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Alles was Recht ist

Haftungsrechtlich höchste Zeit für ein Update!

Schon längst hat sich die elektronische Dokumentation in der Praxis durchgesetzt. Trotzdem werden ihre rechtlichen Vorgaben leider oft immer noch nicht ausreichend beachtet.

E

ine von Brustkrebs genesene Pati- entin befand sich in Nachbehand- lung beim Gynäkologen und stellte sich einige Tage nach einer dort unauf- fälligen Untersuchung im September 2005 beim Orthopäden wegen stechen- dem Schmerz mit Schwellung im Brust- bein vor. Ein Knochenszintigramm zeigte einen Umbauprozess des Kno- chenmaterials. Die besorgte Patientin suchte daraufhin eine radiologische Pra- xis auf, wo eine Dreiphasen-Skelettszin- tigrafie des Sternums, Ganzkörperszin- tigrafie und SPECT des Thorax erfolgten.

Der Befund resümierte eher keine Meta- stasierung, sondern einen entzündli- chen Prozess. Eine Verlaufskontrolle wurde jedoch angeraten, spätestens nach drei Monaten. Der Orthopäde nahm vorerst ein Tietze-Syndrom an und be- handelte mit Kortison, Akupunktur und Dehnübungen. Im Januar 2006 brach die Patientin die Therapie wegen anhal- tender Schmerzen ab, ein CT ergab jetzt eine Knochenosteolyse des Sternums durch krebsartigen Befall.

So sah das Gericht den Fall

Das Landgericht Bielefeld (Urt. v.

17.5.2011, Az. 4 O 80/08) wies die Klage gegen beide Ärzte ab, wenn auch mit un- terschiedlicher Argumentation. Ein Be- handlungsfehler des Gynäkologen konn- te nach der sachverständigen Beweisauf- nahme nicht festgestellt werden. Unab- hängig von der Streitfrage, ob die Klägerin hier bereits über Schmerzen und Schwellungen im Brustbereich ge- klagt hatte, sei es nachvollziehbar, nicht sofort an Knochenmetastasen gedacht

zu haben. Auch eine weitere Diagnostik wäre nicht gleich geboten gewesen, weil es sich um zunächst unspezifische Be- schwerden handelte, die noch dazu in ei- nem für eine Metastasierung untypi- schen Bereich auftraten.

Etwas anders stellte sich die Lage für den Orthopäden dar. Zwar war auch hier die anfängliche Diagnose „Tietze-Syn- drom“ unter Berücksichtigung des radio- logischen Befundberichts nachvollzieh- bar. In Anlehnung hieran war aber nach drei Monaten eine Kontrolle geboten.

Diese konnte der (nur privatärztlich tä- tige) Orthopäde nicht selbst vornehmen oder veranlassen, er musste die Patientin aber darauf hinweisen. Ob er dies getan hatte, war streitig, die Pflichtverletzung konnte von der Patientin letztlich aber nicht bewiesen werden, da sich in der Dokumentation Notizen über die Not- wendigkeit weiterer Abklärung fanden.

Die Einträge waren nicht zu widerlegen, auch nicht nach Anhörung der Parteien, obwohl sie elektronisch festgehalten wa- ren und verschiedene Ausdrucksvarian- ten existierten. Letzteres erklärte der Be- klagte mit der Möglichkeit seiner EDV, je nach Anforderung und Adressat gege- benenfalls nur selektive Informationen ausdrucken zu können.

Was bedeutet das Urteil für den klinischen Alltag?

In Arzthaftungsprozessen kommt der (elektronischen) Dokumentation zentra- le Bedeutung zu, weshalb es nicht über- rascht, dass sie regelmäßig vehement an- gegriffen und in Frage gestellt wird. Dies betrifft ihre Vollständigkeit ebenso wie

Vorwürfe nachträglicher Änderung. Ihr Beweiswert ist aber schon beeinträchtigt, wenn nachträgliche Änderungen entge- gen § 630f Abs. 1 S. 2 u. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gar nicht erst erkenn- bar wären. Hiermit ist gemeint, dass zu- mindest systemseitig aus den Metadaten ersichtlich sein muss, wann welcher Ein- trag getätigt und eventuell verändert wurde. Selbst wenn also keine Änderung an der Dokumentation erfolgt ist, diese Gewähr aber technisch nicht bestünde, käme einer elektronischen Dokumenta- tion leider nicht mehr volle Indizwir- kung zu, dass in ihr festgehaltene Maß- nahmen wie dokumentiert erfolgt sind.

Soweit der Arzt nicht noch anderweitig sein Handeln beweisen kann, bliebe er dann unter Umständen in relevanten Punkten des Rechtsstreits beweisfällig, wie nun im April der Bundesgerichtshof (BGH) aktuell geurteilt hat (Urt. v.

27.4.2021, VI ZR 84/19); zumal diese Verpflichtungen aus der Berufsordnung ohnehin längst galten. Ein Anruf beim IT-Betreuer, ob die eigene EDV die Vor- gaben gewährleistet, ist daher mehr als zu empfehlen.

Dr. Martin Sebastian Greiff, Mag. rer. publ.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, Partner der Kanzlei Ratzel Rechtsanwälte

Romanstraße 77, 80639 München www.ratzel-rechtsanwaelte.de

©Martin S. Greiff

Dr. Martin Sebastian Greiff stellt in dieser Rubrik gerichtliche Entscheidungen aus dem Bereich der Gynäkologie und Geburtshilfe vor.

66 gynäkologie + geburtshilfe 2021; 26 (5)

Praxis konkret

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