen, was einer Gesamterfassungsquote von 93,5% für die in der Klinik messbaren Geborenen entspricht.

Bei 2478 (11,3%) Geburten konnte in den Kliniken keine Messung durchgeführt werden, da es sich entweder um eine ambulante Geburt handelte oder die Kinder die Klinik vor einer möglichen Messung verlassen hatten. 1783 (72%) von ihnen wurden aber später in den HNO-Praxen auf ihre Hörfähigkeit getestet.

In den Neonatalabteilungen herrschten besondere Organisationsstrukturen, so dass die Erfassungsquote hier schwieriger zu berechnen war. Es wurden 1669 Kindern von 1800 zugewiesenen Kindern untersucht, somit betragt die Erfassungsrate 92,72%.