PROTECT Bio Phase II, Fallbeispiel 5 Wirkungsbeurteilung von
Hochwasserschutzwälder Fallstudie im Vogelbach SZ
• Standortkundliche Beschreibung des Einzugsgebietes
• Szenarioabhängige Schätzung des Infiltrations-‐ und Speicher-‐
vermögens der Waldböden
• Vergleich mit vorhandenen Abflussmessdaten
HAFL: Jean-‐Jacques Thormann, Mattia Soldati, Kaspar Zürcher (Teile Kapitel 2-‐7) WSL: Manfred Stähli, Alexander Badoux (Kapitel 8)
Version 3, 30.08.2014
Berner Fachhochschule
Hochschule für Agrar-‐, Forst-‐ und Lebensmittelwissenschaften, HAFL Waldwissenschaften, Gebirgswald, Naturgefahren & GIS, GNG
Einzugsgebiet Vogelbach im Alptal SZ
Inhalt
1. Einleitung, Ziele und Vorgehen ... 3
1.1 PROTECT Bio ... 3
1.2 Kernaussagen zum Einfluss des Waldes auf das Hochwassergeschehen ... 3
1.3 Einzugsgebiet ... 4
1.4 Zielsetzung ... 5
1.4.1 Erster Teilschritt: ... 5
1.4.2 Zweiter Teilschritt: ... 6
2. Standortkartierung Wald und Freiland ... 7
3. Bodenklassen ... 8
4. Gerinnenetz ... 11
5. Szenarien ... 12
6. Beitragende Fläche -‐ Standortmodell ... 14
6.1 GIS-‐technisches Vorgehen ... 14
6.2 Ergebnisse ... 15
7. Modellhafte Betrachtung des Waldeinflusses ... 16
7.1 Waldeinfluss ... 16
7.2 Verschlechterung der Speicherkapazität durch Viehtritt ... 18
8. Analyse der Abflussmessdaten ... 19
9. Plausibilitätsüberprüfung des Standortmodells ... 24
9.1 Methode 1 – maximaler Abfluss ... 25
9.2 Methode 2 – kumulierte Niederschläge ... 27
9.3 Methode 3 – rückläufige Berechnung der beitragenden Flächen ... 28
9.4 Diskussion der drei Ansätze ... 30
10 Vergleich Szenarien – einzelne Abflussmessdaten ... 31
10.1 Ergebnisse Szenario 1 ... 32
10.2 Ergebnisse Szenario 2 und 3 ... 33
10.3 Folgerungen ... 33
11 Folgerungen für PROTECT Bio ... 35
12 Schlussfolgerungen ... 36
13 Literatur ... 38
Anhang ... 39
1. Einleitung, Ziele und Vorgehen
1.1 PROTECT Bio
Das Projekt PROTECT Bio hat zum Ziel, die Wirksamkeit des Waldes bezüglich Risikoredukti-‐
on von Naturgefahrenprozessen zu quantifizieren (Perren und Wasser 2009).
In der Phase I wurde dabei gezeigt, dass die Grundlagen und Vorgehensweisen des PLANAT Projektes A3 "Wirkung von Schutzmassnahmen" (PROTECT) grundsätzlich auch zur Beurtei-‐
lung von Schutzwäldern verwendet werden können. Es wurden Vorschläge zur Grobbeurtei-‐
lung von Schutzwäldern erarbeitet und aufgezeigt, anhand welcher Leitlinien die Massnah-‐
men-‐ und die Wirkungsbeurteilung erfolgen könnte.
In der Phase II sollen nun die Vorschläge aus Phase I an konkreten Fallbeispielen geprüft, ergänzt und in eine praxistaugliche Form überführt werden (Testversionen). Beim vorliegen-‐
den fünften Fallbeispiel geht es gemäss Auftragsbeschrieb „um die Grob-‐, die Massnahmen-‐
und die Wirkungsbeurteilung des Waldes und der Waldbewirtschaftung auf das Hochwasser-‐
geschehen in kleinen bis mittleren Einzugsgebieten“.
1.2 Kernaussagen zum Einfluss des Waldes auf das Hochwassergeschehen Das BAFU hat im Jahr 2010 auf der Basis von drei Literaturstudien und anschliessenden Workshops mit zahlreichen beteiligten Fachleuten aus Verwaltung und Forschung (BAFU, GIUB, WSL, SHL) einen Konsens über den Stand des Wissens zum Einfluss des Waldes und der Waldbewirtschaftung auf das Hochwassergeschehen erarbeitet, welcher in acht Kern-‐
aussagen zusammengefasst wurde (BAFU 2011).
Die vorliegende Fallstudie kam auf der Grundlage dieser Kernaussagen zu Stande. Von zent-‐
raler Bedeutung sind insbesondere folgende Aussagen:
„Der Wald hat Einfluss auf das Hochwassergeschehen […] in kleinen und mittleren Ein-‐
zugsgebieten. [Er] wirkt vorab auf die Infiltrationsprozesse und auf das Speicherverhal-‐
ten der Böden.“ (Kernaussagen 1 und 2)
è Der Waldeinfluss wird grundsätzlich bestätigt, trotz vieler Fragen, die insbesondere in Bezug auf dessen Quantifizierung noch offen sind (vgl. Kernaussagen 4 und 6).
„Die Literaturstudie bestätigt die in NaiS vorgenommene Klassierung hinsichtlich der po-‐
tentiellen Wirkung des Waldes und der Waldbewirtschaftung auf das Infiltrationsverhal-‐
ten und das Speichervermögen.“ (Kernaussage 2)
è In NaiS, Anhang 1 (BUWAL 2005) werden die Waldstandortstypen in vier Klassen ein-‐
geteilt bezüglich ihrer potentiellen Waldwirkung auf das Hochwassergeschehen. Die-‐
se Einteilung wird gutgeheissen.
„Die zu einem Hochwasser beitragende Fläche ist ereignisabhängig. Je nach Ereignis und Einzugsgebiets-‐Charakteristik sind unterschiedliche Flächen des Einzugsgebietes für die Hochwasserbildung von Bedeutung. Das Gerinnenetz ist keine Konstante, sondern im
Hochwasserfall räumlich und zeitlich variabel. […] Der Wald kann die Ausbildung des Ge-‐
rinnenetzes beeinflussen.“ (Kernaussage 5)
è Sowohl die beitragende Fläche eines Einzugsgebietes wie auch das relevante Gerin-‐
nenetz sind abhängig vom betrachteten Ereignis.
„Weil der Beitrag des Waldes immer vom Szenario (Vorfeuchte, Intensität und Dauer des Starkregens, beitragende Fläche, u.a.) abhängt, muss die Diskussion zum Waldeinfluss szenariobasiert erfolgen. Wie bei technischen Massnahmen, gibt es auch beim Wald eine Kapazitätsgrenze. Das bedeutet nicht, dass der Wald nicht wirkt, sondern dass seine Ka-‐
pazitätsgrenze überschritten ist. Mit einem szenariobasierten Ansatz, der die Lage und die Eigenschaften (Boden und Vegetation) der beitragenden Flächen berücksichtigt, könnte der Einfluss des Waldes und der Waldbewirtschaftung unter Berücksichtigung der ge-‐
nannten Unsicherheiten, besser abgeschätzt werden.“ (Kernaussage 8)
è Bisher wurde bezüglich der Waldwirkung auf Hochwasser in der Regel einzig der Ext-‐
remfall betrachtet. Es lohnt sich jedoch, einen Ansatz zu entwickeln, der es erlaubt, die Waldwirkung unter unterschiedlichen Szenarien zu beurteilen.
1.3 Einzugsgebiet
Als Folge dieser Erkenntnisse wurde nach einem Einzugsgebiet gesucht, in welchem eine Fallstudie durchgeführt werden könnte. Dazu sollte es folgenden Ansprüchen genügen:
• überschaubare Grösse (< 5 km2)
• vorhandene Abfluss-‐ und Niederschlagsmessdaten über einen möglichst grossen Zeit-‐
raum und in ausreichender zeitlicher Auflösung
• Hoher Bewaldungsanteil
• vorhandene Waldstandortskartierung
• gute Verteilung der vorhandenen Standorte auf die vier Klassen nach NaiS
Abb. 1: Einzugsgebiet Vogelbach (Alptal, Kt. SZ). Grösse: 1.55 km2.
Es zeigte sich, dass kein Einzugsgebiet alle diese Anforderungen zu erfüllen vermochte. Nur für wenige kleine Einzugsgebiete liegen langjährige Abflussmessreihen vor, die auch die Ana-‐
lyse von kurzzeitigen Ereignissen erlauben.
Die Wahl fiel schliesslich auf das Vogelbachtobel im Alptal (Kanton Schwyz), insbesondere aufgrund der vorhandenen langjährigen Messreihen. Es gibt hier zwar auch eine bestehende Vegetationskartierung des Waldes von Walter Keller. Diese berücksichtigt jedoch den Bo-‐
denaufbau nicht, sie ist daher nicht mit den Standortstypen nach NaiS kompatibel. Zudem beschränkt sich Kellers Kartierung auf das Waldareal.
1.4 Zielsetzung
Das BAFU hat darauf beschlossen, das angestrebte Ziel – eine Grob-‐, Massnahmen-‐ und Wir-‐
kungsbeurteilung des Waldes und der Waldbewirtschaftung auf das Hochwassergeschehen in kleinen bis mittleren Einzugsgebieten – in Teilschritten anzustreben:
1.4.1 Erster Teilschritt:
In einem ersten Teilschritt (der vorliegenden Fallstudie) soll ermittelt werden, ob sich das Einzugsgebiet Vogelbach sinnvoll gliedern lässt und sich die gewählte Methodik als brauch-‐
bar erweist. Erst wenn sich zeigt, dass tatsächlich eine plausible und nachvollziehbare szena-‐
riobasierte Gliederung des Einzugsgebietes möglich ist und ein relevanter Beitrag des Waldes zum Hochwassergeschehen vermutet werden kann, soll in einem zweiten Schritt die Mass-‐
nahmen-‐ und die Wirkungsbeurteilung angegangen werden.
Die Ziele des ersten Teils sind:
1. Standortkundliche Gliederung des Waldes und des Landwirtschaftslandes im Ein-‐
zugsgebiet „Vogelbach“ im Alptal und Zuordnung der kartierten Polygone zu den Standortklassen gemäss NaiS, inkl. Standortskartierung des Waldes und der Landwirtschaftsflächen.
2. Herleitung der potentiell beitragenden Flächen für folgende Szenarien: „häufig (1 bis 30 J.)“, „mittel (30 bis 100J.)“, und „selten (100 bis 300 J.)“. für das Einzugsge-‐
biet des Vogelbaches im Alptal.
3. Grobbeurteilung des Waldeinflusses nach PROTECT Bio auf das Hochwasserge-‐
schehen aufgrund des standörtlichen Potentials. Entwicklung eines GIS-‐basierten Modells-‐
Am 4. Juli 2011 wurde die Arbeit an der Fallstudie in einem Kick-‐off-‐Meeting mit folgenden Teilnehmern gestartet: Arthur Sandri, Berchthold Wasser (beide BAFU), Jean-‐Jacques Thor-‐
mann, Kaspar Zürcher (SHL, heute HAFL) und Monika Frehner (Expertin Begleitgruppe PROTECT Bio).
Im Zeitraum August bis Oktober fanden 2011 die Kartierungen von Wald (durch Hans-‐Ulrich Frey) und Freiland (durch Berchthold Wasser) statt.
Mit Hilfe der daraus resultierenden Standortkarte, weiterer Grundlagen und zusätzlicher
Es wurden sodann drei unterschiedliche Szenarien definiert und pro Szenario die beitragen-‐
den Flächen hergeleitet. Das methodische Vorgehen wurde dabei mit Fachleuten aus der WSL (Manfred Stähli und Alexandre Badoux) sowie dem Geografischen Institut der Uni Bern GIUB (Prof. Rolf Weingartner) abgesprochen (November/Dezember 2011).
Am 13. Dezember 2011 fand am BAFU eine Zwischenpräsentation der Ergebnisse statt, mit denselben Teilnehmern wie beim Kick-‐off-‐Meeting.
Am 15. März 2012 wurden schliesslich die Ergebnisse der Begleitgruppe des Projekts PROTECT Bio präsentiert, wobei zusätzlich folgende Gäste teilgenommen haben: Stefan Lie-‐
nert und Peter Steiner (Forstdienst Kt. SZ), Olivier Overnay (BAFU, Sektion Hochwasser-‐
schutz) und Manfred Stähli (WSL).
Es wurde an dieser Sitzung beschlossen den zweiten Schritt zu starten, um die Ergebnisse mit vergleichbaren Ereignissen gemessener Daten der WSL zu vergleichen, da eine plausible und nachvollziehbare szenariobasierte Gliederung des Einzugsgebietes möglich ist und die Relevanz der Waldwirkung auf das Hochwassergeschehen vermutet wird.
Die Resultate des ersten Schrittes wurden einem Zwischenbericht (Zürcher, 2012) zusam-‐
mengefasst.
1.4.2 Zweiter Teilschritt:
Im Rahmen des zweiten Teilschrittes wurden folgende Ziele verfolgt:
1-‐ Analyse der Messreihen im Vogelbach und Herausfiltern der typischen Ereignisse entsprechend den Szenarien aus dem 1. Teil.
2-‐ Vergleich des Modellansatz aus dem 1. Teil und der Abflussmessdaten der typi-‐
schen Ereignisse.
3-‐ Vorschlag eines vereinfachten Vorgehens zur Wirkungsbeurteilung auf das Hoch-‐
wassergeschehen.
Die Analyse der Messreihen im Vogelbach erfolgte anhand der Bsc Arbeit von Ingrid Senn (ETH-‐Zürich) (Senn, 2013) in Zusammenarbeit mit Manfred Stähli und Alexander Badoux (WSL). Die Arbeit wurde im Frühsommer 2013 durchgeführt.
Parallel dazu hat Mattia Soldati die Ergebnisse des Modells aus dem ersten Teil mit verschie-‐
denen einfachen Methoden einer Plausibilitätsbeurteilung unterzogen und die Messdaten der typischen Ereignissen mit den Modelldaten aus dem 1. Teil verglichen, um wenn möglich ein einfaches Vorgehen für die Wirkungsbeurteilung nach PROTECT Bio vorzuschlagen. Darin wurde versucht verschiedene Annahmen der Landnutzung zu berücksichtigen.
Am 4. Juli 2013 wurden die Resultate am BAFU der Begleitgruppe vorgestellt und diskutiert.
Basierend auf dieser Diskussion wurde der vorliegende Schlussbericht erstellt.
2. Standortkartierung Wald und Freiland
Die standortkundliche Kartierung des Waldes wurde auf Wunsch des Forstdiensts des Kan-‐
tons Schwyz durch Hans-‐Ulrich Frey (Vättis) vorgenommen, da er auch die Kartierung der übrigen Waldflächen im Kanton durchführt. So ist im Übrigen auch gewährleistet, dass die Kartierung mit anderen Gebieten vergleichbar ist. Die Kartierungsarbeiten erfolgten im Au-‐
gust und September 2011, sie wurden in einem separaten Bericht dokumentiert (Frey 2011).
Die Kartierung des Bodens ausserhalb des Waldes erfolgte durch Berchthold Wasser (Thun) in Anlehnung an die Bodenkartierung nach der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Re-‐
ckenholz (wie sie beispielsweise im Kanton SO zur Anwendung gelangt); die Methode wurde jedoch auf die Bedürfnisse des Projekts angepasst. Dabei wird die Kartierfläche aufgrund von morphologischen und Vegetations-‐Kriterien in möglichst einheitliche Polygone aufgeteilt, in denen dann die relevanten Bodeneigenschaften mittels Pürckhauer-‐Proben erhoben wer-‐
den. Auch für die Freilandkartierung liegt eine ausführliche Dokumentation vor (Wasser 2012).
Um einen Vergleich von Wald-‐ und Freilandböden zu ermöglichen, wurde auf der Basis der im Freiland erhobenen Bodenparameter eine Zuordnung der kartierten Polygone zu Wald-‐
standortstypen vorgenommen. Dies erlaubt eine Auswertung über das ganze Einzugsgebiet nach Waldstandortstypen. Dabei war es von Vorteil, dass die Waldkartierung vorgängig zur Freilandkartierung erfolgte. So war das Spektrum der zu erwartenden Standorte schon ein-‐
mal abgesteckt. Das methodische Vorgehen ist dabei in Wasser (2012) detailliert beschrie-‐
ben.
Es wurden total 156 ha kartiert, wobei 114 ha (73%) im Wald liegen und 42 ha (27%) im Frei-‐
land. Etwa zwei Drittel des Einzugsgebiets liegen in der hochmontanen Höhenstufe des Tan-‐
nen-‐Fichtenwaldes, im unteren Teil finden wir die obermontane Stufe des Tannen-‐Buchen-‐
waldes (vgl. Anhang 1, Karte 1).
Aufgrund der Geologie (Flysch) und dem ozeanischen, niederschlagsreichen Klima finden sich insbesondere in der hochmontanen Höhenstufe vorwiegend feuchte und nasse Standor-‐
te. Es dominieren der Schachtelhalm-‐Tannen-‐ Fichtenwald (49) und der Heidelbeer-‐Tannen-‐
Fichtenwald (46a, 46s) mit einem Anteil von je rund 28% der Gesamtfläche. In der obermon-‐
tanen Stufe finden wir einen grösseren Anteil an besser durchlässigen Böden. Hier finden wir etwa zu gleichen Teilen den Waldschwingel-‐Tannen-‐Buchenwald (18, 18s), den Waldsimsen-‐
Tannen-‐Buchenwald (19, 19f) und den Hochstauden-‐Tannen-‐Buchenwald (20).
Die detaillierten Resultate finden sich in der Tabelle in Anhang Nr. 8.
3. Bodenklassen
Im Anhang 1 von NaiS (BUWAL 2005) werden die Standortstypen nach folgendem Schema beurteilt:
Abb. 2: Klassierung der Standortstypen auf Grund der Bodeneigenschaften (aus BUWAL 2005).
Dabei werden vier Klassen von Standortstypen gebildet, je nachdem, wie gross der Einfluss der Waldbewirtschaftung auf die Speicherwirkung im Hochwasserfall ist. Massgebende Kri-‐
terien sind die Gründigkeit, der Vernässungsgrad und die Durchlässigkeit eines Bodens.
Die Standorte im Vogelbach verteilen sich wie folgt auf die vier Standortsklassen:
Abb. 3: Flächenanteile der Standortsklassen nach NaiS im Einzugsgebiet Vogelbach
Es ist jedoch nicht dasselbe, ob der Beitrag eines Standortes zum Wasserrückhalt beurteilt wird, oder – wie bei den NaiS-‐Klassen – der mögliche Einfluss durch die Waldbewirtschaf-‐
tung. Dies wird durch die folgende schematische Darstellung verdeutlicht:
Abb. 4: Bandbreite der Speicherwirkung bei Starkniederschlägen (aus BUWAL 2005).
Während die grösste Speicherwirkung naheliegender Weise auf tiefgründigen, normal durch-‐
lässigen Böden (Abb. 4: Typ A) erreicht wird, ist der Einfluss der Waldbewirtschaftung (also die Differenz zwischen schlechtem und gutem Waldzustand auf derselben Fläche) auf tief-‐
gründigen, aber gehemmt durchlässigen Böden am grössten (Abb. 4: Typ C).
Um den Beitrag einzelner Standortstypen im Einzugsgebiet Vogelbach unter verschiedenen Szenarien zu beurteilen, müssen wir also etwas andere Klassen bilden, als dies bei NaiS ge-‐
schieht. Die Grundlage dafür bilden jedoch genau dieselben Kriterien: Gründigkeit, Vernäs-‐
sungsgrad und Durchlässigkeit des Bodens.
In Anlehnung an das Vorgehen nach NaiS (vgl. Abb. 2) werden daher aus den kartierten Standortseinheiten folgende Bodenklassen gebildet (nicht übereinstimmend mit den Stand-‐
ortsgruppen in Abb. 4):
Tab. 1: Bodenklassen zur Beurteilung der Speicherwirkung (unabhängig vom Waldzustand).
Die Zuteilung der NaiS-‐Standortklasse E bezieht sich auf Anhang 1 von NaiS, Abb. 8. „E3à2“
meint z.B. die Standorte auf der dritten Zeile von Abb. 8, welche der NaiS-‐Klasse 2 zugeordnet werden.
Bodenklasse Gründigkeit Durchlässigkeit Klasse Nais Zuteilung der NaiS-‐
Standortklasse E A mittel-‐ bis
tiefgründig normal 2 E1à2, E3à2
B gehemmt 1 E1à1, E2à1
C flach-‐ bis
mittelgründig normal 3 E3à3
D gehemmt 2 E2à2, E5à2
E flachgründig stark gehemmt 4 E5à3, E5à4
Bei Anwendung dieser Einteilung im Einzugsgebiet Vogelbach ergibt sich folgende Verteilung der Bodenklassen (vgl. Anhang 2):
Abb. 5: Verteilung der Bodenklassen A bis E im Einzugsgebiet Vogelbach
Dabei zeigt sich, dass mit Ausnahme der Klasse C (flach-‐ bis mittelgründig, normal durchläs-‐
sig) alle Klassen vertreten sind1. Allerdings ist im Freiland die Klasse E (flachgründig, stark gehemmt) deutlich stärker vertreten als im Wald; sie macht alleine rund zwei Drittel des Freilandbodens aus.
Die Zuordnung der wichtigsten Standorte zu den Bodenklassen ist in Tab. 2 dargestellt. Die detaillierte Zuordnung findet sich in der Tabelle im Anhang 8.
Tab. 2: Bodenklassen und wichtigste vertretene Standortstypen
1 Da die Klasse C im Gebiet nicht auftritt, wird sie in den nachfolgenden Auswertungen weggelassen.
Stefan Lienert hat in der Begleitgruppe PROTECT Bio darauf hingewiesen, dass die Standorte 18w und 46s beide in der Klasse D sind, obwohl sie vom Bodenaufbau her recht unterschied-‐
lich sind. Dies trifft zwar zu; aus Sicht des Speicherpotentials müssen sie jedoch derselben Klasse zugeordnet werden, wenn man sich auf 5 Klassen beschränken will (die beiden Stand-‐
orte werden im Übrigen auch in NaiS gleich beurteilt).
4. Gerinnenetz
In der Kernaussage 5 zur Waldwirkung (BAFU 2011, vgl. Kap. 1) wird festgehalten, dass das Gerinnenetz nicht konstant, sondern vom betrachteten Ereignisszenario abhängt. So tragen bei Extremniederschlägen auch Rinnen, Gassen und Wege, die normalerweise nicht wasser-‐
führend sind, wesentlich zu den Abflussspitzen bei.
Im Rahmen dieser Fallstudie sollte also versucht werden, mit einer differenzierten Aufnahme des Gerinnenetzes festzulegen, welche Teile des Gerinnenetzes bei einem bestimmten Er-‐
eignisszenario wasserführend wären. Auf der Basis einer Reliefdarstellung des Geländes (Hillshade, Rasterdaten 2m aus LiDAR) wurde ein erster Entwurf des Gerinnenetzes gemacht.
Dieser wurde anschliessend im Gelände punktuell verifiziert. Zum Schluss wurden zudem die Angaben aus der Standortkartierung mit einbezogen (vernässte Standortstypen und Polygo-‐
ne mit Drainagegräben).
Auf diese Weise konnten vier Gerinnekategorien gebildet werden (vgl. Anhang 4):
1. Hauptgerinne, mehr oder weniger tief eingeschnitten.
2. Nebengerinne, weniger tief eingeschnitten.
3. im Relief oft kaum erkennbare Gerinne, aber immer noch mit dauernder Wasserfüh-‐
rung (inkl. wasserführende Entwässerungsgräben).
4. Gräben und Geländemulden, nur periodisch wasserführend.
Diese Kategorienbildung befriedigt nicht ganz; sind doch die Kategorien 1 bis 3 allesamt Ge-‐
rinne mit dauernder Wasserführung, welche somit bei sämtlichen Ereignissen von Beginn an zum Hochwasserabfluss beitragen. Einzig die Gerinne der Kategorie 4 lassen also die Bildung eines nach Szenarien differenzierten Gerinnenetzes zu. Im Rahmen des zur Verfügung ste-‐
henden Zeitbudgets konnte jedoch eine feinere Unterteilung der Gerinne nicht realisiert werden. Hierzu wären vermutlich aufwändige Feldbeobachtungen während Ereignissen, welche den betrachteten Szenarien entsprechen, notwendig.
Auch die gewählten Kategorien konnten nicht flächendeckend im Feld überprüft werden. Es braucht zudem eine möglichst präzise, nachvollziehbare Definition zur Abgrenzung der ver-‐
schiedenen Kategorien. Dies konnte leider im Rahmen dieser Arbeit nicht gemacht werden.
Abb. 6 und 7: Gerinne der Kategorien 3 (Abb. 6) und 4 (Abb. 7).
5. Szenarien
Die Zielsetzung betreffend die drei zu definierenden Szenarien lautet wie folgt:
„Herleitung der potentiell beitragenden Flächen für folgende Szenarien: „häufig (1 bis 30 J.)“,
„mittel (30 bis 100J.)“, und „selten (100 bis 300 J.)“ […].“
Zur Herleitung dieser Szenarien wurden die verfügbaren Abflussdaten der Station Vogelbach herbeigezogen. Dies deshalb, weil im zweiten Teil des Projekts die Szenarien anhand der Abflussdaten verglichen werden sollen.
Die seit 1985 gemessenen Extremwerte im Vogelbach bewegen sich im Bereich von ca. 30-‐
50-‐jährlichen Ereignissen (vgl. Abb. 8).
In der Literatur finden sich folgende Richtwerte für den Vogelbach:
Tab. 3: Niederschlags-‐Extremwerte für den Vogelbach (Alptal, Kanton Schwyz).
Niederschlagsdauer Wert Jährlichkeit Quelle
1h ca. 30 mm
42 mm 50-‐70 mm
59 mm
5 10-‐15
50 40
Liechti 2008 Liechti 2008 Liechti 2008 IHW 1998
4h 108 mm 75 IHW 1998
24 h 141 mm 30 IHW 1998
Abb. 8: Abflussmaxima im Vogelbach seit 1985 (Liechti 2011). T = Wiederkehrperiode in Jahren.
Für die Festlegung der geforderten drei Szenarien waren folgende Überlegungen zentral:
• Die Szenarien sollen mit Ereignissen aus den Messdaten verglichen werden können.
• Für den Vogelbach sind kurzzeitige Gewitterniederschläge bedeutender als langan-‐
dauernde Landregen.
• Die Vorgeschichte (Sättigungsgrad der Böden) hat einen bedeutenden Einfluss auf das Abflussgeschehen.
Weil Messdaten nur für Wiederkehrperioden bis ca. 50 Jahre vorliegen, konnten die bei der Auftragsformulierung geplanten Kategorien „häufig“ (1 bis 30 J.), „mittel“ (30 bis 100J.) und
„selten“ (100 bis 300 J.) nicht eingehalten werden. Es wurden daher die folgenden Szenarien festgelegt (Tab. 4):
Tab. 4: Definition von 3 Szenarien für das Vogelbach-‐Einzugsgebiet.
Eintretens-‐
wahrscheinlichkeit Niederschlag in einer Stunde h
Vorgeschichte
Szenario 1 3-‐5 Jahre ca. 30 mm günstig (ungesättigte Böden) Szenario 2 30-‐50 Jahre ca. 60 mm günstig (ungesättigte Böden) Szenario 3 30-‐50 Jahre ca. 60 mm ungünstig (+/-‐ gesättigte Böden)
6. Beitragende Fläche -‐ Standortmodell
Für jedes der drei gewählten Szenarien wurde auf der Basis der definierten Bodenklassen eine beitragende Fläche abgeschätzt. Dabei wurde ein seitlicher Abstand zum Gerinne fest-‐
gelegt (Tab. 5), innerhalb welchem die beitragende Fläche zu liegen kommt. Je besser die Infiltrations-‐ und Speicherbedingungen einer Bodenklasse sind, desto kleiner fällt die beitra-‐
gende Fläche aus. In Szenario 1 wurde dabei berücksichtigt, dass die Gerinne der Kategorie 4 erst verzögert anspringen und sich dadurch auch die abflussbeitragende Fläche verkleinert.
In den Szenarien 2 und 3 werden alle Gerinnekategorien gleich behandelt. Es wird hier davon ausgegangen, dass zum Zeitpunkt des Spitzenabflusses auch alle Gerinne der Kategorie 4 voll zum Abfluss beitragen.
Tab. 5: Beitragende Fläche des Spitzenabflusses, abhängig von Bodenklasse, Ereignisszenario und Gerinnekategorie
Bodenklasse A B D E
1 3-‐5-‐jährliches Ereignis , günstige Vorgeschichte
Gerinne Kat. 1-‐3 10 m 20 m 25 m 30 m
Gerinne Kat. 4 1 m 5 m 15 m 20 m
2 30-‐50-‐jährliches Ereignis, günstige Vorgeschichte
alle Gerinne 15 m 30 m 35 m 40 m
3 30-‐50-‐jährliches Ereignis, ungünstige Vorgeschichte (gesättigte Böden)
alle Gerinne 30 m 50 m 60 m 70 m
Für das ganze Einzugsgebiet werden dieselben Werte verwendet und dabei die Hangneigung mitberücksichtigt. Es wird von einer unbelasteten Freilandnutzung ausgegangen. Das be-‐
deutet, dass der Einfluss unterschiedlicher Landnutzungen vorerst nicht berücksichtigt wird.
Auch eine allfällig verminderte Infiltration durch Verdichtung (wie z.B. durch Viehtritt) wird nicht berücksichtigt.
6.1 GIS-‐technisches Vorgehen
Die beitragende Fläche wird anhand der Kostenentfernungsanalyse ermittelt. Für jede Zelle wird die effektive Entfernung mit den geringsten akkumulativen Kosten zum nächstgelege-‐
nen Gerinne ermittelt, wobei die Oberflächenentfernung sowie horizontale und vertikale Kostenfaktoren berücksichtigt werden. Konkret wird für jeden Punkt des Bachlaufes eine durch den Bodenfaktor gewichtete effektive Entfernung ermittelt, welche einen maximalen gewichteten Wert von 10 aufweist.
Schritt 1: Bachläufe
Digitalisieren der im Feld aufgenommenen Bachläufe inkl. Angabe der Stärke ihrer Wasser-‐
führung. Abgleich mit dem digitalen Höhenmodell und den dortigen Bacheinschnitten.
Schritt 2: Perimeter
Abgrenzung des Perimeters mit Hilfe der Funktionen-‐Palette Hydrologie.
Schritt 3: Gewichtung Boden
Zuordnen der Standortsflächen zu den vorhandenen Bodenklassen A-‐E. Erstellen von Boden-‐
faktor-‐Raster-‐Karten pro Szenario als Kostenraster zur Gewichtung der Distanz (beitragende Entfernung vom Bach) im nachfolgenden Schritt.
Schritt 4: beitragende Flächen
Erstellen der beitragenden Flächen pro Szenario mittels Funktion Path Distance unter Einbe-‐
zug der Bachläufe, des Perimeters und des digitalen Höhenmodels (für effektive Oberflä-‐
chenentfernung) sowie des jeweiligen Kostenrasters (Gewichtung mit den Faktoren der Bo-‐
denklassen) mit maximaler gewichteter Distanz von 10.
Schritt 5: Flächen-‐Anteile
Ermittlung der Flächenanteile der beitragenden Flächen am Perimeter sowie des jeweiligen Anteils „Wald“ bzw. „Feld“ und der Standortseinheiten.
6.2 Ergebnisse
Auf diese Weise ergibt sich für das Szenario 1 eine beitragende Fläche von 51% der Gesamt-‐
fläche des Einzugsgebiets. Bei Szenario 2 tragen 72% der Einzugsgebietsfläche zum Abfluss bei, und bei Szenario 3 sind schliesslich 88% der Gesamtfläche abflussrelevant. (vgl. Karten in den Anhängen 4-‐6):
Abb. 9: Beitragende Flächen nach Szenario (Wald und Freiland).
Abb. 10: Beitragende Flächen nach Szenario (Verteilung auf die Bodenklassen).
7. Modellhafte Betrachtung des Waldeinflusses
7.1 Waldeinfluss
Bei den bisher dargestellten Resultaten wurde der Wald genau gleich wie Freiland behan-‐
delt. Es wurde also davon ausgegangen, dass das ganze Einzugsgebiet unbewaldet ist.
Für die Bewertung des Waldeinflusses in einem Modell gibt es theoretisch verschiedene Möglichkeiten, welche jeweils Vor-‐ und Nachteile aufweisen (Tab. 6). So könnte die seitliche Zuflussdistanz und damit die beitragende Fläche entsprechend variiert werden. Eine andere Möglichkeit besteht darin, auf der bestehenden beitragenden Fläche gemäss den Annahmen in Tabelle 5 einen Abflussbeiwert zwischen 0 (kein Abflussbeitrag) und 1 (vollständiger Ab-‐
flussbeitrag, d.h. kein Einfluss des Waldes) einzuführen. Dies wurde in der Folge versucht (Tab.7).
Tab. 6: Gegenüberstellung zweier möglicher Formen zur Berücksichtigung der Waldwirkung.
Vorgehen Vorteile
Variation
beitragende Fläche • auch eine Verschlechterung (z.B. durch Bodenverdichtung) kann berücksichtigt werden
• Der Einfluss der Landnutzungsänderung kann auf der Karte dar-‐
gestellt und nachvollzogen werden Einführung
Abflussbeiwert • der Einfluss der Landnutzungsänderung ist leichter zu berechnen und im Resultat besser nachvollziehbar
• in etlichen bestehenden Modellen wird mit Abflussbeiwerten gerechnet
Als Grundlage für die Festlegung des Abflussbeiwerts dienten dabei Modellrechnungen, wel-‐
che im Rahmen der Tagung der Gebirgswaldpflegegruppe im Jahr 2000 im Gurnigelgebiet durchgeführt wurden (Thormann 2000), aus dem Projekt Lothar und Wildbach (Zürcher 2003a) sowie der Artikel von Rickli und Forster (1997).
Bei Rickli und Forster liegt dabei der Abflussbeiwert, abhängig von Infiltration und Speicher-‐
kapazität des jeweiligen Bodens, zwischen 0.5 und 0.9. In Zürcher (2003b) wird von einer Spannbreite zwischen 0.25 und 0.89 ausgegangen.
Da bei einer szenariobasierten Betrachtungsweise zusätzlich berücksichtigt werden muss, dass der Einfluss des Waldes mit zunehmender Ereignisstärke abnimmt, wurde eine Abstu-‐
fung vorgenommen wie in Tab. 7 dargestellt.
Dabei wurden zwei verschiedene Varianten gerechnet: In Variante 1 wird ein geringerer, in Variante 2 dagegen ein grösserer Waldeinfluss unterstellt.
Dies ist eine theoretische Betrachtungsweise, abgestimmt auf den in der Literatur vorhan-‐
denen Werten möglicher Abflussbeiwerte im Wald. Der genaue Einfluss des Waldes kann somit nicht hergeleitet werden. Die Methode ist ein Versuch, um im Weiteren zu testen, ob ein solcher Ansatz überhaupt sinnvoll ist (vgl. Kap. 9).
Tab. 7: Zuordnung eines Abflussbeiwertes zur Berücksichtigung eines theoretischen Waldein-‐
flusses, je nach Bodenklasse und Szenario (zwei verschiedene Varianten).
Bodenklasse A B D E
Gründigkeit tief flach stark ver-‐
nässt
Durchlässigkeit normal gehemmt gehemmt
Szenario 1: gross gross mittel gering
Szenario 2: mittel mittel gering sehr gering
Szenario 3: gering gering sehr gering sehr gering
Legende: Waldeinfluss gross mittel gering sehr gering
Abfluss-‐
beiwert Variante 1 0.5 0.7 0.9 1.0
Variante 2 0.3 0.5 0.7 0.9
Wenn die Abflussbeiwerte der Variante 1 verwendet werden, so ergibt sich ein maximal möglicher Einfluss durch die Bewaldung von 23% bei Szenario 1. Dieser reduziert sich bei Szenario 2 auf 13% und bei Szenario 3 beträt der Einfluss nur noch 4%.
Im Fall der Variante 2 beträt der maximal mögliche Einfluss des Waldes dagegen 44% bei Szenario 1, bei Szenario 2 28% und bei Szenario 3 immer noch 19%.
Abb. 11 bis 14: Abflussbeitrag und Einfluss des Waldes für zwei verschiedene Varianten von Abflussbeiwerten. Für die aktuelle Nutzung gilt ein Waldanteil von 73% der Gesamtfläche.
Es ist offensichtlich, dass die Wahl des Abflusskoeffizienten einen entscheidenden Einfluss auf das Resultat hat. Die beiden gewählten Varianten verdeutlichen dies. In beiden Varian-‐
ten zeigt sich jedoch, dass der theoretische Waldeinfluss je nach Szenario durchaus bedeu-‐
tend sein kann, wenn die angenommenen Werte realistisch sind. In Anbetracht der Tatsa-‐
che, dass die gewählten Szenarien keine Extremszenarien sind, wird aber auch klar, dass dem Waldeinfluss in diesem Fall bei entsprechend grossen Ereignissen klare Grenzen gesetzt sind.
7.2 Verschlechterung der Speicherkapazität durch Viehtritt
Die Kernaussage Nr. 7 (BAFU 2011) weist darauf hin, dass nicht nur eine Verbesserung, son-‐
dern auch Verschlechterungen der Speicherkapazität eines Einzugsgebietes möglich sind – welche zudem oftmals sehr viel rascher eintreten als allfällige Verbesserungen.
„Im Sinne der Vorsorge sollen negative Entwicklungen in Wildbacheinzugsgebieten verhindert werden. Die Entstehung verdichteter Böden und potentieller Gerinne z.B. durch Bodenver-‐
dichtungen und Fahrspuren. Das Infiltrations-‐ und Speichervermögen soll erhalten und wo möglich durch gezielte Waldpflege verbessert werden. Die Vorsorge hat besondere Bedeu-‐
tung, weil die Resilienz des Systems gegenüber grossflächigen Störungen schlecht ist. […]“
Die landwirtschaftlich genutzten Flächen im Vogelbach-‐Einzugsgebiet sind, wenn es sich nicht um Streuwiesen oder Moorflächen handelt, weitgehend beweidet (vgl. Karte Anhang 7). Die beweideten Flächen weisen dabei mehrheitlich eine starke Verdichtung des Oberbo-‐
dens durch Viehtritt auf. Der Viehtritt bewirkt eine massive Reduktion der Infiltrationskapa-‐
zität und Durchlässigkeit (und dadurch auch der Speicherkapazität) der entsprechenden Bö-‐
den. Diesem Effekt kann durch eine Rückstufung der kartierten Bodenklassen wie folgt Rechnung getragen werden (Tab. 8; vgl. Wasser 2012):
Tab. 8: Einfluss von Viehtritt auf die Bodeneigenschaften und entsprechende Klassenzuordnung.
Standortstypen Bodenklasse
ohne Viehtritt bei mässigem Vieh-‐
tritt bei starkem Viehtritt
18, 19, 46M, 50 A B D
18s, 19f, 46 B B D
46*, 50w D D E
Da die Weideflächen im Vogelbachgebiet nur etwa 10% der Gesamtfläche ausmachen und diese zusätzlich im peripheren, gerinnefernen Bereich liegen, ist der Einfluss der Beweidung im aktuellen Fall sicher nicht besonders gross.
Wenn nun aber angenommen wird, dass das ganze Einzugsgebiet landwirtschaftlich genutzt würde, so könnte theoretisch eine intensive Beweidung bei Szenario 1 zu einer Erhöhung des Abflusses um rund 30% führen. Bei Szenario 2 betrüge die Erhöhung noch rund 15% und bei Szenario 3 noch etwa 5%.
Diese Überlegungen zeigen auf, dass ein beträchtliches Verschlechterungspotential besteht, welches in einer ähnlichen Grössenordnung liegt, wie das für eine vollständige Bewaldung aufgezeigte Verbesserungspotential.
Ob diese theoretischen Annahmen realitätsnahe sind oder nicht, kann in dieser Studie nicht weiter dargestellt werden.
8. Analyse der Abflussmessdaten
(von Manfred Stähli und Alexander Badoux, WSL; ergänzt)
Bereits in den 1990er-‐Jahren wurden Abflussmessdaten aus dem Alptal (inkl. Vogelbach) ausgewertet, um für grosse Niederschlagsereignisse den Zusammenhang zwischen Abfluss-‐
koeffizient, Niederschlagsmenge und Bewaldung aufzuzeigen (Burch et al., 1996). Jetzt im Rahmen des Projekts PROTECT Bio schien es uns sinnvoll, eine erneute Analyse der Abfluss-‐
messdaten durzuführen, in der zusätzlich die Daten von 1996 bis 2012 berücksichtigt wer-‐
den.
Für das Einzugsgebiet des Vogelbachs (Waldflächenanteil 73%) -‐ sowie zum Vergleich für das benachbarte Einzugsgebiet des Lümpenenbachs (Waldflächenanteil 20%) -‐ wurden fünfzig Hochwasserereignisse der letzten 25 Jahre ausgewählt, darunter diejenigen mit dem jeweils
höchsten Jahresabfluss. Dies wurde im Bewusstsein gemacht, dass die Standortszusammen-‐
setzungen der Einzugsgebiete unterschiedlich sind, um eine generelle Tendenz festzustellen.
Im Lümpenenbach gibt es keine Standortskartierung.
Für jedes Ereignis wurde der Abflusskoeffizient als Verhältnis von Direktabfluss zu Gebiets-‐
niederschlag berechnet. Ereignisbeginn und -‐ende wurden nach einheitlichen Kriterien defi-‐
niert, und der entsprechende Direktabfluss wurde mittels Ganglinienseparation berechnet (Senn, 2013).
Abb. 15: Niederschlagssummen versus Jährlichkeit der Abfluss-‐Spitze aller untersuchten Hochwasserereignisse, beider Einzugsgebiete Vogel-‐ und Lümpenenbach; Ereignisse mit einer Abflussspitze geringer als einem 1-‐jährlichen HW sind nicht dargestellt.
Für jedes Ereignis wurde auch noch die Vorfeuchte anhand von Grundwassermessungen im Einzugsgebiet bestimmt und in drei Kategorien „feucht“, „mittel“ und „trocken“ eingeord-‐
net. Für die Niederschlagsberechnungen verwendeten wir die Daten einer Niederschlags-‐
Wippe mit 10-‐minütiger Auflösung, welche ebenfalls direkt im Einzugsgebiet Vogelbach auf-‐
gestellt ist.
Für unsere Auswertungen war es wichtig, zwischen zwei Arten von Hochwasserereignissen zu unterscheiden:
1. Kurzandauernde Gewitter (typischerweise mit lokalem Auftreten) mit hoher Nieder-‐
schlagsintensität, aber eher geringer Gesamt-‐Niederschlagsmenge.
2. Landregen (typischerweise mit grosser Ausbreitung), welche zwar nur mässige Nieder-‐
schlagsintensitäten aufweisen, insgesamt aber eine grosse Abflussmenge beinhalten.
Wenn wir als Zielgrösse den Abflusskoeffizienten anschauen, interessieren uns primär die Landregen, welche im Vogelbach -‐ aber auch im benachbarten Lümpenenbach -‐ signifikant grösser sind als die kurzen Gewitter (siehe Abb. 16). Für das Projekt PROTECT Bio, in wel-‐
chem es um die Schutzwirkung von Wald bezüglich Hochwasser geht, ist die Abflussspitze jedoch als Zielgrösse mindestens ebenso relevant. In diesem Zusammenhang muss sich un-‐
ser Augenmerk auch auf die kurzen, intensiven Gewitter richten, welche zu Abflussspitzen mit ähnlich hoher Jährlichkeit führen wie Landregen (Abb. 15). Aufgrund einer umfassenden Literatur-‐Studie des BAFU (BAFU 2011), erwarten wir eine positive Waldwirkung (durch er-‐
höhte Permeabilität dank verbesserter Durchwurzelung) primär bei kurzen, intensiven Ge-‐
witter-‐Regen, und eher weniger bei langandauernden Landregen. Somit steht in dieser Ana-‐
lyse die Abflussspitze im Vordergrund.
Abb. 16: Boxplot für die berechneten Abflusskoeffizienten im Vogelbach und dem benachbar-‐
ten Lümpenenbach, aufgeteilt in Gewitter und Landregen.
Trotzdem wird hier – gleich wie in der Studie von Burch et al. (1996) – zuerst mal der Ab-‐
flusskoeffizient als Funktion der Niederschlags-‐Ereignissumme dargestellt (Abb. 17). Die Kor-‐
relation zwischen den beiden Grössen ist zwar schwach (R2 ≈ 0.2), dennoch kann tendenziell eine Zunahme des Abflusskoeffizienten mit der Niederschlagsmenge festgestellt werden.
Dass diese Beziehung zwischen Abflusskoeffizient und Gesamtniederschlag im stark bewal-‐
deten Vogelbach (Waldanteil ca. 73%) praktisch identisch ist wie im nur leicht bewaldeten Lümpenenbach (Waldanteil ca. 20%) führt zur Schlussfolgerung, dass wir hier in Bezug auf den Abflusskoeffizienten bei Hochwasserereignissen keinen Unterschied feststellen können, der auf eine Waldwirkung hinweisen würde. Der gesamte Direktabfluss über ein Ereignis (d.h. die schnell abfliessenden Abflusskomponenten) wird im Vogelbach gegenüber dem Lümpenenbach nicht stärker gedämpft. Gleichzeitig muss aber auch darauf hingewiesen werden, dass sich die beiden Einzugsgebiete nicht nur bezüglich Bewaldung unterscheiden, sondern auch bezüglich der Standorte (mündl. Mitteilung S. Lienert) und darum vermutlich unterschiedliche hydrogeologische Eigenschaften aufweisen. Dies könnte ein Grund sein, dass keine Unterscheide bezüglich des Waldeinfluss festgestellt werden kann.
Abb. 17: Abflusskoeffizient für die 50 ausgewählten Hochwasserereignisse im Verhältnis zur jeweiligen Niederschlags-‐Ereignissumme.
Ein gewisser Unterschied zeigt sich zwischen Ereignissen mit trockenen, resp. nassen Vorbe-‐
dingungen. Abbildung 18 zeigt für den Vogelbach, dass die Hochwasserereignisse mit an-‐
fänglich hoher Vorfeuchte zu höheren Abflusskoeffizienten führen als solche mit anfänglich geringer Vorfeuchte. Das gilt sowohl für die „kleinen“ als auch für die „ganz grossen“ Hoch-‐
wasserereignisse. Für die Ereignisse mit mittlerer Vorfeuchte (grüne Punkte) gilt dies aber nicht mehr. Die Vermutung, dass die Bedeutung der Vorfeuchte für den Abflusskoeffizienten von Hochwasserereignissen in diesem Einzugsgebiet grösser ist als die der Bewaldung, kann darum gesamthaft auch nicht bestätigt werden.
Abb. 18: Einfluss der Vorfeuchte auf den Abflusskoeffizienten im Vogelbach-‐ Einzugsgebiet.
Unsere Analysen zeigen auch, dass die Vorfeuchte im Einzugsgebiet tendenziell nicht nur den Abflusskoeffizienten des gesamten Ereignisses beeinflusst, sondern auch die jeweilige Ab-‐
flussspitze (Abb. 19). Die Jährlichkeit der Abflussspitze nimmt im Verhältnis zur Nieder-‐
schlagssumme tendenziell bei nassen Vorbedingungen stärker zu als bei trockenen Vorbe-‐
dingungen. Der Zusammenhang ist allerdings stark von einem Ereignis mit trockenen Vorbe-‐
dingungen abhängig (blauer Punkt bei hoher Jährlichkeit und hoher Niederschlagssumme in Abb. 19). Beim Einbezug der mittleren Verhältnisse der Vorfeuchte in den Vergleich wird dieser Zusammenhang vermutlich weniger deutlich. Da dabei nur Ereignisse mit einer Wie-‐
derkehrdauer der Abflussspitze > 1 Jahr berücksichtigt wurden, basiert dieses Ergebnis zu-‐
sätzlich nur auf relativ wenigen Ereignissen und ist dementsprechend aus den verschiedenen beschriebenen Gründen mit grösster Vorsicht zu interpretieren.
Abb. 19: Einfluss der Vorfeuchte auf die Jährlichkeit der Abfluss-‐Spitze im Vogelbach-‐
Einzugsgebiet (für Ereignisse mit einer Wiederkehrperiode > 1 Jahr).
Angesichts der eingangs erwähnten Bedeutung der Abflussspitze im Kontext von PROTECT-‐
Bio wurden abschliessend die Vogelbach-‐Hochwasserereignisse bezüglich des (stündlichen) Maximal-‐Abflusses analysiert (Abb. 20). Es wurde erwartet, dass sich ein allfälliger Waldein-‐
fluss mit einer Abnahme der Abflussspitze mit abnehmender Niederschlagssumme manifes-‐
tieren würde. Aus der grossen Streuung der Punkte lässt sich kein signifikanter Zusammen-‐
hang zwischen Niederschlagssumme (bis zur Abflussspitze) und maximalem stündlichem Abfluss erkennen. Die Abbildung zeigt viel mehr, dass die gemessene Abflussspitze praktisch unabhängig von der bis zu diesem Zeitpunkt aufsummierten Niederschlagsmenge ist. Auch wenn wir nur die Gewitterereignisse anschauen, bei welchen ein allfälliger Waldeinfluss noch am ehesten zu erwarten wäre, bleibt die Streuung sehr gross. Die Vorfeuchte wurde hier nicht berücksichtigt.
Abb. 20: Zusammenhang zwischen der Niederschlagssumme (von Ereignisanfang bis zur Ab-‐
flussspitze) und der Abflussspitze (max. stündlicher Wert des Ereignisses) für Hochwasserer-‐
eignisse im Vogelbach.
Somit bleibt als Fazit der Datenanalyse, dass die fünfzig untersuchten Hochwasserereignisse der letzten 25 Jahre im Vogelbach keine klaren Hinweise für eine Reduktion der Abflussspit-‐
ze oder des Abflusskoeffizienten liefern, welche der Waldwirkung zugeschrieben werden könnten. Der Einfluss der Vorfeuchte kann aber auch nicht abschliessend bestätigt werden.
Es muss darum angenommen werden, dass andere Faktoren eine tragende Rolle spielen, die die Rolle des Waldes oder der Vorfeuchte entweder wieder aufheben oder im gesamten Ein-‐
zugsgebiet überprägen.
9. Plausibilitätsüberprüfung des Standortmodells
In einem nächsten Schritt wurde versucht, die Ergebnisse aus dem Standortmodell mit drei verschiedenen rechnerischen Ansätzen einer Plausibilitätsüberprüfung zu unterziehen. Dafür wurden 4 Ereignisse der Abflussmessdaten, zwei kurze, intensive und zwei lange, andauern-‐
de und wenig intensive Ereignisse, verwendet. Mit Niederschlägen von 52 mm/h bzw. 67 mm/h und deren entsprechenden Abflussspitzen, stimmen die zwei kurzen und intensiven Ereignisse mit dem Szenario 1 in Kap. 5 überein (Abb. 21).
Abb. 21: Je zwei untersuchte Ereignisse (E1 und E2)
9.1 Methode 1 – maximaler Abfluss
Für die Berechnung der zum Abfluss beitragenden Fläche (A), wird für jedes Ereignis der höchste registrierte Spitzenabflussänderung (ΔQspitz) und deren entsprechende Nieder-‐
schlagsintensität (Pmax) verwendet (1).
A=ΔQspitz/Pmax*ψ (1)
Diese Formel nimmt ein einziger durchschnittlicher Abflusskoeffizient (ψ) für das gesamte Einzugsgebiet an.
Die Niederschläge sind zudem homogen über das gesamte Einzugsgebiet verteilt, was selten der Fall ist. Ausserdem wird angenommen, dass eine lineare Beziehung zwischen Nieder-‐
schlag und Abfluss besteht.
Im Standortmodell (Tab. 7), ist die Wahl der Abflusskoeffizienten unter groben Annahmen und Literaturwerten erfolgt. Für die Berechnung der beitragenden Fläche wurden für Varian-‐
te 1 und 2 die gleichen Abflussbeiwerte verwendet. Um bessere Aussagen machen zu kön-‐
nen wurde nachträglich noch eine dritte Variante (3) eingeführt. Damit ein Vergleich mit der im Standortmodell berechneten beitragenden Fläche überhaupt möglich ist, wurden die Ab-‐
flussbeiwerte je nach Bodenklasseanteile gewichtet (Tab. 9).
Dazu wurde für jede Variante ein weiterer Abflusskoeffizient angenommen, der nicht nach Bodenklasse gewichtet ist, sondern als Durchschnitt für das gesamte Einzugsgebiet geschätzt wurde (Tab. 10).
Tab. 9: Abflusskoeffizienten Variante 3, je nach Szenario und Bodenklasse.
Bodenklasse
% von gesamter
Fläche ψ (Szenario 1) ψ (Szenario 2) ψ (Szenario 3)
A 0.18 0.1 0.3 0.5
B 0.31 0.1 0.3 0.5
D 0.17 0.3 0.5 0.7
E 0.34 0.5 0.7 0.7
ψ gewichtet 0.27 0.47 0.602
Tab. 10: Überblick über die verwendete Abflusskoeffizienten, die dem Szenario 1 entsprechen (über das ganze Einzugsgebiet angenommen, oder nach Bodenklassen gewichtet)
Variante 3 Variante 2 Variante 1
ψ Annahme ψ gewichtet ψ gewichtet ψ Annahme ψ gewichtet ψ Annahme
0.2 0.27 0.47 0.5 0.67 0.7
Ergebnisse:
Abbildung 22a stellt die zum Abfluss maximale beitragende Fläche für die zwei kurzen und intensiven Ereignisse dar. Diese Ergebnisse weisen sehr ähnliche Werte (Abfluss, Nieder-‐
schlag und Eintretenswahrscheinlichkeit) wie Szenario 1 in Kapitel 5 auf. Für beide Ereignisse der Variante 3, die mit den tieferen Abflussbeiwerten gekennzeichnet ist, wird die grösste beitragende Fläche festgestellt.
Abb. 22: Ergebnisse der beitragenden Fläche für zwei kurze und intensive Ereignisse (a) und zwei lange und wenig intensive Ereignisse (b)
Die durchgeführten Berechnungen zeigen bei (a) ganz deutlich, dass die Werte der Varianten 1 und 2 sehr unterschiedlich (zwischen 4 bis 8 Fach kleiner) als die Werte nach dem
Standortmodell (beitragende Fläche gemäss Zürcher) sind. Auch die Variante 3, die viel tiefe-‐
re Abflusskoeffizienten annimmt, liefert eine kleinere beitragende Fläche.
Zwei Gründe für diese Widersprüche könnten sein:
• Die in Tab. 7 angenommenen und den Bodenklassen zugewiesene Abflussbeiwerte sind allgemein zu hoch. Rickli und Forster (1997) schlagen für das gesamte Einzugs-‐
A=ΔQspitz/Pmax* ψ
gebiet Vogelbach ein durchschnittlicher Abflussbeiwert von 0.26 vor. Dieser Wert entspricht dem gewichteten Abflusskoeffizienten von Variante 3. Im Vergleich zu den von Rickli und Forster (1997) festgelegten Abflusskoeffizienten sind die angenomme-‐
nen Werte allgemein höher.
• In Tab. 5 werden unterschiedliche zum Abfluss beitragende Fläche/Abstände, je nach Gerinnekategorie, Bodenklasse und Szenario angenommen. Diese Abstände sind sehr wahrscheinlich zu hoch. Um einen Vergleich mit der in Abb. 22a berechneten Fläche machen zu können, müssen diese Abstände praktisch halbiert werden.
In der Abbildung 22b wird der Vergleich zwischen den Messdaten für die zwei langen und wenig intensive Ereignissen und die beitragende Fläche gemacht. Beide Ereignisse sind nicht für das Szenario 1 repräsentativ, da sie tiefere Niederschläge und Abflüsse aufweisen. Diese Ereignisse treten sehr viel häufiger als in 3 bis 5 Jahren auf.
Es ist auffällig, dass in den Varianten 2 und 3 vom Ereignis 1 mehr als die gesamte Einzugs-‐
gebietsfläche zum Abfluss beiträgt. Der Einfluss der Schneeschmelze, was zu einer Zunahme des Ablusses und somit auf die beitragende Fläche hinweisen könnte, kommt nicht in Frage, weil das Ereignis 1 im August stattgefunden hat.
Die obigen Überlegungen zeigen, dass mit der einfachen Methode 1 keine allgemeinen Zu-‐
sammenhänge erklärt werden können.
9.2 Methode 2 – kumulierte Niederschläge
In einem zweiten Schritt wurde die gesamte beitragende Fläche (A) nicht mehr mit dem ma-‐
ximalen Niederschlag (Pmax) und dem Spitzenabfluss (ΔQspitz), sondern mit den kumulier-‐
ten Niederschlägen (∑ P(t)) berechnet. Alle nach dem Beginn des Niederschlags registrierten Abflussänderungen (∑(ΔQ)) sind in diese Berechnung eingeflossen (2):
A= ∑(ΔQ)/ ∑ P(t) * ψ (2)
Ein Vergleich mit der Fläche aus der Methode (1) sollte dazu dienen, die Plausibilität des an-‐
genommenen Abflusskoeffizienten zu überprüfen.
Ergebnisse:
Die zwei Ereignisse (kurz und intensiv) müssen getrennt betrachtet werden (Abb. 23a). Die Resultate für das Ereignis 1, zeigen einen ähnlichen Trend wie die Berechnungen mit maxi-‐
malem Abfluss und Niederschlag. Die Variante 3 liefert ein ähnliches Resultat wie das Stand-‐
ortsmodell. Ganz anders sieht es für das Ereignis 2 aus. Die Variante 1 und 2 sind in diesem Fall sehr ähnlich wie das Modell, Variante 3 überhaupt nicht. Da keinen Zusammenhang mit den Ergebnissen der ersten Methode bestehen, müssen die Feststellungen mit Vorsicht be-‐
trachtet werden.
Bei den langen und wenig intensiven Ereignissen, ist die beitragende Fläche wiederum grös-‐
ser als das gesamte Einzugsgebiet (Abb. 23b), was nicht möglich ist. Der Grund dafür könn-‐
ten zu hohe Abflüsse verbunden mit niedrigeren Niederschlagsmengen sein.