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[Rezension zu:] Noahs Arche und das Dresdner Kupferstich-Kabinett (Dresden) (Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, 18.07.–04.10.2002)

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Noahs Arche und das Dresdner Kupferstich- Kabinett (Dresden)

Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, 18.07.–04.10.2002 Rezensiert von: Christian Holtorf

Noahs Arche in Dresden

Es ist ein merkwuerdiger Zufall, dass das Dresdner Kupferstich-Kabinett zeitgleich mit dem Jahr- hunderthochwasser der Elbe die Ausstellung "Noahs Arche" (bis 4. Oktober) zeigt. Der einfallsrei- che Vorschlag der Kuratoren, das Museum und seinen geplanten Umzug ins Dresdner Residenz- schloss mit der Tiersammlung auf der Arche zu vergleichen, hat sich bestaetigt: an historischer Plausibilitaet gewann die Arche jedoch nicht, wie im 17. Jahrhundert gedacht und in der Ausstel- lung dokumentiert, durch die moeglichst detailgenaue Rekonstruktion des Schiffs, sondern indem die Natur die Sintflut rekonstruierte und den Museumsumzug vorerst infragestellte. Die Arche als Enzyklopaedie der Natur muss um ein neues Phaenomen ergaenzt werden.

Solche Ueberraschungen sind erstaunlicherweise bereits in den gezeigten Kupferstichen berueck- sichtigt. Neben dem Wasserbecken, das der Kupferstecher Jan Luyken um 1697 auf einem Deck seiner Arche Noah zeichnete, sah er "ledige plaats" vor. Auf demselben Geschoss fuer "vierfuessi- ge Tiere" liess er einen anderen "leeren Raum, um etwas zu bewahren". Weiterhin finden wir einen

"leeren Stall" und einen Platz fuer Tiere, "die vergessen sein moegen". Die Arche Noah voll unge- nutzter Tierstaelle? Gottes Rettungskahn mit Platz fuer Unvorhergesehenem? Haben unbekannte Arten die Sintflut ueberlebt? Der Amsterdamer Kuenstler schuf eine Konstruktion, die in ihrer Kas- tenform weniger an der Seetuechtigkeit als an der vermuteten Ordnung der Natur orientiert war.

Waehrend das Alte Testament die Geschehnisse nur wenig ausschmueckt, untersuchten die Renaissancegelehrten bildreich die Technik der Schiffsbaus, der Artenauswahl und Ordnungsbil- dung. Ihnen war jedoch bewusst: es bleiben immer Luecken. Auch die populaere Bibel von Lucas Schnitzer, die vor 1649 in Nuernberg entstanden ist, veroeffentlichte Schnitte und Grundrisse der Arche. Und auch sie kannte vier Raeume auf dem Dritten Boden des Schiffes, die frei blieben, weil

"darein noch mehr Thiere koennten gebracht und Raum zu stehen haetten". Bewusst wurde Platz gelassen, der erst spaeter gefuellt werden sollte, um Kapitaen Noah Flexibilitaet an Bord zu ermoe- glichen.

Da die Dresdner Sammlung nun selber unterwegs ist, stellt sich die Frage, ob ihre Kuratoren auch an genuegend freie Raeume gedacht haben - nicht in Magazinen, sondern als Repraesentationen des Unbekannten und Vergessenen, des Fluechtigen und Bewegten. Immer mehr Museumsneu- bauten beherbergen solche leeren Bereiche: In der Wandelhalle der Berliner Gemaeldegalerie mag man sich Noah vorstellen, wie er sich von Geschnatter und Gebruell aus den Staellen erholt. Die unzugaenglichen Zwischenraeume ("voids") des Juedischen Museums koennten die Trauer ueber die Gewalt des Staerkeren und den Tod Unschuldiger beherbergen. Und der glaeserne Fahrstuhl

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im leeren Gasometer von Oberhausen liesse die Erforschung hoeherer Atmosphaeren zu, fuer die wir landlaeufig nicht mehr als etwas Raum in unserem Vorstellungsvermoegen lassen koennen.

So erinnert Noahs Arche ueber dem reissend angeschwollenen Elbwasser an das Unerschlossene und Ueberraschende der menschlichen Natur. Unterwegs bleibt nicht allein das Dresdner Kupfer- stich-Kabinett, sondern der forschende Mensch. Man muss ihm nur Platz lassen.

Empfohlene Zitation:

Christian Holtorf: [Rezension zu:] Noahs Arche und das Dresdner Kupferstich-Kabinett (Dresden) (Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, 18.07.–04.10.2002). In: ArtHist.net, 17.09.2002. Letzter Zugriff 27.02.2022. <https://arthist.net/reviews/526>.

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