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(1)

Religionsphilosophie.

Von

Gustav Teichmüller,

ordentl. Professor der P h i l o s o p h i e an der U n i v e r s i t ä t Dorpat.

B r e s l a u .

V e r l a g v o n W i l h e l m K o e b n e r .

1 8 8 6 .

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Meiner Tochter Anna

( 1 29. April 11. Mai

I

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V o r r e d e .

D i e empirischen F o r s c h e r hatten mehrere J a h r ­

zehnte hindurch so viel mit neuen E n t d e c k u n g e n ^ " J ^ ™ " " "

zu t h u n , d a s s sie erst bei dem Versuch, den er- n o u e"

' Metaphysik.

worbenen Keichthum zusammenzurechnen und in Be­

griffen auszudrücken, die Philosophie bemerkten, in deren Gebiet sie plötzlich gerathen waren. D a Philosophie j a nur der gebildete,*, sich selbst und seine T h ä t i g k e i t e n e r k e n n e n d e Geist ist, so ver­

steht es sich ohne Weiteres, w e s h a l b in allen Erfahrungswissen­

schaften die geistvolleren F o r s c h e r zu philosophiren b e g a n n e n und den Huf nach der Philosophie laut w e r d e n Hessen; denn ohne.Geist Hessen sich j a die D i n g e nicht d e u t e n und begreifen.

Sehr b e a c h t e n s w e r t h ist aber zugleich d a s P h ä n o m e n , d a s s die empirischen F o r s c h e r fast überall auf eigene F a u s t zu philo­

sophiren versuchten, in derselben W e i s e , wie m a n nach dem Ableben der mittelalterlichen Scholastik „juxta propria prineipia"

s o g a r auf den Titel der Bücltcr setzte. D e r Grund dieser Er­

scheinung ist z w a r ctarin zu erkennen, d a s s die bisherige Philosophie eben nicht im S t a n d e war, die erforderlichen Begriffe zu liefern;

d a m a n aber den Grund vielleicht auch auf die Naivität und die Ignoranz der E m p i r i k e r in philosophischen Dingen schieben k ö n n t e , so ist es gut, zur Confiraiation für dieses erste Zeichen des Ablebens der früheren Philosophie noch ein zweites, sichereres anzuführen. E s zeigte sich nämlich auch bei früheren Vertretern

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I I

der Philosophie selbst eine Verzweiflung an der metaphysischen Erkenntniss, und sie gingen deshalb bettelnd zu den Erfahrungs­

wissenschaften, um sich empirische Methoden und etliche induc- tive Allgemeinheiten als Principien zu holen, n a n n t e n sich offen Positivisten, beschränkten sich auf blosse Kritik des E r k e n n t n i s s ­ vermögens und suchten eine Thatsachenphilosophie einzuführen, d. h. sie erklärten den B a n q u e r o t t der Philosophie.

W i e nun Aristophanes d a r ü b e r spottete, d a s s die heroischen Könige bei E u r i p i d e s im Oostüme und in der Sinnesart der Armuth und des E l e n d s auftraten, so könnten auch wir nur mit Humor die königliche Wissenschaft in dieser tragischen Ernie­

d r i g u n g betrachten, w e n n nicht ein U m s t a n d dabei unser wissen­

schaftliches Interesse reizte. E s geht nämlich diese g a n z e Hin­

w e n d u n g zu der E m p i r i e u n d zu den sogenannten T h a t s a c h e n von der Unbefriedigtheit an dem Idealismus aus. Man verlangt instinetiv nach R e a l i t ä t und nach einem V e r k e h r mit w i r k ­ l i c h e n W e s e n . Dieses Bedürfniss ist d a s W a h r e und Aner- k e n n e n s w e r t h e an der sonst so schwachen und e n t a r t e t e n Richtung, die ihr Ziel und die W e g e , es zu erreichen, so w e n i g erkennt, d a s s sie d a Hülfe sucht, wo ihr, wie in der Naturwissenschaft, nur E r s c h e i n u n g e n , also nur Ideelles geboten w e r d e n k a n n . Man sieht d a h e r , d a s s auch Diejenigen, welche den Realismus offen auf ihre F a h n e schreiben, gezwungen sind, zum Idealismus zurückzukehren, w e n n sie z . B . den vollen b e g r i f f der Erschei- nujigen für d a s Reale halten. D a r u m müssen sie auch R a u m und Z e i t , welche eine Mitgift der Anschauungsbilder sind, in ihre reale W e l t aufnehmen und auch folglich d a s N i c h t s für ein unentbehrliches I n g r e d i e n s der Realität halten. Kurz alle die F e h l e r u n d Verlegenheiten des I d e a l i s m u s folgen nothwendig ihren F e r s e n , wie der Geruch, der die V e r w e s u n g anzeigt.

Aus allen diesen Zeichen ist es unverkennbar, d a s s ein Be- dür^ias„..naßI)L .einer, neuen ....Philosophie überall verbreitet ist und d a s s auch in g e w i s s e r Weise die Art dieser neuen Metaphysik

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ni

sich bestimmen l ä s s t , w e n n sie dem Bedürfniss genügen soll.

Sie muss nämlich d a s S e i n nicht, wie der I d e a l i s m u s , bloss in der Kegion der E r k e n n t n i s s suchen und muss unseren V e r k e h r mit w i r k l i c h e n W e s e n ausser u n s , die von allen Begriffen u n a b h ä n g i g sind, zu b e g r ü n d e n wissen.

D a dieses Ziel nur zu erreichen ist, wenn m a n

D i e n e u e

eine neue Erkenntnissquelle für d a s Sein und d a s Erkenntniss-

*b* q u e l l e .

W e s e n der Dinge findet, so scheint guter R a t h t h e u e r ;

denn wie sollten in der l a n g e n Zeit philosophischer Arbeit nicht schon alle dem Menschen ü b e r h a u p t zugänglichen Quellen d e r E r k e n n t n i s s gefunden u n d benützt sein! U n d m a n darf doch im Gebiete der Wissenschaft nicht vom Pferde auf den E s e l steigen, um, wie einige s c h w a c h e Reiter t h a t e n , auf dem spiri­

tistischen Grauschimmel „ v e r k e h r t statt des Zügels den S c h w a n z in der H a n d " in d a s L a n d der Narrheit zu reiten.

W e n n also die Erkenntnissquellen der Wissenschaft wohl als b e k a n n t anzunehmen sind, so k ö n n t e eine neue Quelle nicht a n d e r s als durch A n a l y s i s , d. h. d u r c h Z e r l e g u n g e i n e r a l t e n gefunden werden. W i e a b e r die Chemie erst von d e r Stelle gekommen ist, seitdem sie die b e k a n n t e n K ö r p e r in bisher

^ u n b e k a n n t e zerlegte, so hoffe ich, d a s s auch der Metaphysik Schwungfedern w a c h s e n , w e n n sie aufhört, mit der bisherigen Philosophie d a s B e w u s s t s e i n für einen A k t d e r E r k e n n t n i s s ­ f u n c t i o n zu halten. D i e s e Z e r l e g u n g h a b e ich in meiner „Neuen Grundlegung der M e t a p h y s i k " zu vollziehen gesucht und be­

sonders auf die Schwierigkeit aufmerksam g e m a c h t , die von Seiten der S p r a c h e entgegensteht, d a die naive Verwechselung von Bewusstsein und Wissen eben so alt wie die S p r a c h e ist.

A l l e unsere T h ä t i g k e i t e n aber, a l l e Gefühle und a l l e Erkennt­

nisse u n d Wissenschaften können uns ebensowohl bewusst wie u n b e w u s s t zukommen u n d a n g e h ö r e n , wie z. B. der Virtuose in j e d e r K u n s t alle seine B e w e g u n g e n unbewusst a u s ü b t , wie

ein Schmerz im Schlaf bestehen und uns erst beim E r w a c h e n /

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rv

bewusst werden kann, wie alles, w a s wir wissen, als sogenanntes Gedächtniss unbewusst in uns vorhanden ist. In meiner Metaphysik ist dies nun g e n a u e r e r ö r t e r t ; ich bemerke nur, d a s s es dluj-ch diese Z e r l e g u n g des s o g e n a n n t e n W i s s e n s und E r k e n n e n s in d a s E l e m e n t des Bewusstseins und in d a s Element des D e n k e n s möglich wird, ejnc neue Erkenntnissquelle nachzuweisen und dadurch die Philosophie von Grund a u s umzugestalten. D e n n wir w e r d e n nun als Erkenntnissfunction im speeifischen Sinne nur d a s gelten lassen, w a s als Vorstellung, Meinung, Begriff, Urtheil oder Schluss auf bestimmte B e z i e h u n g s p u n k t e hinblickt, wie z. B. unsere a s t r o n o m i s c h e n , g e o g r a p h i s c h e n , g r a m m a t i s c h e n , geometrischen E r k e n n t n i s s e immer ihre zugeordneten B e z i e h u n g s p u n k t e haben, d a e t w a die Vorstellung von der A b p l a t t u n g der E r d e auf e t w a s a n d e r e s hinblickt, als der Begriff der L a u t v e r s c h i e b u n g . Ä-He solche speeifische E r k e n n t n i s s e können nun in mir sein, ohne d a s s ich g e r a d e „ d a r a n d e n k e " oder mir ihrer im Augenblicke

„ b e w u s s t " w e r d e . Mithin w i r d m a n sich njjjht einfallen lassen, d a s B e w u s s t s e i n oder B e w u s s t w e r d e n dieser E r k e n n t n i s s e nun selbst für eine E r k e n n t n i s s zu h a l t e n ; denn d a s B e w u s s t w e r d e n ist w e d e r die speeifische und bestimmte E r k e n n t n i s s , die ich j a schon h a t t e , ohne mir ihrer b e w u s s t zu sein, noch e t w a eine lächerlich verdoppelte E r k e n n t n i s s der E r k e n n t n i s s , d a eine Er­

kenntniss nicht durch e t w a s a n d e r e s als durch ihre eigenen zugehörigen B e z i e h u n g s p u n k t e entstehen k a n n und deshalb einer V e r d o p p e l u n g oder Stellvertretung unzugänglich ist. Also h a t d a s Bewusstsein mit der speeifischen Erkenntnissfunction oder dem W i s s e n und D e n k e n g a r nichts zu

thun.J

D u r c h diese Analysis w i r d nun der Begriff d e s Bewusst­

seins in eine g a n z neue L a g e g e b r a c h t u n d erfordert eine neue T o p i k ; denn es zeigt sich, d a s s dem E r k e n n e n und Wissen nicht e t w a d a s U n b e w u s s t e e n t g e g e n g e s e t z t ist, w ä h r e n d d a s Bewusst­

sein zum Wissen gehörte. Beides, d a s Bewusstsein und d a s Un­

b e w u s s t e , ist vielmehr seinem G a t t u n g s c h a r a k t e r nach ein

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V und dasselbe, d. h. d a s Unbewusste muss selbst a l s ein g e w i s s e s Bewusstsein betrachtet werden, d a es in verschiedener Q u a n t i t ä t (Intensität) vorhanden sein k a n n . W e n n ich einen freien V o r t r a g h a l t e , so sind mir die W o r t e , die ich im nächsten Augenblick sprechen w e r d e , unmittelbar vorher u n b e w u s s t , d. h. in einem geringeren G r a d e b e w u s s t , als in dem Augenblicke, wo ich sie auspreche. Gleichwohl müssen sie mir in einem gewissen G r a d e auch bewusst gewesen sein, d a ich sie aus der Menge der übrigen möglichen Worte a u s w ä h l t e und doch also d a r a u f h i n b l i c k t e . Ebenso sind sie mir beim Aussprechen selbst z w a r deutlicher bewusst, aber doch nicht in dem G r a d e , wie w e n n mich J e m a n d unterbricht und über die Etymologie und den Sinn der gebrauch­

ten W ö r t e r Rechenschaft verlangt. Mithin ist d a s Bewusstsein und d a s Unbewusste ein u n d d a s s e l b e und nur g r a d w e i s e ver­

schieden. E s wird d e s h a l b für den Menschen ein Minimum (Differential) und ein Maximum der Bewusstheit für j e d e n be­

liebigen I n h a l t geben und der Inhalt selbst h a t mit diesem G r a d e nichts zu thun (d. h. in Bezug auf qualitative I d e n t i t ä t , obwohl er in bestimmter Coordination dazu stehen muss). E i n e Analogie m ö g e die S a c h e verdeutlichen. D e r Inhalt d e s Bewusstseins soll mit verschiedenen K ö r p e r n , d e r Grad der Bewusstheit mit der B e w e g u n g verglichen werden. Nun wird eine Bleikugel nicht ihre Qualität ä n d e r n und zu Silber werden, auch wenn sie ebenso schnell rollt, und ein Pferd w i r d nicht zur K u h , auch wenn es ebenso l a n g s a m wie diese geht. Aber die Geschwindigkeit eines K ö r p e r s k a n n so gering u n d so b e d e u t e n d sein, d a s s dadurch für den Menschen die Möglichkeit der W a h r n e h m u n g entweder schlechthin, oder für die Unterscheidung der Theile aufhört, und es wird auch einen Grad geben, der für die Auffassung des Menschen a m Meisten angemessen ist. Ebenso verhält es sich mit dem I n h a l t des B e w u s s t s e i n s , ohne d a s s ich e t w a materia­

listisch d a s Bewusstsein für einen physischen B e w e g u n g s z u s t a n d der Nervenelemente e r k l ä r e n will; es giebt a b e r ein dem Menschen

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VI

gefahrliches (pathologisches) Maximum und ein für die wissen­

schaftliche Arbeit zu geringes Mass d e r Bewusstheit. Wie aber die B e w e g u n g selbst w e d e r eine Bleikugel, noch ein Pferd ist, so ist auch d a s Bewusstsein in allen seinen G r a d e n nicht der ideelle Inhalt, dessen wir uns bewusst w e r d e n .

Indem ich nun so die Erkenntnissfunction mit ihrem spe­

eifischen I n h a l t von dem Bewusstsein in allen seinen G r a d e n vollständig ablöse und j e d e s E l e m e n t chemisch rein für sich dar­

stelle, wird es mir möglich, d a s Gebiet d e r E r k e n n t n i s s beträcht­

lich /jx e r w e i t e r n ; denn die Erkenntnissfunction schliesst sich immer an gewisse B e z i e h u n g s p u n k t e an, die zu einem gewissen G r a d e der Bewusstheit g e l a n g t sind, und es k o m m t also für die E r w e i t e r u n g d e s W i s s e n s g e b i e t e s d a r a u f an, der E r k e n n t n i s s ­ function neue B e z i e b u n g s p u n k t e daranbieten, die sie d a n n nach allen ihren Methoden zu bearbeiten hat. So z. B. k a n n J e m a n d a u s dem Volke wie ein Nestor reden, a b e r sein eigenthümliches ihm b e w u s s t e s T h u n b r a u c h t noch nicht durch die Combinationen d e r Erkenntnissfunction an a n d r e Beziehungspunkte angeknüpft w o r d e n zu sein, so d a s s er e t w a selbst eine T h e o r i e d e r Rhe­

torik ausarbeiten könnte. Ebenso f ü h l e n die Kinder Scham, Liebe, Ehrfurcht u. s. w., u n d sie h a b e n sicherlich ein Bewusst­

sein ihres Gefühls; aber erst, w e n n wir d e n k e n d auf diese B e w u s s t s e i n s i n h a l t e h i n b l i c k e n und sie mit a n d e r e n Beziehungs­

p u n k t e n verknüpfen, entsteht uns auch eine E r k e n n t n i s s dieser Gefühle, so d a s s sie sich benennen, definiren und n a c h ihren causalen Elementen systematisch u n d genetisch ordnen lassen, ohne dass diese Psychologie der Affecte e t w a selbst ein p a t h o ­ logischer V o r g a n g w ä r e . In derselben Weise h a t J e d e r ein B e w u s s t s e i n von seinem j j i n g u l ä j ^ e ^ I c h i ^ aber dies ist nicht e t w a ein Begriff, Urtheil oder Schluss, sondern soweit davon

| entfernt, d a s s vielmehr alle die Realisten und Idealisten, wie I Kant, Fichte, H e r b a r t und die meisten Neueren, welche d a s Ich - als P r o d u c t d e r Erkenntnissfunction suchten, es natürlich nicht

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VII finden konnten und deshalb j u r e climinirtcn. D a r u m ist es a b e r nicht de facto eliminirt, sondern es spottet bloss über die J ä g e r , welche d a s Wild da suchen, wo es nicht ist; dejm das. ..Ich kommt zu allen G r a d e n der Bewusstheit, ohne irgend einen A k t der Erkenntnissfunction dazu nöthig zu haben, und es ist nur ein Idolon fori, wenn m a n z. B. F i c h t e für einen Vertreter des Ichs hält, der so w e n i g davon ahnte, d a s s er es mit dem Wissen identificirte, d. h. völlig annullirte.

D a ich also die Erkenntnissfunction mit ihrem speeifischen Inhalte von dem Bewusstsein a b g e t r e n n t habe, so gewinnt die E r k e n n t n i s s dadurch neue Beziehungspunkte für ihr Räsonnement, d. h. es eröffnen sich ihr neue Erkenntnissquellen. So in erster Linie ist d a s Ich, welches sich bewusst wird, eine eigene Er- kenntnissquclle, ebenso d a s Bewusstsein unserer T h ä t i g k e i t e n . Die Erkenntnissfunction wird diese Bezichungspunktc wissen- schaftlich verwerthen und d a r a u s die l£gtej^oriyi Substanz, Acci- denz, Activität, Passivität, Ursache u. s. w. ableiten und für die Psychologie, Naturphilosophie u. s. w. eine Menge der wichtigsten Destructioncn früherer Vorurtheile, wie die H a n d h a b e zu neuen Constructionen gewinnen. In derselben Weise hoffe ich (in meiner s p ä t e r h e r a u s z u g e b e n d e n „Philosophie d e s Christenthums") zeigen zu können, d a s s die ftotfl)eü. welche nicht absoluter Begriff u n d nicht unser Ich ist, uns doch unmittelbar bewusst und nicjit Jfrlpss semiotisch e r k a n n t wird, wie die a u s s e r uns vorhandenen Wesen, die sich in den Perceptionen u n s e r e r Sinnlichkeit bloss «ymfrnli- siren, ohne d a s s wir von ihnen selbst ein Bewusstsein hätten.

D a d u r c h d a s s bisher, so viel ich sehen kann, überall d a s Bewusst- sein, d. h. der eigenthümliche Inhalt, welcher b e w u s s t wird, mit dem d a r a u f bezogenen Inhalte des W i s s e n s heillos durcheinander- gemischt u n d erzartig verbunden war, konnten die Erkenntniss- quellen, d e r e n P r o d u c t e alle schon im Umlaufe waren, dennoch nicht als solche a n e r k a n n t und nach ihrer Autorität und ihrem wissenschaftlichen Ort v e r w e r t h e t und gebraucht werden. E s

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vm

w ä r e d a h e r z w a r lächerlich, wenn ein Philosoph neue E r k e n n t n i s s ­ quellen entdecken oder schaffen wollte; wie es aber für die Handschriftenkunde, Geographie und Geschichte eine E r w e i t e r u n g der E r k e n n t n i s s mit sich bringt, wenn sich feststellen lässt, d a s s unter den Handschriften, die m a n schon kennt, Eine Handschrift archetypisch, d a s s u n t e r den Berichterstattern, die m a n vergleicht, Ein Berichterstatter selbst die Reise gemacht oder selbst die diplomatischen Verhandlungen geführt hat, so ist auch für die Philosophie durch die Aufweisung einer Erkenntnissquellc a l s Erkenntnissquelle zugleich eine E r w e i t e r u n g des W i s s e n s ge­

geben. E i n Californier w ü r d e seine F a r m für w e n i g Dollars v e r k a u f e n ; sobald er sich aber im Besitz einer G o l d a d e r weiss, ist er sofort wirklich viel reicher geworden, ohne d a s s sein Grundeigenthum im Mindesten v e r ä n d e r t w ä r e .

i>as ftßbiet der E i n e nothwendige F o l g e der Muth- und Kraft-

Recht Anspruch erheben dürfe. W i e bei Schijler der P_oet sich verspätet, als Zeus die E r d e verthcilte, und deshalb nur noch, so oft er kommt, im Himmel willkommen geheissen w e r d e n soll, so schien auch bei w a c h s e n d e r Kraft der empirischen Special­

forschung die Philosophie in's B l a u e , in ein transscendentes Spukreich j e n s e i t s der Wirklichkeit g e d r ä n g t zu werden. Allein Schiller's Zeus h a t t e vergessen, d a s s die Irdischen den heimath- losen Himmelsgästcn gern Quartier g e w ä h r e n , w e n n diese nur i r g e n d w i e zahlen können. E s h a n d e l t e sich also eigentlich nur darum, den 'Poeten mit einem t a u s c h i a l ü g e n G u t e auszustatten, damit ihm, wie dem Philosophen, der V e r k e h r unter den Spezia­

listen und E m p i r i k e r n bereitwillig z u g e s t a n d e n w ü r d e . Die F r a g e w a r also nur, ob es solch ein Gut gebe, d a s nicht specia- lisirt und auf die einzelnen Gebiete der Erfahrung vertheilt w e r d e n k ö n n t e ; denn m a n k a n n es den Specialisten nicht ver­

denken, d a s s sie ein s t a r k entwickeltes Rechtsgefühl zur Schau sie ü b e r h a u p t

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IX t r a g e n und, wie die tüchtigen Bauern, d a s Eigenthum nicht dem Communismus preisgeben wollen. E s beruhen j a alle L e i s t u n g e n auf einer ernstlichen Einseitigkeit, auf der Concentrirung aller Kräfte auf einen P u n k t , und es ist darum g a n z in der Ordnung, d a s s j e d e r Forscher wie einen hütenden Zaun einen eigenthüm- lichen N a m e n für sein F a c h sucht, um sich innerhalb dieses E i g c n t h u m e s zu verschanzen. Ohne T h e i l u n g der Arbeit in Anatomie, Physiologie u. s. w. w ä r e die allgemeine Wissenschaft nicht weit gekommen.

Bei diesem strammen Geist der besitzenden Klassen sind nun einige Philosophen in der Noth zu dem Entschluss ge­

kommen, sich einem der a n e r k a n n t e n Spccialgebiete anzuschliessen, die B e a r b e i t u n g gewisser bisher v e r n a c h l ä s s i g t e n Erscheinungen zu übernehmen und dies für die eigentliche Philosophie zu er­

k l ä r e n . So w u r d e z. B. ein ausgezeichneter P h y s i k e r als grosser Philosoph ausgerufen, und obgleich F e c h n e r in der Philosophie nichts geleistet, sondern nur phantasievolle und für die Philo­

sophie werthlose Reveries geschrieben, dennoch auf d e n Schild erhoben, weil er für die h e r u n t e r g e k o m m e n e Philosophie einen neuen E r w e r b s z w e i g in den Zäunen der Physiologie durch seine P s y c h o p h y s i k ausfindig g e m a c h t h a t t e . D e n n nun k o n n t e m a n u n t e r dem s t a r k e n Schutz einer Erfahrungswissenschaft sich un- gescheut für einen Philosophen a u s g e b e n , k o n n t e E x p e r i m e n t e machen, messen, zählen u n d rechnen, g a n z wie die anderen an­

e r k a n n t e n H e r r e n . D a s s F e c h n e r a l s unentbehrliche Voraus­

setzung seiner G e d a n k e n sich unter der H a n d die Principien von dem halbseitig gelähmten*) Spinoza holte, von einem Spi­

noza, der wohl nie in seinem L e b e n einen eigenen G e d a n k e n g e h a b t hat, d a s w u r d e thunlichst vertuscht, indem m a n moderne Ausdrücke an die Stelle der Spinozistischen termini setzte. Kurz ein Theil der Philosophen w a r auf diese W e i s e wieder zu Be­

schäftigung und A n e r k e n n u n g gekommen.

*) V e r g l . m e i n e N e u e S t u d i e n zur G e s c h i c h t e der Begr. III. B d . S. 3 9 9 .

(13)

X

i

Nach der a n d e r n Seite w a r es j a natürlich, d a s s die Spe- cialisten an die Gränzen ihrer Gebiete kommen und zu philo- sophiren anfangen raussten. Ich h a b e d a r ü b e r S. 399 ausführ­

licher gesprochen und will hier nur einen ansehnlichen Natur­

forscher namentlich anführen. So zeigt z . B . K a u b e r , der 1879 die wichtige E n t d e c k u n g oder D e u t u n g des Personaltheiles u n d des Germinaltheiles in dem Individuum machte, als geistvoller Mann die Neigung, sofort die E n t d e c k u n g in philosophischer Weise zur E r k l ä r u n g der Vererbung auszubeuten, wie er über­

haupt als einer der eifrigsten F ö r d e r e r der E n t w i c k l u n g s t h e o r i e die philosophischen F r a g e n , als sei d a s Sache der Biologie, un- genirt zu b e h a n d e l n liebt. Am Auffallendsten ist mir dies in seiner kleinen Schrift „Homo sapiens ferus" gewesen, die ich mit dem grössten Vergnügen und Nutzen gelesen habe. Ich k a n n nicht sagen, d a s s darin der natürliche, noch uneivilisirte Mensch vom S t a n d p u n k t e der Anatomie oder der Physiologie betrachtet w ü r d e ; der Verfasser nimmt vielmehr in der liebens­

würdigen und geistreichen Art von Rousseau alle philosophischen Gebiete für sich in Anspruch und schreibt rechtsphilosophisch den J u r i s t e n vor, wie sie S t a a t und Recht auffassen, religions­

philosophisch den Theologen, wie sie die Religion behandeln, p ä d a g o g i s c h den Schulmännern, wie sie erziehen und die Schul- p l ä n e einrichten müssten u. s. w. Ebenso wie Rousseau un­

gemein a n r e g e n d g e w i r k t hat, k a n n auch R a u b e r ' s Homo ferus w i e mich, so gewiss viele A n d r e fesseln u n d zu m a n c h e n neuen Ueberlegungen reizen, obwohl m a n von beiden Schriftstellern sich nicht g e r a d e durch eine zwingende D i a l e k t i k i r g e n d w i e g e b u n d e n und zur A n n a h m e ihrer T h e s e n genöthigt sieht. Dies ist a b e r für unsere F r a g e N e b e n s a c h e ; unser Interesse dreht sich a n diesem Ort nur um die T h a t s a c h e , d a s s die empirischen Specialforscher selbst auf eigene H a n d zur Ueberschreitung ihrer Gränzen getrieben werden und L u s t zum Anbau der Philosophie v e r s p ü r e n .

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XI Soviel Genuss m a n aber auch a u s Arbeiten solcher A r t schöpfen mag, so ist doch in die Augen fallend, d a s s dabei d e r Begriff der Philosophie selbst und d a s Bewusstsein ihres Special­

gebietes ganz verschwunden i s t ; und wenn wir auch gern ein­

r ä u m e n , dass die Philosophie in gewisser W e i s e Gemeingut w e r d e n könne und als Ingrediens in die Bildung alier guten Köpfe gehöre, so muss die Philosophie doch immer ein Special­

gebiet besitzen und eine eigenthümliche Function d e s Geistes bleiben, weil sie sonst überhaupt nicht lehrbar und kein wirk­

licher und nennbarer Inhalt der E r k e n n t n i s s sein könnte, w i e d a s Blut zwar in allen Organen des Leibes verbreitet ist und allen zu Gute kommt, dennoch aber ein eigenes u n d von allen

übrigen verschiedenes Gewebe bildet.

Nun h a t der Vater des Idealismus, Phyto, z w a r die G r ä n z e n der Philosophie schon durch den Begriff des apriorischen oder a n g e b o r e n e n Vernunftinhalts abzustecken gesucht und K a n t h a t in diesem Sinne den Inhalt reiner Vernunft g e n a u auszumessen und abzuzählen unternommen; allein es zeigte sich sehr bald, d a s s dies t r a n s s c e n d e n t a l e Gebiet zu klein w a r ; denn der I d e a ­ lismus von P i a t o n bis Hegel wollte nur d a s Allgemeine und F o r m a l e erfassen, und obgleich er scheinbar d a s L e b e n mit er­

griff, d a er d a s Subject nicht vergass, sondern es in dem abso­

luten Geiste in d a s Object durch d a s ß e n k e n d e s D e n k e n s auf­

hob, so w a r dieser Geist doch bloss w i e d e r d a s Allgemeine, E w i g e und F o r m a l e der Vernunftfunction, in welches

alle

JÜädi- vidualität unterschiedslos verschwindet, und erregte g e g e n sich g e r a d e die oben erwähnte E n t r ü s t u n g d e r Erfahrungswissen­

schaften, welche sowohl in der N a t u r als in dem geschichtlichen sittlichen Leben mit Realität und wirklichen W e s e n zu thun h a b e n wollten, wie auch den Widerspruch der positiven Theologie, welche nach einem lebendigen Gott und einem realen, iÜcJklJjipÄ, lfl^&dwm^ V e r k e h r der individuellen Seele mit ihm verlangte.

(15)

XII

D a r u m muss ein F e h l e r in dem I d e a l i s m u s und seiner Gebiets­

bestimmung der Philosophie stecken.

Diesen^ F e h l e r wird man an den monströsen Verbildungen der K a n t i s c h e n K r i t i k a m Bequemsten zeigen. D e n n erstens fallt wohl J e d e r m a n n gleich bei K a n t auf, w a s man als Schielen bezeichnen könnte, d a s s er mit dem rechten Auge p r a k t i s c h postulirend alle die G e g e n s t ä n d e erblickt, die er angeblich mit dem linken Auge t h e o r e t i s c h nicht sehen k a n n . D a d u r c h ver­

setzt K a n t den unglücklichen Menschen in eine heimliche Bi­

g a m i e mit zwei Welten, indem d e r Mensch j e d e r seiner beiden Ehehälften d a s Verhältniss zur a n d e r n verbergen muss u n d mit p r a k t i s c h e r Vernunft z w a r seine freie Seele zur Unsterblichkeit u n d zu Gott führt, seine theoretische Vernunft aber in der Sinnen­

welt sitzen lässt. Zweitens s p r a c h K a n t von der Einheit der Apperception und vollzog mit ihrer Hülfe all' sein D e n k e n ; jdennoch fehlte ihm d a s s i n g u l a r e u n d i n d i v i d u e l l e Selbst- b e w u s s t s e i n des Ichs, wie w e n n d a s Herz seine nöthigen Con- tractionen taschenspielerisch vollziehen könnte, ohne von arteriellem wirkliehen Blut erregt zu werden. Drittens wollte K a n t im Menschen t r a n s s c e n d e n t a l e oder „angeborene" Brillengläser der Zeit u n d des R a u m s gefunden haben, die sich doch bei keinem gesund geborenen Menschen nachweisen lassen, und mit diesen Brillen, b e h a u p t e t e er, sollte der Mensch b e s t ä n d i g die Unendlichkeit d e r Zeit und die Unendlichkeit des R a u m s als A n s c h a u u n g gemessen, w a s doch keinfcm normalen Menschen j e m a l s zu Theil werden k a n n , weil ein solcher U n e n d l i c h k e i t s - U n s i n n in der wirklichen W e l t nicht existirt und auch nie ohne G e i s t e s k r a n k h e i t a n g e ­ schaut oder vorgestellt zu w e r d e n vermag.

D a nun die Kantischen F e h l e r mit modificirtem, mehr oder weniger g u t a r t i g e m C h a r a k t e r dem ganzen Idealismus anhaften, so m u s s eine Reformation der Philosophie sich nicht bloss gegen diese oder j e n e einzelne Richtung, sondern gegen die g e s a m m t e bisherige Philosophie von P l a t o , j a von T h a i e s an r i c h t e n ; denn

(16)

xm

bis auf unsre Zeit hin ist alles, w a s m a n Philosophie g e n a n n t hat, durch die Hellenische Auffassungsweise gestempelt gewesen.

Selbst der Materialismus, S k e p t i c i s m u s , Positivismus und ver- w a n d t e Richtungen machen davon keine A u s n a h m e , d a sie höchstens n u r von dem Dogmatisieren im a b s t r a c t e n Gebiete a b - sehen, sich a b e r doch nur im Kreise d e s ideellen Seins drehen, welches j a die Sinnenwelt ebenso wie die intellectuale umfasst.

D e r F e h l e r der bisherigen, von d e m Hellenismus a b h ä n g i g e n Philosophie besteht also d a r i n , d a s s sie dem Bedürfniss d e s Menschen, die Wirklichkeit zu erleben u n d mit realen W e s e n zu verkehren, kein Genüge leistete, sondern die Welt in einen blossen E r k e n n t n i s s p r o c e s s v e r w a n d e l t e ; denn indem sie d a s B e w u s s t - s e i n selbst als eine Art oder Stufe d e r E r k e n n t n i s s auffasste, musste ihr d a s Reale u n d d a s W e s e n in ideelles Sein übergehen.

Sie macht es also, wie wenn J e m a n d einem Menschen, d e r in der F r e m d e nach seiner H e i m a t h und nach dem V e r k e h r mit seinen Lieben Sehnsucht empfindet, alles dies nur im Spiegel zeigte, indem sie die Spiegelbilder d e r E r k e n n t n i s s für d a s „wahr- hafte" Sein der D i n g e ausgiebt. D a r u m ist d a s Gebiet der Philosophie fraglich geworden u n d befindet sich unter Sequester gelegt von der Empirie, sodass allererst eine neue Definition d e r Philosophie zu fordern ist.

W e n n m a n nun eine Reform u n d nicht bloss

einen An- oder Umbau d e r M e t a p h y s i k versuchen £&Ü8£2fi£!e- will, so h a t m a n mit einem j a h r t a u s e n d e a l t e n historischen Riesen- b a u zu thun u n d zieht den Verdruss d e r unzähligen Bewohner, die in ihrer R u h e gestört werden, auf sein H a u p t ; denn es kann, § wie oben erwähnt, ohne eine n e u e G r u n d l e g u n g , d. h. ohne e i n e l n e u e j E r k j e m t n i s s in d e r M e t a p h y s i k nicht g e b a u t w e r d e n . ' E s i s t eine sittliche F o r d e r u n g , mit aller Bescheidenheit seine A n k ü n d i g u n g e n zu prüfen, a b e r auch ungescheut die W a h r h e i t h e r a u s zu sagen. D a z u k o m m t , d a s s es im theoretischen Ge- biete ein Zeichen d e r U n k l a r h e i t i s t , wenn ein F o r s c h e r d e n

(17)

XIV

Umfang und die T r a g w e i t e seiner Begriffe nicht übersieht u n d sich d a s Verhältniss seines Vorhabens zu den früheren literari­

schen Leistungen nicht deutlich gemacht hat. Die Wissenschaft­

lichkeit selbst fordert deshalb die bestimmteste Bezeichnung d e s Neuen, welches m a n gegen d a s Alte zu setzen und zu b e g r ü n d e n sucht; w e s h a l b es auch von K a n t k e i n e P r a h l e r e i w a r , d a s s er sein Unternehmen mit dem d e s K o p e r n i k u s v e r g l i c h ; nur fehlte

I

ihra die geschichtliche literarische Gelehrsamkeit, so d a s s er sein Verhältniss zu den Griechen nicht e r k a n n t e .

1 Bei der neuen G r u n d l e g u n g meiner Metaphysik bedarf ich nun, wie ich schon am Schluss der Vorrede meines Buches be­

m e r k t e , „keines Zaubers der R e d e und k e i n e r Bundesgenossen"

und auch keiner P r o t e c t i o n , wie sie die Hegel'sche Philosophie in P r e u s s e n , die Herbart'sche in Oesterreich in officiellen Kreisen fand; ich w e n d e mich mit voller Zuversicht an die ganze Ge­

l e h r t e n r e p u b l i k ; denn es fehlt nie an selbständigen Köpfen, welche sich durch die Tradition nicht binden lassen, sondern unberückt wie von der Mode, so vom Nimbus des Alterthums, schliesslich nur d a s b r a u c h b a r finden, w a s wirklich w a h r ist. F ü r die schwächeren N a t u r e n aber, die ihrem eigenen Urtheil nicht völlig v e r t r a u e n , sondern sich, wie auf den heiligen Geist, auf die Mehrzahl der Stimmen v e r l a s s e n , will ich hinzufügen, d a s s die neue Metaphysik nicht bloss kriegerisch auftritt, indem sie die früheren Weltansichten mit dem S c h w e r t e der Kritik entwaffnet und ihre T h ü r m e in den morschen Unterbau stürzt, sondern d a s s sie auch mit der grössten Einfachheit u n d Bescheidenheit im B ü r g e r k l e i d e einhergeht, weil sie in der T h a t des allermächtig- sten Schutzes friedlich gemessen k a n n . Denn ihr erster Beschützer ist die unvertilgbare U e b e r z e u g u n g , d e r g a n z e n M e n s c h h e i t s e l b s t , d a N i e m a n d , wenn er nicht eine p a r a d o x e T h e s e ver­

f e c h t e n will, sich weigern w i r d , zuzugestehen, dass er an seine Eigene E x i s t e n z , an die Realität seiner T h ä t i g k e i t e n , an seine Pflicht und a n den wirklichen V e r k e h r mit a n d e r e n W e s e n a u s s e r

(18)

XV

ihm glaubt, weshalb diese Philosophie auch mit d e r E r f a h r u n g und allen positiven Wissenschaften, wie mit dem Gefühl u n d Gewissen aller besseren N a t u r e n im E i n k l ä n g e steht. D i e zweite Schutzmacht bildet d a s C J n i s t e n t h u m , welches, w i e der Apostel P a u l u s nachdrücklich hervorhob, mit der e w i g e n B e d e u t u n g d e r Persönlichkeit steht und fällt; denn w e n n die sinnliche Erschei­

n u n g des Menschen in irdischer Zeit mit dem ihr a n h ä n g e n d e n kurzen Bewusstseinsinhalt Alles ist — w a s denn auch geboreü und w i e d e r begraben wird — so ist d a s g a n z e E v a n g e l i u m eitel.

W e r d e s h a l b vor der Neuheit und Grösse der A n k ü n d i g u n g er­

schrickt, der m a g gutes Muthes sein, weil dies Neue d a s allge­

mein im Stillen G e g l a u b t e und dies Grosse die d e m ü t h i g e Ueber- zeugung j e d e s Christen ist. E s h a n d e l t sich a b e r auch bei allen E n t d e c k u n g e n nicht darum, durch unser künstlerisches Vermögen, wie bei den Erfindungen, unsere Macht Über die N a t u r zu ver­

mehren, sondern nur für die Erkenntnissfunction e t w a s , d a s schon ist oder schon gilt, zur Auffassung und zum Begriff u n d wissen­

schaftlichen A u s g u c k zu bringen. D a s Gebiet der E n t d e c k u n g e n ist d a r u m ganz u n b e s c h r ä n k t , u n d wenn auch im K r e i s e der N a t u r mehr der Nutzen in die Augen springt, so weiss doch d e r V e r s t a n d mehr d a s Neue im Gebiete d e s Geistes zu schätzen.

Hier soll nun nicht e t w a , w a s die vom A s t h m a der Zeitbildung Gequälten v e r l a n g e n , eine neue Religion empfohlen w e r d e n , sondern es gilt, die alte, gute u n d w a h r e a u s ihren hellenischen U s s e l n zu befreien und die Philosophie zu neuem L e b e n zu erwecken. Diese Angelegenheit ist freilich k e i n e ephemerische und geht ü b e r den Gesichts- und Geschäftskreis d e r g e r a d e en vogue befindlichen positivistischen Richtungen h i n a u s ; denn es d r e h t sich um die Philosophie der J a h r h u n d e r t e .

DieL Definition ist immer, wie Leibnitz mit Recht D e f lm t i o n

s a g t , ein Meisterstück der Wissenschaft; denn sie

ü s 2 S '

fasst die R e s u l t a t e aller zugehörigen Untersuchungen in dem k ü r z e s t e n A u s d r u c k zusammen, in welchem nichts überfliessen

U

(19)

XVI

und nichts fehlen darf. W i r haben hier n u n die schwierige Auf­

gabe, die Philosophie zu definiren.

DieJDjeünitioa der P o s i t i v i s t e n *) eines Mill u. A., brauche ich g a r nicht zu e r w ä h n e n , weil sie von Philosophie keine Ahnung h a b e n ; K a n t aber und seine A n h ä n g e r , welche unter PhilosophieJjloss. ErkejinlnisstUeorie verstehen, bleiben nicht n u r in theoretischer I g n o r a n z Uber alle eigentlich wissenswerthen Dinge, wie über d a s W e s e n der Natur, über die Seele und Gott, sondern sie verfallen auch, indem sie die t r a n s s c e n d e n t a l e n Form­

elemente der E r k e n n t n i s s s t u d i r e n , demselben V o r w u r f e , wie A r i s t o t e l e s und die I d e a l i s t e n , d a sie alle der Vernunft oder der Philosophie n j r r ^ d a ^ A l l g e m e i n e und E w i g e und Intelligible vindiciren; denn sie berauben auf diese W e i s e die Vernunft d e s R e c h t e s ^ über d a s Einzelne zu urtheilen, und der Möglichkeit, ü b e r h a u p t zu wirklichem Gebrauch zu gelangen. H a t z. B. die Aristotelische Vernunft n u r mit den intellectuellen Principien zu t h u n , so ist sie folglich abgeschnitten von den Sinneswahrneh- j n u n g e n , den Meinungen (5c&xt), den B e g e h r u n g e n , d e n H a n d ­ lungen und dem singulären Sclbstbewusstsein. D a sie nun a l s

*) S o e b e n g e h t m i r n o c h e i n B u c h zu u n t e r d e m T i t e l : T h e f i n a l s c i e n c e or s p i r i t u a l m a t e r i a l i s m ( F u n k & W a g n a l l s , N e w - Y o r k u n d L o n d o n 1885). w e i c h e s w a h r s c h e i n l i c h v o n Z. T e s t i n E i c h m o n d (Indiana) verfasst ist u n d m i t g a n z v o r z ü g l i c h e r D i a l e k t i k d i e u n l o g i s c h e B e s c h a f f e n h e i t des m o d e r n e n M a t e r i a l i s m u s , D a r w i n i s m u s , P o s i t i v i s m u s , S p e n c e r i a n i s m u s u n d A t h e i s m u s aufzeigt. D e r Verfasser i s t v o n einer e d l e n G e s i n n u n g b e s e e l t u n d e s i s t fast S c h a d e , dass er so v i e l W i t z u n d Scharfsinn a n d i e W e g ­ r ä u m u n g herrschender V o r u r t h e i l e v e r s c h w e n d e t . D a s B u c h erinnert m i c h a n d i e g e i s t v o l l e n I r o n i e n S w i f t ' s u n d i s t e i n s c h ö n e s Zeichen für d e n g e ­ s u n d e n Geist, der i n den V e r e i n i g t e n S t a a t e n , w i e a u c h N . P o r t e r ' s W e r k e b e w e i s e n , die Oberhand zu g e w i n n e n s c h e i n t . Besonders l e s e n s w e r t h i s t a u c h der A b s c h n i t t über d i e E e l i g i o n , w o der Verfasser d e n A g n o s t i c i s m v o n K a n t , H a m i l t o n , H a n s e l u n d Herbert Spencer als e i n e n r e l i g i o u s K n o w - N o t h i n g i s m m i t acht S o k r a t i s c h e r Ironie und g u t e m H u m o r zu B o d e n streckt.

D i e g a n z e l e b h a f t p o l e m i s c h e Arbeit d e s Verfassers wird aber v o n d e m h o h e n , c h r i s t l i c h e n G e i s t u n d einer z u g e h ö r i g e n M e t a p h y s i k g e t r a g e n , so dass sie n i c h t i n blosser N e g a t i o n s t e c k e n b l e i b t , sondern a u f e i n e befriedigende W e l t a n s i c h t indirect h i n w e i s t .

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X V I I reine Vernunft nichts von allen diesen guten Dingen erfahrt, s o ' k a n n sie auch nichts darüber urtheilen, von R e c h t s w e g e n in d e r L o g i k nicht einmal ein Beispiel anführen u n d folglich ü b e r h a u p t g a r nicht gebraucht werden. Denselben F e h l e r m a c h e n P l a t o , F i c h t e , Hegel u n d die a n d e r n I d e a l i s t e n ; sie v e r w a n d e l n zum E r s t a u n e n für den unbefangenen Zuschauer die Seele und Gott in unpersönliche Vernunftallgemeinheiten, wodurch denn aller Verkehr dieser hohen u n d vornehmen Clique d e s „Allgemeinen"

mit d e m P ö b e l des Einzelnen u n d d e r E r f a h r u n g gänzlich unter­

sagt ist, so d a s s die Ich-Allgemeinheit nicht einmal mehr ä u s s e r n dürfte: J c h bin h u n g r i g " , oder „i,cji gehe s p a z i e r e n " . W e n n deshalb die Geschichtsschreiber der Philosophie nicht g a r zu liebenswürdig und nachsichtig wären, so w ü r d e n sie als K r i t i k e r die naive Inconsequenz, durch welche allein es d e n Idealisten möglich ist, ü b e r h a u p t noch zu philosophiren, nicht durchgelassen haben, sondern h ä t t e n l ä n g s t die idealistische Vernunft mit ihren K a t e g o r i e n , Ideen oder wie sie ihre Allgemeinheiten benennen, zu Eiszapfen erstarren lassen. Und vor diesem tödtlichen F r o s t würde auch Hegel trotz seiner dialektischen B e w e g u n g nicht g e r e t t e t sein, d a seine D i a l e k t i k j a in k y k l i s c h e m Abschlüsse ein starr identisches System von Allgemeinheiten liefert, welches sich hoch über den w a r m e n P u l s s c h l a g des individuellen I c h s in die Aetherregion des reinen D e n k e n s erhoben h a t und sich d a h e r zu T o d e philosophiren muss.

Die T)ftfinitinn dp.r Idealisten leidet a n zwei F e h l e r n ; m a n sucht nämlich erstens eine völlige A b g r ä n z u n g der Philosophie von den positiven Wissenschaften durch eine selbständige Geistes­

k r a f t , welche d i e Lebensgemeinschaft mit der E r f a h r u n g ver- läugnet, u n d zweitens k e n n t m a n noch n i c h t , die logische Chemm»

welche d a s Bewusstsein von der E r k e n n t n i s s t h ä t i g k e i t zu trennen vermag.

W a s den ersten F e h l e r betrifft, so wird ausser Augen g e ­ l a s s e n , d a s s der Geist nicht bloss mit dem F o r m a l e n , Intellec-

II*

(21)

XVIII

t u a l e n , Principiellen u n d U n i v e r s a l e n , sondern auch mit der Materie der E r k e n n t n i s s , mit dem Sensiblen, Einzelnen, Zufälligen und Bedingten zu thun h a t , weil er nur, wenn er d a r a u f hin­

blickt, zu den Gesichtspunkten kommt, die (wie die Zahl, Qualität, Relation, Gesetz u. s. w.) sinnlos und unmotivirt sein w ü r d e n , wenn sie nicht als Beziehungsgründe und Beziehungseinheiten mit den Beziehungspunkten der E r k e n n t n i s s in Coordination s t ä n d e n . D i e Philosophie k a n n darum zwischen sich u n d den Erfahrungswissenschaften d a s Tischtuch nicht zerschneiden, sondern ist auf connubium und commercium mit ihnen angewiesen, d a ebenso die E m p e r i e in demselben Masse zur Wissenschaft wird, ] als sie sich mit philosophischem Geiste durchdringt. W e n n d a h e r

P i a t o n die Philosophie als königliche Wissenschaft bezeichnet hat, weil sie allein d a s höchste Gut des einzelnen Menschen und des S t a a t e s in's Auge fasse, so können wir diese Bezeichnung a n n e h m e n , sie a b e r zugleich gegen P i a t o n und den Idealismus k e h r e n , indem wir die königliche Vernunft nöthigen, a u s ihrer / ewigen und a b s t r a c t e n Himmelsregion herabzusteigen und sich auch mit den Sinnen und den Gefühlen und Trieben abzugeben,

! damit sie doch wisse, w a s sie zu regieren h a t u n d ob es in d e r i unteren Region nicht so. hergeht, wie sie wünschen möchte. Die

; speculative Vernunft also darf nicht mehr nach dem V o r g a n g e I d e s A n a x a g o r a s , Piaton, Aristoteles, Kant, Hegel und d e r a n d e r n

Idealisten in ein von den übrigen Kreisen des Seelenlebens ganz

\ a b g e t r e n n t e s F o r m e n - P a l a i s geführt werden, sondern muss a l s sociales Glied in dem Coordinatensystem des geistigen L e b e n s sich a c h t königlich auch um d a s Einzelne u n d um die gegebenen empirischen Beziehungen b e k ü m m e r n u n d alles selbst sehen und nichts geringschätzen. Der Geist ist ein einiger und also giebt es auch nur eine einzige Wissenschaft. Die T h e i l u n g in Special­

gebiete ist eine Arbeitstheilung, bei welcher j e d o c h alle Arbeiter an d e r Herstellung eines und desselben grossen G e b ä u d e s zu­

s a m m e n w i r k e n , so d a s s der E m p i r i k e r , welcher von der Philo-

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X I X Sophie absehen zu können meint, nur d i e T a g e l ö h n e r s t e l l u n g w ä h l t , und d e r Philosoph, welcher das Einzelne d e r E r f a h r u n g geringschätzt, nur w i e ein Commis in optischen oder chirurgischen Magazinen W a a r e n verkauft, von deren U r s p r u n g u n d Gebrauch er keine Rechenschaft geben k a n n . W i e bei der B a u k u n s t die F u n d a m e n t e in Hinblick auf d a s Gewicht und d i e Höhe der zu errichtenden Mauer u n d Bedeckungen gelegt u n d u m g e k e h r t diese wieder nur in Verhältniss zu den F u n d a m e n t e n aufgerichtet werden, w ä h r e n d beide Arbeitskreise doch in d e r T h a t von ver­

schiedenem C h a r a k t e r sind, so können auch die Erfahrungs­

wissenschaften, wenn sie die Erforschung d e s gegebenen Mannig­

faltigen auf sich n e h m e n , von d e r Philosophie, welche den forschenden Geist selbst zu ihrem Untersuchungsobjecte wählt, zwar getrennt w e r d e n , beide aber müssen in b e s t ä n d i g e r Ge­

meinschaft bleiben, weil die getrennten Arbeitsgebiete doch ein einziges Ziel verfolgen u n d d e r E m p i r i k e r auch nicht ohne Geist, wie der Philosoph nicht ohne Hinblick auf gegebenes Mannig­

faltiges d e n k e n kann.

W ä h r e n d nun d e r a n t i k e I d e a l i s m u s die speculative, d a s

„Allgemeine" e r k e n n e n d e Vernunft (voö?) a l s ein von d e m übrigen Seelenleben völlig ahgelrflnntps Woso.n (-^(opwxöv) hinzustellen suchte, u n d der m o d e r n e P i a t o n i s m u s H e g e l ' s auf dem W e g e dialektischer E n t w i c k e l u n g zu^jlejaselbea -Ziele k a m , ging ein a n d r e r Zweig d e r idealistischen Zunft mit K a n t auf die erkenntniss­

theoretische Unterscheidung d e r Erfahrungswissenschaft von d e r Philosophie a u s . Und d a b e i zeigt sich der zweite, F e h l e r , den ich andeutete. E s fehlte nämlich bisher d i e Einsicht in die N a t o r ^ e ä . B e w t t ö f t t e e i n s , welches m a n mit d e m Wissen u n d Er­

k e n n e n vermengte. D e r Unterschied aber ist so zu formuliren, d a s s Wissen u n d E r k e n n e n nur d e m E r k e n n t n i s s v e r m ö g e n zuge­

hört, Bewusstsein aber sowohl der Erkenntnissfunction, a l s d e m Begehren (Fühlen), H a n d e l n und dem Ich zukommen oder fehlen k a n n , ohne d a s s diese L e b e n s m ä c h t e d a d u r c h in ihrem W e s e n

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X X

und W i r k e n aufgehoben w ü r d e n . Z w e i t e n s ist Bewusstsein einfach und ohne Hinblick auf Anderes (obgleich diejenige Function, welche bewusst wird, natürlich realiter in Coordination zu a n d e r e n steht), w ä h r e n d alles Erkennen, Wissen und D e n k e n ein Schluss i s t , also immer mindestens zwei Beziehungspunkte u n d einen medius verlangt. P ^ t t A n s ist d a s Bewusstsein von seinem I n h a l t e nicht t r e n n b a r , alles E r k e n n e n a b e r beruht auf der Gegensetzung der Erkenntnissfunction gegen ihren Gegen­

stand, der sowohl unbewusst als b e w u s s t sein k a n n ; denn selbst in der speeifischen E r k e n n t n i s s (nicht bloss in der semiotischen) ist eine solche T r e n n u n g n o t h w e n d i g , da z w a r d a s e r k e n n e n d e Subjective mit dem e r k a n n t e n Object ideell i d e n t i s c h , d a s Sub- j e c t i v e aber als einzelner r e a l e r Act von dem Object als ideell

\ Allgemeinem verschieden ist. Mithin k a n n die Philosophie nicht als die Wissenschaft von. der Erkenntnissfunction oder als Ver­

nunftwissenschaft definirt w e r d e n , weil wir in der Philosophie seiawäiäeirauch die a n d e r e n beiden Functionen, d a s Wollen (Ethik) und d a s H a n d e l n (Politik, Kunst) und auch d^S, Ich und die Gojttheit (Metaphysik) mit umfassen, von denen d a s e r k e n n e n d e Vermögen als solches völlig verschieden ist. W i r müssen also eine a n d e r e Definition auf a n d e r e m W e g e suchen.

Nun bezeichnen wir die über d a s bloss Animalische hin­

a u s g e h e n d e Entwickelungsstufe des Seelenlebens, auf welcher sowohl d a s Ich, a l s die einzelnen Functionen in allen ihren Coordinationen bewusst w e r d e n , als J tf i f i i r t 4 " oder als geistiges L e b e n im weiteren Sinne, w e s h a l b ein Mensch auch geistlos sein k a n n , ohne seine Existenz zu verlieren. W e n n d a s im Bewusstsein

g e g e b e n e Mannigfaltige d a n n nach seinen Beziehungen von der Erkenntnissfunction verarbeitet w i r d , so entstehen die e m p i r i ­ s c h e n W i s s e n s c h a f t e n . D a d a s Ich sich von diesen Gegen­

s t ä n d e n unterscheidet, so w e r d e n in den empirischen Wissen­

schaften die G e g e n s t ä n d e immer nach Aussen projicirt, w e s h a l b s o g a r auch die empirische Psychologie anfänglich die Vor-

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XXI

Stellungen und Gefühle und d a s g a n z e geistige L e b e n naiv , wie_äftS§erü „Gegenstände auffasst, die Seelenvermögen im Kopf, Herzen und B a u c h e mit P i a t o n und Aristoteles logirt u n d auch noch heute womöglich Alles im Gehirne localisirt u n d alle geistigen Beziehungen durch eigentlich gemeinte Metaphern a u s der S p h ä r e des Raums, der B e w e g u n g und der P h y s i k u n d Chemie bezeichnet. Sobald aber diese empirischen Erkenntnissfunctionen ebenfalls wieder bewusst und als B e z i e h u n g s p u n k t e von der Erkenntnissfunction auf's N e u e zu Beziehungseinheiten nach dabei entspringenden Gesichtspunkten oder Beziehungsgründen coordinirt werden, so entsteht P h i l o s o p h i e und zwar zunächst die Wissenschaftslehre. Dieser E n t w i c k l u n g der E r k e n n t n i s s | entsprechen d a n n zugleich in d e n übrigen Functionen höhere *

i Stufen, die wiederum bewusst w e r d e n können und zusammen den

„ G e i s t " im e n g e r e n , aristokratischen Sinne bilden. W e n n die E r k e n n t n i s s nun auf alle diese Bewusstseinsinhalte des Geistes hinblickt und sie wissenschaftlich bearbeitet, so ist dies die ganze P h i l o s o p h i e , die also kurz als W i s s e n s c h a f t d e s G e i s t e s j dcfinirt w e r d e n k a n n . D i e A n w e n d u n g der philosophischen Be- griffe in den Erfahrungswissenschaften giebt d a n n die s o g e n a n n t e geistvollere Auffassung del* N a t u r , d e r Geschichte u. s. w. und j bringt die vielen philosophischen F r a g e n in j e d e m empirischen Forschungsgebiete hervor, wodurch die allgemeine Einheit aller Wissenschaft und der Z u s a m m e n h a n g aller G e g e n s t ä n d e der E r k e n n t n i s s begründet wird. Die Definition der Philosophie ist aber nicht so zu d e u t e n , als sollte damit nur die sogenannte Geisteswissenschaft im Gegensatz g e g e n die N a t u r wissensehaft a b g e g r ä n z t w e r d e n ; d a r a n fehlt viel; denn die Geisteswissen­

schaft (z. B. die Geschichte, die Jurisprudenz, die Religionslehre) k a n n ebenso empirisch betrieben w e r d e n , wie die Naturwissen­

schaft. Ich h a b e darum die weitere und die engere Bedeutung des W o r t e s „Geist" unterschieden und beziehe die Philosophie nur auf den Geist im engeren S i n n e , in welchem die S p h ä r e n

(25)

X X I I

der Natur- und der Geisteswissenschaften als blosse Beziehungs­

p u n k t e gegeben sind.

Die Eigenthümlichkeit der neuen Philosophie und ihrer De­

finition beruht also im Gegensatz gegen den hellenischen Idealis-

; mus auf der Unterscheidung des Bewusstseins von der E r k e n n t n i s s ­ function, d a die Philosophie als blosse E r k e n n t n i s s a r b e i t den Geist nicht in sich verschlucken soll, sondern als Glied in einem Coordinatensystem die übrigen Functionen des Geistes und d a s Ich als selbständige Mächte a n e r k e n n t .

Um dieses noch deutlicher auszuführen, möchte

Stellung

z u Hegei. ich mit ein p a a r W o r t e n d a s S. 517 e r w ä h n t e a k a ­ demische Memoire des ausgezeichneten H e g e l i a n e r s S p a v e n t a erörtern, welches er zur Versöhnung meiner Metaphysik mit der Hegel'sehen D i a l e k t i k verfasst hat. Ich gehe gleich mitten in die Sache. W e n n H e ^ e l die Philosophie als Wissenschaft des absoluten Geistes bestimmt, so soll dieser Geist alle materielle N a t u r u n d alles subjective, mit der Ichheit behaftete Seelen­

leben in sich aufgehoben h a b e n und a n der ä u s s e r s t e n Spitze der WeltentWickelung erscheinen, indem er nichts mehr a u s s e r sich lässt, sondern als absolute W a h r h e i t selber Alles ist. Dieser Auffassung setze ich entgegen, d a s s die Philosophie nur die Arbeit der t h e o r e t i s c h e n F u n c t i o n ist u n d d e s h a l b von Allem, w a s

{n i c h t D e n k e n ist, nur eine S e m i o t i k bringen k a n n . D e r abso- Mute Geist, wenn er als Wissen bestimmt wird, k a n n d a h e r nur

G e d a n k e n in sich schliessen, aber w e d e r die wirklichen W e s e n d e r Natur, noch d a s Ich, noch die nicht-theoretischen Functionen u n s e r e r Seele. D u r c h die beste Pomologie k o m m t m a n nicht in Besitz d e s kleinsten O b s t g a r t e n s u n d durch die grösste geo­

g r a p h i s c h e E r k e n n t n i s s wird m a n kein Reisender, weil m a n nur semiotisch die D i n g e erkennt, ihr W e s e n u n d ihre W i r k u n g e n a b e r durch den blossen G e d a n k e n nicht in sich hat. Ebenso­

w e n i g ist d a s Ich im absoluten Geist aufgehoben und conservirt, vielmehr verschwindet der absolute Geist, wenn d a s Ich ein-

(26)

X X I I I schläft, und d a s Ich k a n n durch gewisse ä u s s e r e Handlungen, z. B . durch Herbeiholen und L e s e n der HegePschen Logik, be­

wirken, d a s s der absolute Geist im D e n k e n geboren wird. D a s s m e i n e Definition der Philosophie also mit der ähnlich l a u t e n d e n

Hegel's auch nicht entfernt v e r w a n d t ist, es sei denn wie N a m e n s ­ vettern, die aber keine E r b a n s p r ü c h e an einander haben, d a s ist augenfällig g e n u g . Ich k a n n d a s Verhältniss aber k u r z noch nach der T o p i k d e r I d e e n ausdrücken, d a H e g e l unter die I d e e der W a h r h e i t Alles subsumirt, w ä h r e n d ich l e h r e , d a s s die W a h r h e i t bloss dem ideellen I n h a l t e des D e n k e n s zugeordnet ist, aber nur semiotisch die I d e e des W e s e n s und der R e a l i t ä t und die I d e e des Guten u n d Schönen umfasst, d a s s alle diese I d e e n also nicht in dem Verhältniss dialektischer U n t e r o r d n u n g stehen, sondern in einem Coordinatensystem einander zugeordnet sind.

S p a v e n t a will nun seinen Meister vertheidigen und meint*), d a s s d a s Ich als Einheit d e r drei Functionen, d a es nicht n a c h der formalen L o g i k bloss die nota communis sei, als Activität sich nothwendig n e g a t i v zu seinen Functionen v e r h a l t e n u n d die­

selben nach der I d e e der E n t w i c k e l u n g (sviluppo) in sich auf­

heben und conserviren müsse. Ich sehe a u s dieser Argumen­

tation, d a s s es S p a v e n t a nicht gelungen ist, meinen neuen Ge­

d a n k e n w e g aufzufassen, w e s h a l b er sich bloss die Alternative der früheren philosophischen D e n k w e i s e vorstellt und d a s Ich zwar nicht n a c h der formalen, aber wohl nach der Hegel'sehen L o g i k begreifen zu können meint. E s h a n d e l t sich a b e r um einen neuen W e g , u n d es dürfen die -Begriffe von Sein, T h ä t i g -

*) Esarae di u n 'obbiezione di T e i c h m ü l l e r a l l a d i a l e t t i c a di H e g e l . M e m o r i a del socio B. S p a v e n t a p. 2 0 . Ora 1' .To di T e i c h m ü l l e r , c o m e prin­

c i p e , sostanza, l a cui a t t i v i t a i d e n t i c a h a l a forma del conoscere, del sen- t i r e , del volere, h fuori di certo d e l l a l o g i c a f o r m a l e : n o n e u n a n o t a com­

m u n e ; h, di n o m e a l m e n o , e s s e n z i a l m e n t e a t t i v o . — E impos.=ibile coneepire q u a l s i a s i u n i t a di opposti, se q u e s t i n o n sono s p u n t a t i o n e g a t i i n q u e l l a : n e g a t i , n o n a n n i c h i l i t i ; ciofe, se l'unitä como a t t i v i t a n o n b i n s i e m e u n a p o t e n z a n e g a t i v a .

(27)

XXIV

keit, E n t w i c k l u n g , Einheit u. s. w. nicht mehr so ohne Weiteres, als w ü s s t e m a n schon, w a s d a s wäre, gebraucht w e r d e n ; viel­

mehr ist durch meine Metaphysik gezeigt, woher wir den Be­

griff des Seins und W e s e n s schöpfen und die Merkmale, die ihm zukommen, bestimmen können. D e m g e m ä s s sieht man jetzt, d a s s d a s Ich niblit eine solche Einheit ist, wie die Zahl, in welcher als in einer Beziehungseinheit wir im D e n k e n die S u m m a n d e n oder F a c t o r e n aufheben und conserviren, d a die Z a h l nur alle ge­

gebenen Theile als Ganzes zusammenfasst, sondern d a s Ich h a t als W e s e n ein selbständiges Bewusstsein von sich und steht als W e s e n mit a n d e r e n W e s e n in realen Beziehungen und ist so wenig bloss die negative Einheit aller seiner Functionen, wie d e r Hirt nicht die Einheit der S c h a f h e r d e u n d der Oberst nicht die Einheit d e r in ihn verschwundenen Soldaten seines Kegi- mentes ist; denn wenn die Functionen der Seele zwar auch nicht, wie in diesen Analogien, selbständige Wesen bilden, so sind sie doch sowohl untereinander real verschiedene Akte, a l s sie im Verhältniss zum Ich, w e n n sie ü b e r h a u p t b e w u s s t werden, ihr eigenes unvermischtes Bewusstsein haben. S p a v e n t a erwidere ich also, d a s s m a n nicht neuen Wein in alte Schläuche fassen soll, sondern die neue Methode der Deduction d e r speculativen Begriffe zuerst zu erörtern hat.

Bei Hegel, wie bei den darwinistischen E n t w i c k e l u n g s l e h r e r n spielt auch die Zeit ihr Gaukelspiel, d a m a n allerdings, w e n n die T a s c h e n s p i e l e r k ü n s t e dieses Begriffes nicht aufgedeckt sind, wozu auch iuiiafi nicht k a m , in d e n ganzen T a n z des W e r d e n s u n d der Entwickelung, in d a s Verschwindenlassen u n d Aus-dem- Nichts-Zaubern u. dergl. hineingeräth, wie m a n auch, w a s d a s Schlimmste ist, nicht naiv mit Hobbes die G e g e n w a r t als d a s allein wahrhaft Seiende r u h i g g e m e s s e n k a n n , sondern in j e d e m Augenblick auf d e r haltlosen K i p p e zwischen dem G r a b e der V e r g a n g e n h e i t und dem Abgrunde d e r Zukunft steht und seines L e b e n s keinen Augenblick sicher wird, d a der Augenblick keine

(28)

X X V Breite hat, sondern die N e g a t i v i t ä t oder der T o d dem unglück­

lichen Zeitgläubigen nicht bloss j e d e n T a g u n d j e d e Secunde, sondern selbst d a s individuelle Differential seiner Zeiteinheit ver­

gällt. Ich v e r k ü n d e aber diesen Armen und G e ä n g s t e t e n R u h e ; und F r i e d e n ; denn ich lehre ihnen, d a s s j e n e s Nichtsein, vor!

dem sie sich fürchten, nicht ist, d a s s die Zeit bloss unsrc Ord- \ nungsform d e r perspectivisch aufgefassten W e l t bildet, d a s s also das V e r g a n g e n e und Zukünftige ebenso fest steht, wie die G e g e n -: wart, und d a s s d a s Unbewusste nur einen minimen G r a d d e s j Bewusstseins a u s d r ü c k t und j e nach der O r d n u n g in dem heil-!

samen System d e r W e l t w i e d e r die volle S t ä r k e der Bewusstheit S erhalten kann, so d a s s Nichts verloren geht, nichts ewig vergessen wird, d a s s d a s lebendige und selbständige Ich über alle die negativen, summativen, organischen und sonstigen E i n h e i t s t y p e n spottet, in die man es, wie unter dem Stempel, p r ä g e n will, d a der D e n k e r u m g e k e h r t erst a u s dem Studium des Ichs die eigen- thümliche Einheit kennen lernen muss, die dem Ich mit seinen Functionen zukommt, um dann einen neuen T y p u s für seine Stempelungen zu g e w i n n e n ; denn d a s Ich ist frei und steht über den Kategorien, die der V e r s t a n d bei der Auffassung der Er­

scheinungen findet.

W e n n S p a v e n t a darum auch die Functionen der Seele in eine Entwickelungsreihe stellen will, so d a s s die E r k e n n t n i s s d a s E r s t e w ä r e , d a s Gefühl d a s Zweite und der Wille d a s Dritte, da die Reihe, wie er meint, niemals u m g e k e h r t abfolgen könnte, so siegt mein Coordinatensystem leicht über diesen chronologischen Schematismus, d a man doch auch zuerst den W i l l e n h a b e n k a n n , z. B . S p a v e n t a ' s a k a d e m i s c h e s Memoire k e n n e n zu lernen, und dann erst die E r k e n n t n i s s davon ge­

winnt; oder wie man erst Zahnschmerz f ü h l t und d a n n erst e r ­ k e n n t , w e r der Uebelthäter ist, wie er aussieht und dass m a n ihn ausreissen lassen muss. Die Functionen sind also bloss ein­

a n d e r zugeordnet, k e i n e a b e r entwickelt sich a u s der andern,

(29)

X X V I

sondern sie haben selbständige Lebensquellen, die nicht von ein­

a n d e r erzeugt, sondern n u r in Zuordnung z u e i n a n d e r a u s g e l ö s t w e r d e n .

Obgleich die neue Philosophie in allen Disci-

) ücstructivcr

; 1 I l l d plinen einen neuen S t a n d p u n k t aufzeigt, von welchem

' " o h w a k t e r1 1" a us die frulieren philosophischen Auffassungen theils

der n e u e n a l s falsch, theils a l s bloss perspectivisch richtig oder

t P h i l o s o p h i e . — »-"-*""

einseitig erscheinen, so w ä r e es doch sehr leicht, nach dem Hegel'schen P r o g r a m m bei d e r D a r s t e l l u n g d e r früheren Philosophie d i e F r a g e n hervorzuheben, wo d a s Bedürfniss n a c h dem neuen S t a n d p u n k t e fühlbar wird u n d wo auch e t w a schon eine richtige T e n d e n z zu misslungenen Versuchen d e r A n n ä h e r u n g geführt h a t . So z. B. zeigen X e n o p h a n e s , P a r m e n i d e s , P l a t o u n d Aristoteles schon in der A n n a h m e der identisch abgeschlossenen W e l t k u g e l die T e n d e n z zu d e m technischen Weltsystem, indem sie d a s ngpoc dem cke'.pQv vorziehen; aber in d e r naiven räum­

lichen F a s s u n g , in dem übriggebliebenen faetpov d e r Materie u n d in d e r Zufalls- u n d Zeitillusion behalten sie d a s begrifflose Un­

endliche. So suchten auch Aristoteles u n d seine scotistischen Commentatoren schon d a s atO[i.ov siSo? und d i e ultima r e a l i t a s , die haeeeeitas, d a s incommunicabile; d a sie aber dem illusorischen Begriff der Materie u n d d e r projectiven Auffassungsweise noch preisgegeben sind, so können sie d e n Begriff d e s Wesens, d e r nach d e m Ichbewusstsein abzuleiten ist, noch nicht finden u n d bleiben in allen Widersprüchen stecken. So suchten Piaton, Aristoteles, die Scholastiker, Leibnitz, Hegel u. A. schon eine series veritatum aeternarum, a b e r w e g e n d e s perspectivischen Begriffs d e s Zufalls konnten sie immer n u r einen Theil d e r Welt, d a s ideell Allgemeine, damit umfassen u n d verfehlten d a s Wichtigste, die wirklichen geschichtlichen Z u s a m m e n h ä n g e d e r lebendigen W e s e n . So strebten auch Piaton, Aristoteles, Leibnitz, K a n t und viele Moderne darnach, d e m Menschen die Freiheit d e s Willens zu vindiciren, d a sie aber d a s W e s e n d e s Willens

(30)

X X V I I nicht gefunden h a t t e n , so blieb der Alp d e r N o t w e n d i g k e i t immer d r ü c k e n d über ihnen. In dieser Weise k ö n n t e m a n für j e d e n neuen L e h r s a t z die Tendenzen und Versuche der F r ü h e r e n freundschaftlich aufsuchen; diese completive u n d exsolutorische Leistung der neuen Philosophie m a g aber später hervorgehoben w e r d e n * ) ; die erste Aufgabe ist die Destruction, d a die hemmenden S c h r a n k e n falscher und einseitiger Auffassung erst niedergerissen werden müssen, um die richtigen Tendenzen aus d e r E r s t a r r u n g zu befreien. In dieser Beziehung muss eine neue Philosophie immer auch einen destructiven C h a r a k t e r haben.

E s w i r d a b e r von den Vertretern des Christen­

thums immer sehr viel W e r t h d a r a u f gelegt, d a s s n e u e P™ *s o p h i c

durch Christus e t w a s von Gott unmittelbar offenbart i m r t d a s

Ohristentbum.

sei, w a s die Vernunft und also die Philosophie nicht

von sich a u s finden könnte. Deshalb scheint eine j e d e Philosophie, die sich nur auf ihre eigenen Erkenntnissquellen beruft und die Autorität der Offenbarung nicht zu Hülfe nimmt, dem Christen­

thum feindlich zu sein, nicht bloss w e n n sie auf a n d r e Resultate kommt, sondern auch wenn sie den Offenbarungsinhalt vernünftig

• n d richtig findet; denn die Offenbarungsidee verlange eben, d a s s ihr Inhalt nicht a n d e r s als n u r durch die geschichtliche Offenbarung vermittelt w e r d e n könne. E i n e solche auf ihr Eigen­

thumsrecht p o c h e n d e Monopolgesellschaft, wie d e m g e m ä s s die

*) W e n n z. B. die P s y c h o l o g i e durch m e i n e n e u e E i n t h e i l u n g der S e e l e n v e r m ö g e n u n d g e i s t i g e n F u n c t i o n e n w e s e n t l i c h u m g e s t a l t e t w i r d ( v g l . S. 2 6 ff.), so i s t es sehr i n t e r e s s a n t zu s e h e n , dass d i e T h e o l o g e n z w a r n i c h t durch S e l b s t b e o b a c h t u n g , a b e r durch n a t u rliche G r u p p i r u n g der Manifestatio­

n e n bei ihrer P s y c h i o l o g i e G o t t e s zu d e m s e l b e n R e s u l t a t e g e k o m m e n sind, i n d e m s i e a l l g e m e i n p o t e n t i a , a m o r , s a p i e n t i a unterschieden. D i e idealisti­

schen D o g m a t i k e r , w i e z. B. A u g u s t i n , g e r i e t h e n von, e i n e r a n d e r e n S e i t e a u f d e n s e l b e n W e g , i n d e m sie i m A n s c h l u s s a n die a l t e E i n t h e i l u n g der P h i l o s o p h i e i n P h y s i k , L o g i k u n d E t h i k die t r i n i t a r i s c h e n Personen i n V a t e r ( S c h ö p f u n g = p o t e n t i a ) , S o h n (X6yo<; •— s a p i e n t i a ) u n d Geist ( G e m ü t h = amor) g l i e d e r t e n , w a s z w a r u n h a l t b a r i s t , j e t z t aber exsolutorisch v o n der n e u e n P h i l o s o p h i e r i c h t i g g e d e u t e t w e r d e n k a n n , d a d i e P s y c h o l o g i e G o t t e s eben die U n t e r s c h e i d u n g der drei w i r k l i c h e n F u n c t i o n e n des Geistes forderte.

(31)

X X V I I I

K i r c h e ist, muss sich nun freilich recht tingesellig und unver­

träglich a u s n e h m e n , so d a s s es scheint, als w e n n die ehrlichen Philosophen um keinen P r e i s dieses Monopol a n e r k e n n e n dürften, ohne sich um alles Ansehen und alle Selbständigkeit zu bringen.

Allein die D i n g e sehen oft schlimmer a u s , als sie sind. D e r P h i l o s o p h , der die Geschichte seiner "Wissenschaft k e n n t , wird unmöglich v e r k e n n e n , d a s s in der T h a t kein vorchristlicher Philosoph die I d e e n , durch welche die Offenbarung des E v a n ­ geliums ihre M e t a p h y s i k , E t h i k und Philosophie der Geschichte a u s g e d r ü c k t h a t , auch nur von fern in seinem S y s t e m e besitzt u n d , ohne sein System zu zerstören, besitzen könnte. E s ist deshalb ein einfacher Act der Gerechtigkeit und der Sach- k e n n t n i s s , w e n n m a n d e n Theologen diesen ihren P r i o r i t ä t s ­ a n s p r u c h offen z u g e s t e h t

E i n e a n d r e Sache freilich w ä r e es, w e n n die Theologie noch j e t z t d e r Philosophie gegenüber d a s Monopol zum Vertrieb d e r überkommenen W a h r h e i t aufrecht erhalten wollte. D e n n die W a h r h e i t der evangelischen Offenbarung ist nun einmal mit Macht tiberall verbreitet w o r d e n u n d , wenn m a n auch einräumt, d a s s nur ein C h a r a k t e r wie Columbus im S t a n d e gewesen w ä r e , bis zur neuen W e l t d u r c h z u d r i n g e n , so g e t r a u t sich doch j e t z t j e d e r kleine Schiffscapitän und Steuermann den W e g dahin zu finden. Ich glaube darum, d a s s die Theologie, da sie nicht, wie Schelling meinte, eine Mysterienlehre ist, sondern von j e h e r offen P r o p a g a n d a gemacht hat, nicht m e h r auf ein Monopol d e r W a h r - heitserkenntniss Anspruch machen darf, sondern die Philosophie völlig freigeben muss, d a ein J e d e r n a c h seinen Kräften d a s zu sehen suchen wird, worauf die Offenbarung aufmerksam g e m a c h t hat. D a h e r k a n n in dieser Beziehung zwischen einem Theologen und einem Philosophen g a r kein Unterschied sein; m a n müsstc sonst b e h a u p t e n , d a s s ein vernünftiger Mensch diese durch die Offenbarung gezeigten D i n g e g a r nicht sehen k ö n n t e , sondern d a s s sie nur durch den sogenannten Glauben erblickt w ü r d e n ;

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