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Archiv "Biomarker: Plausibilität und Korrelation allein reichen nicht aus" (05.10.2007)

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A2704 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 40⏐⏐5. Oktober 2007

M E D I Z I N R E P O R T

B

iomarker hatten vor zehn Jah- ren schon einmal Hochkon- junktur. Damals stand die Entschlüs- selung des menschlichen Genoms be- vor. Es war die Rede vom gläsernen Menschen, von der prädiktiven Me- dizin, der Individualisierung der The- rapie und den vielen an den Ursachen ansetzenden Therapien, die es bald geben werde. Dann wurde es still um die Biomarker. Jetzt stehen sie wieder im Rampenlicht. Grund genug dafür, dass die Novartis-Stiftung für thera- peutische Forschung – eine der ältesten deutschen Unternehmensstif- tungen zur Förderung praxisbezo- gener medizinischer Grundlagenfor- schung – ihr diesjähriges Symposium dem Thema Biomarker widmet und eine Bestandsaufnahme vornimmt.

Was hat sich geändert? Man ist heute eher in der Lage, aus den un-

geheuren Datenmengen sinnvolle Informationen über die molekularen Zusammenhänge abzuleiten. Die alten Krankheitsbilder werden zu- nehmend durch neue ersetzt. Es gibt nicht mehr „die Leukämie“ oder

„das Lymphom“, sondern 36 ver- schiedene Leukämien und 51 ver- schiedene Lymphome, die ein diffe- renziertes Vorgehen verlangen.

Außerdem hat sich die pharma- zeutische Industrie mit dem Gedan- ken angefreundet, ihre Zukunft nicht mehr nur in „Blockbustern“ zu suchen, sondern auch in Nischen- präparaten. Je individualisierter die Therapie ist, umso kleiner ist der Markt. An diese Tatsache mussten sich die Arzneimittelhersteller erst einmal gewöhnen.

Die Schwierigkeit, ein neues Me- dikament zu finden, die steigenden

Kosten bei der klinischen Prüfung und die vielen Wirkstoffe, die erst spät aus dem Rennen geworfen wer- den, haben die Biomarker jetzt wie- der ganz nach vorn gebracht. Man hofft, mit ihnen schneller zu ver- wertbaren Ergebnissen zu kommen als mit den klassischen Endpunkten klinischer Prüfung. Der Nachweis des krankheitsfreien Überlebens – einer der typischen Endpunkte – braucht Zeit. Das zieht die Entwick- lung in die Länge und treibt die Aus- gaben in die Höhe.

„Die Bedeutung von Biomarkern wird in der Arzneimittelindustrie un- eingeschränkt wachsen“, prognos- tizierte Dr. med. Werner Kroll, Leiter des „Diagnostics and Theranostics Program“ von Novartis Vaccines and Diagnostics (Emeryville/USA) in Nürnberg. „Biomarker geben uns die BIOMARKER

Plausibilität und Korrelation allein reichen nicht aus

Biomarker werden zunehmend als Basis einer präventiven und individualisierten Medizin gesehen. Sie müssen aber einer Reihe von Anforderungen genügen.

Biomarkersind charakteristische biologische Merkmale, die sich unter anderem in Blut und Gewebe messen lassen und auf einen normalen oder krankhaften Prozess im Körper hindeuten.

Foto:Novartis

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 40⏐⏐5. Oktober 2007 A2705

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große Chance, einen frühzeitigen Wirksamkeitsnachweis zu führen, differenziert auch nach verschiede- nen Patientenpopulationen. Wir er- sparen dem Patienten gegebenenfalls unwirksame Therapieversuche und damit dem Gesundheitswesen erheb- liche Kosten. Dies sollte schließlich auch zu einer Akzeptanz bei Zulas- sungsbehörden und Anwendungs- empfehlungen führen.“

Konsortien zur Validierung Kroll ist der Überzeugung, dass Arz- neimittel und Biomarker in Zukunft zusammen entwickelt werden und dass sich die Firmen die Validierung wichtiger Biomarker teilen werden.

In den Vereinigten Staaten haben sich zu diesem Zweck bereits erste Kon- sortien zusammengefunden.

Was sind Biomarker? Der Begriff steht für das, wovon die Medizin schon immer geträumt hat:

>das individuelle Risiko einer Erkrankung prognostizieren

>den Erfolg einer Therapie ex- akt verfolgen

>Patientengruppen, die nicht von einem Medikament profitieren, von vornherein von der Behandlung ausschließen

>eine Therapie im Hinblick auf das heikle Gleichgewicht zwischen Wirkung und Toxizität optimieren.

In der Definition der National Institutes of Health in Bethesda aus dem Jahr 2001 steht davon zunächst nichts: Biomarker sind charakteris- tische biologische Merkmale, die sich messen lassen und die auf einen normalen oder krankhaften Prozess im Körper hindeuten. Der Begriff muss aber, wie Prof. Dr. med. Gerd Schmitz vom Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin der Universität Regensburg betonte, näher spezifiziert werden.

Krankheitsbezogene Biomarker geben Auskunft darüber, ob eine Er- krankung droht, ob sie schon eingetre- ten ist oder wie sie voranschreitet. Sie stehen also für Prognose, Diagnose und Verlauf. Arzneimittelbezogene Biomarkerzeigen an, wie ein Arz- neimittel wirkt oder wie es umgesetzt wird. Außerdem besitzen die einzel- nen Merkmale eine sehr unterschied- liche Aussagekraft, was sich auch in der Begrifflichkeit niederschlägt.

Biomarker sind zunächst nur messbare Größen. Sie müssen nicht zwangsläufig eine klinische Bedeu- tung haben. Bei validierten Biomar- kern ist ein Zusammenhang mit der Erkrankung nachgewiesen worden.

Am aussagekräftigsten sind die Surrogatparameter. Sie zeigen an, ob sich die Krankheit zum Guten oder zum Schlechten wendet. Da- von gibt es, wie Prof. Dr. med. Win- fried März von „Synlab – Medizini- sches Versorgungszentrum für La- bordiagnostik“ in Eppelheim sagte, derzeit nur eine Handvoll, etwa das Cholesterin, die Viruslast bei HIV-Infektionen und der HbA1c-Wert für den Blutzucker.

Des Weiteren sagte März, dass ein Biomarker kein Ersatz für die Mes- sung des klinischen Nutzens sei und dass Plausibilität und Korrelation allein nicht genügten, um dem Bio- marker einen Platz in der Medizin einzuräumen. Dafür sei der Nachweis der Kausalität nötig. Eine Kausalität bestehe dann, wenn der Zusammen- hang zwischen der Erkrankung und dem Biomarker konsistent, kohärent und spezifisch sei, wenn er sich nicht durch etwas anderes erklären ließe, wenn es eine Dosis-Wirk-Beziehung gebe und wenn er nicht durch Varia- blen beeinflusst werde, die nichts mit der Erkrankung zu tun hätten.

Schmitz verwies zudem auf ein weiteres wichtiges Kriterium. Bio- marker müssen verlässlich sein. Sie sollen eine drohende Krankheit zu einem hohen Prozentsatz sicher vor- hersagen können und die Betroffe- nen weder in falscher Sicherheit wiegen noch durch falsch negative Aussagen verunsichern. Inzwischen kennen Wissenschaftler einige die- ser prognostischen Biomarker – bei- spielsweise zur Früherkennung von Blasenkrebs.

Die Zukunft der Biomarker sieht Schmitz ohnehin in einer Kombina- tion aus Laborparametern und mo- lekularer Bildgebung, also aus In- vivo- und In-vitro-Markern. Auch die Aktivitäten der Branche unter- streichen diese Einschätzung. Sie- mens Medical Solutions hat sich zum Beispiel in den zurückliegen- den Monaten durch gezielte Zukäu- fe zu einem integrierten Diagnos- tikunternehmen weiterentwickelt.

Deutlich machte Schmitz seine Einschätzung am Beispiel des Typ-II- Diabetes. Für diese Erkrankung gibt es mehr als 20 Endpunkte, angefan- gen bei der Retinopathie, über Nie- renschäden, Bluthochdruck, Schlag- anfall bis hin zum Herzinfarkt. Trotz gleicher Grunderkrankung sind nicht alle Typ-II-Diabetiker gleichermaßen gefährdet. Manche Endpunkte wer- den nie erreicht. Man braucht des- halb für jeden Endpunkt ein eigenes Set an Warnsignalen, mit dem sich das individuelle Risiko ableiten lässt.

Schmitz ist optimistisch, dass es die- se bald geben wird.

Stefan Endres von der Abteilung für klinische Pharmakologie der Uni- versität München unterstrich die Be- deutung der Biomarker, sagte aber auch, dass die „biochemischen Ora- kel“ nicht alles in der Medizin seien und dass bei einigen Krankheiten nach wie vor die Symptome die The- rapie bestimmen würden. Idealer- weise sollte ein biomarkerbasierter Test einfach und praktisch sein.

Surrogatparameter anerkannt Oft genug werden die Profile noch an Gewebeproben erhoben. Dabei ist nicht bei allen Krankheiten eine Biopsie akzeptabel oder möglich, um entsprechendes Probenmaterial zu gewinnen. Wünschenswert wären deshalb einfache Bluttests. In der Tat bahnen sich einige solcher Lösungen an. Es zeigt sich beispielsweise, dass Krebszellen auch im Blut vorkom- men. Ihre Zahl ist zwar gering, aber ausreichend, um DNA- oder RNA- basierte Biomarker zu finden.

Unsicher ist derzeit noch, wie die Zulassungsbehörden mit den Bio- markern umgehen werden. Aner- kannt sind die Surrogatparameter.

Prof. Dr. Karl Broich vom Bun- desinstitut für Arzneimittel und Me- dizinprodukte (BfArM) in Bonn zeigte sich überzeugt davon, dass Biomarker geeignet sind, klinische Studien zu beschleunigen und Stu- dienpopulationen besser auszu- wählen. Er verwies aber auch dar- auf, dass sie in einem kausalen Zu- sammenhang zur Erkrankung ste- hen müssen. Die wichtigste Frage für die Zulassungsbehörden ist des- halb die nach der Validierung. I Dr. rer. nat. Hildegard Kaulen

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