Die Information:
Bericht und Meinung AUS EUROPA
ÖSTERREICH
Ein Minister tanzt
aus der Sozialisten-Reihe
Österreichs Ärzte bereiten sich darauf vor, sich wieder einmal ge- gen Bestrebungen der gesetzli- chen Krankenversicherung zur Wehr zu setzen, die vornehmlich an der Arzthonorierung ansetzen will, um Kosten zu sparen. Solche Pläne werden im Hauptverband der Krankenversicherungsträger ventiliert, sind aber über das Re- ferentenstadium noch nicht her- ausgekommen. Um so überra- schender war es, daß in einer ge- meinsamen Pressekonferenz mit dem Präsidenten der Österreichi- schen Ärztekammer, Dr. Piaty, der Gesundheitsminister Erklärungen abgab, die mit der offiziellen Re- gierungspolitik kaum in Deckung gebracht werden können. Der Mi- nister ist allerdings nicht nur Mit- glied der Sozialistischen Partei, sondern auch ein Arzt, der bis zu seiner Berufung in das Minister- amt praktiziert hat. Dies waren einige der Äußerungen des Mini- sters Dr. med. Kurt Steyrer:
1985 werde damit zu rechnen sein, daß eine übergroße Anzahl von Ärzten in die Praxis dränge. Diese Äußerung des Gesundheitsmini- sters steht im krassen Wider- spruch zu allen bisherigen Erklä- rungen der Wissenschaftsministe- rin, Dr. Herta Firnberg. Der in der letzten Zeit gestiegene Kranken- stand in Österreich habe wenig zu tun mit verschärften Bedingungen am Arbeitsplatz; das Arbeitneh- merschutzgesetz von 1973 habe vielmehr die Verhältnisse sichtlich verbessert, und der höhere Kran- kenstand sei wohl eher auf das Freizeitverhalten der Österreicher zurückzuführen. Damit sagt der Gesundheitsminister das Gegen- teil dessen, was sein Kollege Ar- beitsminister Dallinger zu erklären pflegt. Und auch Unterrichtsmini- ster und Vizekanzler Sinowatz be- kam seinen Hieb: Der Gesund- heitsminister hält dessen Ent- scheidung, in den Schulen Rau-
cherzimmer einzuführen, für durchaus falsch. Und was die Ko- stenentwicklung in der Sozialver- sicherung angeht, so meinte Dr.
Steyrer: „Sparen müssen alle — man kann nicht eine Gruppe als einzelnen Buhmann hinstellen und einseitig einsparen". Dieser einzelne Buhmann — das sind die Ärzte, und damit setzte sich der Gesundheitsminister scharf von der Politik des Hauptverbandes der Krankenversicherungsträger ab, dessen Präsident Mittendörfer ebenfalls der Sozialistischen Par- tei angehört. bt NIEDERLANDE
80 Prozent Lohnfortzahlung
Die niederländische Regierung will die Lohnfortzahlung im Krank- heitsfall von bisher 100 Prozent des letzten Einkommens auf 80 Prozent reduzieren. Außerdem sollen für die ersten fünf Tage die Arbeitgeber die Lohnfortzahlung übernehmen und erst dann die Krankenkassen eintreten. EB FRANKREICH
Reform
der ärztlichen Ausbildung gestoppt
Aufgrund eines Dekrets vom 18.
August 1980 war durch den dama- ligen französischen Minister für Gesundheit und soziale Sicherheit angeordnet worden, daß von 1983 an die ärztliche Ausbildung hin- sichtlich des Abschlusses geän- dert werden sollte, um französi- schen Kollegen die Möglichkeit zu geben, eine Weiterbildung in der Allgemeinmedizin abzuschließen.
Alle damit zusammenhängenden Arbeiten sind nun jedoch von der Regierung Mitterrand eingestellt worden. Damit ist nicht abzuse- hen, wann in Zukunft in Frank- reich eine Regelung in Kraft ge- setzt werden kann, die eine geziel- te Weiterbildung in der Allgemein- medizin ermöglicht. hpb
ITALIEN
„Zeugen Jehovas"
wegen Mordes verurteilt
Ein sardisches Ehepaar ist vom Berufungsgericht der Insel Sardi- nien zu je 14 Jahren Freiheitsent- zug verurteilt worden, weil es als Angehörige der „Zeugen Jeho- vas" seinem zweieinhalbjährigen Kind Bluttransfusionen verweigert hat. Die kleine Isabella starb wäh- rend einer Bluttransfusion, die er- forderlich war, weil sie an der auf Sardinien stark verbreiteten, erbli- chen Thalassämie litt. Es ist eben- dieselbe Krankheit, wegen der die Bundesluftwaffe regelmäßig ein Flugzeug voller Blutkonserven zu ihrem Stützpunkt auf Sardinien fliegen läßt. In ihren ersten 18 Le- bensmonaten hatte Isabella die Bluttransfusionen regelmäßig er- halten, dann traten ihre Eltern den
„Zeugen Jehovas" bei und unter- ließen die Transfusionen, die ein- mal im Monat stattfinden sollten.
Die Großeltern riefen daraufhin das Gericht an, das mehrmals An- ordnungen zur Durchführung von Transfusionen erließ. Einige Male konnte es sich auch durchsetzen, dann für längere Zeit nicht mehr.
Schließlich wurde das Kind wieder einmal zwangsweise von den Carabinieri in die Klinik gebracht—
aber es war zu spät.
Der Staatsanwalt nannte die Hal- tung der Eltern qualifizierten Mord, nahm aber bereits in seinem Strafantrag auf die religiöse Über- zeugung der Eltern Rücksicht, in- dem er nur die Mindeststrafe von 14 Jahren forderte. Dem folgte das Gericht. Die Gerichtsverhandlung fand unter recht gespannten Um- ständen statt, weil eine große Zahl von Mitgliedern der „Zeugen Je- hovas" als Zuhörer anwesend wa- ren, unter ihnen auch ein kanadi- scher Rechtsanwalt, der das Urteil mit dem Wüten der Inquisition ver- glich, und der führende Geistliche der „Zeugen Jehovas" in Italien, welcher das Urteil eine „Infamie"
nannte. bt 24 Heft 13 vom 2. April 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B