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1. Einleitung

1.4 Inhibition von FLT3 zur Therapie der AML

1.4.3 Übersicht der FLT3 Kinase-Inhibitoren in klinischer Entwicklung

Die zurzeit in klinischer Entwicklung befindlichen FLT3-Inhibitoren wirken in der Regel kompetitiv in der ATP-Bindungstasche. Zusätzlich befinden sich Wirkstoffe in präklinischer Entwicklung, die nicht als TKI wirken. Dazu gehören Antikörper gegen die IgG1-Domäne von FLT3150 und chimäre CAR-T-Zell Antikörper.151

Inhibitoren der ersten Generation werden im Folgenden vorgestellt. Sie wirken recht unselektiv, da sie nicht für FLT3 entwickelt wurden, zeigen aber trotzdem eine gute Inhibition, weshalb sie in klinischen Studien untersucht wurden.

Sorafenib (Bayer) ist ein Multikinase-Inhibitor, der verschiedene Rezeptor-Tyrosinkinasen wie KIT, PDGFRα/β, VEGFR2, RET und FLT3 (IC50 = 58 nM) inhibiert (Abbildung 20).152 Sorafenib führte als Monotherapie in Phase 1-Studien nur zu transienten Reduktionen der Blastenzahl. In einer Phase 3-Studie mit älteren Patienten konnte nach Behandlung mit Sorafenib im Anschluss an konventionelle Chemotherapie Remissionen beobachtet werden, die jedoch nicht zu einer längeren Gesamtüberlebenszeit führten. In Phase 2-Studien in jüngeren Patienten konnte ein verlängertes krankheitsfreies Überleben beobachtet werden, das jedoch nicht zu einem verlängerten Gesamtüberleben führte.153-154

Sunitinib (Pfizer) ist ein Indolinon-Derivat und ist unter anderem zur Behandlung des Nierenzellkarzinoms zugelassen.155 Sunitinib inhibiert die Kinasen cKIT, VEGFR2 und

PDGFRα/β stärker als FLT3.156 In einer Phase 1-Studie mit 15 Patienten mit fortgeschrittener AML konnte in sieben Patienten eine vorläufige Reduktion der peripheren Blasten beobachtet werden. Die Studie wurde jedoch eingestellt, nachdem zwei Patienten an Kardiotoxizität starben, woraufhin auch die klinische Entwicklung von Sunitinib eingestellt wurde.157-158

Abbildung 20. Struktur der Multikinase-Inhibitoren Sunitinib und Sorafenib, die in AML untersucht wurden und bei anderen Indikationen zugelassen sind.

Quizartinib (Ambit Biosciences) ist ursprünglich für die Inhibition der FLT3-Kinase entwickelt worden und zeigt eine hohe Selektivität und starke Inhibition gegenüber der FLT3-ITD-Mutation (IC50 = 1.1 nM, Abbildung 21).159 Im Jahr 2015 wurde eine Kokristallstruktur mit FLT3 veröffentlicht, die den Bindungsmodus aufklären konnte.

Der Isoxazol-Ring ist in der regulatorischen Tasche platziert, während das Harnstoff-Motiv Wasserstoffbrücken-Bindungen mit den Hauptkettenatomen der Aktivierungs-schleife eingeht. Quizartinib hat jedoch aufgrund dieses Typ II-Bindungsmodus nur eingeschränkte Wirkung gegenüber Mutationen der Kinase-Domäne, welche das Gleichgewicht zur aktiven, DFG-in α-C-Helix-in Konformation verschieben. Präklinische Studien haben eine hohe Bioverfügbarkeit gezeigt. In einer Phase 1-Studie konnte eine Dosis-limitierende Kardiotoxizität festgestellt werden. Von 18 Patienten mit einer FLT3(ITD)-Mutation konnte eine komplette Remission und vier partielle Remissionen beobachtet werden. In einer Phase 2-Studie konnte in 50% der Patienten mit refraktärer oder rezidivierter AML ein Ansprechen beobachtet werden. Aufgrund der Knochenmarksuppression konnte jedoch keine vollständige hämatologische Remission erreicht werden.160

Das Chinazolin-Derivat Tandutinib (Millenium) inhibiert die FLT3(ITD), aber nicht die TKD-Mutationen. Es inhibiert auch PDGFRβ und cKIT, ist ansonsten aber selektiv gegenüber FLT3. In einer Phase 1-Studie mit 40 Patienten mit refraktärer oder rezidivierter AML konnte jedoch bei nur drei Patienten eine Verringerung der Blastenzahl im Knochenmark festgestellt werden, da das maximale Plasmalevel der Substanz unterhalb des biologisch notwendigen lag. In einer Phase 2-Studie mit FLT3(ITD)-positiven AML Patienten konnte nur in einem Teil der Patienten ein klinisches Ansprechen beobachtet werden, weshalb die Entwicklung dieser Substanz nicht weiter verfolgt wird. Ein Grund für das Scheitern ist die im Vergleich zu Sorafenib und Quizartinib deutlich geringe Effektivität gegen FLT3(ITD) (IC50 = 220 nM).161

Abbildung 21. Struktur der selektiven Typ II-Inhibitoren Quizartinib und Tandutinib.

Staurosporin ist ein Naturstoff und ebenfalls ein potenter Inhibitor von FLT3, aber unselektiv gegenüber anderen Kinasen-Gruppen. Das seit 2017 zur Behandlung der AML zugelassene Midostaurin (IC50 < 10 nM) ist das N-Benzyl-Derivat des Staurosporins und wurde ursprünglich als VEGFR2-Inhibitor entwickelt. Es ist seit April 2017 in den USA zur Behandlung neu diagnostizierter AML mit FLT3-Mutationen zugelassen. Midostaurin inhibiert sowohl die ITD- als auch die TKD-Mutanten. In einer Phase 2-Studie mit AML-Patienten konnte über alle Patientengruppen bei der Hälfte der Patienten eine 50%ige Reduktion der Blasten im Knochenmark beobachtet werden, wobei jedoch nur ein Patient eine vollständige Remission erzielte und die

Ansprechdauer gering war. Deshalb wurde in der randomisierten RATIFY Phase-3-Studie Midostaurin nicht als Monotherapie, sondern in Kombination mit Chemotherapie in der Induktions- und Konsolidationstherapie bei FLT3(ITD) oder TKD-Mutationen evaluiert. Hierbei konnte bei mit Midostaurin behandelten Patienten eine Erhöhung des mittleren Gesamtüberlebens festgestellt werden (75 Monate mit Midostaurin, 26 Monate in der Kontrollgruppe). Die 4-Jahres Überlebensrate stieg jedoch nur von 44% in der Kontrollgruppe auf 51% in der Midostaurin-Gruppe.162 Lestaurtinib (Cephalon, IC50 = 3 nM) ist ebenfalls ein Indolocarbazol-Derivat und ist eng mit Midostaurin und Staurosporin verwandt. Es zeigt ähnliche Selektivitäten, inhibiert aber auch JAK2. In einer Phase 2a-Studie mit 12 Patienten mit FLT3-Mutationen konnte in 4 Patienten eine partielle Remission erreicht werden, wobei keine kompletten Remissionen beobachtet wurden. Aufgrund der geringen Plasmakonzentration wurde ebenfalls die Kombination mit konventioneller Chemotherapie in einer Phase 2- und einer Phase 3-Studie untersucht. Hierbei zeigte sich zu der nur mit Chemotherapie behandelten Kontrollgruppe keine erhöhte Rate an kompletten Remissionen, weshalb die Entwicklung eingestellt wurde. In einer Korrelationsanalyse konnte jedoch eine erhöhte Gesamtüberlebensrate in Patienten gezeigt werden, bei denen die FLT3-Aktivität mit mindestens 85% inhibiert wurde. Im Gegensatz zu Midostaurin wurde jedoch die Erhaltungstherapie nicht kombiniert.

Abbildung 22. Struktur der Staurosporin-Analoga Midostaurin und Lestaurtinib (Typ I-Inhibitoren der ersten Generation).

Der geringe Erfolg der FLT3-Inhibitoren der ersten Generation lässt sich sowohl auf Dosis-limitierende Nebenwirkungen und geringe Plasmakonzentrationen zurückführen.

Diese Wirkstoffe waren nicht zielgerichtet für die Inhibition der FLT3 entwickelt

worden und haben deshalb keine optimale Affinität und Selektivität gegenüber FLT3-Mutationen gezeigt. Deshalb wurde aufbauend auf den Erfahrungen dieser Inhibitoren der „ersten Generation“ neue Inhibitoren der „zweiten Generation“ entwickelt.

Gilteritinib (ASP2215, Abbildung 23) ist ein dualer FLT3-AXL-Inhibitor und ist zurzeit als Monotherapie und in Kombination mit anderen Wirkstoffen in verschiedenen Phase 3-Studien in der klinischen Entwicklung. Es wurde im November 2018 zur Behandlung FLT3-mutierter, rezidivierter oder refraktärer AML in den USA zugelassen. Dabei erfolgt die Induktionstherapie mit Gilteritinib in Kombination mit Cytarabin und Idarubicin, wobei vorläufige Studienergebnisse eine vollständige Remission in 83% der Patienten zeigten.163

Crenolanib ist ein selektiver FLT3-Inhibitor und sowohl gegen die ITD- als auch die TKD-Mutante aktiv, womit es auch bei rezidivierter AML mit zusätzlichen FLT3-Mutationen aktiv ist. Die klinische Effizienz ist deutlich höher, wenn maximal zwei Chemotherapien vor der Behandlung erfolgten.164 Die Metabolisierung erfolgt durch Cytochrom P450 und die Halbwertszeit ist mit 8 h deutlich kürzer als die anderer TKIs, weshalb der Wirkstoff drei Mal täglich appliziert werden muss.165 Mit Durchflusszytometrie konnte nachgewiesen werden, dass in Kombination mit Cytarabin und Anthracyclinen bei 80% der Patienten keine minimale Resterkrankung vorliegt.166 In einer Phase I-Studie konnten 90% der Patienten mit FLT3-Mutationen eine komplette Remission erreichen.163

Abbildung 23. Typ I-FLT3-Inhibitoren der zweiten Generation in klinischer Entwicklung.

In der Monotherapie der FLT3(ITD)-positiven AML liegt bei nicht mit TKI-vorbehandelten Patienten eine höhere mittlere Überlebensrate vor (238 Tage) als bei vorbehandelten Patienten, die am niedrigsten bei Patienten mit dualer FLT3(ITD) und TKD-Mutation war (63 Tage).167