A670 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 10⏐⏐9. März 2007
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a waren sie wieder, die Lem- minge. Ende Februar – die Börsenwelt schien nach wie vor rosa eingestäubt – kam unversehens die Meldung über die Ticker, in China sei die Börse um acht Prozent gefal- len. Plötzlich machte sich Panik breit, global versteht sich, erst in Japan, dann in Europa, abends in den USA. Der DAX fiel in nur wenigen Stunden um gut 300 Punkte. Bloß raus aus dem Markt – koste es, was es wolle.Als Tags darauf der Dow-Jones nochmals in die Knie ging, erwarte- ten die Marktteilnehmer einen wei- teren DAX-Abstieg um 200 Punkte, zum Ende der Börsensitzung betru- gen die Verluste am letzten Mitt- woch des Februar nur rund 1,5 Pro- zent, per Saldo aber erlitten viele Anleger in nur ein paar Tagen zum Teil zweistellige Verluste.
An solchen Tagen zeigt sich übri- gens die Sinnlosigkeit einer Stop- Loss-Order. Vorweg: Persönlich hal-
te ich eh nichts von solchen Ver- kaufsmarken. Mathematisch gesehen ist das Setzen eines Stop-Loss ziem- lich unsinnig, denn die Wahrschein- lichkeit, dass bei einem Stop-Loss von 11,80 Euro die Aktie genau wie- der nach oben dreht, ist exakt so groß wie die Möglichkeit, dass der Wert bei 10,80 oder 12,80 dreht.
Wenn aber bei einem sehr schwa- chen Börsenauftakt jemand eine Stop-Loss-Order im Markt hat, ist die Gefahr, dass er dann richtig
„abrasiert“ wird, riesengroß. Im Ver- trauen hat mir ein Banker erzählt, dass am Tag des großen Sturzes Stop-Orders in Massen und weit un- ter den Marken ausgeführt wurden.
Ein Wert mit einem Stop-Kurs von 38 Euro (Vortageskurs 40 Euro) eröffnete beispielsweise mit 32 Euro und wurde auch prompt so verkauft.
Hätte der Anleger die Nerven be- wahrt und keinen Stop-Kurs gesetzt, wäre er am Ende der Börsensitzung mit einem Kurs von 37 Euro glimpf-
lich davongekommen. Wenn ich von einem Wert wirklich überzeugt bin, brauche ich auch kein Stop-Loss.
Warum zwischen der Entwick- lung eines chinesischen Index und dem Marktwert deutscher Aktien, die binnen Stunden etliche Milliar- den weniger wert waren, ein ursäch- licher Zusammenhang bestehen sollte, mag sich dem kundigen Be- trachter von vorneherein nicht ohne Weiteres erschließen. Es gibt ihn auch nicht. Aber danach fragt kei- ner, wenn Hysterie die Herrschaft über die Vernunft erklommen hat.
Wer aber von vorneherein die Risikofaktoren (Iran, Ölpreis, nicht mehr so stark steigende Unterneh- mensgewinne, Zinsen) in seine Be- trachtung einschließt, wird auch künftig solche Kursrückschläge mit einkalkulieren und direkt ein defen- siveres Portfolio mit einem gewich- tigen Kassenanteil fahren. Die Bör- se ist eben keine Einbahnstraße. Sie ist es nie gewesen. I BÖRSEBIUS