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Überlegungen zu Geld- und finanzpolitischen Alternativen für eine bessere und nachhaltige Lösung der Probleme der Osterweiterung

Im Dokument Die Europäische Zentralbank. (Seite 108-112)

Abschließend möchte ich einige generelle Schlussfolgerungen für Alternativen zur gegen-wärtigen Politik auf diesem Gebiet ziehen:

1. Die Rolle der Geld- und der Finanzpolitik für die Lösung der Entwicklungsprobleme in den MOE-Beitrittsländern kann nicht primär aus allgemeinen wirtschaftstheoretischen Erwägungen, die für hoch entwickelte Marktwirtschaften entwickelt wurden, abgeleitet werden. Für die MOE-Beitrittsländer mit ihren meist großen Produktivitäts- und struktu-rellen Rückständen, starken Abhängigkeiten von den internationalen Finanzmärkten und schwachen eigenen nationalen Finanzmärkten, dauerhaft passiven Salden der Leistungs-bilanzen sowie dem de facto Fehlen der Voraussetzungen für eine eigene Geldpolitik, er-gibt sich ein Dilemma: einerseits müsste die Finanzpolitik die von der Geldpolitik dieser Länder nicht zu leistenden Aufgaben irgendwie mit übernehmen, ihre relative Bedeutung gegenüber der Geldpolitik müsste größer werden; andererseits fehlen ihr wichtige Voraus-setzungen, dieser höheren Verantwortung gerecht zu werden.

5 Vgl. zu dieser Problematik: Heribert Dieter, Ansätze für Reformen des internationalen Finanzsystems, a.a.O., S. 1

2. Die Koordination zwischen Geldpolitik der EZB und der nationalen Finanzpolitik, die generell zu den ungelösten und vernachlässigten Forderungen an die Wirksamkeit der EU gehört, gewinnt angesichts der in den Beitrittsländern bestehenden Probleme der Geld-und Finanzpolitik ein erhöhtes Gewicht. Ohne eine solche effektive Koordination, für die auch rechtliche und institutionelle Voraussetzungen zu schaffen sind, wird die Bewälti-gung der mit der Osterweiterung verbundenen großen Herausforderungen noch zusätzlich erschwert. Dabei muss stets beachtet werden, dass die Geldpolitik der EZB einen ganz entscheidenden indirekten Einfluss auf die Finanzpolitik der MOE-Länder ausübt. Eine

„unseriöse“ Finanzpolitik wird von der Geldpolitik der EZB hart bestraft. Zugleich gilt:

Die Möglichkeiten, durch die Geldpolitik gestaltend zu wirken, sind um so geringer je schwächer die Wirtschaftskraft eines Landes ist. Aber auch die Gefahren für eine falsche Geldpolitik sind bei wirtschaftlich schwächeren Ländern größer.

3. Die Wechselkurspolitik gewinnt als ein spezifisches Politikfeld für die Beitrittskandidaten eine erhöhte Bedeutung. Ihre Gestaltung enthält bisher noch viele offene Probleme, für die es auch keine allgemein gültigen Lösungen gibt und auch nicht geben wird. Eine gewisse Beweglichkeit der Wechselkurse ist bis zur Teilnahme an der EWU notwendig. Weder feste Kurse noch eine völlige Kursflexibilität, d.h. unkontrolliert schwankende Wechsel-kurse, sind geeignet, die komplizierten Aufgaben der Vorbereitung der Teilnahme am Eu-rosystem bei gleichzeitiger Fortsetzung der realwirtschaftlichen und sozialen Konvergenz ausreichend zu unterstützen. Dazu könnte das EWS 2 bzw. der WKM 2, mit einer wie be-reits erwähnt zulässigen Schwankungsbreite der Kurse nach oben und unten von 15 %, ei-nen allgemeiei-nen Rahmen geben. Mit einem solchen „Korridor“ haben die Länder die Möglichkeit, auf die unterschiedliche Entwicklung der Preisniveaus – unterschiedliche In-flationsraten – zu reagieren und die Kaufkraftparitäten in etwa stabil zu halten. Hierdurch gewinnen die Beitrittsländer zumindest einen gewissen geldpolitischen Spielraum, der bei fixen ebenso wie bei unkontrolliert schwankenden Währungskursen jeweils von entge-gengesetzten Seiten bedroht wäre. Dieser allgemeine Rahmen müsste aber ergänzt werden durch eine transparente Kontrolle, die auch unter bestimmten Bedingungen Abweichun-gen zulassen sollte und die vor allem eine solidarische finanzielle Unterstützung seitens der bisherigen EU zur Erhaltung der Währungsstabilität vorsehen muss. Die Einführung der Tobinsteuer könnte dazu beitragen, die Gefahren von Spekulationsattacken und hoher Volatilität zu mindern. Auch hier wird es nicht den goldenen Weg geben. Es sollte jeden-falls angestrebt werden, die Problematik der Währungsstabilität und der Wechselkurse bei

der Vorbereitung der EU-Osterweiterung so zu klären, dass nicht fast ausschließlich der nominalen Konvergenz Rechnung getragen wird, sondern Wege gefunden werden, die den Problemen in den Beitrittsländern gerecht werden und ihre Chancen für eine realwirt-schaftliche Konvergenz erhöhen. Hier besteht noch ein erheblicher Diskussionsbedarf.

Dabei gilt es auch die bisherigen Erfahrungen mit den verschiedenen Wechselkursregimes in den MOE-Ländern auszuwerten.

4. Die Risiken der EU-Osterweiterung sind um so größer, je mehr sie auf Grundlage einer neoliberalen Strategie erfolgt, einseitig den Wirkungen des Marktes überlassen bleibt und auf die notwendige ökonomische und insbesondere auch finanzielle Unterstützung sowie eine vorausschauende soziale und ökologische Regulierung verzichtet wird. Bei den Chancen verhält es sich genau umgekehrt: Sie werden im Interesse der Bevölkerungs-mehrheit, der Lohnabhängigen und auch der kleinen und mittleren Unternehmen und Selbständigen nur dann genutzt werden, wenn weit stärker als bisher eine gesellschaftli-che Gestaltung der Integrations- und Erweiterungsprozesse entspregesellschaftli-chend den Erforder-nissen einer sozial und ökologisch nachhaltigen Entwicklung angestrebt wird. Zu dieser Zielstellung müsste die Geld-, Währungs- und Finanzpolitik beitragen.

Literatur:

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Marica Frangakis

The financial implications of EMU for the Central Eastern

Im Dokument Die Europäische Zentralbank. (Seite 108-112)