• Keine Ergebnisse gefunden

Europa, deine Frauen

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Europa, deine Frauen"

Copied!
30
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)
(2)

Europa, deine Frauen

(3)

Gerhard Danzer

Europa, deine Frauen

Beiträge zu einer weiblichen Kulturgeschichte Mit 24 Abbildungen

1 C

(4)

ISBN 978-3-662-44231-9 ISBN 978-3-662-44232-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-44232-6

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über 7 http://dnb.d-nb.de abrufbar.

SpringerMedizin

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Über- setzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungs- anlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestim- mungen des Urheberrechtsgesetzes.

Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne be- sondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Marken- schutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen.

Planung: Renate Scheddin, Heidelberg Projektmanagement: Renate Schulz, Heidelberg Lektorat: Dr. Brigitte Dahmen-Roscher, Hamburg Projektkoordination: Barbara Karg, Heidelberg Umschlaggestaltung: deblik Berlin

Fotonachweis Umschlag: Siehe Quellennachweis im Buchanhang Herstellung: Crest Premedia Solutions (P) Ltd., Pune, India Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier

Springer Medizin ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media www.springer.com

Prof. Dr. Dr. Gerhard Danzer

Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Psychosomatik Charité Campus Mitte

10117 Berlin

Ruppiner Kliniken sowie

Medizinische Hochschule Brandenburg (MHB) 16816 Neuruppin

(5)

V

Dieses Buch handelt von der einen Hälfte der Menschheit – den Frauen;

und wendet sich aber ebenso an die andere Hälfte der Menschheit – die Männer.

(6)

VII

Vorwort

Europa, so hört und liest man allerorten, braucht eine neue, tragfähige, visionäre Erzählung, ein Narrativ, das seine Geschichte repräsentiert und zugleich seiner Zukunft eine Richtung weist: Der Euro, das Wachstum der Europäischen Union, die Innovationskraft von Wissen- schaft und Technik und der Wirtschaftsraum des eurasischen Subkontinents waren und sind Schlagworte, in denen solch identitätsstiftende Erzählungen anklingen sollten; von vie- len Menschen jedoch werden sie als nicht inhaltsreich genug erachtet.

Dieses Buch leistet einen andersgearteten Beitrag, um die Fragen von uns Europäern nach unserem Selbstverständnis sowie unsere Probleme des gegenseitigen Verstehens und der Lösung gegenwärtiger und zukünftiger kollektiver Aufgaben mit zu beantworten; dabei ste- hen weder wirtschaftliche noch politische Erfolgsstorys im Mittelpunkt. Stattdessen wird daran erinnert, dass Europa seit Jahrtausenden eine außergewöhnlich differenzierte Kultur entwickelt hat, deren Vielfalt und Niveau genügend Stoff und Anregung für zukunftsträch- tige Narrative bietet und deren Geschichte bei allen Brüchen und Fragwürdigkeiten vielver- sprechende soziokulturelle Potenziale enthält, die einen Horizont für die Entwicklung Euro- pas abgeben können.

Dieses kulturelle Europa – seine Sitten und Bräuche, Wissenschaften, Dichtung, Künste und Philosophien, Mythen und Religionen, seine Städte und Kulturlandschaften – wird in sei- ner Entstehung irrtümlich nicht selten auf das Schaffen und Wirken »großer Männer« zu- rückgeführt. Wie sehr »das einfache Volk«, manche innovativen Gruppen und vor allem die Frauen an diesem Prozess beteiligt waren und sind, wurde zumindest in der Vergangenheit oftmals geflissentlich übersehen.

Dass Frauen lange Zeit in der Kulturgeschichte beinahe unsichtbar blieben, bedeutet nicht, dass sie keine kulturellen Aktivitäten entwickelt hätten. Häufig wurden ihre Leistungen al- lerdings totgeschwiegen, entwertet oder im Zweifelsfall als männliche ausgegeben. Erst im 20. Jahrhundert begann man auf breiterer Front, weibliche Beiträge zur Kultur auf eine an- gemessene und wertschätzende Manier zu registrieren und zu rezipieren.

Im vorliegenden Buch möchte ich einige dieser Spuren von Frauen in der Kultur Europas aufzeigen und nachzeichnen. Anhand von Biografie und Werkanalyse vierundzwanzig kul- turell produktiver Frauen will ich demonstrieren, wie sehr sie sich als Individuen verstan- den, die sich ebenso wie ihre männlichen Kollegen erfolgreich an den zwei wesentlichen Werkstücken des menschlichen Lebens versuchten: ihre eigene Person zu bilden sowie die sie umgebende soziale und kulturelle Welt sinn- und wertvoll zu gestalten. Anregungen und Hinweise für mein Projekt erhielt ich in den letzten Jahren zuhauf im Arbeitskreis für Tiefenpsychologie (Leitung Professor Dr. mult. Josef Rattner), woran ich mich mit großer Dankbarkeit erinnere.

Gerhard Danzer

Berlin und Neuruppin im Sommer 2014

(7)

IX

Inhaltsverzeichnis

I Einführung

1 Eine weibliche Kulturgeschichte – gibt es die überhaupt? . . . 3

Gerhard Danzer 1.1 Frauenbewegung und Feminismus . . . 5

1.2 Frauen, ihre soziale Welt und die Öffentlichkeit . . . 7

1.3 Frauen und die Dichtkunst . . . 7

1.4 Frauen in bildender und darstellender Kunst . . . 8

1.5 Frauen in Pädagogik und Wissenschaft . . . 9

1.6 Frauen und die Politik . . . 9

1.7 Frauen in der Philosophie . . . 10

1.8 Eine weibliche Kulturgeschichte, gibt es die überhaupt? . . . 10

Literatur. . . 11

II Frauen, ihre soziale Welt und die Öffentlichkeit 2 Madame de Sévigné – Der Stil, das ist der Mensch selbst . . . 15

Gerhard Danzer 2.1 Biografisches . . . 16

2.2 Die Briefe der Madame de Sévigné . . . 18

2.3 Der Stil – das ist der Mensch selbst . . . 23

Literatur. . . 27

3 Émilie du Châtelet – Schülerin Newtons und Geliebte Voltaires . . . 29

Gerhard Danzer 3.1 Biografisches . . . 30

3.2 Rede vom Glück . . . 36

3.3 Conclusio . . . 39

Literatur. . . 40

4 Johanna Schopenhauer – Spiel, Satz und Sieg auf dem Centercourt Weimar . . . 43

Gerhard Danzer 4.1 Biografisches I . . . 44

4.2 Biografisches II . . . 47

4.3 Gabriele . . . 49

4.4 Biografisches III . . . 51

4.5 Conclusio . . . 54

Literatur. . . 55

5 Die Dachstubenwahrheiten der Rahel Varnhagen . . . 57

Gerhard Danzer 5.1 Biografisches . . . 58

5.2 Personwerdung durch Kultur und Öffentlichkeit . . . 62

5.3 Die Salons als Bureaux d’esprit . . . 63

(8)

X Inhaltsverzeichnis

5.4 Korrespondenz als Werkzeug der Selbstsuche . . . 65

5.5 Conclusio . . . 67

Literatur. . . 68

III Frauen und die Dichtkunst 6 Louise Labé – la belle Cordière (die schöne Seilerin) . . . 71

Gerhard Danzer 6.1 Biografisches . . . 72

6.2 Werkanalyse . . . 74

6.3 Conclusio . . . 78

Literatur. . . 81

7 Versuche über die Liebe – Die Sonette der Elizabeth Barrett-Browning . . . 83

Gerhard Danzer 7.1 Biografisches . . . 84

7.2 Die Sonette aus dem Portugiesischen . . . 87

Literatur. . . 92

8 George Eliot – Die Geburt der Dichtkunst aus dem Geiste der Kritik . . . 93

Gerhard Danzer 8.1 Biografisches . . . 94

8.2 Werkanalyse I . . . 97

8.3 Werkanalyse II . . . 99

8.4 Werkanalyse III . . . 100

8.5 Werkanalyse IV . . . 101

8.6 Werkanalyse V . . . 102

8.7 Conclusio . . . 104

Literatur. . . 105

9 Marie von Ebner-Eschenbach – Die Noblesse des Herzens . . . 107

Gerhard Danzer 9.1 Biografisches I . . . 108

9.2 Biografisches II . . . 110

9.3 Biografisches III . . . 112

9.4 Erzähltes und Aphoristisches . . . 113

9.5 Conclusio . . . 117

Literatur. . . 118

IV Frauen in bildender und darstellender Kunst 10 Gabriele Münter – Malen, wie der Pinsel gewachsen ist . . . 121

Gerhard Danzer 10.1 Biografisches . . . 122

10.2 Werkanalyse . . . 127

10.3 Conclusio . . . 132

Literatur. . . 133

(9)

Inhaltsverzeichnis XI

11 Therese Giehse – Der letzte Elefant . . . 135

Gerhard Danzer 11.1 Biografisches . . . 136

11.2 Werkanalyse . . . 141

11.3 Person und Persona, Maske und Authentizität . . . 141

11.4 Spiel und Ernst, Ethik und Ästhetik . . . 143

11.5 Ecce Homo . . . 144

11.6 Conclusio . . . 146

Literatur. . . 147

12 Melina Mercouri – Die Mutter Courage Griechenlands . . . 149

Gerhard Danzer 12.1 Biografisches I . . . 150

12.2 Biografisches II . . . 153

12.3 Biografisches III . . . 156

12.4 Biografisches IV . . . 157

12.5 Conclusio . . . 159

Literatur. . . 161

13 Pina Bausch – Tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren! . . . 163

Gerhard Danzer 13.1 Biografisches . . . 164

13.2 Der Tanz . . . 168

13.3 Le Sacre du Printemps . . . 170

13.4 Café Müller . . . 171

13.5 Vollmond . . . 172

13.6 Conclusio . . . 173

Literatur. . . 176

V Frauen in Pädagogik und Wissenschaft 14 Schwedens pädagogische Provinz – Ellen Key und ihr Jahrhundert des Kindes . . . 179

Gerhard Danzer 14.1 Biografisches . . . 180

14.2 Werkanalyse . . . 185

14.3 Conclusio . . . 190

Literatur. . . 191

15 Maria Montessori – Ein absorbierender Geist . . . 193

Gerhard Danzer 15.1 Biografisches . . . 194

15.2 Werkanalyse . . . 199

15.3 Conclusio . . . 204

Literatur. . . 206

(10)

XII

16 Karen Horney – Es gibt kein wahres Selbst ohne ein falsches . . . 207

Gerhard Danzer 16.1 Biografisches . . . 208

16.2 Werkanalyse . . . 211

16.3 Conclusio . . . 218

Literatur. . . 219

17 Astrid Lindgren – Wo, bitteschön, liegt Bullerbü? . . . 221

Gerhard Danzer 17.1 Biografisches I . . . 222

17.2 Biografisches II . . . 224

17.3 Biografisches III . . . 225

17.4 Werkanalyse . . . 226

17.5 Conclusio . . . 232

Literatur. . . 233

VI Frauen und die Politik 18 Bertha von Suttner – Die Waffen nieder! . . . 237

Gerhard Danzer 18.1 Biografisches . . . 238

18.2 Werkanalyse . . . 244

18.3 Conclusio . . . 246

Literatur. . . 251

19 Die sozialistischen Lehr- und Wanderjahre der Beatrice Webb . . . 253

Gerhard Danzer 19.1 Lehrjahre . . . 254

19.2 Wanderjahre . . . 258

19.3 Jahre der Bewährung . . . 261

19.4 Webb partnership – ein Sozialismus zu zweit . . . 263

Literatur. . . 264

20 Rosa Luxemburg – Von Beruf Weltverbesserin . . . 265

Gerhard Danzer 20.1 Biografisches I . . . 266

20.2 Biografisches II . . . 268

20.3 Biografisches III . . . 270

20.4 Biografisches IV . . . 273

20.5 Conclusio . . . 274

Literatur. . . 276

21 Franca Magnani – Una grande signora politica . . . 277

Gerhard Danzer 21.1 Biografisches I . . . 278

21.2 Biografisches II . . . 280

21.3 Biografisches III . . . 282 Inhaltsverzeichnis

(11)

XIII

21.4 Una signora politica . . . 284

21.5 Conclusio . . . 288

Literatur. . . 288

VII Frauen in der Philosophie 22 Margarete Susman – Versuch über das Stolpern . . . 291

Gerhard Danzer 22.1 Biografisches . . . 292

22.2 Werkanalyse . . . 296

22.3 Conclusio . . . 301

Literatur. . . 303

23 Hannah Arendt – Vita activa und contemplativa . . . 305

Gerhard Danzer 23.1 Biografisches . . . 306

23.2 Werkanalyse . . . 310

23.3 Conclusio . . . 317

Literatur. . . 318

24 Simone de Beauvoir – Sehnsucht nach Totalität . . . 319

Gerhard Danzer 24.1 Biografisches I . . . 320

24.2 Biografisches II . . . 322

24.3 Biografisches III . . . 323

24.4 Werkanalyse . . . 325

24.5 Conclusio . . . 331

Literatur. . . 332

25 Agnes Heller – Der Affe auf dem Fahrrad . . . 333

Gerhard Danzer 25.1 Biografisches . . . 334

25.2 Werkanalyse . . . 338

25.3 Conclusio . . . 344

Literatur. . . 346

Serviceteil Quellennachweis . . . 348

Personenregister . . . 350 Inhaltsverzeichnis

(12)

1

Einführung

Kapitel 1 Eine weibliche Kulturgeschichte – gibt es die überhaupt? – 3

Gerhard Danzer

I

(13)

3

1

Eine weibliche

Kulturgeschichte – gibt es die überhaupt?

Gerhard Danzer

1.1 Frauenbewegung und Feminismus – 5

1.2 Frauen, ihre soziale Welt und die Öffentlichkeit – 7 1.3 Frauen und die Dichtkunst – 7

1.4 Frauen in bildender und darstellender Kunst – 8 1.5 Frauen in Pädagogik und Wissenschaft – 9 1.6 Frauen und die Politik – 9

1.7 Frauen in der Philosophie – 10

1.8 Eine weibliche Kulturgeschichte, gibt es die überhaupt? – 10 Literatur – 11

G. Danzer, Europa, deine Frauen,

DOI 10.1007/978-3-662-44232-6_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

(14)

4

1

Kapitel 1 • Eine weibliche Kulturgeschichte – gibt es die überhaupt?

Prolog

Von alters her ist bekannt, meinte Virginia Woolf provokant, dass Frauen Kinder gebären, keine Bär- te haben und selten kahl werden. Darüber hinaus gäbe es wenig gesichertes Wissen über diese eine Hälfte der Menschheit, die sich in der Vergangen- heit bevorzugt mit der Aufzucht des Nachwuchses und dem Führen von Hauswirtschaften abgegeben hat. Ob Frauen zu anderen Aufgaben herangezogen werden können, war lange Zeit zumindest umstrit- ten, und ob sie womöglich sogar zum Kulturschöp- fertum taugten, wagten sich viele (Männer) selbst in kühnen Träumen nicht auszumalen. Doch die Ge- schichte lehrt: Frauen verändern, bevorzugt in den letzten Jahrzehnten, erfolgreich sich und die Kultur.

Virginia Woolf war da noch skeptischer. 1928 hielt sie einen Vortrag, den sie ein Jahr später unter dem Titel »Ein eigenes Zimmer« publizierte, und der seither wahrscheinlich viel häufiger zitiert als gelesen wird. Darin rekapitulierte sie den Einfluss von Frauen innerhalb der europäischen Kultur- geschichte und kam zu dem Schluss, dass deren Gestaltungsmöglichkeiten im Vergleich zu denje- nigen von Männern in der Tat ziemlich überschau- bar waren. Als Ursachen dafür machte sie jedoch nicht geringe intellektuelle oder sonstige weibliche Potenzen, sondern den eklatanten Übungsmangel von Frauen verantwortlich.

So stoße man, sobald man in Archiven, En- zyklopädien, Verzeichnissen, Lexika und geistes- geschichtlichen Aufzeichnungen blättere, häufig auf Namen von Männern, kaum aber auf die- jenigen von Frauen. Auch im Alltagsleben treffe man bevorzugt auf männliche Entdeckungen und Erfindungen, so dass man von einer Art kulturel- ler Geschichtslosigkeit der Frauen ausgehen müs- se, welche die weibliche Zurückhaltung in Sachen Kulturschöpfung perpetuiere:

»

Man konnte nicht zur Landkarte gehen und

sagen, Kolumbus entdeckte Amerika, und Kolumbus war eine Frau; oder einen Apfel nehmen und bemerken, Newton entdeckte die Gesetze der Schwerkraft, und Newton war eine Frau; oder in den Himmel schauen und sagen, Aeroplane fliegen über uns hinweg, und Aero- plane wurden von Frauen erfunden … Es gibt keine Elle, säuberlich in Bruchteile des Zolls

eingeteilt, die man den Qualitäten einer guten Mutter anlegen kann oder der Anhänglichkeit einer Tochter oder der Treue einer Schwester oder der Tüchtigkeit einer Haushälterin (Woolf 1929, S. 86 f.).

Fast neun Jahrzehnte nach der Abfassung von »Ein eigenes Zimmer« kann man diese Zeilen sowie die Schlussfolgerungen Virginia Woolfs relativie- ren. Zwar stimmt es: Kolumbus und Newton wa- ren Männer, und erste Flugapparate wurden von Leonardo da Vinci konzipiert. Doch lassen sich bei einem Blick auf die europäische Geistes- und Kul- turgeschichte bevorzugt des 20. Jahrhunderts viele Leistungen und Errungenschaften benennen, die weiblichen Ursprungs waren oder sind.

Daneben haben sich schon in früheren Jahr- hunderten (vor allem seit der Renaissance) Frauen in Europa zunehmend als kulturell Handelnde ver- standen und sind (zugegebenermaßen vereinzelt) als Dichterinnen, Künstlerinnen, Mäzenatin- nen, Wissenschaftlerinnen oder Philosophinnen hervorgetreten. Die fünfbändige Geschichte der Frauen (Duby u. Perrot 2012) gewährt einen her- vorragenden Überblick über die kulturellen und viele weitere Aspekte fraulichen Daseins – wobei die Herausgeber im Klappentext betonen, dass ihre Geschichte der Frauen ebenso eine der Männer darstellt. Die Literaturwissenschaftlerin und Es- sayistin Silvia Bovenschen (geboren 1946) schloss sich der Diagnose Virginia Woolfs von der relativen Geschichtslosigkeit der Frauen an und verwies auf problematische Konsequenzen daraus. Weil es weit weniger weibliche als männliche kulturelle und historische Spuren gibt, welche die Kulturwissen- schaftler den interessierten Frauen präsentieren können, neigen Letztere nicht selten zu fragwürdi- gen Ersatz- und Kompensationsbewegungen:

»

Der Mangel an Belegen und Überlieferungen

der Anwesenheit von Frauen im geschicht- lichen Prozess hat … ursprungsmythische Sehnsüchte wachgerufen. So wird etwa der

»Gang zu den Müttern«, jenen Wesen, die Goe- the bezeichnenderweise außerhalb von Raum und Zeit im noch Unausgebildeten, Unge- trennten ansiedelte, heute wieder empfohlen.

Aber so großartig diese Formel als poetischer Ausdruck des geschichtlichen Ausschlusses

(15)

5

1

1.1 •  Frauenbewegung und Feminismus

der Frauen auch sein mag, als Proklamation im 20. Jahrhundert im Sinne einer diesmal von den Frauen selbst programmierten Ge- schichtslosigkeit droht sie der Lächerlichkeit des Sektierertums anheimzufallen … (Boven- schen 2003, S. 264).

Mein Buch verzichtet auf solche Suchbewegungen und will stattdessen zu einer differenzierten Be- trachtung der kulturhistorischen Dimensionen des Frauseins beitragen. Ich möchte zeigen, wie intensiv und originell Frauen in den letzten Jahrhunderten und bevorzugt in den letzten Jahrzehnten kultur- schöpferisch tätig waren und sich damit in eine Kul- turgeschichte eingeschrieben haben, bei der zwar immer noch männliche Namen in der Überzahl sind, deren weiblicher Einfluss und Anteil jedoch inzwischen unverkennbar im Wachsen begriffen ist.

Bei der Auswahl der vorgestellten Frauen habe ich mich von mehreren Kriterien leiten lassen:

Die Frauen sollten aus verschiedenen Ländern Europas stammen; in der Neuzeit (also zwischen der Renaissance und der Gegenwart) gelebt ha- ben; unterschiedlichen Berufen und Ambitionen nachgegangen sein; ein wie auch immer geartetes Werk hinterlassen haben, an dem sich ihr Cha- rakter und Lebensstil als Spiegelung, Doppelung oder auch Kontrast ihres Wesens ablesen lässt; und sie sollten – ein sehr subjektives Auswahlargu- ment – mir persönlich etwas zu sagen haben. Ei- nige dieser Frauen begleiten mich als Thema und Herausforderung schon jahrelang. Die hier vor- gestellten Biografien und Werkanalysen wurden zum überwiegenden Teil von mir neu verfasst; we- nige Beiträge (z. B. über Rahel Varnhagen, Marie von Ebner-Eschenbach, Karen Horney, Simone de Beauvoir) wurden in anderen Zusammenhängen und mit anderer Schwerpunktsetzung bereits vor vielen Jahren von mir publiziert.

So entstand ein Kompendium von 24 Frauen, die modellhaft sowohl Emanzipationsversuche als auch kulturelle Beitragsleistungen gelebt haben.

An ihren Biografien und Daseinsgestaltungen woll- te ich den Satz Georg Simmels modifizieren: »Die Kultur ist der Weg der Seele zu sich selbst.« Über- tragen auf die erörterten weiblichen Lebensschick- sale wird aufgezeigt, dass und wie die betreffenden Frauen ihr kulturelles Engagement nutzten, um

für sich trotz aller Limitierungen innerhalb einer patriarchalisch geprägten Umwelt Emanzipation und Identitätsfindung so intensiv wie möglich zu verwirklichen. In Anlehnung an Georg Simmel kann man demnach formulieren: »Die Kultur ist ein wesentlicher und erfolgreicher Weg auch für Frauen zu sich selbst.«

Dieses Buch zielt darüber hinaus aber ebenso darauf ab, ein Schuldgefühl abzutragen, das in den Jahrzehnten meiner bisherigen schriftstellerischen Arbeit entstanden ist. Bei der Fülle der von Josef Rattner und mir dargestellten und zitierten Auto- ren, die wir in diversen Publikationen bedacht ha- ben, kamen bisher die Frauen eindeutig zu kurz. So sehr es dafür gute Gründe gab, so sehr gilt es nun, dieses Defizit auszugleichen.

1.1 Frauenbewegung und Feminismus

Bei einem Buch über weibliche Beiträge zur euro- päischen Kulturgeschichte der Neuzeit bleibt es nicht aus, das Thema Frauenbewegung und Femi- nismus zumindest zu streifen. In den späten 70er- Jahren des letzten Jahrhunderts hörte ich ein Lied der italienischen Sängerin Milva (geboren 1939), worin sie zur Musik von Mikis Theodorakis (gebo- ren 1925) von den Möglichkeiten eines geglückten Miteinanders von Mann und Frau sang. Vom Text des Liedes blieb mir eine kurze Passage in Erin- nerung: »Wer wird als Frau denn schon geboren?

Man wird zur Frau doch erst gemacht!«1 Einige Zeit später bemerkte ich, wem die überzeugte Sozialis- tin Milva diese Formulierung zu verdanken hatte:

In Simone de Beauvoirs Hauptwerk Das andere Geschlecht – Sitte und Sexus der Frau (19491, 1992, S. 265) las ich den entsprechenden Satz: »Man ist nicht als Frau geboren, man wird es.«

Inwiefern de Beauvoir mit ihrer Aussage etwas Richtiges gesehen hat, ist seit der Publikation von Das andere Geschlecht heftig diskutiert und teilweise vehement bestritten worden. Es gab und gibt nicht wenige Anthropologen, Psychologen, Soziologen,

1 Milva: Zusammenleben (To Perigali), aus dem Album

»Von Tag zu Tag« (1978); die CD ist erschienen und erhältlich u. a. bei jazz pop classic (jpc) 1983

(16)

6

1

Kapitel 1 • Eine weibliche Kulturgeschichte – gibt es die überhaupt?

Ethnologen, Ärzte und Feministinnen, die durchaus die Meinung vertreten, dass das biologische Ge- schlecht eines Menschen (Sex) sowie weitere determinierende Gesichtspunkte seiner Geburt (Zeitraum und Gegend seiner Existenz) für dessen psychosoziale Geschlechtsrolle (Gender) von gro- ßer oder sogar entscheidender Bedeutung sind.

Aufgrund ihrer Ausführungen in Das ande- re Geschlecht zählt man de Beauvoir zu den Ver- treterinnen eines Gleichheitsfeminismus, der von einer grundsätzlichen Gleichheit und Gleichwer- tigkeit beider Geschlechter ausgeht. Die bestehen- den Unterschiede zwischen Mann und Frau sind demnach auf historisch-kulturelle, gesellschaftliche und politische Traditionen sowie auf die jeweiligen Sozialisationsmuster (männlich/weiblich), nicht aber auf die diversen körperlichen Differenzen wie etwa anatomische und hormonelle Ausstattungen zurückzuführen. Das biologische Geschlecht von Menschen sei kaum für die geschlechtsspezifischen sozialen Rollenzuschreibungen verantwortlich.

Im Gegensatz zum Gleichheits- oder Egali- tätsfeminismus vertritt der Differenzfeminismus die Ansicht, dass eine (vor allem biologisch, aber auch kulturell-historisch bedingte) Verschieden- heit der Geschlechter gegeben ist und sich daraus unterschiedliche weibliche und männliche Verhal- tensweisen und Einstellungen ableiten lassen. Eine frühe Vertreterin eines solchen Differenzfeminis- mus war etwa Bertha von Suttner, die von einem größeren Maß an Einfühlungsvermögen und Friedfertigkeit der Frauen ausging und diese daher im Vergleich mit den Männern als für den Pazifis- mus tauglicher und für eine friedliche und kriegs- ferne Konfliktlösung eher bereit erachtete.

Ein weithin bekanntes und zu Recht kritisier- tes biopsychologisches Erklärungsmodell für einen Differenzfeminismus lieferte Sigmund Freud. Er sah im biologisch determinierten Penisneid von Mädchen und Frauen den Hauptgrund für deren angebliche charakterliche Unterschiede zu den Männern, die unter verstärkter Kastrationsangst zu leiden hätten. Der Penismangel und -neid so- wie das geringere Niveau an Kastrationsangst führe bei Frauen zu einer differenten Ausgestal- tung ihres Über-Ichs (Gewissen) und trage zu den

»typisch weiblichen« Einstellungen wie Masochis- mus, Infantilismus und Narzissmus bei.

Neben diesen zwei Hauptströmungen des Fe- minismus haben sich im 20.  Jahrhundert noch weitere Richtungen und Bewegungen etabliert, die sich die Emanzipation von Frauen sowie eine kulturell-gesellschaftliche Umgestaltung im Sinne einer Überwindung von patriarchalischen Herr- schaftsstrukturen auf ihre Fahnen geschrieben ha- ben. Zu ihnen zählen der sozialistische Feminismus (orientiert an sozialistischen Gedanken: z. B. Clara Zetkin, Rosa Luxemburg), der anarchistische Femi- nismus (orientiert an anarchistischen Gedanken:

z.  B. Emma Goldmann), der gynozentrische Fe- minismus mit seinen Vorstellungen eines zukünf- tigen Matriarchats sowie der Postfeminismus, der die individuellen Unterschiede zwischen einzelnen Menschen für relevanter erachtet als diejenigen zwischen den Geschlechtern. Diese postfeministi- sche Position wird vor allem von der Philosophin Judith Butler (geboren 1956 in den USA) vertreten (Butler 2003, 2009).

Das Ziel des vorliegenden Buches besteht nun nicht in einer vertieften Diskussion oder gar ab- schließenden Klärung der verschiedenen feminis- tischen und postfeministischen Positionen (siehe hierzu Irigaray 1991; Cixous 1980, 2013; Muraro 1996, 2009; Kristeva 2001a, 2001b). Es geht mir viel- mehr darum zu zeigen, wie Frauen trotz teilweise massiver patriarchalischer Begrenzungen imstan- de waren, Kulturbeiträge zu leisten und weibliche Emanzipation zu verwirklichen. Dies erachte ich als produktiver und für einzelne Individuen ermu- tigender als den oftmals sterilen Streit zwischen di- versen Richtungen des Feminismus oder zwischen den Geschlechtern.

Das vorliegende Buch ist in sechs größere The- menblöcke unterteilt:

5 Frauen, ihre soziale Welt und die Öffentlich- 5 keitFrauen und die Dichtkunst

5 Frauen in bildender und darstellender Kunst 5 Frauen in Pädagogik und Wissenschaft 5 Frauen und die Politik

5 Frauen und die Philosophie

Diese Unterteilung orientiert sich zum einen an den im Vordergrund stehenden kulturellen Leistungen von Frauen in Dichtung, Schriftstellerei, bildender und darstellender Kunst, Wissenschaft, Politik sowie

(17)

7

1

1.3 •  Frauen und die Dichtkunst

Philosophie. Zum anderen spiegelt diese Einteilung eine zeitliche Abfolge wider, die von der Spätrenais- sance über die Aufklärungszeit und die Romantik bis ins beginnende 21.  Jahrhundert reicht. In den folgenden Abschnitten soll im Überblick auf die einzelnen Themenbereiche eingegangen werden.

1.2 Frauen, ihre soziale Welt und die Öffentlichkeit

Untersucht man weibliche Biografien und kultu- relle Beiträge in jenen Epochen, wird offenkundig, dass während der Renaissance Frauen vor allem in Italien und Frankreich Vorreiterrollen in Bezug auf Individuation, Kreativität und Ausdrucksmächtig- keit einnahmen. Diese Zeit eröffnete einem Teil der Menschen in Europa Chancen, die Dimensionen ihrer Personalität zu erspüren und auszubilden;

besonderen Gebrauch davon machten Künstler, Dichter und Philosophen. Parallel dazu kam es zu einem Aufschwung von Wissenschaft und Öko- nomie (Entwicklung des Bank- und Geldwesens) sowie der politisch-gesellschaftlichen Teilhabe, be- vorzugt in den italienischen Stadtstaaten.

Darüber hinaus verbreiteten humanistisch ge- sinnte Schriftsteller und Denker innovative Ideen, zu denen neben den Idealen des »Uomo univer- sale« (enzyklopädische Bildung) und des »Uomo gentile« (Höflichkeit und Vornehmheit: der Gentle- man) auch die Vorstellungen von Frauen gehör- ten, die privaten Grenzen von Kindererziehung und Haushaltung zu transzendieren und sich als aktive Mitglieder und Handelnde der Öffentlich- keit zu begreifen. Die italienische Fürstin Vittoria Colonna, eine Dichterin und Muse Michelangelos, ebenso wie die Mäzenin Isabella d’Este oder die französische Lyrikerin Louise Labé waren hierfür frühe gelungene Modelle.

Freilich befanden sich Frauen damals in der Re- gel noch in ökonomischer Abhängigkeit von Vater, Bruder oder Ehemann. Dies änderte sich während der Aufklärungszeit und der Romantik nur un- wesentlich. Die Lebensläufe der hier vorgestellten Madame du Châtelet, von Johanna Schopenhau- er oder Rahel Varnhagen zeigen, wie sehr diese Frauen trotz all ihrer kulturellen Meriten finanziell noch von ihren Gatten und Geliebten (Madame du

Châtelet, Johanna Schopenhauer) oder ihren Vä- tern (Rahel Varnhagen) abhingen.

Als kulturelle Tätigkeitsfelder boten sich für Frauen seinerzeit diverse Möglichkeiten an, die man als schrittweise Entwicklung vom privaten zum öffentlichen Leben interpretieren kann. Noch stark von persönlichen Themen dominiert waren Briefe und Tagebucheinträge, die primär nicht zur Publikation verfasst wurden und oftmals erst im Nachhinein oder nach dem Tod der Autorin zur Veröffentlichung gelangten. In den Briefkon- voluten der Madame de Sévigné etwa finden sich jedoch bereits Passagen, die über Privates hinaus- gehen und das eigene »Leben als Text« verstehen (Becker-Cantarino 1985, S. 83 ff). Noch stärker tritt diese Tendenz in den Briefen von Rahel Varnhagen zutage.

Neben solchen schriftlichen Beiträgen zur Kul- tur eröffneten Frauen im 17. und 18. Jahrhundert in großen Städten Europas literarische Salons. Diese entwickelten sich häufig zu Zentren eines intellek- tuellen und soziokulturellen Stoffwechsels zwischen gebildeten Menschen beiderlei Geschlechts. Män- ner genossen dort die oftmals erotisch-plaudernde Atmosphäre, wohingegen nicht wenige Frauen ihre Salons als Schauplätze der Emanzipation verstan- den. Unter anderem Madame du Châtelet, Johanna Schopenhauer und Rahel Varnhagen gaben hierfür überzeugende Beispiele ab (Heyden-Rynsch 1995).

1.3 Frauen und die Dichtkunst

Der zweite große Themenbereich handelt von der Dichtkunst als Ausdrucks- und Kulturmöglichkeit von Frauen. Einerseits lässt sich hierfür eine bis in die Antike zurückreichende Tradition benennen – man denke nur an die griechische Lyrikerin Sap- pho, die zwischen 630 und 570 vor Christus auf der Insel Lesbos lebte und mit ihren Gedichten über Jahrhunderte hinweg beinahe kanonische Bedeu- tung erlangte.

Andererseits war es für Frauen keineswegs eine Selbstverständlichkeit, dichterisch und schriftstel- lerisch hervorzutreten (Gnüg u. Möhrmann 1999;

Tebben 1998; Prokob 1976). Am ehesten noch durf- ten sie sich in der Rolle von Lyrikerinnen versu- chen, die in ihren Poemen den Topos von Liebe

(18)

8

1

Kapitel 1 • Eine weibliche Kulturgeschichte – gibt es die überhaupt?

und Ehe besingen sollten. Die Renaissance-Dich- terin Louise Labé aus Lyon kam einer derartigen Rollenzuschreibung nahe, obgleich sie in ihren Sonetten andeutungsweise auch die Eigentümlich- keiten und Probleme der eigenen Person und des weiblichen Daseins zum Ausdruck brachte.

Auch die Sonette der Elizabeth Barrett-Brow- ning handeln von der Liebe. Weil sie jedoch drei- hundert Jahre nach Louise Labé Mitte des 19. Jahr- hunderts lebte, mischten sich in ihre Liebesgedichte existenzielle und anthropologische Fragestellun- gen, die in der Hochrenaissance vordergründig noch keine Rolle spielten. In ihrer Lyrik finden sich Andeutungen eines fragilen Daseinsgefühls, wie es etwa in der zeitgleich formulierten Philosophie Sören Kierkegaards ausführlich dargestellt und er- örtert worden ist.

Wie schwierig es seinerzeit war, nicht lediglich als eine Dichterin von Liebeslyrik, sondern von epi- schen Werken oder als Schriftstellerin mit philoso- phischem Anspruch zu reüssieren, verdeutlicht die Biografie von George Eliot. Sie war Zeitgenossin und Landsmännin von Elizabeth Barrett-Browning und musste auf ein männliches Pseudonym zu- rückgreifen, um schriftstellerisch ernstgenommen zu werden und zugleich ihre Person zu schützen.

Im 19. Jahrhundert galt die österreichische Er- zählerin Marie von Ebner-Eschenbach am ehesten als ein gelungenes Modell für epische Dichtkunst von Frauen. Obwohl ihren Texten von vielen Li- teraturwissenschaftlern »weibliche« Attribute wie Einfühlungsvermögen, Sensibilität und Mitleid attestiert wurden, erkannten die Experten an ihr auch ausreichend »männliche« Eigenschaften wie Durchsetzungsvermögen, Erfolg und relative fi- nanzielle Unabhängigkeit, um sie als Ausnahmeer- scheinung unter den Dichterinnen des 19. Jahrhun- derts firmieren zu lassen.

1.4 Frauen in bildender und darstellender Kunst

Jahrhundertelang assoziierte man unter dem Titel

»Frauen und Kunst« die Darstellung von Frauen beispielsweise auf Gemälden, nicht aber die weib- liche Rolle von Künstlerinnen. Bis weit ins 19. Jahr- hundert hinein galt es als ausgemachte Sache, dass

Frauen über zu wenig künstlerisches Talent ver- fügen, um als Komponistinnen, Bildhauerinnen oder Malerinnen ernsthaft hervorzutreten. Man lese Arthur Schopenhauers beschämende Abhand- lung »Über die Weiber« (18511, 1988), und man wird verstehen, warum in Europa noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Künstlerexistenz als weibli- cher Lebensentwurf von den meisten als unmög- lich angesehen wurde. Akademisch-künstlerische Ausbildungsgänge waren für Frauen nicht etabliert;

sie durften sich höchstens im Kunsthandwerk tum- meln. Musizieren, Zeichnen, Stickerei oder Buch- illustration bedeuteten damals für Frauen meist le- diglich Möglichkeiten, private Lebensräume künst- lerisch zu gestalten oder ihre Familie nach außen hin als eine gebildete zu repräsentieren.

Im Hinblick auf Chancen von Frauen, künst- lerisch-solide Ausbildungen zu erhalten und sich als Berufskünstlerinnen durchzusetzen, hat sich in den letzten einhundert Jahren vieles zum Besseren verändert; die vier in diesem Buch vorgestellten Künstlerinnenbiografien demonstrieren dies ein- drücklich. Allerdings hatte etwa Gabriele Münter durchaus noch mit dem Vorurteil zu kämpfen, als

»Malweib« lediglich an ihrem Lehrer Kandinsky und nicht an der Kunst interessiert zu sein.

Mit derart abfällig-entwertenden Meinungen wurden Therese Giehse und Melina Mercouri als Schauspielerinnen sowie Pina Bausch als Tänzerin und Choreografin nicht mehr konfrontiert. Ob- schon den Frauen in der Antike und bis weit über die Renaissance hinaus aus religiösen wie gesell- schaftlichen Motiven eine aktive Mitwirkung bei Theater- oder Tanzveranstaltungen nicht gestattet war, eroberten sie sich merklich früher als ihre Kolleginnen von der bildenden Kunst jene Bretter und Bühnen, welche angeblich die Welt bedeuten.

Zumindest das 18.  Jahrhundert kannte in Europa bereits professionell tätige Schauspielerinnen und Tänzerinnen, wenngleich das fahrende Volk (zu dem sie gezählt wurden) ganz allgemein keine son- derlich hohe Wertschätzung genoss.

Dass wir uns jedoch mit dem bisher Erreich- ten nicht zufrieden geben sollten, verdeutlicht eine Veröffentlichung des Deutschen Kulturrats aus dem Jahr 2008. Darin referierte er Zahlen aus ver- schiedenen Studien zum Thema Künstlerinnenför- derung in Deutschland, die nachdenklich stimmen:

(19)

9

1

1.6 •  Frauen und die Politik

»

Von einer Gleichstellung der Frauen in Kunst und Kultur kann … weiterhin nicht die Rede sein. Das ließ sich auch dort erkennen, wo man es nicht am Maßstab der Karriereleiter messen kann: in der Ankaufspraxis zeitgenössischer Kunst durch die Bundesländer und in ihrer Auf- tragsvergabe zur Ausstattung öffentlicher Bau- ten mit Kunst. Nicht nur, dass die Bundeslän- der häufiger Werke von Männern kaufen bzw.

Aufträge an Männer vergeben. Noch geringer ist der Frauenanteil an den dafür gezahlten Summen. Das heißt, Frauen haben für dieselbe Anzahl von Werken … eine niedrigere Durch- schnittssumme erzielt. Die Diskrepanz betrug ca. 10 % (Deutscher Kulturrat 2008, S. 91).

1.5 Frauen in Pädagogik und Wissenschaft

Sucht man im Internet nach berühmten Wissen- schaftlerinnen, wird etwa ein Dutzend Namen ge- nannt. Die Liste reicht von Hildegard von Bingen bis zu Christiane Nüsslein-Volhard (geboren 1942), die für ihre Forschung zur genetischen Kontrolle der Embryonalentwicklung 1994 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin erhalten hat (Schie- binger 1993).

Ebenfalls zur Gruppe der bekannten Wissen- schaftlerinnen gehört Maria Montessori (1870–

1952), die es als Pädagogin vermochte, ihre Erzie- hungslehre (Kinderhäuser, Montessori-Schulen) in mehreren Kontinenten (Europa, USA, Indien) zu etablieren. Neben Montessori als Pädagogin wird Karen Horney (1885–1952) als Psychoanaly- tikerin und Sozialwissenschaftlerin vorgestellt; der Schwerpunkt ihrer beruflichen Tätigkeit lag freilich im psychotherapeutischen Bereich. Wissenschaft- liche Meriten erwarb sie sich, indem sie das von Sigmund Freud in die Welt gesetzte psychoanaly- tisch-anthropologische Konzept zur Weiblichkeit mit kräftigen Fragezeichen versah und die Psyche von Frauen als kulturell statt biologisch determi- niert erachtete.

Eine weitreichendere Wirkung als Karen Horney erzielte die schwedische Pädagogin Ellen Key (1849–

1926), die mit ihrem Buch Das Jahrhundert des Kin- des (1900) einen Best- und zugleich Longseller in die

Welt gesetzt hat. Obschon sich das 20. Jahrhundert in Europa beileibe nicht zu einem des Kindes, son- dern vielmehr zu einem der Extreme (so der Titel eines Buches von Eric Hobsbawm) entwickelt hat, wurde der Titel von Keys Hauptwerk zu einem oft zitierten, aber leider nicht eingelösten Schlagwort, das die große Bedeutung von Pädagogik und Kin- dererziehung widerspiegelt. Man verkennt jedoch Ellen Key, wenn man sie lediglich auf ihre Rolle als Reformpädagogin reduziert und ihre Leistungen als Essayistin und Kulturanalytikerin übersieht.

Eine ähnliche Tendenz zur Unter- und Gering- schätzung ihrer Person hat Astrid Lindgren (1907–

2002) erfahren. Die Landsmännin von Ellen Key wurde meist nur als Autorin von Pippi Langstrumpf wahrgenommen und allenfalls noch als skandina- visch-behagliche Märchentante eingeordnet. Dass Astrid Lindgren auch handfeste politisch-gesell- schaftliche Anliegen verfocht, wurde häufig nicht zur Kenntnis genommen – wie Frauen in der Ver- gangenheit überhaupt leicht zum »Fräulein Lehre- rin« abgestempelt und entwertet wurden, sobald sie sich wissenschaftlich oder pädagogisch betätigten.

1.6 Frauen und die Politik

Unter diese Überschrift könnte man den Inhalt dicker Bücher subsumieren, die von männlich do- minierter Politik und Historie handeln, und bei denen sich Frauen in der Rolle von Claqueuren und häufiger noch in derjenigen von Opfern oder Leidtragenden befunden haben. Dass Politik von Frauen auch aktiv betrieben und verantwortet wer- den kann, galt landläufig als eine Mär oder aber als Ausnahme, welche die Regel bestätigt.

Und doch lässt sich anhand der europäischen Geschichte zeigen, dass Frauen partiell schon im Altertum in einflussreiche und herausragende Poli- tikfelder hineinwuchsen und sich gegen männliche wie weibliche Rivalen zu behaupten wussten. Im Buch Reinhard Barths Frauen, die Geschichte mach- ten – Von Hatschepsut bis Indira Gandhi (2004) kann man an über zwei Dutzend Beispielen stu- dieren, wie geschickt, machtbeflissen und teilweise erfolgreich (im Sinne von durchsetzungsstark) sich Frauen als Herrscherinnen und aktive Politikerin- nen erwiesen haben.

(20)

10

1

Kapitel 1 • Eine weibliche Kulturgeschichte – gibt es die überhaupt?

Es geht in meinem Buch zwar ebenfalls um Frauen und die Politik – allerdings nicht (oder nur am Rande) um aktive Politikerinnen. Der Schwer- punkt liegt auf den Kulturbeiträgen von Frauen, und man kann sich mit dem Schweizer Kultur- historiker Jacob Burckhardt (1818–1897) fragen, ob Kultur (als Sphäre von Logos, Eros und Vernunft) und Politik (als Sphäre von Macht und leider häu- fig auch von Gewalt) einander nicht antagonistisch gegenüberstehen. Jedenfalls scheiterten Kulturre- präsentanten in der Vergangenheit nicht selten mit ihren hehren Ideen und Idealen, sobald sie sich im machtpolitischen Raum bewegen wollten.

Deshalb werden unter der Überschrift »Frau- en und die Politik« weibliche Lebensläufe vorge- stellt, bei denen es vorrangig um Kommentare oder Entwürfe zur Politik und zum Geschichtsverlauf ging; am ehesten noch entsprach Rosa Luxemburg (1871–1919) den Vorstellungen von aktiver Politik.

Die drei anderen hier besprochenen Frauen lie- ferten entweder wertvolle und zukunftsweisende Beiträge zur Politik (Bertha von Suttner, Beatrice Webb), oder sie schrieben aufklärend-erhellende Abhandlungen und Beurteilungen über historische und politische Prozesse (Franca Magnani). Damit erwiesen sie sich als interessante und der Mensch- heit oft dienlichere Modelle eines »Zoon politikon«

(öffentlichen Wesens) als so manche aktiven Politi- kerinnen, die – aus welchen Motiven auch immer – politische Macht in Gewalt einmünden ließen und am Ende ihrer Herrschaft eine Blutspur als Resultat zu vermelden hatten.

1.7 Frauen in der Philosophie

Auch hier ist man versucht, den Wortlaut der Über- schrift umzukehren und nach Frauen als Thema innerhalb der Philosophiegeschichte zu fragen.

Dabei käme eine stattliche Liste misogyn eingestell- ter Texte von männlichen Philosophen zustande, deren Lektüre den Frauen wohl Zornes- und den Männern Schamesröte ins Gesicht treiben dürfte.

Doch unsere Interessen sind andere. So kann man feststellen, dass die Philosophie länger als andere Disziplinen und Bereiche der Kultur eine Domäne von Männern geblieben ist. Als Ursache dafür kann man vermuten, dass die Philosophen als

Wahrheits- und Weisheitslehrer lange Zeit in der Nachfolge und in Konkurrenz zu Priestern standen und als solche von einer (männlichen) Aura der Heiligkeit und Unantastbarkeit umgeben waren.

Außerdem firmierte die Philosophie nicht selten in unmittelbarer Nähe oder sogar unterhalb der Theo- logie und stand in dieser Position nur den männ- lichen Adepten offen.

So kam es, dass Frauen jahrhundertelang im abstrakten Denken der Philosophie kaum Übung erfuhren, um dann irgendwann feststellen zu müs- sen, dass sie dasselbe tatsächlich nicht ebenso ele- gant beherrschten wie ihre männlichen Kollegen.

Wer über Generationen hinweg im sinnlich-kon- kreten Umgang mit der Welt sozialisiert wird, lernt nicht automatisch jene Distanz zur anschaulichen Um- und Mitwelt einzulegen, die erforderlich ist, um sich in den philosophischen Kategorien- und Begriffswelten sicher zu bewegen.

Dass Frauen aber solche Kompetenzen genauso effektiv und souverän erobern können wie Männer, macht die Liste der Philosophinnen deutlich, die in verschiedenen Nachschlagewerken der letzten Jahrzehnte vorgestellt wurden (Meyer u. Bennent- Vahle 1997; Munz 2004; Rullmann 1993, 1998). Aus dieser Gruppierung habe ich vier Philosophinnen des 20. Jahrhunderts ausgewählt, die sich (jede auf ihre Weise) eingehend mit der Metaphysik der Ge- schlechter befassten. Darüber hinausgehend haben sie jeweils eigene philosophische Themenschwer- punkte bearbeitet: Margarete Susman die Reli- gionsphilosophie; Hannah Arendt die politische Philosophie; Simone de Beauvoir den Existenzialis- mus; Agnes Heller die Philosophie der Kontingenz.

1.8 Eine weibliche Kulturgeschichte, gibt es die überhaupt?

Hinter die Überschrift des Einleitungskapitels darf man getrost ein Fragezeichen setzen. Ausgehend von Beiträgen von Frauen zur Kulturgeschichte Europas während der letzten fünf Jahrhunderte ha- ben wir stillschweigend vorausgesetzt, dass die sich dabei konstellierende Geistes- und Kulturgeschich- te eine weibliche ist oder zumindest so genannt werden darf. Doch gibt es überhaupt eine weibliche oder männliche Historie und Kultur?

(21)

11

1

Literatur

Der englische Schriftsteller und Wissenschaft- ler Charles Percy Snow (1905–1980) vertrat Ende der 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts die These von den zwei Kulturen (Geisteswissenschaften und Literatur einerseits und Naturwissenschaften und Technik andererseits), zwischen denen eine große Kluft bestehe, und die kaum miteinander zu kom- munizieren vermögen. Erst wenn sich zwischen diesen beiden Kulturen eine gedeihliche Koopera- tion und Verständigung etabliert hat, können Snow zufolge die dringlichsten Probleme der Mensch- heit (Kriege, Obdachlosigkeit, Analphabetismus, Flüchtlingsströme, Hunger, massive Erziehungs- defizite, Ausbeutung von Menschen, Kinderarbeit, Umweltzerstörung, politische und gesellschaftliche Unterdrückung, Diktaturen und totalitäre Regime, religiöse und rassistische Vorurteile etc.) mit Aus- sicht auf Erfolg angegangen und gelöst werden.

Die Geschichte der Mann-Frau-Beziehung und des beinahe weltweit zu beobachtenden Patriar- chats zählt einerseits ebenfalls zu den vordringli- chen Problemfeldern, die einer Lösung oder zu- mindest einer Besserung des Status quo harren.

Andererseits hat diese Geschichte der Geschlech- ter, die von unendlich viel Entwertung, Kampf und Missverstehen geprägt war und immer noch ist, scheinbar ebenfalls zwei Kulturen hervorgebracht:

nämlich eine männliche und eine weibliche.

Doch sowenig es meiner Ansicht nach eine männliche Kulturgeschichte gibt, sondern allen- falls eine von Männern dominierte oder formulier- te Historie und Kultur, so wenig gibt es per se eine weibliche Kulturgeschichte. Diese auf Abgrenzung und Differenz hin angelegten Begriffe und Kon- zepte verlieren bei detaillierter Betrachtung ihre Trennschärfe und erweisen sich als wenig hilfreich, sofern es um das Einordnen und Verstehen von in- dividuellen Personen und Kulturphänomenen geht.

Es gibt eine große Kulturgeschichte der Mensch- heit, die von Frauen und Männern (wenngleich zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Zonen mit sehr unterschiedlich starken Einflussmöglich- keiten) in einem Wechsel von Mit-, Gegen- und Nebeneinander geschaffen wurde und die man – das demonstriert dieses Buch dutzendfach – nur unter Inkaufnahme von Sterilität und Artefakten in

»weiblich« und »männlich« separieren kann.

»Der Geist hat kein Geschlecht« – schrieb der französische Schriftsteller François Poullain de La Barre (1647–1723) im Anschluss an das Studium der Texte von Descartes in seiner Schrift Über die Gleichheit der Geschlechter – Physischer und mo- ralischer Diskurs, worin die Bedeutung der Ab- schaffung der Vorurteile betrachtet wird (1673). In Anlehnung an de La Barre lässt sich die wohl be- gründete Meinung vertreten, dass weder Logos und Geist noch Geschichte und Kultur ein Geschlecht haben. Der gesamtkulturelle Prozess ist kein weib- licher oder männlicher, weder ein afrikanischer noch ein europäischer oder asiatischer – er ist schlicht ein menschlicher.

Literatur

Barth R (2004) Frauen, die Geschichte machten – Von Hatschepsut bis Indira Gandhi. Wissenschaftliche Buch- gesellschaft, Darmstadt

Beauvoir S de (1992) Das andere Geschlecht – Sitte und Sexus der Frau. Rowohlt, Reinbek (Erstveröff. 1949) Becker-Cantarino B (1985) Leben als Text – Briefe als Aus-

drucks- und Verständigungsmittel in der Briefkultur und Literatur des 18. Jahrhunderts. In: Gnüg H, Möhrmann R (Hrsg) Frauenliteraturgeschichte – Schreibende Frauen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Metzler, Stuttgart Bovenschen S (2003) Die imaginierte Weiblichkeit – Exem- plarische Untersuchungen zu kulturgeschichtlichen und literarischen Präsentationsformen des Weiblichen.

Suhrkamp, Frankfurt/M (Erstveröff. 1979)

Butler J (2003) Das Unbehagen der Geschlechter. Suhrkamp, Frankfurt/M (Erstveröff. 1990)

Butler J (2009) Die Macht der Geschlechternormen und die Grenzen des Menschlichen. Suhrkamp, Frankfurt/M (Erstveröff. 2004)

Cixous H (1980) Weiblichkeit in der Schrift. Merve, Berlin Cixous H (2013) Das Lachen der Medusa. Zusammen mit

aktuellen Beiträgen. Passagen Verlag, Wien Deutscher Kulturrat (Redaktion Leberl J, Schulz G) (2008)

Frauen in Kunst und Kultur II 1995–2000 – Partizipation von Frauen an den Kulturinstitutionen und an der Künstlerinnen- und Künstlerförderung der Bundes- länder. 7 http://www.kulturrat.de/dokumente/studien/

FraueninKunstundKultur2.pdf

Duby G, Perrot M (Hrsg) (2012) Geschichte der Frauen in 5 Bänden: Antike/Mittelalter/Frühe Neuzeit/19. Jahrhun- dert/20. Jahrhundert. Fischer, Frankfurt/M (Erstveröff.

1991/92)

Gnüg H, Möhrmann R (Hrsg) (1999) Frauenliteraturgeschich- te – Schreibende Frauen vom Mittelalter bis zur Gegen- wart, 2., völlig neu bearb. Aufl. Metzler, Stuttgart

(22)

12

1

Kapitel 1 • Eine weibliche Kulturgeschichte – gibt es die überhaupt?

Heyden-Rynsch V von der (1995) Europäische Salons – Höhe- punkte einer versunkenen weiblichen Kultur. Rowohlt, Reinbek (Erstveröff. 1992)

Irigaray L (1991) Die Zeit der Differenz: Für eine friedliche Revolution. Campus, Frankfurt/M

Kristeva J (2001a) Fremde sind wir uns selbst. Suhrkamp, Frankfurt/M

Kristeva J (2001b) Das weibliche Genie – Das Leben, der Wahn, die Wörter. Philo, Berlin

Meyer UI, Bennent-Vahle H (Hrsg) (1997) Philosophinnen- Lexikon. Reclam, Leipzig

Munz R (Hrsg) (2004) Philosophinnen des 20. Jahrhunderts.

Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt Muraro L (1996) Die symbolische Ordnung der Mutter. Chris-

tel Göttert, Frankfurt/M (Erstveröff. 1991)

Muraro L (2009) Der Gott der Frauen. Frank & Timme, Berlin (Erstveröff. 2003)

Prokop U (1976) Weiblicher Lebenszusammenhang – Von der Beschränktheit der Strategien und der Unangemessen- heit der Wünsche. Suhrkamp, Frankfurt/M

Rullmann M (Hrsg) (1993) Philosophinnen – Von der Antike bis zur Aufklärung. Suhrkamp, Frankfurt/M

Rullmann M (Hrsg) (1998) Philosophinnen - Von der Roman- tik bis zur Moderne. Suhrkamp, Frankfurt/M (Erstveröff.

1995)

Schiebinger L (1993) Schöne Geister – Frauen in den Anfän- gen der modernen Wissenschaft. Klett-Cotta, Stuttgart (Erstveröff. 1989)

Schopenhauer A (1988) Über die Weiber. In: Parerga und Paralipomena Bd 2. Haffmans, Zürich (Erstveröff. 1851) Tebben K (Hrsg) (1998) Beruf: Schriftstellerin – Schreibende

Frauen im 18. und 19. Jahrhundert. Vandenhoeck &

Ruprecht, Göttingen

Woolf V (2001) Ein eigenes Zimmer. In: Ein eigenes Zimmer/

Drei Guineen – Zwei Essays. Fischer, Frankfurt/M (Erst- veröff. 1929)

(23)

13

Frauen, ihre soziale Welt und die Öffentlichkeit

Kapitel 2 Madame de Sévigné – Der Stil, das ist der Mensch selbst – 15

Gerhard Danzer

Kapitel 3 Émilie du Châtelet – Schülerin Newtons und Geliebte Voltaires – 29

Gerhard Danzer

Kapitel 4 Johanna Schopenhauer – Spiel, Satz und Sieg auf dem Centercourt Weimar – 43 Gerhard Danzer

Kapitel 5 Die Dachstubenwahrheiten der Rahel Varnhagen – 57 Gerhard Danzer

II

(24)

15

2

Madame de Sévigné – Der Stil, das ist der Mensch selbst

Gerhard Danzer

2.1 Biografisches – 16

2.2 Die Briefe der Madame de Sévigné – 18 2.3 Der Stil – das ist der Mensch selbst – 23

Literatur – 27

G. Danzer, Europa, deine Frauen,

DOI 10.1007/978-3-662-44232-6_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

(25)

16

2

Kapitel 2 • Madame de Sévigné – Der Stil, das ist der Mensch selbst

Prolog

1753 hielt der französische Naturforscher Georges Louis Buffon (1707–1788) anlässlich seiner Aufnahme in die Académie Française eine Rede, die noch Jahr- zehnte später nachgedruckt und zitiert wurde, und die er mit »Discours sur le style« (Abhandlung über den Stil) betitelt hatte. Darin stellte er die Merkmale eines stilvollen Textes oder Gesprächs derart mar- kant heraus, dass seine Ausführungen lange Zeit als Klassiker der Stiltheorie galten; nicht wenige französische Schüler und Studenten ahmten noch im 20. Jahrhundert diese Rede nach und bedienten sich ihrer Argumentation, wenn sie mündliche oder schriftliche Leistungen vollbringen sollten.

Im Zusammenhang mit seiner Rede prägte Buffon ein Bonmot, das in der Überschrift unseres Essays auftaucht: »Le style c’est l’homme même« (»der Stil, das ist der Mensch selbst«). Dieser Satz lässt sich mühelos auf Madame de Sévigné (. Abb. 2.1) und ihre Briefe anwenden, die nicht nur wegen ihres In-

halts, sondern vor allem auch aufgrund ihrer stilisti- schen Eleganz seit Langem die Leser in ihren Bann schlagen.

2.1 Biografisches

Madame de Sévigné wurde 1626 als Marie de Rabu- tin-Chantal in Paris geboren. Ihr Vater entstammte einer verarmten Burgunder Adelsfamilie; ihre Mut- ter hingegen brachte als Tochter einer wohlhaben- den Bankiersfamilie eine erkleckliche Mitgift in die Ehe ein. Die kleine Marie verlor schon mit andert- halb Jahren ihren Vater, der bei einer kriegerischen Auseinandersetzung ums Leben kam; mit sieben Jahren wurde sie nach dem Tod der Mutter Voll- waise. Obwohl sie ihren Erzeuger nur vom Hören- sagen kannte, sprach Marie von ihm in höchsten Tönen und rühmte seine Tapferkeit und Vitalität, die sie von ihm geerbt hätte.

Nach dem Tod der Mutter kümmerte sich zu- nächst die fromme Großmutter Jeanne de Chantal um das Wohl des Mädchens. Madame de Chantal war eine resolute Frau, die zusammen mit François de Sales den Salesianer-Orden gegründet und geist- liche Briefe verfasst hat; beides trug dazu bei, dass sie im 18.  Jahrhundert heiliggesprochen wurde.

Zum Glück für Marie blieb sie nicht allzu lange bei dieser Großmutter, die eine Nonne aus ihr machen wollte. Bald kam sie ins Haus der Familie Coulan- ges, der Großeltern mütterlicherseits, die ihr eine vorzügliche weltliche Erziehung angedeihen ließen.

Sie wurde in Singen, Tanzen und Reiten unterrich- tet; daneben lernte sie Lateinisch, Spanisch und Italienisch und erhielt eine weitläufige literarische Bildung.

Mit achtzehn Jahren verließ Marie die Familie Coulanges. Versehen mit der stattlichen Summe von 300.000 Francs heiratete sie 1644 den aus alter bretonischer Familie stammenden Marquis Henri de Sévigné, einen verführerischen, aber gleich- wohl unsteten Mann, der sich als streitsüchtig, verschwenderisch und der Welt der Kurtisanen zu- gewandt herausstellte. Die Ehe stand unter einem Motto, das Madame de Sévigné formuliert hatte:

»Monsieur de Sévigné schätzt mich, ohne mich zu lieben, und ich liebe ihn, ohne ihn zu schätzen« (de Sévigné 1966, S. 14).

. Abb. 2.1 Marie de Sévigné (*1626; †1696)

Gemälde von Claude Lefèbre um 1665, Musée Carnavalet).

(Mit freundl. Genehmigung von Wikimedia Commons)

(26)

17

2

2.1 •  Biografisches

1646 wurde die Tochter Françoise-Marguerite und 1648 der Sohn Charles geboren. Diese Fami- lienkonstellation war nur von kurzer Dauer; drei Jahre nach der Geburt von Charles wurde Henri de Sévigné in einem Duell getötet, das ihm wegen einer seiner Geliebten aufgezwungen worden war.

Madame de Sévigné reagierte auf den Tod ihres Mannes erleichtert und mit dem aufschlussreichen Satz: »Das Wort Witwe hat das Wort Freiheit im Gefolge!« (Zimmermann u. Böhm 1999, S. 188)

Obwohl sie als gut aussehende, gebildete und trotz der Schulden ihres Gatten immer noch ver- mögende Frau in den kommenden Jahren mehr- fach ernsthaft umworben wurde, hat Madame de Sévigné nicht mehr geheiratet. Selbst so attraktiven Männern wie dem steinreichen Finanzminister Ni- colas Fouquet, der es nicht gewohnt war, dass man ihm widerstand, gab Madame einen Korb. Trotz- dem gelang es ihr, mit ihren abgewiesenen Vereh- rern tragfähige Freundschaften zu knüpfen. Den Beginn ihrer Witwenschaft bezeichnete sie übrigens als ihren zweiten Geburtstag; dementsprechend zu- rückhaltend blieb sie allen beengenden Beziehun- gen gegenüber und genoss ihre Unabhängigkeit.

Ab den 50er-Jahren bewohnte die Marquise ab- wechselnd ihr Stadthaus in Paris und das bretoni- sche Schloss Les Rochers in der Nähe von Vitré.

Wann immer sie in Paris weilte, war sie gerngese- hener Gast in den damals in Mode gekommenen Salons, so im Hôtel de Rambouillet, wo sich die Literatinnen Madeleine de Scudéry und Marie de Lafayette trafen. Des Weiteren lernte sie Jean de La Fontaine, François de La Rochefoucauld und Molière kennen, mit denen sie enge Kontakte ver- banden. Mademoiselle de Scudéry hat in ihrem Ro- man Clélie (1656) die Marquise von Sévigné in der Person der Prinzessin Clarinte geschildert. Darin charakterisierte sie ihre Freundin vorteilhaft, ohne allzu sehr zu übertreiben:

»

Etwas über mittelgroß, blond, mit blühend frischer Haut (die sie wie auch gesunde weiße Zähne bis ins hohe Alter bewahrt hat), rote Lip- pen, blaue, lebhafte Augen, ist sie so anziehend, natürlich und bezaubernd, dass man sie nicht anschauen kann, ohne sie zu lieben, und zu all diesen Vorzügen kommt noch eine weiche, melodische Stimme (de Sévigné 1966, S. 13).

Eine noch intimere Beziehung als zu Mademoiselle de Scudéry ergab sich zu dem häufig kränkelnden Paar Marie de Lafayette und François de La Roche- foucauld, über das de Sévigné spöttisch schrieb:

»Frau von La Fayette ist noch immer leidend, und Herr von La Rochefoucauld, steif von Gicht, lahmt noch immer; unsere Gespräche sind oft so trau- rig, als könnten wir uns nur noch begraben lassen«

(Zimmermann u. Böhm 1999, S. 189).

Doch nicht selten ergaben sich in den Salons auch muntere Gespräche, in denen Madame de Sé- vigné als geistreiche Unterhalterin im Mittelpunkt stand.

Eine von vielen Zeitgenossen hervorgehobene Tugend Madame de Sévignés war ihre Fähigkeit, Freundschaften zu knüpfen. Diese Tugend zeigte sie nicht nur in unbeschwerten Zeiten; auch wenn ihre Freunde in Not gerieten, stand sie unverrückbar an ihrer Seite. Eindrücklich hat dies Nicolas Fouquet erfahren, nachdem er 1661 bei Ludwig XIV. in Un- gnade gefallen war und seinen legendären Reich- tum gegen eine Haftstrafe in der Bastille eintau- schen musste. De Sévigné war neben La Fontaine eine der wenigen, die ihn selbst dann noch schätz- ten, als er in der Gunst des Hofes tief gefallen war.

Ende der 60er-Jahre bahnte sich eine Ent- wicklung an, die für Madame de Sévigné zu einer großen Herausforderung wurde: Der Herzog Fran- çois de Grignan warb um ihre Tochter Françoise- Marguerite und heiratete sie. Da der Herzog wenig später zum königlichen Statthalter in der Provence ernannt wurde und mit seiner Gattin nach Aix übersiedelte, verlor Madame de Sévigné, die ihre Tochter beinahe abgöttisch liebte, ihr wichtigstes emotionales Gegenüber.

Der persönliche Verlust für Madame war ein kultureller Gewinn für die Nachgeborenen. Denn in ihrer Not griff sie zur Feder und begann an ihre Tochter Briefe zu schreiben, in denen sie viele je- ner Mitteilungen, Plaudereien, Belehrungen und Reflexionen unterbrachte, die ansonsten in ihren Gesprächen mit Françoise-Marguerite eine Rolle gespielt hatten. Aus den ersten Briefen erwuchs nach und nach eine Korrespondenz mit weit über 1500  Episteln, die teilweise kopiert und weiterge- reicht wurden und als eindrückliche Dokumente nicht nur einer intimen Mutter-Tochter-Bezie- hung, sondern auch der Kultur jener Epoche gelten.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Es wird keine Haftung übernommen für Schäden durch die Verwendung von Informationen aus diesem Online-Angebot oder durch das Fehlen von Informationen.. Dies gilt auch für

difficile, d'une fois à l'autre, d'improviser de nouveaux jeux pour les enfants de vos enfants, pas vrai C'est pourquoi, en prévision de leur prochaine visite, je vous suggère de

Le coin du bricoleur S'y connaître en peinture, faire tout soi-même dans son appartement, c'est bien, à condition que vous ménagiez votre précieuse santé.. En effet, il est des

Glissez-les tout simplement dans un sac en papier que vous aurez fixé sur le bord de votre table de travail à l'aide d'un bout de papier collant.. C'est si agréable d'éviter de

Masculin ou féminin La coche que vous inscrirez dans la colonne « masculin ou dans la colonne « féminin », indiquera quel est, votre avis, le genre des noms suivants : masculin

Le coin du bricoleur Vous aimez vos petits-enfants et vous languissez de ne pas les avoir assez souvent sous les yeux, pas vrai Il est un remède à ces maux: choisissez leurs..

Ebenso sollte ein Arzt hinzugezogen werden bei einem Wechsel von Diarrhö mit Obs- tipation, einem Verdacht auf eine arzneimittelbedingte Diarrhö (z. nach

Cron-Gross-Schatzmeisterin" Graefin Mosczinska vom saechsischen Oberlandbaumeister Julius Heinrich Schwarze 1740-42 hat anlegen lassen. In diesem Garten gab es