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Anmerkungen zur Untersuchung „Alterssicherung in Deutschland“1

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Anmerkungen zur Untersuchung „Alterssicherung in Deutschland“

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Heute wurde die Untersuchung „Altersvorsorge in Deutschland 2005“ (AVID- Untersuchung) der Deutschen Rentenversicherung Bund und des Bundesministeri- ums für Arbeit und Soziales auf dieser Tagung zur Diskussion gestellt. Hierzu möchte ich einen Beitrag leisten.

Derart komplexe Studien beruhen auf einer Vielzahl von Annahmen, die letztlich das Ergebnis bestimmen. Ich beschäftige mich daher zunächst mit grundlegenden An- nahmen.

1. Zum Erhebungsdesign:

Die Erhebung wurde nur bei Deutschen der Geburtsjahre 1942 bis 1961 sowie ihren Ehepartnern – unabhängig von deren Nationalität durchgeführt. Die hochgerechnete Anzahl der auf diese Weise erfassten Ausländer beträgt rund 338.000. Dies bedeu- tet, dass der größte Teil der Ausländer aus diesen Altersjahrgängen nicht erfasst wurde. Diese Studie ist also nicht repräsentativ für die gesamten Altersjahrgänge. Da gerade bei der Gruppe der Ausländer unterdurchschnittliche Anwartschaften zu ver- muten sind, werden also die künftigen durchschnittlichen Nettoeinkommen der Alten und auch die Altersarmut unterschätzt; denn es ist kaum zu erwarten, dass diese Personen wieder alle zurückwandern.

Es ist für einen Außenstehenden nicht abzuschätzen, ob das von Infratest zur Stich- probenauswahl verwendete „Access-Panel befragungsbereiter Haushalte“ auch nur

1 Vortrag gehalten auf der Tagung der Hans-Böckler-Stiftung und des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Thema „Sozialpolitische Herausforderungen in der Alterssicherung gestalten“ im Workshop I. AVID im Detail in Berlin am 22.11.2007.

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für die Deutschen repräsentativ ist. Ich habe jedenfalls keinen Repräsentativitätstest gefunden. Dieser Punkt muss also offen bleiben.

2. Zu den methodischen Annahmen bei den Modellrechnungen

Es wird unterstellt, dass alle Personen erst mit 65 in Rente gehen. Außerdem gibt es eine Alternativrechnung für einen allgemeinen Renteneintritt mit 67 Jahren. Es gibt in dem Modell neben den Altersrenten nur Renten wegen verminderter Erwerbsfähig- keit. Dieses Risiko, das auch nicht manipulationsfrei ist, ist besonders schwer über lange Zeiträume abzuschätzen. Vorgezogene Renten mit Abschlägen, die insbeson- dere für Hartz IV-Empfänger zu befürchten sind, lassen ebenfalls die durchschnittli- chen Nettorenten als zu hoch erscheinen. Hiermit wird auch das Risiko der Altersar- mut unterschätzt.

Die im Zeitablauf zunehmende Rentenbesteuerung nach dem Alterseinkommens- steuergesetz wird vernachlässigt. Daher werden die durchschnittlichen Nettorenten zu hoch ausgewiesen. Dies kann auch nicht damit begründet werden, dass die we- gen der nachgelagerten Besteuerung während der Erwerbsphase eintretende Steu- erersparnis ebenfalls nicht berücksichtigt wird. Denn dies würde unterstellen, dass diese Steuerersparnis privat angespart wird, um dann zur Deckung der zusätzlichen Steuerlast im Alter zu dienen.

Die Beiträge zur Gesetzlichen Krankenversicherung und insbesondere zur Gesetzli- chen Pflegeversicherung werden auf dem gegenwärtigen Niveau konstant gehalten.

Diese Annahme ist angesichts der steigenden Gesundheits- und Pflegeausgaben unrealistisch. Bei realistischeren Annahmen würden die künftigen Nettorenten niedri- ger ausgewiesen.

Wohnen im eigenen Haus oder in der eigenen Wohnung sowie mietfreies Wohnen bei Verwandten wird nicht berücksichtigt. Da die Hausbesitzerquote bei der alten Be- völkerung weit über 50 % liegt und die jüngeren Jahrgänge in absehbarer Zeit durch eigenen Hauserwerb und durch Erbschaft zusätzlich in den Besitz von Immobilien kommen werden, wird durch diese Vernachlässigung das künftige Nettoeinkommen

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der Rentner unterschätzt. Dies betrifft aber eher die besser situierten Rentner. Auf die Altersarmutsquote dürfte es kaum Einfluss haben.

3. Zur Interpretation der Studie

Die in den Vordergrund gerückte und als Standardperspektive (oder Basisvariante) gekennzeichnete Variante entspricht - entgegen dem, was der Name sagt - nicht der gegenwärtig gültigen Rechtslage, weil sie den Nachhaltigkeitsfaktor nicht berücksich- tigt. Sie daher eine Reformrückgängigmachungsvariante. Ergebnisse dieser Stan- dardperspektive nehmen jedoch den weitaus größten Raum in dieser Studie ein. Die- se Ergebnisse können nicht als Vorausschätzung der tatsächlichen durchschnittli- chen Rentenhöhen und Nettoeinkommen der betrachteten Kohorten angesehen werden. Es besteht daher die Gefahr, dass diese Variante die öffentliche Diskussion dominiert. Die Presse hat auf Basis der gestrigen Pressekonferenz der deutschen Rentenversicherung Bund nur über diese irrelevante Variante geschrieben. Außer- dem werden sich Politiker, die diese so genannte Basisvariante ihren Aussagen über die künftige Entwicklung der Alterssicherung zugrunde legen, dem Vorwurf eines bewussten Täuschungsversuchs aussetzen. Auch kann diese Variante nicht als In- formationsgrundlage für künftige Eingriffe in das Gesetzliche Rentensystem dienen – z. B. für die bereits öffentlich geforderte weitere Hinausschiebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters.

Vergleiche sind nur mit einem Entwicklungspfad sinnvoll, der die heute bereits einge- führten Regelungen grundsätzlich berücksichtigt. Dies ist die so genannte Teilhabe- perspektive der Anwartschaftsberechnung in Kapitel 10. Bei ihr werden die erwarte- ten Rentenwerte der tatsächlichen Zugangsjahre unter Berücksichtigung des Nach- haltigkeitsfaktors und der dadurch verursachten Senkung des Rentenniveaus zugrunde gelegt. Dabei wird auch die wirkungsgleiche Übertragung dieser Kürzung auf die anderen Alterssicherungssysteme unterstellt.

Es muss auch darauf hingewiesen werden, dass bei Sensitivitätsrechnungen für ein- zelne Parameter, die nicht genau abzuschätzen sind, der Vergleichspfad die Teilha- bevariante verwendet werden muss.

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In der Studie werden in Abschnitt 3.1. bis 3.5. vielfältige Ergebnisse über Rentenhö- he und Nettoeinkommen der verschiedenen Kohorten präsentiert. Die in den Abbil- dungen präsentierten Ergebnisse beruhen jedoch auf der Standardperspektive, bei der zum Vergleich der gegenwärtige Rentenwert mit den zur Zeit bestehenden Un- terschieden zwischen West- und Ostdeutschland als Multiplikator für die erworbenen Entgeltpunkte unterstellt wird. Dies bedeutet, dass der in Zukunft wegen des Nach- haltigkeitsfaktors von Kohorte zu Kohorte relativ sinkende Rentenwert nicht einbezo- gen wird. Damit werden die Unterschiede zwischen den Kohorten – die jüngeren Ko- horten werden jeweils schlechter gestellt als die älteren – verwischt. Auch die Unter- schiede im Rentenniveau zwischen West und Ost werden als konstant unterstellt.

Insgesamt gesehen werden also die Ergebnisse zu günstig ausgewiesen, und zwar umso mehr je jünger die Kohorten sind. Auch bei dieser zu günstigen Variante ist bei den Männern bereits ein relativer Rückgang ihres Nettoalterseinkommens um 6 % zu erwarten (Abb. 3-10), während bei den Frauen ein Aufwärtstrend von 7 % vorherge- sagt wird. Der Hauptgrund für diesen Rückgang sind die Zeiten der Arbeitslosigkeit.

Da sich die Simulation der Arbeitslosigkeit auf die Stützperiode von 1991 bis 2002 bezieht, in der eine besonders hohe Arbeitslosigkeit herrschte - insbesondere im Os- ten – könnten diese Ergebnisse etwas zu ungünstig sein. Einige Hinweise hierzu fin- den sich in der Studie. Daher wird zusätzlich eine Alternativrechnung mit einer güns- tigeren Arbeitsentwicklung durchgeführt.

In einer weiteren Alternativrechnung (3.5.2) wird die Rente mit 67 simuliert. Dabei steigen die Renten natürlich etwas an. Dies gilt aber nur, weil unterstellt wird, dass alle bis zu 67. Lebensjahr arbeiten und daher abschlagsfrei in Rente gehen können.

Dies ist wenig realistisch.

Nach dem vorher Gesagten sollte klar sein, dass alle diese Ergebnisse unbrauchbar sind, sofern man eine Rückgängigmachung der Rentenreformen ausschließt. Denn der Nachhaltigkeitsfaktor und die so genannten Riesterabschläge müssen einbezo- gen werden. Dies geschieht in der Teilhabeperspektive, die nur in Kapitel 10 auf 6 Seiten von insgesamt 276 Seiten diskutiert wird, aber eigentlich das gesamte Gut- achten dominieren sollte. Um dies zu zeigen, zitiere ich das Hauptergebnis aus der Zusammenfassung sinngemäß: (S. 62)

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Die jüngste Kohorte (geboren 1957 bis 1961) der Männer in den alten Ländern ver- fügt unter Berücksichtigung der GRV-Niveausenkung und auf Basis der empirischen Riesterquoten nur über 88 % des Nettoeinkommens der ältesten Kohorte(1942- 1946). Wenn man eine günstigere Arbeitsmarktentwicklung unterstellt, sind es 90 %.

Dies sind nochmals 6 Prozentpunkte weniger als in der Basisperspektive. Wenn ein Verbreitungsgrad der Riesterrente von 50 % und der von Lebensversicherungen mindestens zu leistende Zinssatz von 2,75 % unterstellt wird, liegt der Anteil der jüngsten Kohorte im Vergleich zur ältesten um 3 Prozentpunkte höher. Nur bei der völlig unrealistischen Annahme einer 100 %igen Verbreitung der Riester-Rente wür- den die Unterschiede zwischen den Kohorten ungefähr ausgeglichen.

Bei den Frauen verschwinden die Unterschiede zwischen den Kohorten infolge der von Kohorte zu Kohorte steigenden Erwerbsbeteiligung weitgehend. In den neuen Ländern ist wegen der größeren Bedeutung der GRV-Renten sogar eine noch etwas stärkere Wirkung der Niveausenkung zu erwarten.

Hiermit habe ich die wichtigsten auf Durchschnitte bezogene Ergebnisse referiert.

Viele der Detailergebnisse, die für die Standardvariante berechnet wurden, sind für die Teilhabevariante nicht verfügbar, obwohl dies eigentlich der relevante Bezugs- punkt ist. Die Schlussfolgerung muss lauten: Alle Detailberechnungen müssen auf Basis der Teilhabeperspektive ebenfalls durchgeführt werden.

4. Zur Problematik der Altersarmut

Armut muss relativ gesehen werden, und zwar als eine zu große Abweichung nach unten vom mittleren Lebensstandard. Andernfalls ist eine minimale Teilhabe an der Gesellschaft nicht möglich. Dies wird auch durch die von der EU festgelegte Armuts- grenze von 60 % des Medians der Nettoäquivalenzeinkommen zum Ausdruck ge- bracht. Gleichzeitig bedeutet dies, dass die Armutsgrenze ungefähr in gleichem Ma- ße wie die Nettoeinkommen ansteigt, während die Renten wegen des Nachhaltig- keitsfaktors schrittweise immer weiter zurückbleiben. Wenn die relative Senkung der GRV-Renten nicht voll durch die Riester-Rente und andere zusätzliche Altersein-

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kommen ausgeglichen wird, muss die Altersarmut ansteigen. Bei der so genannten Teilhabevariante sinken die Nettoeinkommen der Alten aber relativ, selbst wenn man in einer optimistischen Variante einen Verbreitungsgrad der Riester-Rente von 50 % unterstellt. Eine 100 %-Inanspruchnahme ist ohne Obligatorium völlig unrealistisch.

Hinzu kommen alle die genannten Punkte, die generell zeigen, dass die Ergebnisse auf zu günstigen Annahmen beruhen. Daher muss man mit höchster Wahrschein- lichkeit erwarten, dass es zu einem beträchtlichen Anstieg der Altersarmut kommen wird.

In dem Gutachten gibt es keine direkten Aussagen zur Entwicklung der Altersarmut auf Basis der EU-Armutsgrenze. Man findet nur Aussagen nach Einkommensklassen (Tab. 6.1 ff) und in Bezug auf das unterste Quintil. Aber das unterste Quintil enthält immer 20 % aller Personen. Wer davon arm ist oder mit zunehmendem Wirksam- werden in Armut fällt, kann damit nicht festgestellt werden. Eine Veränderung der Armutsquote und eine zunehmende Inanspruchnahme der bedarfsorientierten Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung lässt sich also nicht ableiten.

Außerdem beziehen sich diese Analysen wieder auf die Standardperspektive mit den Rentenwerten des Jahres 2005 für alle Kohorten. Für die einzig relevante Teilhabe- perspektive gibt es diese Analyse der Einkommensschichtung und des untersten Quintils nicht, so dass man keine klaren Hinweise auf Altersarmut erhält. Dabei ist die Vermeidung von Altersarmut eines der Hauptziele eines fast flächendeckenden Pflichtalterssicherungssystems. Wenn es das nicht mehr leistet, wird es ganz schnell seine Legitimation verlieren.

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