2 Hamburg 13, Parkallee 84 / 2. M a l 1970 3 J 5524 C

Ostpreußen danken für Rettung über See am 24. Mai am Ehrenmal Laboe

Jahrgang 21 / Folge 18

Organ der Landsmannschaft Ostpreußen e. V.

2 Hamburg 13, Parkallee 84 / 2. M a l 1970 3 J 5524 C

Kapituliert Bonn jetzt vor Gomulka?

Dr. Czaja: „Unsere Außenpolitik gerät immer mehr unter die Kontrolle der Sowjetunion und in das Mißtrauen unserer Verbündeten'

C . J. N. Bonn — Die Bundesregierung hat Warschau im Rahmen der Richtlinien für S t a a t s s e k r e t ä r Duckwitz den Entwurf für einen Grenzvertrag unterbreitet. Der Ver- trag sieht, wie trotz strenger Geheimhal- tung bekanntgeworden ist, folgende Punkte vor:

1. Bonn und Warschau stellen fest, daß die O d e r - N e i ß e - L i n i e die Westgrenze Po- lens ist.

2. Die Bundesrepublik Deutschland wird das Lebensrecht der Polen in den Gebie- ten jenseits von Oder und N e i ß e achten und ihr Territorium respektieren.

3. Die v e r t r a g s c h l i e ß e n d e n Parteien kom- men ü b e r e i n , d a ß durch diesen Vertrag beiderseits bestehende V e r t r ä g e mit Dritten, insbesondere das Potsdamer Abkommen und der Deutschlandvertrag nicht berührt werden.

Als Gegenleistung für diese vertrag- lichen Zusicherungen erwartet sich die Bun- desregierung lediglich Erleichterungen für die F a m i l i e n z u s a m m e n f ü h r u n g , w ä h r e n d vordem auch von offizieller Bonner Seite die Sicherstellung der Lebensrechte der in den deutschen Ostgebieten verbliebenen Deutschen im Rahmen der schwebenden Verhandlungen angestrebt werden sollte.

Ursprünglich sahen die Richtlinien für die deutsche Verhandlungsdelegation eine G a -

rantie des derzeitigen Status an Oder und Neiße vorbehaltlich einer e n d g ü l t i g e n Re- gelung im Friedensvertrag lediglich im Rahmen eines Gewaltverzichtsabkommens vor. Das g e n ü g t e jedoch der polnischen Re- gierung nicht. V o r Beginn der neuen Ge- sprächsrunde hatte sie in offiziellen Presse- kommentaren in dringlichster Form ihr A n - sinnen b e k r ä f t i g t , ein'» vorbehaltlose, end- g ü l t i g e , vertraglich fixierte Anerkennung der O d e r - N e i ß e - L i n i e als Grenze durchzu- setzen.

Jede andere Regelung, so h i e ß es in den Kommentaren, sei als u n s e r i ö s , als „ l e e r e s Gerede", als „ V e r z ö g e r u n g s t a k t i k " , ja als

„ T ä u s c h u n g s m a n ö v e r " anzusehen. Mit dem vorstehend a n g e f ü h r t e n Vertragsentwurf ist Bonn der polnischen Regierung weiter entgegengekommen.

Vor neuen Forderungen

Die erste Reaktion in Warschau auf das neue Anerbieten war im Ton positiv, in der Sache jedoch weiterhin z u r ü c k h a l t e n d . Der neue Schritt wurde als ein Zeugnis „ernster Absicht zur Normalisierung des V e r h ä l t - nisses" bezeichnet. Mit weiteren z u s ä t z l i c h e n

Die eindrucksvollste G e d e n k s t ä t t e O s t p r e u ß e n ehrenmal in Treuburg, dem früheren Marggrabowa, ablegte, als die Heimat in Gefahr war. Bei der V Stimmen für Polen abgegeben, 28 625 in Stadt un Stadt und später auch der Kreis den Namen Treu

s nach dem Tannenbergdenkmal: Das Gefallcncn- das ein überwältigendes Bekenntnis zu Deutschland olksabstimmung am 11. Juli 1920 wurden nur zwei d Kreis für Deutschland. Daraufhin nahm 1928 die bürg an. Foto Kulessa

Forderungen Warschaus ist jedoch zu rech- nen. Nach u n b e s t ä t i g t e n Meldungen wird eine vertraglich abgesicherte Bonner A b - s i c h t s e r k l ä r u n g erwartet, wonach von deut- scher Seite auch in Friedensvertragsver- handlungen, ähnlich der Zusage der West- m ä c h t e für die Annektierung von Nord- o s t p r e u ß e n durch die Sowjetunion keine E i n w ä n d e gegen die definitive Annexion der Ostgebiete durch Polen gemacht wer- den. Weiteren Informationen zufolge for- dert Warschau in den Verhandlungen zu- zätzlich ein Verbot des Bundes der Ver- triebenen.

Mit dem Grenzvertragsangebot der Bun- desregierung ist eine ernste Lage geschaf- fen. Die Opposition hat i einer G r o ß e n Anfrage an die Bundesregierung Auskunft gefordert. Der Bundesvorstand des Bundes der Vertriebenen, der sich am Sonntag, dem 2 6 . April, in Bonn konstituierte, b e f a ß t e sich mit der neuen Situation und traf Vorberei- tungen zu entsprechenden M a ß n a h m e n . Präsident Dr. C z a j a gab unmittelbar nach Bekanntwerden des Vertragsentwurfs folgende Erklärung ab:

Treue-Spende stark beachtet

Eindrucksvolles Bekenntnis der Ostpreußen zur Heimat

H A M B U R G — V o r fünfzig Jahren bereits wollte man der Welt glauben machen, die Provinz O s t p r e u ß e n sei kein deutsches Land.

MM allen damals der Propaganda zur V e r f ü g u n g stehenden Mitteln sollte der deutsche Charak- ter unserer Heimatprovinz g e f ä l s c h t werden.

Die O s t p r e u ß e n haben in der d e n k w ü r d i g e n Volksabstimmung derartigen Versuchen eine vernichtende Abfuhr erteilt. Der deutsche Cha- rakter dieses Landes wurde für alle Welt sicht- bar und konnte nicht m i ß a c h t e t werden.

Heute, 50 Jahre s p ä t e r , wird versucht, deut- sches Land, das durch die Sieger des Zweiten Weltkrieges der Volksrepublik Polen aus- drücklich nur zur Verwaltung ü b e r g e b e n wurde, als polnisches Staatsgebiet zu e r k l ä r e n . War- schau erwartet von Bonn, d a ß die Bundesregie- rung zu dleien polnischen Forderungen ihre Zustimmung erteilt, wodurch die in Potsdam vorgesehene Friedenskonferenz ü b e r f l ü s s i g w ü r d e . . L

Der Bundesvorstand der Landsmannschaft O s t p r e u ß e n hat alle Landsleute aufgerufen, sich in dieser Stunde zu b e w ä h r e n . Dieser Aufruf zur „ O s t p r e u ß e n - T r e u e s p e n d e " hat einen über- w ä l t i g e n d e n Anklang gefunden. Seit dem Tage, da „Das O s t p r e u ß e n b l a t t " den Aufruf des Bun- desvorstandes und die E n t s c h l i e ß u n g der Ost- preußischen Landesvertretung vom 11. April i « t u v e r ö f f e n t l i c h t e , erhalten die Bundesgeschafts- stelle und die Redaktion unserer Zeitung Be- kundungen der Sympathie und der Verbunden- heit.

In u n z ä h l i g e n Briefen und Karten b e g r ü ß e n die in der Bundesrepublik lebenden O s t p r e u ß e n die Initiative der Landsmannschaft. Auf dem von der Landsmannschaft eingerichteten Spen- denkonto (Postscheckkonto 1121 Hctmburg) sind inzwischen bereits beachtliche B e t r ä g e für die

„ T r e u e s p e n d e O s t p r e u ß e n " eingegangen. Schon heute kann festgestellt werden, d a ß diese A k - tion die gleidie Zustimmung findet wie die Bruderhilfe, zu der sich die O s t p r e u ß e n zusam- mengeschlossen haben. Neben namhaften Be- t r ä g e n sind es vor allen Dingen auch jene klei- neren Spenden, oft von zwei oder fünf Mark, die, selbst Briefen b e i g e i ü g t . für den von der Landsmannschaft erstrebten Zweck bereitgestellt werden.

Die Landsmannschaft beabsichtigt, die durch die „ T r e u e s p e n d e für O s t p r e u ß e n " bereitgestell- ten Mittel a u s s c h l i e ß l i c h für den uns aufge- zwungenen Kampf gegen den Verzicht zu ver- wenden. Es geht darum, den Kampf gegen Staatsverdrossenheit, G l e i c h g ü l t i g k e i t und M i ß - achtung des Rechtes aufzunehmen und vor aller Welt zu bekunden, d a ß die O s t p r e u ß e n sich in dem gerechten Einsatz für ihre Heimat und Selbstbestimmung nicht beirren lassen. Die Landsmannschaft O s t p r e u ß e n ist tief beeindruckt von dem Widerhall, den ihr Aufruf gefunden hat. Die Zuwendungen an die Treuspende stel- len erneut unter Beweis, d a ß unsere Lands- leute auch heute wieder bereit sind, sich als P r e u ß e n zu b e w ä h r e n .

„Die Bundesregierung kann keine Grenz- v e r t r ä g e für ganz Deutschland a b s c h l i e ß e n . Dieses ist allein Sache einer dazu legiti- mierten freien Vertretung des gesamten deutschen Staatsvolkes. Die Bundesregie- rung v e r s t ö ß t auf das schwerste gegen den Deutschlandvertrag, wenn sie eine polni- sche Westgrenze feststellt oder festschreibt.

Nach Art. 7 des Deutschlandvertrages m u ß die Festlegung der Grenzen Deutsch-

lands bis zu einer friedensvertraglichen Regelung für ganz Deutschland aufgescho- ben werden. Die Bundesregierung des freien Teils von Deutschland fordert nicht die in Art. 7 vereinbarte U n t e r s t ü t z u n g der USA, G r o ß b r i t a n n i e n s und Frankreichs für die politischen Interessen ganz Deutschlands und die gerechte L ö s u n g seiner Grenzfra- gen in einem Friedensvertrag, sondern sie tut so, als ob si3 sich durch den zum Schutz der deutschen Anliegen beschlossenen Ver- trag an einem an sich von ihr gewollten Verzicht gehindert fühle.

Die Bundesregierung greift nicht nur der Entscheidung des gesamten deutschen Vol- kes über einen frei vereinbarten Friedens- vertrag in einem Zeitpunkt g r o ß e n politi- schen Ungleichgewichts vor, sondern eben- so der freien Selbstbestimmung der öst- lichen Nachbarn zu einem auch von ihnen frei vereinbarten Ausgleich mit den Deut- schen. Auf diese Weise trägt die Bundes- regierung v e r h ä n g n i s v o l l zur Festigung der sowjetischen Hegemonie über die ö s t l i c h e n Nachbarn und zu einem gewaltigen Macht- zuwachs des Ostblocks in Europa bei. Un- sere gesamte A u ß e n p o l i t i k g e r ä t immer mehr unter die Kontrolle der Sowjetunion und in das M i ß t r a u e n unserer V e r b ü n d e t e n .

Appell an Parteien

In meiner Eigenschaft als P r ä s i d e n t des Bundes der Vertriebenen appelliere ich an die demokratischen Parteien und Institutio- nen der freien Gesellschaft, die Wahrung des Grundgesetzes, der Menschenrechte, der allgemeinen Regeln des V ö l k e r r e c h t s , der Freiheit, der Selbstbestimmung und Sicher- heit des deutschen Volkes und seiner Nach- barn mit allen v e r f a s s u n g s m ä ß i g e n Mitteln zu verteidigen."

Im A n s c h l u ß an eine Sondersitzung in Bonn e r k l ä r t e der Bundesvorstand des Bundes der Vertriebenen, eine vertragliche Festschreibung des Status quo an Oder und N e i ß e sei Verrat am Selbstbestimmungsrecht und am Recht auf die Heimat. Der Bundesvorstand b e s c h l o ß rin besonderen Aktionen die Ö f f e n t l i c h k e i t ü b e r die Gefahren dieser Politik a u f z u k l ä r e n . A l s Auftakt einer Aktionswelle wird am 30. Mai in Bonn eine G r o ß k u n d g e b u n g des Bundes der Vertriebenen stattfinden.

Gedanken zum 7. Mai

H . W . — W e n n s i d i d e r F a h r p l a n nicht ä n - dert, w i r d B u n d e s k a n z l e r B r a n d t a m 7. M a i , d e m T a g e , d a v o r 25 J a h r e n d i e K a p i t u l a t i o n d e r deutschen S t r e i t k r ä f t e erfolgte, eine E r k l ä r u n g v o r d e m B u n d e s t a g a b g e b e n . S e i n M i n i s t e r i m K a n z l e r a m t , E h m k e , meinte, w o l l t e B o n n an d i e - sem D a t u m s c h w e i g e n , so „ w ü r d e d i e C h a n c e v e r t a n , gerade a n d i e s e m T a g d e n F r i e d e n s w i l - len unseres V o l k e s u n d d i e F r i e d e n s p o l i t i k d e r B u n d e s r e g i e r u n g z u m a n i f e s t i e r e n " . M a n k a n n unterschiedlicher A u f f a s s u n g d a r ü b e r sein, o b es z u e i n e r solchen M a n i f e s t a t i o n ausgerechnet dieses D a t u m s bedarf, denn s c h l i e ß l i c h h a b e n a l l e B u n d e s r e g i e r u n g e n in d e n v e r g a n g e n e n z w a n z i g J a h r e n i h r e F r i e d e n s p o l i t i k ü b e r z e u - gend unter B e w e i s gestellt.

S o l l aber a n d e m T a g e , a n d e m d i e deutschen S t r e i t k r ä f t e b e d i n g u n g s l o s k a p i t u l i e r e n m u ß - ten, gesprochen w e r d e n , so s o l l t e h i e r nicht n u r des U n h e i l s gedacht w e r d e n , das v o n H i t l e r ü b e r d i e W e l t gebrecht w u r d e . V i e l m e h r m ü ß t e auch aufgezeigt w e r d e n , w i e H i t l e r z u r M a c h t k o m m e n k o n n t e u n d w i e d e r Z w e i t e W e l t k r i e g ü b e r h a u p t erst m ö g l i c h w u r d e . D i e M a c h t ü b e r - n a h m e H i t l e r s w ä r e ohne V e r s a i l l e s ebenso- w e n i g m ö g l i c h g e w e s e n w i e d e r Z w e i t e W e l t - k r i e g o h n e d e n Pakt, d e n H i t l e r m i t S t a l i n ge- schlossen hatte.

D i e Deutschen aber, d i e i m J a h r e 1945 g l a u b - ten, v o n e i n e r D i k t a t u r befreit w o r d e n s u s e i n , d a m i t n u n w i r k l i c h e i n Z e i t a l t e r b r ü d e r l i c h e n Z u s a m m e n l e b e n s e i n g e l e i t e t w e r d e , m u ß t e n er- fahren, d a ß es z u n ä c h s t e i n m a l nicht zuletzt d a r u m g i n g , D e u t s c h l a n d a l s k o n t i n e n t a l e G r o ß - macht a u s z u s c h a l t e n . S i e m u ß t e n w e i t e r e r k e n - nen, d a ß e i n T e i l des deutschen Staatsgebietes mit s e i n e n M e n s c h e n e i n e r a n d e r e n D i k t a t u r ausgeliefert w u r d e . E s i s t u n b e s t r e i t b a r d a s V e r d i e n s t A d e n a u e r s u n d d e r v o n i h m g e f ü h r - ten R e g i e r u n g e n , d a ß d i e B u n d e s r e p u b l i k — in d i e freie W e l t eingebettet — d e m Z u g r i f f des K o m m u n i s m u s e n t z o g e n u n d e i n e freiheitliche G e s e l l s c h a f t s o r d n u n g errichtet w e r d e n k o n n t e . U m so b e d r ü c k e n d e r ist es, heute d e r T a g e s - presse e n t n e h m e n z u m ü s s e n , des K a n z l e r s S o n - derbeauftragter E g o n B a h r habe b e i s e i n e n G e - s p r ä c h e n i n M o s k a u d i e Bereitschaft d e r B u n - d e s r e g i e r u n g e r k l ä r t , „ d i e G e s e l l s c h a f t s o r d n u n g der B u n d e s r e p u b l i k z u v e r ä n d e r n , u m e i n e echte S o z i a l i s i e r u n g z u v e r w i r k l i c h e n " . W e n n schon a m 7. M a i gesprochen w i r d , s o l l t e dieses Datum e i n A n l a ß sein, d e r a r t i g e n S p e k u l a t i o n e n e i n e e i n d e u t i g e A b s a g e z u e r t e i l e n .

V o r a l l e m aber s o l l t e an d i e s e m T a g e d a r a u f h i n g e w i e s e n w e r d e n , d a ß m i t d e m 7. M a i eine Epoche n e u e n U n r e c h t s b e g a n n . D i e s e s U n r e c h t steht, w i e e i n U n i o n s p o l i t i k e r feststellte, „in k e i n e r l e i rechtlich o d e r m o r a l i s d i v e r t r e t b a r e m Z u s a m m e n h a n g m i t d e n K r i e g s e r e i g n i s s e n " .

D i e s e r 7. M a i w u r d e für M i l l i o n e n M e n s c h e n t a t s ä c h l i c h d e r „ B e g i n n v o n Gefangenschaft u n d I n t e r n i e r u n g , v o n A u s p l ü n d e r u n g u n d V e r g e - w a l t i g u n g , v o n E n t r e c h t u n g u n d V e r t r e i b u n g , v o n H u n g e r u n d T o d " . M i l l i o n e n M e n s c h e n , d i e a n d e n E i n b r u c h einer besseren Z e i t g e g l a u b t hatten, e r l e b t e n h i e r e i n e s c h m ä h l i c h e E n t t ä u - schung. V e n n des 25. J a h r e s t a g e s d e r K a p i t u l a - tion gedacht w e r d e n s o l l , d a n n m ü ß t e v o r a l l e m auf d i e Z w e i t e i l u n g unseres V a t e r l a n d e s u n d auf das d e n Deutschen v e r w e i g e r t e Recht auf Selbst- b e s t i m m u n g h i n g e w i e s e n w e r d e n .

D i e A b l e h n u n g des N a t i o n a l s o z i a l i s m u s steht a u ß e r Z w e i f e l . A b e r k e i n e m V o l k w i r d a b v e r - langt, seiner m i l i t ä r i s c h e n N i e d e r l a g e n z u g e - d e n k e n . D i e Deutschen w e r d e n am 7. M a i d a r a n d e n k e n , d a ß a n diesem T a g e e i n e D i k t a t u r ü b e r w u n d e n w u r d e . A b e r s i e w e r d e n ebenso d a r a n e r i n n e r t , d a ß e i n T e i l D e u t s c h l a n d s d e r k o m m u n i s t i s c h e n D i k t a t u r ausgeliefert ist. S i e w e r d e n aber auch d a r a n e r i n n e r t , d a ß es e i n e n 17. J u n i gegeben hat, d a j e n s e i t s d e r i n n e r d e u t - schen D e m a r k a t i o n s l i n i e e i n A u f s t a n d für d i e F r e i h e i t versucht u n d n i e d e r g e s c h l a g e n w u r d e . Es b e r ü h r t p e i n l i c h , w e n n es heute h e i ß t , des 7. M a i s o l l e i m B u n d e s t a g e n t s p r e c h e n d gedacht, der 17. J u n i d a g e g e n durch eine A r b e i t s s i t z u n g ü b e r g a n g e n w e r d e n .

H i t l e r ist tot. D e r G e i s t S t a l i n s aber lebt weiter. M i t i h m h a b e n w i r u n s a u s e i n a n d e r z u - setzen. E i n G e d e n k e n a m 7. M a i k a n n n u r e i n e A b s a g e a n jede F o r m des T o t a l i t a r i s m u s s e i n . O b b r a u n o d e r rot. D e n Blick j e d o d i n u r in die V e r g a n g e n h e i t l e n k e n , h i e ß e d i e G e f a h r e n d e r G e g e n w a r t ü b e r s e h e n u n d d i e Z u k u n f t v e r - s p i e l e n .

Politik

2. Mai 1970 /Folge 18 /Seite 2

U n s e r

KOMMENTAR

Wieder die Bensberger

Der „Benaberger Kreis", der sich sefost als eine Gruppe von maßgeblichen Katholiken verstehen will, und der seit einiger Zeit in der Bundesrepublik die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als polnischer Westgrenze propagiert, maclit wieder einmal von sicli reden. Eine Gruppe dieses Kreises machte kürzlich einen Besuch in Warschau und hat bei dieser Gelegenheit Gespräche mit der

„Pox"-Organisation geführt, von der man weiß, daß sie scharf nationalistisch einge- stellt ist. Auch sind hier ehemalige Faschi- sten und Antisemiten zu Hause Das aber konnte die Bensberger nicht stören, sich von dem Che! der Auslandsabteilung von „Pax", Dr. Stefanowicz, die „ideologisch-politische Linie" des Verbandes aufzeigen zu lassen.

Pax hat sich die Aufgabe gestellt, die Hal- tung der polnischen Katholiken zu Gunsten des atheistischen Gomulka-Regimes zu be- einflussen. Selbstverständlich haben sich die Bensberger — w i r folgen hier einer Ver- öffentlichung des „Slowo Powszechne" — er- neut für die Anerkennung der Oder-Neiße ausgesprochen, was von den Gesprächspart- nern auf polnischer Seite „mit Genugtuung"

registriert wurde.

Wir haben in mehreren Beiträgen auf das Treiben des Bensberger Kreises aufmerk- sam gemacht. Gerade in diesem Zusammen- hang scheint es uns wichtig, in der letzten Folge die Stellungnahme des Ermländerrates veröffentlicht zu haben und man kann nur wünschen, daß die katholischen Bischöfe und der Vatikan bei der klaren Haltung bleiben, die in klarem Gegensatz zu der Forderung dieses — übrigens zahlen- und potenzmäßig geringen — Bensberger Kreises steht.

Genau das . . .

Kürzlich erklärte Bundeskanzler Brandt in einer Würdigung der von ihm in Erfurt ge- führten Gespräche in einem Interview des Zweiten Deutschen Fernsehens: „Es kann sich nicht darum handeln, irgendeinen forma- len Vertrag zu unterzeichnen und so zu tun, als ob damit etwas verändert sei. Es muß darum gehen, eine reale Verbesserung des Verhältnisses zueinander zustandezubringen und dies auch formal zu bestätigen." Soweit der Bundeskanzler und soweit auch richtig.

Der anderen Seite, also den Kommunisten in Ost-Berlin, aber geht es eben nur um den formalen Vertrag, mittels dessen die der- zeitige Situation, die Existenz zweier deut- scher Staaten, „formal bestätigt' wird — nur es soll sich nichts ändern. In Bonn ist man in letzter Zeit erheblich zurückhaltender und selbst übereifrige Optimisten sind mit ihren hoffnungsvollen Prognosen vorsichtiger ge- worden.

Würde aber Bonn bereit sein, die „DDR"

anzuerkennen, so würde sich nichts än- dern. Die Mauer bliebe bestehen, die Todes- streiien, Stacheldrähte, Wachzäune durch Deutschland blieben weiterhin bestehen und den Menschen in Mitteldeutschland würde jede Hoffnung darauf genommen, daß auch für sie noch einmal Freiheit und Selbstbe- stimmung gültig werden. Freiheit und Selbst- bestimmung: genau das müssen die Ziele unserer Politik sein, wenn sie glaubwürdig bleiben will.

Natürlich Strauß . . .

Als vor einigen Jahren wieder einmal eine neue Version über die Ermordung des Dr.

Praun in Pöcking auftauchte, damit die Un- schuld der zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilten Vera Brühne, Gallionsfigur der deutschen Neobourgeoisie erwiesen werde, auftauchte und in diesem Zusammenhang der Name des damaligen Verteidigungsministers Franz Josef Strauß genannt wurde, prophe- zeiten einige wenige Publizisten, daß man am Ende Strauß selbst der Tälerschaft be- zichtigen werde. Wie üblich lächelten die Neunmalgescheiten über derartige „Über- treibungen". Inzwischen wurde die Version von der Ermordung Prauns durch Bundes- wehroffiziere als Schwindel entlarvt. Das hindert aber den linksradikalen Schreiber Ulrich Sonnemann nicht, sie neuerlich aufzu- tischen und jetzt bereits gedeckt durch den Hessischen Rundfunk und unterstützt von Müller-Meiningen jr. zum Sturmangriff auf Strauß überzugehen. Aber wozu brauchen wir eigentlich überhaupt noch Gerichte? Die Monopolpresse urteilt, und Strauß ist in je- dem Mordfall selbstverständlich der Täter.

„ W i e H e r b e r t W e h n e r , w e n n er ü b e r die D D ß - A n e r k e n n u n g spricht!"

Zeichnung .Rundschau am Sonntag"

Zitate von gestern:

„Man sollte jedoch an die Lehren der Gesdmhtt denken, ehe man Vorteile von Polen erwartet. P0len

besteht, weil Frankreich es so will. Clemenceau schuf es, um Deutschland mit einem Ring V o n

Feinden tu umgeben. Aber in der Stunde der Kru^t verließ Polen Frankreich und nahm an der Ver- gewaltigung der Tschechoslowakei teil"

D a i l y E x p r e s s , London (9. 3. 19391

„Es genügt, die Augen auf die Landkarte des neuen Europa zu werfen, um festzustellen, daß f !

nur dem Geiste der Laune, des Widerspruchs oda auch zufälligen Sympathien, wenn nicht Zufällige Diskussionen zwischen Alliierten, seine Entstehung verdankt."

J a c q u e s B a i n v i l l e , franz. Historiker

„Keine deutsche Regierung hat jemals die Ga- rantie für die Anerkennung des Status quo m

Osten gegeben, und kein deutsches Kabinett würde den Tag überleben, an dem es das täte. Der pol- nische Korridor bedeutet solange Böses für den Weltfrieden, bis die deutschen Forderungen nach Revision vor einer unparteilichen internationalen Kommission Gehör finden."

„ H a r a l d T r i b ü n e " , N e w Y o r k (19. 1. 1931)

Warschau polemisiert gegen Bonn

Polnische Massenmedien sagen bereits jetzt das Scheitern der Verhandlungen voraus

W a r s c h a u (hvp) — D i e p o l n i s c h e n M a s s e n - m e d i e n setzen die P o l e m i k gegen die B u n d e s - r e g i e r u n g v e r s c h ä r f t fort, j a sie h a b e n sogar bereits das Scheitern der westdeutsch-polnischen G e s p r ä c h e i n W a r s c h a u vorausgesagt, falls es nicht z u einer „ v ö l k e r r e c h t l i c h e n A n e r k e n n u n g der O d e r - N e i ß e - G r e n z e durch B o n n " k o m m e .

„ Z y c i e W ä r s z a w y " schrieb z. B . z u m Besuche des B u n d e s k a n z l e r s i n den V e r e i n i g t e n Staaten u n d z u seinen G e s p r ä c h e n mit P r ä s i d e n t N i x o n , W i l l y B r a n d t habe sich mit einer „ B e s c h r ä n k u n g des M a n ö v r i e r r a u m e s " seiner O s t p o l i t i k abge- funden, u n d w e n n B o n n jetzt v e r s t ä r k t v o n der

„ S e l b s t b e s t i m m u n g a l l e r Deutschen" spreche, so sei dies p r a k t i s c h „ n i c h t s als R e v i s i o n i s m u s " . W a s die F r a g e der O d e r - N e i ß e - A n e r k e n n u n g anbelange, so w o l l e der B u n d e s k a n z l e r offen- sichtlich nicht v o n d e m G e d a n k e n einer „ v o r - l ä u f i g e n A n e r k e n n u n g " l a s s e n : W e n n jedoch

diese „ S c h w e l l e der V o r l ä u f i g k e i t " nicht ü b e r - schritten w ü r d e , w e r d e „ e i n e V e r s t ä n d i g u n g mit P o l e n nicht m ö g l i c h s e i n " . W ä h r e n d des K a n z l e r b e s u c h s i n d e n V e r e i n i g t e n S t a a t e n h ä t - ten A m e r i k a n e r gefragt, w e l c h e „ V o r t e i l e " w o h l eine O d e r - N e i ß e - A n e r k e n n u n g für die B u n d e s - r e p u b l i k b z w . für d e n W e s t e n z e i t i g e n w ü r d e . D a r a u f a n t w o r t e t e „ Z y c i e W ä r s z a w y " seiner- seits: „ P o l e n w i r d n i e m a n d e m e i n e n P r e i s für die A n e r k e n n u n g seiner W e s t g r e n z e n z a h l e n . "

Das P a r t e i z e n t r a l o r g a n „ T r y b u n a L u d u "

schrieb, die B u n d e s r e g i e r u n g habe W a r s c h a u g e g e n ü b e r n u r eine „ P o l i t i k der W o r t e u n d des s c h ö n e n Scheins" b e t r i e b e n . Sie w o l l e G e w a l t - v e r z i c h t s a b k o m m e n a b s c h l i e ß e n , aber sie w e i - gere sich, d e n Status quo i n E u r o p a e n d g ü l t i g a n z u e r k e n n e n . So e r w e c k e sie n u r d e n A n - schein e i n e r „ A u s s ö h n u n g mit d e m O s t e n " , lasse aber die G r u n d p r o b l e m e offen, z u d e n e n

Ernste Warnung der Opposition

Wiedervereinigungs-Institute sollen umfunktioniert werden

Der erst k ü r z l i c h v o n O s t - B e r l i n unter kräf- t i g e n p o l i t i s c h e n B e s c h u ß genommene „ F o r - schungsbeirat für die W i e d e r v e r e i n i g u n g Deutschlands" s o l l als A u f t r a g s o r g a n des B u n - d e s m i n i s t e r i u m s für innerdeutsche B e z i e h u n g e n neue F u n k t i o n e n e r h a l t e n . M i t einer diesbe- z ü g l i c h e n S i t z u n g ist — w i e w i r aus der Spitze des M i n i s t e r i u m s g e h ö r t h a b e n — f r ü h e s t e n s i m J u n i oder J u l i d. J . z u rechnen.

Z u r B e g r ü n d u n g der g e p l a n t e n neuen A u f - g a b e n s t e l l u n g e n w u r d e uns folgendes gesagt:

D i e N e u o r i e n t i e r u n g der B o n n e r D e u t s c h l a n d - u n d O s t p o l i t i k habe z w a n g s l ä u f i g zur F o l g e gehabt, d a ß auch die A u f g a b e n s t e l l u n g des Forschungsbeirates nach anderen R i c h t l i n i e n geordnet w e r d e n m ü s s e . A u c h das Institut für Gesamtdeutsche F r a g e n w e r d e i n d i e s e m Z u - s a m m e n h a n g „ u m f u n k t i o n i e r t " . Ihm s o l l e i n Z u - kunft v o r a l l e m die d o k u m e n t a r i s c h e A u s w e r - t u n g der innerdeutschen K o n t a k t e , die bisher h a u p t s ä c h l i c h v o m Presse- u n d Informationsamt der B u n d e s r e g i e r u n g v o r g e n o m m e n w u r d e , v o r - b e h a l t e n b l e i b e n .

D e r Forschungsbeirat w i r d der B u n d e s r e g i e - r u n g nicht m e h r d e t a i l l i e r t e E m p f e h l u n g e n ü b e r e i n Z u s a m m e n w i r k e n b e i d e r T e i l e Deutschlands

geben, s o n d e r n sich n u r noch auf die B e o b a c h - t u n g u n d die A n a l y s e d e r p o l i t i s c h e n , w i r t - schaftlichen u n d s o z i a l e n E n t w i c k l u n g i n d e r D D R b e s c h r ä n k e n . In der n e u e n Z i e l s e t z u n g sieht die B u n d e s r e g i e r u n g offensichtlich e i n e n p o s i t i v e n B e i t r a g zur E n t s p a n n u n g s p o l i t i k z w i - schen der B R D u n d der D D R .

S P D - F r a k t i o n s c h e f H e r b e r t W e h n e r , i n der G r o ß e n K o a l i t i o n noch F ö r d e r e r des F o r s c h u n g s - beirates, stimmt mit M i n i s t e r E g o n F r a n k e ü b e r - ein, d a ß dieses G r e m i u m i n s e i n e r A u f g a b e n - s t e l l u n g u n d auch i n der p e r s o n e l l e n Z u s a m - m e n s e t z u n g r e f o r m b e d ü r f t i g ist. In R e g i e r u n g s - k r e i s e n w i r d d a m i t gerechnet, d a ß k ü n f t i g m e h r W i s s e n s c h a f t l e r u n d T e c h n o k r a t e n z u r M i t a r b e i t h e r a n g e z o g e n w e r d e n . P o l i t i s c h e I n t e r e s s e n v e r - treter d ü r f t e n d a n n m e h r i n d e n H i n t e r g r u n d treten. U n k l a r ist noch, w e l c h e R o l l e d i e V e r - t r i e b e n e n o r g a n i s a t i o n e n s p i e l e n s o l l e n .

In K r e i s e n der p a r l a m e n t a r i s c h e n O p p o s i t i o n w i r d v o r e i n e r solchen E n t w i c k l u n g g e w a r n t . D i e P l ä n e der B u n d e s r e g i e r u n g , d e n Forschujigs- b i e r a t n u r noch als „ s t a t i s t i s c h e D a t e n v e r a r b e i - t u n g s e i n r i c h t u n g " einzustufen, b e d e u t e d e n v ö l l i g e n V e r z i c h t auf e i n e k o n s t r u k t i v e W i e d e r - v e r e i n i g u n g s p o l i t i k .

Ost-Berlin wird zusehends härter

Skepsis für die Begegnung in Kassel bleibt weiter bestehen

D i e S E D - F ü h r u n g hat i n einer o f f i z i ö s e n V e r - l a u t b a r u n g , die gerade i n O s t - B e r l i n v e r ö f f e n t - licht w u r d e , deutlich gemacht, d a ß sie auf B e - s e i t i g u n g a l l e r bundesdeutschen Gesetze, V e r - o r d n u n g e n u n d D i e n s t a n w e i s u n g e n besteht, „in denen w i d e r r e c h t l i c h e A n s p r ü c h e auf die D D R und ihre B ü r g e r " e r h o b e n w e r d e n . D a s s o l l auch für d i e j e n i g e n F ä l l e gelten, bei denen die D D R wirtschaftliche u n d f i n a n z i e l l e V o r t e i l e (z. B.

i m R a h m e n der E W G ) g e n i e ß t .

Wie andere es sehen

„Er hat Willy, statt Willi gerufen' Zeichnung aus:

„ D i e Welt"

So attackiert d i e E r k l ä r u n g u . a. e i n e D i e n s t - a n w e i s u n g des B u n d e s f i n a n z m i n i s t e r s M ö l l e r z u m Z o l l g e s e t z , w o n a c h W a r e n s e n d u n g e n , d i e aus D r i t t l ä n d e r n a n die D D R ü b e r die B u n d e s - r e p u b l i k geleitet w e r d e n , als „ i n n e r s t a a t l i c h e r Z o l l g u t v e r s a n d " z u d e k l a r i e r e n s i n d .

B e k a n n t l i c h g e h ö r t die D D R p r a k t i s c h z u m E W G - B i n n e n m a r k t , da i n d e n R ö m i s c h e n V e r - t r ä g e n festgelegt w u r d e , d a ß der H a n d e l z w i - schen der B u n d e s r e p u b l i k u n d „ d e n deutschen G e b i e t e n a u ß e r h a l b des G e l t u n g s b e r e i c h e s des G r u n d g e s e t z e s " innerdeutscher H a n d e l ist.

A u ß e n z ö l l e f a l l e n demnach für die D D R w e g . D e r f i n a n z i e l l e V o r t e i l , d e n d i e D D R d a n k die- ses Statuts g e n i e ß t , machte 1969 i m m e r h i n e i n e h a l b e M i l l i a r d e D M aus.

N a c h d e m die E r n t e a u s f ä l l e v o n 1969 d i e D D R zu M e h r i m p o r t e n v o n G e t r e i d e , K a r t o f f e l n u n d a n d e r e n N a h r u n g s g ü t e r n i n H ö h e v o n m i n d e - stens 350 M i o . V a l u t a - M a r k z w i n g e n u n d auch sonst l e b e n s w i c h t i g e L i e f e r u n g e n w i e R o h ö l , K o h l e , Erze u n d M a s c h i n e n s o w i e A u s r ü s t u n g e n fehlen, w e i l d i e S o w j e t u n i o n i h r e n d i e s b e z ü g - lichen Z u s a g e n auf G r u n d e i g e n e r S c h w i e r i g - k e i t e n nicht fristgerecht hat n a c h k o m m e n k ö n - nen, w a r v o n S a c h k e n n e r n z u m i n d e s t e i n e q r ö - ß e r e F l e x i b i l i t ä t O s t - B e r l i n s auf wirtschaft- lichem G e b i e t b e i d e n K o n t a k t g e s p r ä c h e n mit Bonn erwartet w o r d e n . W e n n es selbst h i e r nicht mehr k l a p p e n sollte, k a n n m a n n u r d ü s t e r für d i e erhofften K a s s e l e r E r f o l g e sehen

nicht n u r d i e A n e r k e n n u n g der Oder-Neiße-

„ G r e n z e " , s o n d e r n auch d i e völkerrechtliche A n e r k e n n u n g d e r „ D D R " g e h ö r t e n .

B e s o n d e r s scharf ä u ß e r t e sich die Zeitschrift

„ K i e r u n k i " , d i e d e r c h a u v i n i s t i s c h e n „Pax"- O r g a n i s a t i o n n a h e s t e h t . In e i n e m Kommentar z u r i n t e r n a t i o n a l e n L a g e w u r d e Bundeskanzler W i l l y B r a n d t i m G e g e n s a t z z u r bisherigen Ge- p f l o g e n h e i t p e r s ö n l i c h a n g e g r i f f e n : Er habe sich w i e e i n S t a r - S c h a u s p i e l e r auf d e r europäischen S z e n e i n d e n V o r d e r g r u n d gespielt und sich g e b ä r d e t , als beherrsche er die Situation; dann aber habe er sich p l ö t z l i c h auf d i e Kompetenzen der W e s t m ä c h t e i n d e r Deutschlandfrage be- rufen, w o b e i m a n sich des E i n d r u c k s nicht er- w e h r e n k ö n n e , dies w e r d e v o n i h m nur als tak- tischer V o r w a n d benutzt. A b s c h l i e ß e n d wird ii d e m „ K i e r u n k i " - A r t i k e l j e d o c h e i n g e r ä u m t , daß b e s o n d e r s L o n d o n u n t e r s t r i c h e n habe, eine An- e r k e n n u n g d e r O d e r - N e i ß e - „ G r e n z e " könne nur

„ T e i l e i n e r F r i e d e n s r e g e l u n g " s e i n . Washington u n d P a r i s a b e r s e i e n b e u n r u h i g t , d a ß Bonn eine a l l z u w e i t g e h e n d e n o l i t i s c h e Selbständigkeit e n t w i c k e l n k ö n n t e .

Ä h n l i c h ä u ß e r t e s i c h . d e r s t e l l v . C h e f r e d ^ n ' v o n „ Z y c i e W ä r s z a w y " , W o j n a , der erklärte die B u n d e s r e g i e r u n g d e r K l e i n e n Koalition habe z w a r e i n e n e u e T o n a r t g e g e n ü b e r War- schau a n g e s c h l a g e n , j e d o c h h a b e sich nun her- a u s g e s t e l l t , d a ß es sich n u r u m einen „Schwall v o n W o r t e n " h a n d e l t e , m i t d e m B o n n den Ver- such gemacht habe, i n d e r W e l t den Eindruck z u e r w e c k e n , es w o l l e d e n „ B a l l a s t der Ver- g a n g e n h e i t " a b s t o ß e n . D a s s e i aber eine „Irre- f ü h r u n g der i n t e r n a t i o n a l e n öffentlichen Mei- n u n g " g e w e s e n , d e n n i n W i r k l i c h k e i t habe sich nichts g e ä n d e r t . U n t e r m a n c h e r l e i Vorwänden

— w i e z u m B e i s p i e l d u r c h H i n w e i s auf die Pa- r i s e r V e r t r ä g e — w o l l e B o n n eine endgültige A n e r k e n n u n g der O d e r - N e i ß e - „ G r e n z e " und d e r „ D D R " v e r m e i d e n .

wbas DftprcuSmbfoii

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für Anteilen gilt Freielitt» Nr. 16

A

Aus dem Zeitgeschehen

2. Mai 1970 / Folge 18 / Seite 3

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I

s e k r e t a r des B o n n e r A u ß e n a m t e s D u c k , w i t z , w i e d e r i n W a r s c h a u , um m i t d e i p o l n i s c h e n R e g i e r u n g d i e M ö g l i c h k e i t e n e i n e i B e r e i n i g u n g des d e u t s c h - p o l n i s c h e n V e r h ä l t n i s - ses z u besprechen. D i e B e g l e i t m u s i k dieses Be- suches l ä ß t a n n e h m e n , d a ß d i e P o l e n nicht d i e A b s i c h t h a b e n , i n d i e s e m G e s p r ä c h nach a n d e r e n N o t e n z u s p i e l e n . S e h r e i n d e u t i g ist i n der p o l - nischen P r e s s e d a r g e l e g t w o r d e n , d a ß d i e G r u n d l a g e e i n e s N e u b e g i n n s d i e v ö l k e r r e c h t - liche A n e r k e n n u n g der O d e r - N e i ß e - L i n i e als p o l n i s c h e r W e s t g r e n z e s e i n m ü s s e .

M a n darf auch a n n e h m e n , d a ß g e r a d e der be- v o r s t e h e n d e 25. J a h r e s t a g der K a p i t u l a t i o n der deutschen S t r e i t k r ä f t e a m 7. M a i 1970 für die O s t b l o c k s t a a t e n e i n V o r w a n d s e i n w i r d , die K a m p a g n e g e g e n d i e B u n d e s r e p u b l i k a n z u h e i - zen u n d d i e s a t t s a m b e k a n n t e n F o r d e r u n g e n mit e r n e u t e m N a c h d r u c k i n den R a u m z u s t e l - len.

D a b e i b e g a n n dieses e u r o p ä i s c h e D r a m a k e i - n e s w e g s an j e d e m S e p t e m b e r t a g , s o n d e r n das P r o b l e m ist sehr v i e l ä l t e r u n d auch s e h r v i e l v i e l s c h i c h t i g e r , als es b e i o b e r f l ä c h l i c h e r B e t r a c h - tung erscheint. Es fehlt h i e r der R a u m , d e n h i s t o r i s c h e n A b l a u f i n d i e s e m G e b i e t e n a c h z u - zeichnen. E r i n n e r n w i r uns n u r der L e i s t u n g e n des Deutschen R i t t e r o r d e n s , dessen H e e r am 15.

J u l i 1410, n a c h d e m es d e n S i e g schon e r r u n g e n 7u h a b e n g l a u b t e , d e r Ü b e r m a c h t i n der Schick- s a l s d i l a c h t b e i T a n n e n b e r g u n t e r l a g , e i n e r der g r ö ß t e n u n d der f o l g e n s c h w e r s t e n Schlachten des M i t t e l a l t e r s .

Falscher Mythos

Es w ä r e j e d o c h v e r f e h l t , diese Schlacht mit einem n a t i o n a l e n M y t h o s z u u m k l e i d e n , d e n n hier g i n g es nicht u m e i n e n K a m p f z w i s c h e n V ö l k e r n oder g a r z w i s c h e n R a s s e n , s o n d e r n zwischen z w e i S t a a t e n , d i e p o l i t i s c h e G e g n e r w a r e n , a b e r d e r s e l b e n K i r c h e u n d d e m s e l b e n K u l t u r k r e i s a n g e h ö r t e n . D e r p o l n i s c h e n B e r u - fung auf T a n n e n b e r g steht d i e B e r u f u n g d e r Deutschen auf j e n e Schlacht v o n T a n n e n b e r g g e g e n ü b e r , d i e i m J a h r e 1914 H i n d e n b u r g schlug u n d d u r c h d i e O s t p r e u ß e n v o n d e n Russen g e r e t t e t w u r d e . E s w ä r e a b e r u n h a l t b a r , w o l l t e m a n d i e Schlacht v o n 1914 a l s e i n e s p ä t e Rache f ü r d i e N i e d e r l a g e des O r d e n s - heeres i m J a h r e 1410 d e u t e n .

N a c h d e r W i e d e r e r r i c h t u n g P o l e n s i m E r s t e n W e l t k r i e g e — h i e r f ü r z e i c h n e t e n ü b r i g e n s Deutschland u n d Ö s t e r r e i c h v e r a n t w o r t l i c h — verstand der n e u e S t a a t es, n a m e n t l i c h i n der Zeit, d a d i e R o t e A r m e e z u n ä c h s t n o c h s c h w a c h und das b o l s c h e w i s t i s c h e R u ß l a n d n o c h nicht gefestigt w a r , d u r c h „ d a s W u n d e r an d e r W e i c h - sel" den V o r m a r s c h der R o t e n A m e e auf W a r - schau zu s t o p p e n u n d i m F r i e d e n v o n R i g a w u r - den den P o l e n jene w e i ß r u t h e n i s c h e n u n d

Historische Sitzung in Versailles (7. M a i 1919): D i e deutschen A b g e o r d n e t e n v o r d e n A l l i i e r t e n (im Austausch gegen w e s t p r e u ß i s c h e s Gebiet).

7. Teile von vier niederschlesischen Kreisen, die Polen zugesprochen wurden.

A b g e s e h e n v o n g e w i s s e n T e i l e n der P r o v i n z Posen w ä r e die B e v ö l k e r u n g dieser G e b i e t e n i e - m a l s b e r e i t g e w e s e n , sich für den n e u g e g r ü n - deten p o l n i s c h e n Staat z u entscheiden. D a s D e - k r e t der S i e g e r v e r w i e s sie i n d i e s e n p o l n i s c h e n Staat, o h n e d a ß i h n e n das Recht der S e l b s t b e - s t i m m u n g i h r e s p o l i t i s c h e n Schicksals z u g e s t a n - d e n w o r d e n w ä r e .

Selbst der p o l n i s c h e M i n i s t e r p r ä s i d e n t Ignace P a d e r e w s k i (1919) w u ß t e , d a ß eine d e r a r t i g e W i l l k ü r h a n d l u n g der S i e g e r n u r z u e i n e m Z a n k a p f e l z w i s c h e n d e n D e u t s c h e n u n d d e n

len, eines Volkes, das im Laufe der Geschichte noch niemals gezeigt hat, d a ß es sich zu regie- ren versteht, dieser Vorschlag w ü r d e früher oder s p ä t e r zu einem neuen Krieg im Osten Europas führen."

N o c h i m J a h r e 1931 h e i ß t es i m S t a a t s l e x i k o n des. k a t h o l i s c h e n V e r l a g e s H e r d e r ( F r e i b u r g ) :

„ D i e Schaffung des K o r r i d o r s erfolgte, ob- w o h l das L a n d w e d e r s e i n e r geschichtlichen V e r - g a n g e n h e i t nach z u P o l e n g e h ö r t e noch der W i l - son'schen F o r d e r u n g , v o n u n b e s t r e i t b a r p o l n i - scher B e v ö l k e r u n g b e w o h n t ' z u s e i n entsprach, aus d e m r e i n m a c h t p o l i t i s c h e n G e s i c h t s p u n k t , e i n e r auf S c h w ä c h u n g D e u t s c h l a n d s a b z i e l e n d e n S t r a f m a ß n a h m e , n e b e n b e i aus der m i l i t ä r i s c h e n E r w ä g u n g , e i n e F l a n k e n s t e l l u n g z u schaffen für

r t r t f f l

Es begann nicht am 1. September 1939...

Die Ursachen der europäischen Tragödie liegen weiter zurück

u k r a i n i s c h e n G e b i e t e z u g e s p r o c h e n , d e r e r sich W a r s c h a u i n z w i s c h e n v e r s i c h e r t hatte.

W a s w a r der G r u n d für D e u t s c h l a n d u n d Ö s t e r r e i c h , a m 5 N o v e m b e r 1916 e i n p o l n i s c h e s K ö n i g r e i c h z u p r o k l a m i e r e n ? Z w e i f e l s o h n e er- hoffte m a n sich e i n e n w e s e n t l i c h e n Z u s t r o m polnischer S o l d a t e n z u m K a m p f g e g e n R u ß l a n d . A b e r d i e s e H o f f n u n g e r f ü l l t e sich e b e n s o w e n i g w i e es m ö g l i c h w a r , d i e s e m K ö n i g r e i c h e i n e R e - sonanz i m p o l n i s c h e n V o l k z u v e r s c h a f f e n . D e r bekannte A u s g a n g des E r s t e n W e l t k r i e g e s be- endete a l l e V e r s u c h e , i n e i n e m s e l b s t ä n d i g e n Polen e i n e n V e r b ü n d e t e n z u g e w i n n e n .

D a ß aber d i e s e d e u t s c h - ö s t e r r e i c h i s c h e G r ü n - dung doch B e s t a n d b e h i e l t , v e r d a n k e n d i e P o - len d e m U S - P r ä s i d e n t e n W i l s o n , d e r i m R a h - men seiner b e k a n n t e n 14 P u n k t e u n t e r a n d e r e m die E r r i c h t u n g e i n e s s e l b s t ä n d i g e n p o l n i s c h e n Staates b e f ü r w o r t e t e , der, w i e es i n P u n k t 13 der W i l s o n - E r k l ä r u n g h e i ß t , „ d i e v o n u n b e s t r e i t - bar p o l n i s c h e r B e v ö l k e r u n g b e w o h n t e n G e b i e t e umfassen s o l l , d e n e n e i n s i c h e r e r u n d freier Z u - gang z u m M e e r e g e w ä h r l e i s t e t w e r d e n s o l l " . Z w e i f e l s o h n e ist P r ä s i d e n t W i l s o n b e i d i e s e n F o r d e r u n g e n v o n d e r R ü c k s i c h t auf d i e M i l l i o - nen p o l n i s c h e r W ä h l e r i n d e n U S A b e e i n f l u ß t gewesen.

Vom Reich abgetrennt

N a c h d e m P i l s u d s k i b e r e i t s a m 11. N o v e m b e r 1918 die P o l n i s c h e R e p u b l i k a u s g e r u f e n hatte, w u r d e n i m V e r s a i l l e r V e r t r a g o h n e V o l k s a b - s t i m m u n g v o m D e u t s c h e n R e i c h a b g e t r e n n t :

1. Das Memelgebiet. Es unterstand bis 1923 alliierter Kontrolle, wurde dann von den L i - tauern besetzt und — unter Vereinbarung eines Autonomiestatus — 1924 Litauen ü b e r e i g n e t .

2. Das Gebiet von Soldau. Es wurde ohne Volksbefragung Polen gegeben.

3. Das Gebiet um Danzig. Es wurde gegen den a u s d r ü c k l i c h e n Protest der Danziger B e v ö l k e - rung in eine „ F r e i e Stadt" umgewandelt, nach- dem die weitergehende Forderung Polens, Dan- zig vorbehaltlos mit Polen zu vereinen, von dem britischen Premier L l o y d George mit dem H i n - weis auf den eindeutig deutschen Charakter der Stadt abgelehnt worden war.

4. Der g r ö ß t e Teil der Provinz Posen. Er wur- de Polen ü b e r e i g n e t .

5. Der g r ö ß t e Teil der Provinz W e s t p r e u ß e n , der im sogenannten „ P o l n i s c h e n Korridor", der den freien Zugang Polens zum Meere darstellen sollte, trennte O s t p r e u ß e n vom Reich, ohne Rücksicht auf die Ablehnung dieser aufgezwun- genen L ö s u n g durch die davon betroffene Be- v ö l k e r u n g .

^ Der ö s t l i c h e Zipfel der Provinz Pommern

P o l e n w e r d e n m u ß t e u n d er brachte h i e r z u z u m A u s d r u c k :

„In der Tat und Wahrheit hat der B e s c h l u ß der Botschafterkonferenz zwischen den zwei Na- tionen (Polen und Deutschen) einen Abgrund aufgerissen, den nichts a u s z u f ü l l e n imstande ist.

Die polnische Regierung hat eine Verpflichtung unterschrieben, die nun durchgeführt werden m u ß . . . Sie wird jedoch nie in der Lage sein, die polnische Nation davon zu ü b e r z e u g e n , d a ß dem Recht G e n ü g e geschah. Das nationale Ge- wissen ist s t ä r k e r und dauerhafter als alle Re- gierungen."

Polnische Erkenntnisse

D i e s e p o l n i s c h e E r k e n n t n i s ist s i c h e r l i c h ge- t r a g e n g e w e s e n v o n d e m W i s s e n ü b e r d i e tat- s ä c h l i c h e n V e r h ä l t n i s s e . D e n n w i e es w i r k l i c h u m d e n C h a r a k t e r der B e v ö l k e r u n g stand, z e i - g e n die E r g e b n i s s e der l e t z t e n R e i c h s t a g s w a h l i m J u l i 1932, a l s o v o r H i t l e r , als auf die p o l n i - schen P a r t e i e n e n t f i e l e n :

in O s t p r e u ß e n 0,2 P r o z e n t der S t i m m e n , i n O s t - p o m m e r n 0,03 P r o z e n t der S t i m m e n , i n O s t b r a n - d e n b u r g 0,1 P r o z e n t der S t i m m e n , i n S c h l e s i e n 0,6 P r o z e n t der S t i m m e n .

Im A u g u s t 1919 gab K o r f a n t y das S i g n a l z u m p o l n i s c h e n A u f s t a n d , dessen Z i e l es w a r , ganz O b e r s c h l e ' - i e n dem p o l n i s c h e n Staat e i n z u v e r - l e i b e n . D i e s e r A n s c h l a g w u r d e a b g e w e h r t . N a c h - d e m a m 10. J a n u a r 1920 der V e r s a i l l e r V e r t r a g i n K r a f t g e t r e t e n w a r , fanden i n O s t - u n d W e s t - p r e u ß e n a m 11. J u l i 1920 V o l k s a b s t i m m u n g e n statt.

Im o s t p r e u ß i s c h e n A b s t i m m u n g s g e b i e t s t i m m - ten 97,8 Prozent der S t i m m b e r e c h t i g t e n für D e u t s c h l a n d u n d n u r 2,1 P r o z e n t für P o l e n . Im R e g i e r u n g s b e z i r k W e s t p r e u ß e n s t i m m t e n 92,28 P r o z e n t für D e u t s c h l a n d u n d n u r 7,57 P r o z e n t für P o l e n .

Lloyd George warnt

D e r A u s g a n g des E r s t e n W e l t k r i e g e s u n d i n s b e s o n d e r e d i e h i n s i c h t l i c h P o l e n s getroffe- n e n V e r f ü g u n g e n durch d i e A l l i i e r t e n v e r a n l a ß - ten F r a n k r e i c h s b e k a n n t e n M a r s c h a l l F o c h so- gleich nach V e r s a i l l e s z u der M a h n u n g , d a ß i m P o l n i s c h e n K o r r i d o r die U r s a c h e n für den n ä c h - sten K r i e g l i e g e n w ü r d e n .

Selbst E n g l a n d s P r e m i e r L l o y d G e o r g e er- k l ä r t e w ä h r e n d der V e r s a i l l e r V e r h a n d l u n g e n :

„Ich wiederhole, d a ß wir niemals daran ge- dacht haben, Polen eine Provinz zu geben, die seit 900 Jah ren nicht mehr polnisch gewesen ist. . . Der V o r s c h l a g der Kommission, d a ß wir 2,1 Millionen Deutsche der A u t o r i t ä t eines V o l - kes mit einer anderen Religion unterstellen sui-

O s t p r e u ß e n , dessen G e w i n n u n g v o n p o l n i s c h e n P o l i t i k e r n seit 1918 offen a l s letztes Z i e l ange- fordert w i r d . "

S e l b s t der s c h w e i z e r i s c h e V ö l k e r b u n d k o m - m i s s a r für D a n z i g , C . J . B u r k h a r d t , m u ß t e fest- stellen* „ M i t Recht hat der f r a n z ö s i s c h e B o t - schafter i n B e r l i n , C o u l o n d r e , i n s e i n e n M e - m o i r e n aufgezeichnet, d a ß das deutsche V o l k sich m i t d e r R ü c k k e h r des E l s a ß an F r a n k r e i c h abgefunden habe, d a ß es i h m aber u n m ö g l i c h sei, d i e V e r s t ü m m e l u n g s e i n e r O s t g e b i e t e a n - z u e r k e n n e n . In d i e s e m P u n k t u n d z u g l e i c h auch i n d e n m i l i t ä r i s c h e n K l a u s e l n m ü s s e es das .Diktat" u m so b i t t e r e r e m p f i n d e n , als es i n i h m m e h r das E r g e b n i s eines V e r r a t e s a l s s e i n e r N i e d e r l a g e e m p f u n d e n habe. B e i d e m g a n z e n V o r g a n g scheint m a n d a m a l s v e r g e s s e n z u h a - ben, d a ß es e i n e D a n z i g e r B e v ö l k e r u n g gab (bestehend aus 96 P r o z e n t D e u t s c h e n u n d n u r 4 P r o z e n t P o l e n ) , ü b e r w e l c h e m a n , e n t g e g e n a l l e n G r u n d s ä t z e n , einfach v e r f ü g t e . "

Hitler und Polen

U n b e s t r e i t b a r r i c h t i g ist, d a ß d i e E n t w i c k l u n g nach d e m J a h r e 1933 durch das B e s t r e b e n H i t - l e r s e i n g e l e i t e t w u r d e , d i e D e u t s c h l a n d i n V e r - s a i l l e s a u f e r l e g t e n B e s c h r ä n k u n g e n z u b e s e i t i - gen. Z u n ä c h s t aber a r r a n g i e r t e sich H i t l e r auch mit P o l e n . U r s a c h e h i e r f ü r d ü r f t e die Tatsache g e w e s e n s e i n , d a ß der N a t i o n a l s o z i a l i s m u s z u - n ä c h s t d e n K o m m u n i s m u s als T o d f e i n d ansah u n d H i t l e r w o l l t e sich durch den z e h n j ä h r i g e n N i c h t a n g r i f f s p a k t , d e n er a m 24. J a n u a r 1934 m i t P o l e n s c h l o ß , das V o r f e l d g e g e n M o s k a u s i - chern. E r s t nach der L ö s u n g des tschechoslowa- k i s c h e n P r o b l e m s (woraus d i e P o l e n ü b r i g e n s i h r e n N u t z e n zogen), w o l l t e H i t l e r auch d i e z w i s c h e n D e u t s c h l a n d u n d P o l e n s t e h e n d e n F r a - g e n l ö s e n . Z u d i e s e m Z w e c k ü b e r m i t t e l t e er a m 24. O k t o b e r u n d a m 19. N o v e m b e r 1938 d e m p o l n i s c h e n Botschafter i n B e r l i n V o r s c h l ä g e , d i e sich auf d i e N e u r e g e l u n g der D a n z i g e r u n d der K o r r i d o r f r a g e b e z o g e n . D a n a c h s o l l t e D a n z i g an D e u t s c h l a n d z u r ü c k g e g e b e n w e r d e n u n d ex- t e r r i t o r i a l e E i s e n b a h n e n u n d A u t o s t r a ß e n s o l l - ten O s t p r e u ß e n m i t d e m Reichsgebiet v e r b i n d e n .

W ä h r e n d L i t a u e n am 3. A p r i l 1939 das M e - m e l g e b i e t an D e u t s c h l a n d z u r ü c k g a b , w a r d i e p o l n i s c h e R e g i e r u n g b e m ü h t , d e n durch V e r - s a i l l e s g e w o n n e n e n B e s i t z s t a n d zu e r h a l t e n . A m 31. M ä r z 1939 gab E n g l a n d der p o l n i s c h e n R e g i e r u n g d i e g e w ü n s c h t e G a r a n t i e e r k l ä r u n g für d i e s e n B e s i t z s t a n d . H i t l e r s R e a k t i o n w a r d i e A u f k ü n d i g u n g des deutsch-polnischen N i c h t a n - griffspaktes a m 28. A p r i l 1939. U n v e r k e n n b a r strebte H i t l e r n u n eine m i l i t ä r i s c h e L ö s u n g an, obwohl ihm die Tatsache, d a ß auch Frankreich

F o t o : Ullstein der G a r a n t i e e r k l ä r u n g b e i g e t r e t e n w a r . b e k a n n t w a r . D i e W e s t m ä c h t e b e m ü h t e n sich e b e n f a l l s u m d i e Z u s t i m m u n g u n d U n t e r s t ü t z u n g M o s - k a u s . M i l i t ä r m i s s i o n e n v e r h a n d e l t e n i m J u l i 1939 i n M o s k a u u n d m a n rechnete m i t e i n e m e n t s p r e c h e n d e n A b s c h l u ß .

D a ü b e r r a s c h t e n H i t l e r u n d S t a l i n d i e W e l t m i t j e n e m deutsch-sowjetischen N i c h t a n g r i f f s - u n d K o n s u l t a t i v p a k t , der a m 23. A u g u s t 1939 i n M o s k a u abgeschlossen w u r d e . Z w e i f e l s o h n e n a h m H i t l e r an, d a ß s e i n P a k t n u n d i e E n g - l ä n d e r u n d F - ? n z o s e n a b h a l t e n w e r d e , d i e G a - r a n t i e für P o l e n auch e i n z u h a l t e n . E r s t nach d e m K r i e g e w u r d e das G e h e i m p r o t o k o l l z u d i e s e m V e r t r a g b e k a n n t , i n d e m sich H i t l e r u n d S t a l i n ü b e r d i e A u f t e i l u n g P o l e n s g e e i n i g t hat- ten. I m S e p t e m b e r 1939 noch r ü c k t e d i e R o t e A r m e e i n P o l e n e i n , u m d i e G e b i e t e , d i e z w i - schen H i t l e r • u n d S t a l i n d e n R u s s e n " z u g e s p r o - chen w o r d e n w a r e n , z u besetzen.

Es stellt sich d i e F r a g e , ob S t a l i n d e n K r i e g h ä t t e v e r h i n d e r n k ö n n e n . D i e A n t w o r t g a b ' d e r G e n e r a l i s s i m u s bereits a m 19. A u g u s t 1939, als er sagte:

„ W i r s i n d absolut ü b e r z e u g t , d a ß D e u t s c h l a n d w e n n w i r e i n e n B ü n d n i s v e r t r a g m i t F r a n k r e i c h u n d G r o ß b r i t a n n i e n s c h l i e ß e n , sich g e z w u n g e n sehen w i r d , v o r P o l e n z u r ü c k z u w e i c h e n . A u f d i e s e W e i s e k ö n n t e der K r i e g v e r m i e d e n w e r - den, u n d d i e a n s c h l i e ß e n d e E n t w i c k l u n g w i r d b e i d i e s e m Z u s t a n d der D i n g e e i n e n für uns g e f ä h r l i c h e n C h a r a k t e r a n n e h m e n . A u f der an- d e r e n S e i l e w i r d D e u t s c h l a n d , w e n n w i r s e i n A n g e b o t z u e i n e m N i c h t a n g r i f f s p a k t a n n e h m e n , sicher P o l e n angreifen, u n d d i e I n t e r v e n t i o n F r a n k r e i c h s u n d E n g l a n d s i n d i e s e m K r i e g w i r d u n v e r m e i d l i c h w e r d e n .

U n t e r d i e s e n U m s t ä n d e n w e r d e n w i r v i e l C h a n c e n h a b e n , a u ß e r h a l b des K o n f l i k t e s z u b l e i b e n , u n d w i r k ö n n e n m i t V o r t e i l a b w a r t e n , b i s d i e R e i h e a n uns ist. D a s ist g e n a u das, w a s unser Interesse fordert. D a h e r ist u n s e r e E n t - s c h e i d u n g k l a r : W i r m ü s s e n das deutsche A n - gebot a n n e h m e n u n d d i e f r a n z ö s i s c h - e n g l i s c h e M i s s i o n m i t e i n e r h ö f l i c h e n A b l e h n u n g i n i h r e L ä n d e r z u r ü c k s c h i c k e n .

„Ich wiederhole, d a ß es in unserem Interesse ist, wenn der Krieg zwischen dem Reich und dem a n g l o - f r a n z ö s i s c h e n Block ausbricht. Es ist wesentlich für uns, d a ß der Krieg so lange wie m ö g l i c h dauert, damit die beiden Gruppen sich e r s c h ö p f e n . In der Zwischenzeit m ü s s e n wir die politische Arbeit in den k r i e g f ü h r e n d e n Staaten intensivieren, damit wir gut vorbereitet sind, wenn der Krieg sein Ende nehmen wird . . . "

W e n i g e T a g e s p ä t e r , a m 23. A u g u s t 1939, hatte S t a l i n , a l s e r d e n M i t g l i e d e r n des P o l i t - b ü r o s i n e i n e r G e h e i m s i t z u n g seine A b s i c h t e n u n d v o r a l l e m d e n deutsch-sowjetischen N i c h t - a n g r i f f s p a k t e r l ä u t e r t e , e r k l ä r t : „Es ist w e s e n t - l i c h für uns, d a ß d i e s e r K r i e g ausbricht. W i r m ü s s e n d i e k o m m u n i s t i s c h e A r b e i t v e r s t ä r k e n , u m w o h l v o r b e r e i t e t z u s e i n für d e n A u g e n b l i c k , w o der K o n f l i k t e i n E n d e f i n d e n w i r d . "

Es l i e g e n aus j e n e r Z e i t aber k e i n e s w e g s n u r diese Ä u ß e r u n g e n S t a l i n s v o r , so hat z u m B e i s p i e l der a m e r i k a n i s c h e Botschafter i n P a r i s , B u l l i t t , ü b e r e i n e U n t e r r e d u n g J . P . K e n n e d y s m i t d e m r u m ä n i s c h e n A u ß e n m i n i s t e r G e f e n c u berichtet, h i e r h e i ß t es u n t e r d e m 25. A p r i l 1939

— also fünf M o n a t e v o r K r i e g s a u s b r u c h :

„ S e i n e r (Gefencus) M e i n u n g nach u n t e r l i e g t es k e i n e m Z w e i f e l , d a ß d i e P o l i t i k der S o w j e t - u n i o n d a r a u f gerichtet s e i , i n e i n e m e u r o p ä i - schen K r i e g z u n ä c h s t m ö g l i c h s t w e n i g v e r w i k - k e l t z u w e r d e n i n der H o f f n u n g , d a ß a m E n d e des K r i e g e s . . . d i e R o t e A r m e e i m Interesse des B o l s c h e w i s m u s d e n K o n t i n e n t ü b e r r e n n e n k ö n n t e . " U n d d e r e h e m a l i g e f r a n z ö s i s c h e Staats- s e k r e t ä r J . F a b x y s c h r i e b : „ S i e (die Sowjets) haben d i e s m a l nicht v e r f e h l t , sich des b ö s e n Streiches z u r ü h m e n , der i h n e n g l ü c k t e . D i e - ser K r i e g ist w a h r h a f t i g e i n K r i e g d e r S o w j e t - u n i o n . P o t e m k i n sagte m i r o h n e U m s c h w e i f e : . W a r u m s o l l t e uns e i n K r i e g erschrecken? S o - w j e t r u ß l a n d ist aus d e m letzten K r i e g h e r v o r - g e g a n g e n , aus d e m n ä c h s t e n w ü r d e es e i n S o - wjeteuropa sein.* F o r t s e t z u n g f o l g t