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Abbildung 2: Wege zur Berufsausbildung für Schüler_innen mit Förderbedarf

STUDIUM AUSBILDUNG IN

ANERKANNTEN BERUFEN

außer-betrieblich betrieblich dual oder schulisch AUSBILDUNG IN

FACHPRAKTIKERBERUFEN betrieblich oder außerbetrieblich (dual)

SCHÜLER_INNEN

mit Förderbedarf, teilweise mit anerkannter Behinderung

BERUFSBILDUNGSBEREICH Werkstätten für behinderte Menschen ODER KEINE AUSBILDUNG

BERUFSVORBEREITUNG Übergangsbereich

Förderschulen Regelschulen

ABGÄNGER_INNEN mit unterschiedlichen Schulabschlüssen oder

ohne Abschluss

Schematische Darstellung. Die Größenverhältnisse spiegeln Schätzungen aus der Fachdebatte wider: 80 bis 90 Prozent der Schüler_

innen wechseln in Maßnahmen der Berufsvorbereitung (Jochmaring 2019b, S. 344). Weniger als 10 Prozent beginnen schließlich eine betriebliche Ausbildung in anerkannten Berufen, weitere etwa 10 Prozent eine außerbetriebliche Ausbildung in anerkannten Berufen, die meisten hingegen eine im Anspruch reduzierte oder keine Berufsausbildung (Jochmaring / Rathmann 2018, S. 7, Euler / Severing 2014, S. 21). Der direkte Übergang in ein Studium wird in dieser Debatte nicht untersucht, ist hier aber der Vollständigkeit halber angegeben und annäherungsweise eingeordnet. Zur Verteilung der Schüler_innen mit Förderbedarf auf Regel­ und Förderschulen siehe Kultusministerkonferenz (2020a), S. XV­XXIV.

JUNGE MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN: ANERKANNTE BERUFSAUSBILDUNG STATT SONDERWEGE 45

§ 66 BBiG/ § 42r HwO. Bei letzterem handelt es sich um einen sogenannten Fachpraktiker­Beruf mit einem geringeren Umfang theoretischer An­

teile und einer geringeren Entlohnung im Berufs­

leben. Als Bestandteile des Regelsystems werden in diesem Kapitel nur Ausbildungen betrachtet, die zu Abschlüssen in anerkannten Berufen führen.

Die Fachpraktiker­Ausbildungen gehören nach die­

ser Betrachtung nicht zum Regelsystem, sondern sind besondere Angebote außerhalb des allgemei­

nen Systems, die nur für Menschen mit Behinde­

rungen gelten. Schüler_innen mit einem Förder­

bedarf besuchen mehrheitlich Förderschulen, zum Teil aber auch Regelschulen (siehe Abbildung 2).

Nach der Schulzeit schließen sich verschiedene Möglichkeiten an, die in der Praxis häufig über be­

rufsvorbereitende Maßnahmen führen. Sie reichen von keiner Berufsausbildung über Ausbildungen in Fachpraktiker­Berufen bis hin zu einer Ausbildung in anerkannten Berufen oder Studiengängen (siehe Abbildung 2).

Fragt man nach den Chancen junger Menschen in Deutschland, ihr künftiges Berufsleben erfolg­

reich zu gestalten, so weisen die vorhandenen Studien und Statistiken unter anderem auf drei wichtige Zusammenhänge hin: Die Beteiligung am Erwerbsleben hängt erstens – soweit vorhanden – mit dem Grad der Behinderung der einzelnen Person zusammen, zweitens mit der Höhe des erreichten Berufsabschlusses sowie drittens – bei Ausbildungsberufen ­ mit der Betriebsnähe der Ausbildung. Alle drei Zusammenhänge werden im Folgenden kurz erläutert, bevor anschließend kurz auf die Beteiligung von Menschen mit Behinde­

rungen an den verschiedenen Ausbildungsformen sowie den Fachkräftemangel eingegangen wird.

18 Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2019), S. 7. Die Erwerbstätigenquote setzt die Zahl der Erwerbstätigen ins Verhältnis zur Bevölkerung der jeweils gleichen Altersgruppe). Ein Großteil der Statistiken bezieht sich ausschließlich auf schwerbehinderte Menschen, also Personen, bei denen ein bestimmter Grad der Behinderung amtlich festgestellt wurde und bei denen dieser Grad mindestens 50 beträgt. Sie machen lediglich etwa 60 Prozent aller Menschen mit Behinderungen aus.

19 Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2019), S. 10.

20 Metzler / Werner (2017), S. 27–29, basierend auf der repräsentativen Mikrozensus­Erhebung des statistischen Bundesamtes 2013.

21 Ebd.

Grad der Behinderung und Beteiligung am Erwerbsleben

Menschen mit Behinderungen, so ein bekannter Befund, sind im Erwerbsleben unterrepräsentiert:

Die Erwerbstätigenquote schwerbehinderter Men­

schen lag im Jahr 2017 mit 46,9 Prozent deutlich unter der allgemeinen Quote von 75,2 Prozent18 Zwar zeichneten sich in den letzten Jahren positive Entwicklungen ab: So sank die Arbeitslosigkeit bei schwerbehinderten Menschen, jedoch profitierte diese Gruppe nicht im selben Maße von der bis 2018 rückläufigen Arbeitslosigkeit wie die Bevölke­

rung insgesamt. Die Arbeitslosenquote schwerbe­

hinderter Menschen ist höher als insgesamt – 11,2 Prozent gegenüber 6,5 Prozent im Jahr 2018 – und eine Arbeitslosigkeit dauert statistisch gesehen länger an.19

Dabei gilt: Bereits ein leichter Grad der Behinde­

rung führt bei Menschen mit beruflichem Ab­

schluss zu einer geringeren Wahrscheinlichkeit, erwerbstätig zu sein, bei einem mittleren bezie­

hungsweise schweren Grad der Beeinträchtigung verstärkt sich dieser Effekt.20 Zu berücksichtigen ist dabei, dass nicht alle Menschen einen Erwerbs­

wunsch äußern. Selbst wenn Menschen ohne diesen Wunsch aus der Betrachtung ausgeklam­

mert werden, zeigt sich, dass beruflich qualifizierte Menschen mit Behinderungen eine geringere Erwerbswahrscheinlichkeit haben als vergleichbar qualifizierte nichtbehinderte Personen.21 Bei Hoch­

schulabsolvent_innen wirkt sich eine Behinderung im Vergleich zu Menschen mit Berufsausbildung ebenfalls, aber im geringeren Maße, negativ auf die Erwerbswahrscheinlichkeit aus.

Höhe des Abschlusses und Beteiligung am Erwerbsleben

Im Hinblick auf die Bedeutung der individuellen beruflichen Qualifikation lässt sich vereinfacht

JUNGE MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN: ANERKANNTE BERUFSAUSBILDUNG STATT SONDERWEGE 46

zusammenfassen: je höher der Abschluss, desto größer die Chancen im Erwerbsleben.22 Für Men­

schen mit Behinderungen gilt dies ebenfalls, legt eine der wenigen Untersuchungen in diesem Be­

reich nahe: Personen ohne Berufsabschluss haben demnach am ersten Arbeitsmarkt aufgrund dieser fehlenden Qualifikation geringere Erwerbschancen als Menschen mit einem Abschluss.23

Ort der Ausbildung und Beteiligung am Erwerbsleben

Darüber hinaus ist relevant, wo die Ausbildung erfolgt. Unterhalb der Schwelle einer Hochschul­

ausbildung ist vor allem eine erfolgreich ab­

geschlossene betriebliche Vollausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen für den Ver­

bleib junger Menschen mit Behinderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt förderlich. Diese in der Fachdebatte zum Übergang von Schule und Beruf prominent vertretende Einschätzung24 wird durch empirische Ergebnisse25 und Modellprojekte26 ge­

stützt. Die berufliche Qualifizierung von Menschen mit Behinderungen in anerkannten betrieblichen Ausbildungsgängen bildet somit eine wichtige Weichenstellung für den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt.

Beteiligung von Menschen mit Behinderungen am System der dualen Berufsausbildung Jugendliche mit Behinderungen haben – das zei­

gen die verfügbaren Daten und Forschungsergeb­

nisse – nur einen eingeschränkten Zugang zum all­

gemeinen System der dualen Berufsausbildung.27 Erstens erreichen Jugendliche mit Behinderungen

22 Die Erwerbslosenquote von Menschen mit dualer Ausbildung oder Berufsfachschulabschluss ist mit unter 4 Prozent deutlich niedriger als die von Menschen ohne formale Qualifikation (16 Prozent) (Bundesinstitut für Berufsbildung 2020a, S. 262, basierend auf einer Erwerbstätigenbefragung im Jahr 2019).

23 Metzler / Werner (2017), S. 29.

24 Zur Relevanz der betrieblichen Anbindung: Jochmaring (2019b), S. 345 in einer Überblicksstudie sowie Arndt (2018), S. 45.

25 Reims / Gruber (2014), S. 381; Enggruber u. a. (2014a), S. 14.

26 Zum Beispiel: Berger / Raduncheva (2018), S. 14; Heggenberger / Rüsing (2018), S. 155.

27 Es besteht ein Defizit bei der Erfassung der Zahl der Auszubildenden mit Behinderungen im dualen System. Die Berufsbildungsstatistik erfasst das Merkmal Behinderung nicht, sondern nur die Zahl der Personen, die in ausschließlich für behinderte Menschen

zugänglichen Berufen (Fachpraktiker­Berufe) ausgebildet werden (Bundesinstitut für Berufsbildung (2020a), S. 72). Zudem kann ausgewertet werden, ob für reguläre Ausbildungsverhältnisse im ersten Jahr eine spezielle Förderung erfolgte.

28 Jochmaring / Rathmann (2018), S. 7.

29 Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2016), S. 7.

30 Kinder mit Förderbedarf können an Regel­ oder Förderschulen unterrichtet werden. 2018 besuchten von den rund 556.300 Schüler_innen mit sonderpädagogischer Förderung 42,3 Prozent allgemeine Schulen, 57,7 Prozent Förder­ oder Sonderschulen (Kultusministerkonferenz (2020a), S. XV–XXIV.).

31 Statistisches Bundesamt (2020), Tabellenblätter 6.2 und 6.2­sonderpäd.

geringere Schulabschlüsse, zweitens werden sie nach Ende der Schulzeit zum großen Teil in Maßnahmen der Berufsvorbereitung vermittelt, drittens beginnen – vorsichtigen Schätzungen zu­

folge – weniger als zehn Prozent eines Jahrgangs eine betriebliche Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf.28

Bereits in Bezug auf die erreichten Schulabschlüs­

se, welche für die Unternehmen ein wichtiges Eingangskriterium für eine betriebliche Ausbildung bilden, bestehen deutliche Unterschiede zwischen Jugendlichen mit und ohne Behinderungen (Abbil­

dung 3). So zeigt sich, dass Menschen, die in frü­

hen Lebensjahren eine Beeinträchtigung erworben haben, im Durchschnitt niedrigere Schulabschlüsse erreichen als Menschen ohne Beeinträchtigun­

gen.29 Die Mehrheit der Schüler_innen mit sonder­

pädagogischer Förderung besucht Förder­ und Sonderschulen.30 Förderschulen werden zu fast drei Vierteln (72,2 Prozent) ohne Schulabschluss verlas­

sen und nur zu einem knappen Viertel (24 Prozent) mit Hauptschulzeugnis; der Anteil der Abgänger_in­

nen mit Mittlerem Schulabschluss (3,7 Prozent) und Hochschulreife (0,2 Prozent) ist verschwindend gering (siehe Abbildung 3).31

Gut 40 Prozent der Schüler_innen mit sonder­

pädagogischer Förderung lernen hingegen an allgemeinen Schulen. Ihre Verteilung auf die wei­

terführenden Schularten weicht deutlich von der der Schülerschaft insgesamt ab. Die Mehrheit der Schüler_innen mit sonderpädagogischer Förde­

rung besucht Integrierte Gesamt­ oder Hauptschu­

len, ein geringer Teil hingegen Realschulen oder

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