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II. Empirischer Teil

5. Ergebnisse

5.8 Nähe & Distanz

5.8.1 Abgrenzung

Die persönliche Abgrenzung von emotional belastenden Situation stellt für die Fachkräfte stets eine gewisse Schwierigkeit dar und gilt dennoch als oberstes Prinzip, um in diesem Arbeitskontext professionell adäquat zu agieren. Die sozialpädagogischen Fachkräfte belegen diesen Sachverhalt folgendermaßen.

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„Hach, ja manchmal ist es gar nicht so einfach. So, hmm, damit umzugehen, sagen wir so. (.) Aber, ja, man lernt irgendwie das, also in dem Beruf eben, das irgendwie, wie sagt man, das abzugrenzen, so quasi“ (E2, Abs. 7).

„Ich kann mich mittlerweile ziemlich gut abgrenzen, ja? Natürlich gibt es immer wieder Sachen, oder wo man vielleicht Entscheidungen treffen muss, wo man dann ein schlechtes Gefühl hat, man weiß nicht, ob es richtig ist. Ähm, aber generell, ähm, kann ich mich sehr gut abgrenzen, wenn mich jetzt zum Beispiel ein Kind beschimpft“ (E2, Abs. 35).

„Mittlerweile kann ich das ziemlich gut abgrenzen. Ähm, und auch so wirklich zum Beispiel in der Arbeit lassen und nicht ins private Leben mitnehmen, und ja“ (E5, Abs.

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Als Ressource für die persönliche Abgrenzung und als Unterstützung in diesem Bereich nennen die ExpertInnen allem voran eine zeitliche als auch örtliche Distanz von der Arbeitsstelle, um sich nicht zuletzt nach Dienstschluss auf dem Nachhauseweg von den belastenden Aspekten abgrenzen zu können.

„Deswegen ist es für mich auch so gut, dass ich weiter entfernt wohne.-, und ich möchte auch nie da wohnen. (.) Weil da ist meine Arbeit, mein Arbeitsweg oder mein Weg nach Hause, ja? (.) Der ist immer dazu da, dass ich quasi alles versuche abzuladen. (…), da glaube ich, dass das wichtig ist, dass man das gut abgrenzen kann. (.) Also, wenn du da die Kinder zu nah ran lässt und dich verfolgt das dann in den Träumen, und du kannst dann nicht mehr gut schlafen, weil der halt irgendwas erlebt hat, oder was weiß ich. (.) Das ist schwierig. Da gehst du oft zu Grunde“ (E3, Abs. 19).

„Aber darum gehe ich gerne zu Fuß immer heim, und fahre nicht mit dem Auto. Weil da habe ich zumindest diese zehn Minuten heim, weißt du? Ein bisschen zum Ausdampfen, ein bisschen zum Runterkommen können. (.) Und das hat mir immer schon viel besser getan“ (E4, Abs. 17).

Eine Fachkraft schätzt die zeitliche Dauer, welche sie beansprucht für die Abgrenzung zum Arbeitskontext auf mehrere Stunden.

„(…) da brauche ich dann halt immer eben so zwei Stunden, bis ich dann halt eben runter komme und dann meine Gedanken nicht mehr über die WG kreisen (…)“ (E1, Abs. 43).

Eine weitere Fachkraft spricht darüber hinaus von der Problematik, dass eine komplette Abgrenzung von beruflich zu privat in diesem Setting ohnehin gar nicht möglich ist, da

107 | S e i t e aufgrund der Übertragung der Emotionen von einem Bereich zum anderen eher undeutliche Grenzen bestehen.

„(…) ich glaube so ganz gelingen tut das nicht, weil es schwingt ja trotzdem immer wieder ein bisschen mit und ich glaube einfach, dass wenn es Privat gut läuft, dann ist man in der Arbeit automatisch ein bisschen besser drauf, und genauso aber auch umgekehrt.

Und auch wenn man es versucht zu trennen und versucht da zu switchen, ganz gelingen tut das glaube ich nicht. (…) Und ich glaube dieser Switch, so sehr man es auch probiert, ist einfach nicht ganz möglich, weil es sind für mich ein bisschen schwammige Grenzen.

(.) Du nimmst von beiden Bereichen die Sachen mithinein, also du nimmst sowohl vom Privatleben Sachen mit in die Arbeit als auch von der Arbeit Sachen mit ins Privatleben“

(E7, Abs. 31).

Zu dieser Problematik hält eine weitere Fachkraft fest, gar nie wirklich von Abgrenzung sprechen zu können, da auch an dienstfreien Tagen von den Kindern und KollegInnen telefonisch Kontakt aufgenommen wird und die Arbeit somit immer wieder in die private Freizeit einwirkt.

„Also ich persönlich, ich nehme das schon mit heim und ich kann mich dann aber auch noch nicht gleich abgrenzen. (…), weil irgendwie bist du immer in der Arbeit. Auch wenn du frei hast, bist du mit dem Kopf trotzdem immer irgendwie drinnen, weil dann schreiben die wieder welche Kinder oder irgendwas wird in der WG-Gruppe gefragt von den Kollegen. (…) Du hast da nie deine Ruhe eigentlich“ (E1, Abs. 43).

Auch im kleineren Rahmen kommt der Abgrenzung eine tragende Rolle zu, wodurch auch schon während der Arbeitszeit immer wieder auf stressentlastende Pausen geachtet wird, um die Distanz wiederherstellen zu können und sich selbst nicht zu sehr zu belasten.

„Also in Konflikten ist das nicht so einfach. Aber sicher, jeder hat bei uns auch, wenn er eine Pause braucht, kann er sich kurz zurück ziehen und runter kommen“ (E5, Abs. 25).

„Also ich schaue schon wegen ein bisschen Abstand. Und dass ich da dann schon so fünf bis zehn Minuten, je nachdem wie die Situation auch ausschaut, ein bisschen für mich Energie tanken kann“ (E7, Abs. 21).

Nicht zuletzt weist eine Fachkraft spezifisch auf den Faktor der Abgrenzung als persönliche Schutzreaktion hin, wobei sie die Abgrenzung insbesondere zum Ende hin einer intensiven Beziehung zu einem Kind schon schrittweise initiiert.

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„Weil wenn zum Beispiel so wie letztens eines meiner BB-Kinder, also halt eines meiner Bezugskinder, wo du dann halt eben wirklich schon eine enge Bindung aufgebaut hast, aus der WG auszieht, dann grenze ich mich da irgendwie, vielleicht auch ein bisschen unbewusst, schon langsam mit der Zeit ab. (.) Weil ich hab, also wie gesagt, die Nina hab ich echt gerne gehabt, und wenn dann ein Kind aus der WG geht, dann tut mir das schon schirch. Weil ich eben das Kind dann schon gern mag und ich genau weiß, dass der Kontakt bleibt nicht bestehen“ (E1, Abs. 39).