V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 4322. Oktober 2004 AA2907
Oberlandesgericht Düsseldorf und Bundesgerichtshof hat- ten dem Europäischen Ge- richtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob nach Artikel 81 Absatz 1 im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) die Spitzenverbände der ge- setzlichen Krankenkassen Un- ternehmen sind. Unklar war auch, ob die Wettbewerbsvor- schriften des EG-Vertrags Kassen hindern, Arzneimit- tel-Festbeträge festzusetzen.
Nach Auffassung des Eu- ropäischen Gerichtshofs sind Unternehmen im Rahmen des Wettbewerbsrechts alle eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheiten, unab- hängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzie- rung. Die Krankenkassen in Deutschland wirkten dage- gen an der Verwaltung des Sy-
stems der sozialen Sicherheit mit. Sie nähmen insoweit eine rein soziale Aufgabe wahr, die auf dem Grundsatz der Soli- darität beruhe und ohne Ge- winnerzielungsabsicht ausge- übt werde. Besonders hervor- zuheben sei, dass die Kassen gesetzlich verpflichtet sind, ihren Mitgliedern im Wesent- lichen gleiche Pflichtleistun- gen anzubieten, und zwar un- abhängig von der Beitrags- höhe. Die Kassen könnten so- mit auf diese Leistungen kei- nen Einfluss nehmen. Sie sei- en zudem in einer Art Soli- dargemeinschaft zusammen- geschlossen, die es ihnen er- mögliche, untereinander ei- nen Kosten- und Risikoaus- gleich vorzunehmen. Sie kon- kurrierten somit im Kern we- der miteinander noch mit privaten Einrichtungen. Die Möglichkeit, Beitragssätze fest- zusetzen und sich einen ge- wissen Wettbewerb um Mit- glieder zu liefern, zwinge nicht zu einer anderen Be- trachtung. Da ihre Tätigkeit nicht wirtschaftlicher Art ist, sind Krankenkassen keine
Unternehmen im Sinne der Artikel 81 und 82 EG. So- mit findet europäisches Wett- bewerbsrecht keine Anwen- dung. (Europäischer Gerichts- hof, Urteil vom 16. März 2004, Az.: Rechtssachen C- 264/01, C-306/01, C-354/01 und
C-355/01) Be
Krankenkassen
Risikostrukturausgleich ist zulässig.
Mit dem Gesundheitsstruk- turgesetz ist 1994 der Risi- kostrukturausgleich (RSA) in Vorschriften des Sozialge- setzbuchs eingeführt worden.
Dadurch sollte eine gerechte- re Beitragsbelastung der Ver- sicherten erreicht und Wett- bewerbsverzerrung zwischen den Krankenkassen abgebaut werden. 2002 belief sich das Ausgleichsvolumen auf fast 15 Milliarden Euro.
Gegen diese Ausgleichs- zahlungen hatten Betriebs- krankenkassen Verfassungs-
beschwerde erhoben. Das Bun- dessozialgericht erklärte die entsprechenden RSA-Beschei- de des Bundesversicherungs- amts als rechtmäßig. Auch das Bundesverfassungsgericht kommt zu dem Ergebnis, dass der RSA verfassungsrechtlich zulässig ist.
Die Regelungen verwirk- lichten ein zentrales Struk- turprinzip der Gesetzlichen Krankenversicherung, näm- lich den Solidargedanken.
Der Gesetzgeber habe mit der RSA-Einführung und der Wettbewerbsfreiheit keine pri- vatrechtlichen Handlungsspiel- räume für Kassen eingeräumt, sondern eine öffentlich-recht- liche Organisationsentschei- dung für die Erledigung öf- fentlicher Aufgaben getrof- fen. Der EuGH hat die Vor- schriften des europäischen Wettbewerbsrechts für un- anwendbar gehalten. Somit verstößt der RSA weder ge- gen Verfassungs- noch gegen europäisches Recht. (Bundes- verfassungsgericht, Beschluss vom 9. Juni 2004, Az.: 2 BvR 1248/03 und 2 BvR 1249/03)Be
Wettbewerbsrecht
Krankenkassen sind keine Unternehmen.
Rechtsreport