• Keine Ergebnisse gefunden

A. Evaluation of healthy spinal cord by diffusion tensor imaging, fiber tracking,

IV. Übergreifende Diskussion

Bandscheibenvorfälle sind eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen beim Hund (Bray and Burbidge 1998). Die Magnetresonanztomographie ist derzeit die sensitivste bildgebende Technik zur Diagnosestellung (Sether, Yu et al. 1990). Eine Prognose für Hunde mit einem Bandscheibenvorfall auszusprechen ist ein schwieriges Unterfangen. Die Prognosestellung basiert auf der Grundlage verschiedener Befunde, wie die der neurologischen Untersuchung und hierbei vor allem dem Schweregrad der neurologischen Ausfälle und dem Vorhandensein oder der Dauer des Ausfalls des Tiefenschmerzempfinden (Olby, Levine et al. 2003). Auch die Befunde der Magnetresonanztomographie (MRT) können wichtige Hinweise für die Prognose liefern. Studien haben gezeigt, dass das Vorhandensein und die Ausdehnung von Hyperintensitäten des Rückenmarks in der T2-gewichteten Sequenz mit dem klinischen Outcome korrelieren (Laitinen and Puerto 2005; Ensinger EM 2010; Boekhoff, Flieshardt et al. 2011).

Das Diffusion Tensor Imaging (DTI) ist eine weiterentwickelte Technik des MRT und wird in der Humanmedizin zur Untersuchung der Bahnen im Gehirn und Rückenmark eingesetzt (Basser und Mattiello et al. 1994). Die DTI hat gegenüber dem MRT den Vorteil, Gewebe plastisch darstellen und Information über die Mikrostruktur und somit die Faserintegrität liefern zu können, indem es die Diffusion von Wasserprotonen und ihre Diffusionsrichtung in Geweben, wie der weißen Substanz von Gehirn und Rückenmark erfasst (Kale, Gupta et al.

2006; Chahboune, Mishra et al. 2009).

In der vorliegenden Arbeit wurde das Diffusion Tensor Imaging (DTI) auf den Hund übertragen und somit die Technik des Fiber tracking am kaninen Rückenmark etabliert. Dazu wurden Daten an 13 rückenmarksgesunden Hunden verschiedener Rassen und Altersstufen im zervikalen und thorakolumbalen Rückenmark erhoben.

Das Rückenmark und seine Faserverläufe konnte bei allen Hunden der Studie in einer dreidimensionalen Rekonstruktion plastisch dargestellt werden. Die Erhebung der Daten für die FA und den ADC wies keine Unterschiede zwischen den Hunden unterschiedlicher Rassen und Altersklassen auf. Zudem wurde kein signifikanter Unterschied zwischen den FA- und

ADC-Werten des zervikalen und thorakolumbalen Rückenmarks gefunden. Dies ist ein sehr wichtiges Resultat, da hypothetisiert wird, dass aufgrund der Variationen der Gefäßanatomie in Abhängigkeit vom Rückenmarkssegment eine unterschiedliche Dynamik im Wasserein- und –ausfluss besteht, die einen modulierenden Einfluss auf die physiologischen FA- und ADC-Werte hat (Lasjaunias, Berenstein et al. 2001). Übereinstimmend mit unserem Resultat wurden auch in einer Studie aus der Humanmedizin keine Variationen der FA- und ADC-Werte in Abhängigkeit der untersuchten Rückenmarksregion gefunden (Facon und Ozanne et al. 2005). Beim Hund gibt es lediglich eine Studie zur Untersuchung der Anwendbarkeit der DTI zur Evaluierung des Rückenmarks (Pease and Miller 2011). Als Referenz wurden die Daten von 11 Beaglen und somit einer mittelgroßen Rasse herangezogen, die lediglich in einem Bereich, dem zervikalen Rückenmark, erhoben wurden.

Da in vorliegender Studie keine signifikanten Unterschiede für Hunde unterschiedlicher Rassen, Altersklassen und verschiedener untersuchter Rückenmarksbereiche detektiert wurden, war ein Poolen der Werte zulässig. Die Mittelwerte dieser Daten und für die jeweils gemessenen drei definierten ROIs dienten als Referenzwerte für die Darstellung des physiologischen kaninen Rückenmarks. Für die FA wurde ein Wert von 0,447 () und für die ADC ein Wert von 0.560 x10-3mm2/s () ermittelt. Diese Werte für das physiologische kanine Rückenmark sind niedriger als die Werte, die für den Menschen erhoben wurden. Die Daten sind jedoch höher als die bei der Katze, wobei für diese Spezies nur Information über den FA-Wert vorliegt (Facon und Ozanne et al. 2005; Cohen-Adad, Benali et al. 2007). In einer Studie an Hunden wiesen die gesunden Beagle der Kontrollgruppe ebenfalls höhere FA- und ADC-Werte im Vergleich zu dem Resultat vorliegender Studie auf (Pease und Miller 2011). Ein direkter Vergleich dieser Werte ist jedoch schwierig. Eine unterschiedliche Feldstärke des im MRT verwendeten Magneten, sowie ein abweichendes Setzen der Regions of Interest auf dem Rückenmark können wesentlich zur Variation dieser Werte beitragen. Ein erheblicher Unterschied entsteht bei der differenzierten Evaluierung der grauen und weißen Substanz, da diese aufgrund ihrer unterschiedlichen Grade der Isotropie und Anisotropie deutlich variierende FA- und ADC-Werte bedingen (Facon und Ozanne et al. 2005). Die exakte Definition der ROIs auf dem Rückenmark ist zudem wichtig, um Artefakte des MRT zu vermeiden. Dies sind vor allem sogenannte Suszeptibilitätsartefakte (Auslöschungs- und Verzerrungsartefakte) und Kantenartefakte (partial volume artifact) im Bereich von

Geweben mit stark unterschiedlichem Signal (Facon et al. 2005), während Bewegungsartefakte beim narkotisierten Hund eine untergeordnete Rolle spielen.

Insbesondere der Effekt des Partial Volume Artefakts durch den das Rückenmark umgebenden Liquor cerebrospinalis kann zu einer fälschlichen Erniedrigung der FA-Werte führen. In der vorliegenden Studie wurde das Rückenmark gesamthaft evaluiert, es wurden daher gemittelte Werte aus grauer und weißer Substanz des Rückenmarks erhoben.

Aufgrund der Beeinflussung der Untersuchungsergebnisse durch die Technik wurde zunächst für das verwendete MRT und das verwendete Fiber tracking-Protokoll ein eigener Standard an einer physiologischen Hundepopulation etabliert, der als Referenz für Vergleichsstudien an Hunden mit Rückenmarkserkrankungen herangezogen werden kann.

Eine Limitation für den Einsatz des Fiber tracking beim Hund stellt die benötigte Zeit für das Durchführen der DTI-Messung dar, da die Tiere zur Vermeidung von Bewegungsartefakten in Allgemeinanästhesie untersucht werden müssen. Die Scanzeit muss daher so kurz wie möglich gehalten, jedoch so gewählt werden, dass ein möglichst großes FOV (field of view) erfasst wird. In vorliegender Studie konnte ein FOV von 5-10 Wirbelkörpern detektiert werden, was mit der Größe des Hundes variierte. Diese Ausdehnung war ausreichend, um bei Hunden mit BSV das Rückenmarkssegment im Epicenter des BSV, sowie die Rückenmarkssegmente kranial und kaudal und außerhalb von ggf. vorliegenden Hyperintensitäten in der T2-gewichteten MRT-Sequenz zu evaluieren. Die Scanzeiten für die DTI beliefen sich in vorliegender Studie, je nach Größe des Hundes, auf 8 bis maximal 12 Minuten. Eine andere Studie an Hunden berichtet Scanzeiten von 5 Minuten und 45 Sekunden (Pease and Miller 2011). Jedoch wurden hier deutlich weniger Diffusionsrichtungen erfasst, größere Schnittdicken mit Abständen zwischen den einzelnen Schnitten (interslice gap) gewählt und ein MRT mit geringerer Feldstärke (1.5T) verwendet.

Die für den Hund angepasste Technik des Fiber tracking wurde im zweiten Teil dieser Arbeit bei Hunden mit BSV zur Evaluierung des Rückenmarkschadens angewendet. Als Resultat zeigte sich, dass im Rückenmarkssegment kaudal des BSV signifikant niedrigere FA-Werte gemessen wurden. Dies deckte sich mit Beobachtungen einer anderen Studie, in der sechs Hunde mit unterschiedlichen Rückenmarkserkrankungen, davon drei BSV, untersucht wurden (Pease and Miller 2011). In einer Studie, bei der experimentell Läsionen am

Rückenmark von Katzen gesetzt wurden, zeigten sich erniedrigte FA-Werte in dem Segment mit der Läsion (Cohen-Adad, Benali et al. 2007). Ebenfalls erniedrigte FA-Werte zeigten sich bei Menschen mit akuten und langsam fortschreitenden Rückenmarkskompressionen, wobei die Werte zeitabhängig variierten (Facon und Ozanne et al. 2005). Eine deutlichere Erniedrigung der FA-Werte bei den Hunden, die ausgeprägtere neurologische Ausfallserscheinungen zeigten, könnte Hinweise auf eine Korrelation zwischen dem Schweregrad der Läsion und der Erniedrigung des FA-Wertes liefern. In Übereinstimmung mit dieser möglichen Korrelation zeigten euthanasierte Hunde niedrigere Werte im Vergleich zu den behandelten. Eine zeitliche Abhängigkeit der FA-Werte, wie sie in einer anderen Studie an Menschen mit Rückenmarkskompressionen beschrieben wurde (Facon und Ozanne et al. 2005), konnte durch unsere Studie nicht bestätigt werden. Facon et al beschreiben als initiale Reaktion auf eine Läsion im Rückenmark eine Erniedrigung der FA-Werte von Tag eins bis zu Tag 21, worauf ein Anstieg folgt. Bei der Einteilung in akute und chronische Erkrankungsfälle unserer Studie konnten diese Beobachtungen nicht bestätigt werden, da sich kein Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen feststellen ließ.

Allerdings befand sich im Patientengut kein Hund, der länger als 21 Tage klinische Symptome eines Bandscheibenvorfalls gezeigt hatte. Als chronisch wurden Patienten klassifiziert, die klinische Symptome seit mehr als 10 Tagen zeigten. Die fraktionale Anisotropie (FA) beschreibt die Diffusionsrichtung der Wassermoleküle in der weißen Substanz (Moseley, Cohen et al. 1990; Basser und Pierpaoli 1996; Beaulieu 2002; van de Looij, Mauconduit et al.

2011). Eine Erniedrigung der FA kann auf mechanische Zusammenhangstrennungen von Fasern und Myelinscheiden, Demyelinisierung, Verflüssigungen, Blutungen und/oder ein lokales extrazelluläres Ödem hinweisen. Durch diese pathologischen Veränderungen kommt es zu einer Behinderung der freien Wasserbewegung im Gewebe (Renoux, Facon et al. 2006;

Shanmuganathan, Gullapalli et al. 2008; Danielian, Iwata et al. 2010). Somit ermöglicht die Evaluierung der FA eine Beurteilung der Faserintegrität des Rückenmarks.

Der Wert für den ADC war bei Hunden mit BSV im Vergleich zu den Referenzwerten gesunder Hunde tendenziell erniedrigt. In einer Studie an sechs Hunden mit unterschiedlichen Rückenmarkserkrankungen, davon 3 Hunde mit BSV, wurde im Gegensatz zu unserem Resultat eine Erhöhung des ADC-Wertes in dem Rückenmarkssegment kaudal der Läsion gefunden (Pease and Miller 2011). Trotz der niedrigen Patientenzahl und

größeren Variabilität wurde generell geschlossen, dass der ADC-Wert bei Rückenmarkstraumen erhöht sei. In der vorliegenden Studie wurde eine Tendenz für einen erhöhten ADC-Wert lediglich bei Hunden mit akutem BSV, allerdings in Übereinstimmung mit zuvor genannter Studie, auch im Rückenmarkssegment kaudal des BSV detektiert. Eine Studie aus der Humanmedizin belegt, dass der ADC-Wert eine niedrige Spezifität und Sensitivität in der Diagnostik von Rückenmarkserkrankungen aufweist (Facon und Ozanne et al. 2005). Erhöhte Werte wurden lediglich bei 2 von 13 Patienten mit chronisch degenerativen Rückenmarkserkrankungen festgestellt. Da die Aussagekraft des ADC bei chronischen Rückenmarkserkrankungen höher erscheint, wurde sein Einsatz lediglich für die Evaluierung chronischer Krankheiten empfohlen. Zudem wurde bei Schlaganfallpatienten eine Abhängigkeit des ADC-Wertes von der Krankheitsdauer gefunden (Le Bihan 1995). Der ADC-Wert ist ein Maß der Diffusionsstärke der Wassermolüle in Geweben. Ein Abfall deutet daher auf das Vorliegen eines zytotoxischen Ödems mit Einfließen von Wasser in die Zelle und resultierender Zelllyse hin, während ein Anstieg des ADC-Wertes auf ein vasogenes Ödem schließen lässt (Le Bihan 1995).

FA- und ADC weisen somit auf Pathomechanismen hin, die ein integraler Bestandteil der Kaskade des sogennanten secondary injury nach Rückenmarkstrauma darstellen (Bareyre and Schwab 2003; Cohen-Adad, Benali et al. 2007; Shanmuganathan, Gullapalli et al. 2008).

Als weitere Option bietet DTI durch Traktographien und anschließendes Fiber tracking die Möglichkeit, axonale Nervenfaserbündel der weißen Substanz darzustellen. Über eine 3D rekonstruierte Visualisierung gewährt diese Technik Einblicke in die Mikro-Architektur dieser Nervenfaserbündel. Dadurch ist DTI der konventionellen MRT diesbezüglich weit überlegen, da es Informationen über die Faserintegrität des Rückenmarks gibt, die der konventionellen MRT verborgen bleiben. Eine Vielzahl an Veränderungen dieser Mikro-Architektur im Rückenmark ist bei Hunden mit BSV erkennbar. Farbabweichungen der blau-codierten Nervenfaserbündel deuten auf Verformungen/Verdrängungen in der hauptsächlich kraniokaudalen Diffusionsrichtung, parallel der axonalen Nervenfaserbündel, hin (Facon und Ozanne et al. 2005; Renoux, Facon et al. 2006). Weiterhin konnten Ausdünnungen der axonalen Bündel, Verschiebungen und Zusammenhangstrennungen/Rupturen sichtbar gemacht werden. Die Beurteilung der axonalen Nervenfaser-Architektur korrelierte mit dem

Langzeitergebnis dahingehend, dass Hunde mit Nervenfaser-Rupturen keine neurologische Verbesserung zeigten und in der Folge euthanasiert wurden.

Diffusion tensor imaging (DTI) mit Fiber tracking (FT) ist eine wertvolle MRT-Technik, die es nicht nur ermöglicht, Nervenfaserbündel der weißen Substanz des Rückenmarks darzustellen, sondern durch die Evaluierung der fraktionalen Anisotropie (FA) und des apparent diffusion coefficient (ADC) auch quantitative Parameter für die Beurteilung der Nervenfaserbündel des Rückenmarks erfassen läßt (Pease and Miller 2011).

Eine Prognose für Hunde mit BSV auszusprechen ist schwierig. MRT-Befunde, wie Vorhandensein und Ausdehnung von Hyperintensitäten in T2-gewichteten Sequenzen können als prognostische Hilfsmittel verwendet werden (Ito, Matsunaga et al. 2005;

Ensinger EM 2010; Boekhoff, Flieshardt et al. 2011).

Aus DTI gewonnene Daten wie FA und ADC können wichtige objektive Informationen zur Prognosefindung bei kaninen BSV beitragen. So konnte in der vorliegenden Studie eine Erniedrigung der FA-Werte kaudal des BSV festgestellt werden. Dies könnte Hinweise auf die Langzeitprognose geben.

Statistisch signifikante Unterschiede konnten nur für einige Vergleiche erreicht werden, ursächlich hierfür könnten die geringe Anzahl und die Heterogenität der Patienten sein, die in diese Studie eingeschlossen wurden. Weitere Studien mit Verlaufsuntersuchungen sind erforderlich, um die exakte Pathophysiologie von FA- und ADC-Veränderungen, wie sie aufgrund von BSV entstehen, zu verstehen und um deren Beurteilung für eine Langzeitprognose evaluieren zu können.