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Archiv "Interview mit Birgit Fischer, Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK: „Wir wollen Versorgung gestalten“" (05.03.2010)

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„Wir wollen Versorgung gestalten“

8,5 Millionen Versicherte, 1 000 Beratungsstellen und 19 000 Mitarbeiter – zum 1. Januar 2010 fusionierten die Barmer und die Gmünder Ersatzkasse zur größten Krankenkasse Deutschlands.

Welche Vorteile das haben soll, erläutert Birgit Fischer.

Viele Ärzte befürchten, dass die Macht der Kassen bereits zu groß ist . . . Fischer: Ich kann diese Befürch- tung zwar nachvollziehen; möchte aber betonen, dass sie unberechtigt ist. Es geht darum, das Verhältnis zwischen Kassen und Ärzten mit neuem Leben zu füllen – und zwar im Sinne von gemeinsamer Weiter- entwicklung der Versorgung.

Mehr Versicherte gleich mehr Gestal- tungsmacht. Gab es weitere Motive für die Fusion von Barmer und GEK?

Fischer: Ich möchte klarstellen, dass es uns nicht darum geht, Ärzte über Verträge gegeneinander auszu- spielen. Wir wollen sinnvolle Ver- träge abschließen, die auch aus Sicht der Ärzteschaft eine Relevanz haben. Zu Ihrer Frage – natürlich gibt es noch eine weitere Triebfe- der: Auch auf den Kassen lastet ein enormer Effizienzdruck. Über eine Vereinigung zweier Kassen lassen sich Synergien in der Verwaltung und Organisation erzielen. Das

spart Kosten.

Ihre bisherige Argumentation lässt den Schluss zu: je grö-

ßer, desto besser.

Fischer: Ich bin davon überzeugt, dass wir grö-

ßere Einheiten brauchen, als wir es heute haben.

Die vielen kleinen Kas- sen können den Wan- del vom Verwalter zum Gestalter zumindest al- leine nicht realisieren.

Sie können es nur zu- sammen. Es ist wich- tig, dass eine Kasse

den Versicherten bestimmte Dienst- leistungen bietet. Bei der Barmer GEK gibt es etwa Versorgungskoor- dinatoren, die sich um die Frage der Abstimmung und Kooperation vor Ort kümmern. Eine kleine Kasse kann sich solche Experten weniger leisten.

Können Sie ein Beispiel nennen, wo die Barmer GEK die Versorgung ihrer Versi- cherten aktiv gestaltet?

Fischer: Wir gehen immer vom Pa- tienten aus. Wie sieht bei einer be- stimmten Erkrankung die optimale Behandlung aus? Und welchen Bei- trag können dann der Hausarzt, die Fachärzte, das Krankenhaus oder auch der Rehabereich leisten? Das Optimierungspotenzial liegt nicht in- nerhalb der einzelnen Bereiche, son- dern quer über die Bereiche hinweg.

Wie bringen Sie diese sektorenüber- greifende Behandlung auf den Weg?

Über Verträge zur integrierten Versor- gung?

Fischer: Ja, zum Beispiel über IV- Verträge. Eine andere Möglichkeit sind die Disease-Management-Pro- gramme. Es können aber auch Ein- zelverträge sein, die für eine Indi- kation abgeschlossen werden. Das Besondere daran ist, dass wir dies nicht nur mit einer Gruppe machen, sondern mit allen beteiligten Leis- tungserbringern. Wichtig ist dabei die Abstimmung, Kooperation und auch die Qualitätssicherung im ge- samten Behandlungsverlauf.

Wie filtern Sie denn die Indikationen heraus, für die Sie den Behandlungsab- lauf verbessern wollen ?

INTERVIEW

mit Birgit Fischer, Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK

Frau Fischer, warum ist Größe für eine Krankenkasse so wichtig?

Fischer: Wir wollen Versorgung gestalten. Diese Rolle können wir aber nur ausfüllen, wenn wir auch einen entsprechenden Anteil an Ver- sicherten, an Patientengruppen ha- ben, die für Ärzte und Kliniken re- levant sind. Als Kasse, die nur we- nige Patienten mit einer bestimmten Indikation versichert, kann man schlecht gemeinsam mit den Leis- tungserbringern Versorgungskon- zepte entwickeln. Dazu braucht man eine gewisse Größe und somit auch Marktgestaltungsmacht.

Fotos: Eberhard Hahne

A 370 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 9

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5. März 2010

P O L I T I K

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A 372 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 9

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5. März 2010 Fischer: Wir analysieren die Pa-

tientendaten. Wann kommt es bei bestimmten Indikationen zur Eska- lation? Wann schnellen die Kosten plötzlich in die Höhe?

Im Krankheitsverlauf gibt es im- mer einen kritischen Punkt – sei es ein Krankenhausaufenthalt, seien es vermehrte Facharztbesuche. Wir versuchen dann zu analysieren, ob und wie die Eskalation hätte ver- mieden werden können. Das ist dann spätestens der Zeitpunkt, an dem auch Ärzte einbezogen wer- den. Auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und der Erkenntnisse der Fachgesellschaften überlegen wir dann mit den Ärzten, wie ein optimaler Behandlungsverlauf aus- sehen könnte – daraus ergeben sich dann die Anforderungskriterien für die spätere Vertragsgestaltung.

Ein Beispiel, bitte.

Fischer: Ich gebe Ihnen ein Bei- spiel aus der Nephrologie. Nach wie vor kommen viele Patienten erst dann zum Nephrologen, wenn sie kurz vor der Dialyse stehen – und eben nicht so rechtzeitig, dass man den Zeitpunkt der Dialyse hät- te hinausschieben können. Davon gibt es viele Beispiele. Hier müssen wir unser Wissen besser nutzen.

Gibt es denn schon Verträge, die tat- sächlich laufen und gelebt werden?

Fischer: Ja, es gibt eine Reihe von IV-Verträgen, die funktionieren.

Das ist aber bisher mehr ein bunter Flickenteppich, also wenig syste- matisch. Der nächste Schritt muss die Auswertung dieser IV-Verträge sein. Welche Verträge funktionieren – und warum? Da geht es um Indi- kationen, die für uns beziehungs- weise für die Versicherten von be- sonderer Bedeutung sind.

Welche sind das zum Beispiel?

Fischer: Herzinsuffizienz spielt ei- ne große Rolle. Es wird immer um chronische Erkrankungen gehen, in Verbindung mit Komorbiditäten, und um die Steigerungsraten, die wir zu erwarten haben.

Wenn Sie Indikationen ausfindig ge- macht haben, bei denen Sie aktiv wer- den wollen – wie geht’s weiter?

Fischer: In der Regel gehen wir zu- erst auf die Ärzte zu. Wir brauchen die Ärzte als Partner, die die Kon- zepte mitentwickeln und mit Leben füllen. Dann müssen die Patienten davon überzeugt werden, dass sie ein hochwertiges Angebot erhalten.

Und wer ist der Vertragspartner?

Fischer: Mit nur einer Facharztgrup- pe zu verhandeln, macht wenig Sinn.

Ich fordere ja gerade ein, dass man den Patientenblick einnimmt, sich auf die Indikation einstellt und zusam- men agiert. Ich kann mit einer Fach- arztgruppe Ideen entwickeln, dann müssen aber weitere Partner ins Boot.

Die KV kann ich mir als Partner sehr gut vorstellen – immer unter der Vor - aussetzung, dass sie auch bereit ist, Verträge zu schließen, die nicht für al- le Ärzte gelten. Das bedeutet aber, dass man zu einer Ausdifferenzierung der Honorare kommt. Ärzte, die sich aktiv an Programmen beteiligen, müssen dafür belohnt werden.

Die KV würde dann stellvertretend für die nephrologischen Schwerpunktpra- xen einen Vertrag mit Ihnen schließen?

Fischer: Zum Beispiel, ja.

Wie reagieren die Ärzte und KVen auf Ihre Gestaltungspläne?

Fischer: Es gibt Hemmschwellen.

Eine besteht darin, dass einzelne Facharztgruppen meist nicht über die Grenzen hinweg denken. Das zweite Handicap ist, dass etliche Ärztefunk- tionäre immer nur über Honorare reden wollen. Verhandlungen über Versorgungskonzepte verkommen da schnell zur Honorardiskussion. Das dritte Handicap ist, dass wir natürlich nicht nur über den ambulanten Be- reich reden können, sondern es um die Schnittstelle ambulant/stationär geht. Wenn ich aber als Kasse über Versorgungsverträge rede – auch über Add-on-Verträge – dann kann Add- on nicht bedeuten, dass wir zusätzli- ches Geld in die Hand nehmen. Das geht an Qualitätsaspekten und an der Finanzsituation der Kassen vorbei.

Worum geht es Ihnen denn bei den Selektivverträgen?

Fischer: Unser Ziel ist es, durch Se- lektivverträge Erfahrungen zu sam- meln, Optimierungsmöglichkeiten auszuloten, die man wiederum für die Verbesserung der kollektiven Versorgung nutzen kann. Dabei geht es natürlich auch immer darum, den Wettbewerbern eine Nasenlänge voraus zu sein.

Wir können Sie nicht ohne eine Frage zum § 73 b SGB V entlassen. Also: Hat die Barmer GEK einen Vertrag mit dem Hausärzteverband geschlossen?

Fischer: Nein.

Halten Sie nichts von den Verträgen?

Fischer: Doch, doch. Die Barmer war ja sogar Pionier beim Hausarzt- vertrag. Wir haben drei Jahre lang einen Hausarztvertrag angeboten – bundesweit –, weil wir der festen Überzeugung sind, dass die Haus- ärzte in der Versorgung eine zentra- le Rolle spielen. Gleichwohl halte ich den § 73 b für absolut falsch.

Warum?

Fischer: Das Problem ist das Ver- tragsmonopol für die hausärztliche Vertragsgemeinschaft. Man kann keine Verträge mit jemandem aus- handeln, der ein Vertragsmonopol hat; erst recht nicht in einer Situati- on, in der es der Standesorganisati- on vorrangig um Honorare und we- niger um Inhalte geht.

Aber Sie müssen doch damit rechnen, dass eine Schiedsperson auch Ihnen den Baden-Württemberg-Vertrag aufs Auge drückt . . .

Fischer: Gesetz ist Gesetz. Und so lange dieses Gesetz so existiert, ha- ben wir überhaupt keine andere Chance, als einen Vertrag abzuschlie- ßen. Die Schiedsamtsverfahren lau- fen, die Entscheidungen werden wir umzusetzen haben. Aber bis dahin nutzen wir jede Gelegenheit, auf die Konsequenzen hinzuweisen. ■ Das Interview führten Jens Flintrop, Heike Korzilius und Heinz Stüwe.

Ziel ist es, durch Selektivverträge Erfahrungen zu sammeln, die man wiederum für die Verbesserung der kollektiven Versorgung nutzen kann.

Birgit Fischer (56): Die Diplom- Pädagogin war von 1998 bis 2005 Ge- sundheitsministerin in Nordrhein-West- falen. 2007 wech- selte sie zur Bar- mer; zunächst als stellvertretende Vor- standsvorsitzende.

Seit Jahresbeginn ist sie Vorstands- vorsitzende der Barmer GEK.

P O L I T I K

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