• Keine Ergebnisse gefunden

Kriegserklä rung

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Kriegserklä rung"

Copied!
24
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

D

er Bundestag hat auch den dritten Kandidaten der AfD für das Amt des Vizepräsidenten des Parlaments durchfallen las- sen. Die Niederlage Gerold Ottens kam für die AfD also nicht uner- wartet, gleichwohl stellt sie eine Kriegserklärung der anderen Fraktionen an die AfD-Fraktion dar. Denn in Paragraf 2 der Ge- schäftsordnung des Parlaments heißt es: „Jede Fraktion des Deut- schen Bundestages ist durch min- destens einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin im Prä- sidium vertreten.“ Eigentlich eine ganz eindeutige Vorgabe, doch die Sache hat einen Haken: Dank ihrer im Grundgesetz verankerten Gewissensfreiheit gibt es nämlich kein imperatives Mandat, das die Abgeordneten verpflichtet, einen vorgeschlagenen Kandidaten auch zu wählen.

Während die Fraktionen ihre Ablehnung im Falle Albrecht Gla- sers mit dessen angeblicher Islam- feindlichkeit begründeten und sich bei Otten an dessen Teil- nahme am Trauermarsch in Chemnitz störten, haben sie kein Argument gegen Mariana Har- der-Kühnel gefunden. Es reicht, dass sie der AfD angehört. Damit entlarven die „Volksvertreter“ ihr Abstimmungsverhalten als unde- mokratisches Manöver. Doch der Plan, mit Ausgrenzung die politi- sche Konkurrenz zu verhindern, wird auf Dauer nicht aufgehen, immerhin haben Millionen von Bürgern die AfD in den Bundes- tag gewählt. Und wenn die ande- ren Fraktionen der Demokratie weiter auf diese Weise ins Gesicht schlagen, wird ihr Ansehen gro- ßen Schaden nehmen. Deshalb sollten die Fraktionsvorsitzenden ihre Kollegen nachdrücklich er- mahnen, sich geschäftsordnungs- konform zu verhalten und der größten Oppositionsfraktion end- lich die uneingeschränkte Teil- habe an der parlamentarischen Arbeit zu ermöglichen.

J

AN

H

EITMANN

:

Kriegserklä rung

Richtige und falsche Täter

Christchurch und Sri Lanka: Wie unterschiedlich man mit Terror umgeht

Radikal-muslimische Mörder scheinen Politik und Medien nicht in den Kram zu passen, „weiße“

sehr wohl. Das Ergebnis ist grotesk.

Entlarvender ist die völlig unter- schiedliche Einordnung von Ter- ror-Attacken durch Politik und Medien kaum je ins Auge gesto- chen als an den vergangenen Ostertagen. Im Inselstaat Sri Lanka sind mehr als 300 Menschen von radikalen Moslems ermordet wor- den. Die Mörder wollten gezielt Christen und Gäste aus westlichen Ländern treffen.

Die allermeisten Medien zierten sich jedoch fast einen Tag lang, die Weltanschauung der Mörder beim Namen zu nennen, sprachen lie- ber ganz allgemein von „Extremi- sten“. Die Opfer bezeichnete Außenminister Heiko Maas (SPD) verwaschen als „Betende und Rei- sende“, nicht als Christen. Weder

sollte der Anschlag als Attacke auf die Christenheit und den gesam- ten Westen gedeutet werden, noch wurde nach der Weltanschauung der Täter geforscht und über mög- liche ideologische Überschneidun- gen mit gewissen muslimischen Gruppen gemutmaßt.

W i e a n d e r s wenige Wochen zuvor beim Mas- senmord im neu- s e e l ä n d i s c h e n C h r i s t c h u r c h . Nicht nur wurde d e r T ä t e r i m

Handumdrehen als weißer Rechts- extremist eingeordnet, auch die religiöse Identität seiner Opfer wurde ebenso prompt wie korrekt thematisiert: Er wollte Moslems töten.

Aber weit mehr noch: Zahlrei- che Medien begannen sofort, den Kreis um den Christchurch-Atten-

täter so weit zu ziehen, dass es ins Absurde abglitt. Die „Zeit“ phanta- sierte eine „Faschistische Interna- tionale“ herbei, in die das Blatt sogar einzelne Vertreter der AfD und deren Umfeld hineinwarf, um aus dem Massenmord ideologi- schen Gewinn im „Kampf gegen Rechts“ zu ziehen.

Dagegen wie- derum Notre-

Dame: Hier

„wussten“ die Be- hörden schon, dass es sich nicht um einen An- schlag handeln konnte, als das Feuer noch loderte und die Ursa- chenermittlung zum Kirchenbrand höchstens gerade erst begonnen hatten. Das, was die Verantwortli- chen bislang zu dem gigantischen Feuer verlautbart haben, strotzt vor Merkwürdigkeiten, welche die Pariser PAZ-Korrespondentin Eva-

Maria Michels auf Seite 2 zusam- mengetragen hat.

Die Unterschiede in der Aufar- beitung mutmaßlich oder bewie- senermaßen weltanschaulich motivierter Gewalttaten sind der- art offensichtlich, dass man nur noch über das Motiv für die Un- gleichbehandlung spekulieren kann. Es ist augenscheinlich eben- falls weltanschaulich begründet.

Möglicherweise tritt hier westli- cher Selbsthass zutage, der den

„weißen Mann“ nur als Täter er- kennen will wegen des primitiven Täter-Opfer-Klischees, in das man sich verkrochen hat. Die Asyl- Ideologie linker Protagonisten ver- folgt zudem ganz offen das Ziel, Europa (und Deutschland zumal)

„weniger weiß“ zu machen. Da sind Nachrichten über Gefahren, die mit der Einwanderung be- stimmter Gruppen erwachsen können, hinderlich. Hans Heckel

Blinde Zerstörung

Luckauer Tulpenfest und Pan- kower Bürgerpark wurden Opfer von Verwüstungen

Preußen / Berlin

5

DIESE WOCHE

Mehr Fragen als Antworten

Beim Feuer von Notre-Dame schlossen viele sofort Brandstiftung aus

Aktuell

2

Fauler Handel mit den USA

Nach sieben Exiljahren wurde Julian Assange verhaftet – Weil vermutlich Geld floss

Hintergrund

4

Hoffnung und Zuversicht

25 Jahre nach den

Massakern in Ruanda

Ausland

6

Meister aller Klassen

Vor 500 Jahren starb Leonardo da Vinci

Kultur

Sauer- statt Saarländer

Kramp-Karrenbauer steht unter Druck, Altmaier für Merz zu opfern

Deutschland

3

9 Die Verlautbarungen

zu Notre-Dame werfen Fragen auf

Einzelverkaufspreis: 2,90 Euro

Nr. 17 – 26. April 2019

U

N A B H Ä N G I G E

W

O C H E N Z E I T U N G F Ü R

D

E U T S C H L A N D ZKZ 05524 - PVST. Gebühr bezahlt

Der Mann, der Hitlers Steigbügel hielt

Kanzler Franz von Papen

Geschichte

10

Im Schmerz versunken: Ein Gläubiger trauert am Grab eines in Negombo, Sri Lanka, ermordeten Christen Bild: pa

Katastrophe mit historischer Parallele

Der Brand von Notre-Dame erinnert an den der Kathedrale von Metz – Wiederaufbau bot die Chance zur baulichen Perfektion

D

er Brand in der gotischen Ka- thedrale Notre-Dame in Paris erinnert in Vielem an den Brand des Daches der Kathedrale von Metz im Jahre 1877, ausgelöst durch ein Feuerwerk aus Anlass des Besuchs von Kaiser Wilhelm I.

Die dem Heiligen Stephanus ge- weihte Kathedrale Saint-Étienne in Metz wurde zwischen 1220 und 1520 im gotischen Stil erbaut und ist eine der größten gotischen Kirchen Frankreichs. Am 7. Mai 1877 be- suchte Kaiser Wilhelm I. erstmals Metz, sechs Jahre nach der Anne- xion Elsass-Lothringens durch Deutschland. Der deutsche Kaiser war gegen die Annexion des Mosel- departements, das er anders als das Elsass für französisch hielt. Um

seine Ankunft zu feiern, hatten sich städtische Angestellte, allesamt Deutsche, auf dem Dach der Kathe- drale eingefunden, um ein Feuer- werk abzufeuern. Um 4 Uhr morgens brach auf dem Dachboden des Stephansdoms ein Feuer aus, das wie bei Notre-Dame de Paris einen Turm und die hölzerne Dach- konstruktion vollständig verschlang.

Raketen aus einem Feuerwerk, waren für den Brand verantwortlich.

Wilhelm I., der bereits erlebt hatte, dass bei seinem Besuch in Frank- furt/Main 1867 der dortige Kaiser- dom abbrannte, fühlte sich für die Katastrophe persönlich verantwort- lich. Er versprach, die gesamte Re- staurierung des Doms aus seiner persönlichen Schatulle zu bezahlen.

Dennoch wurde gleichzeitig auch zu Spenden aufgerufen. Die Arbeiten dauerten fast 30 Jahre, auch sein Enkel, Kaiser Wilhelm II, stand zum Wort seines Großvaters. Die Beseiti- gung der Brandschäden führte zur Renovierung des gesamten Doms, der seit dem Mittelalter nicht mehr umgebaut worden war und aus meh- reren nur schlecht zusammengefüg- ten Kirchen und Bauteilen bestand.

Beauftragt wurde der Deutsche Paul Tornow, der seit 1874 Staatsarchitekt des Reichslandes Elsass-Lothringen in Metz war. Er errichtete innerhalb weniger Wochen ein Notdach, dann unternahm er eine architektonische Studienreise zu den Kathedralen Frankreichs, um sich für die Neuge- staltung des Liebfrauenportals inspi-

rieren zu lassen. Seine dabei gefer- tigten Entwürfe dienten ab 1880 als Vorbild der Restaurierung.

Tornow nutzte die Renovierung, um ganz neue architektonische Aspekte mit dem Umbau zu verbin- den, die den Metzer Dom bis heute prägen. Für die Architekten des 19. Jahrhunderts waren Restaurie- rungen eine Möglichkeit, ein Ge- bäude zu verbessern, um es in einem perfekten Zustand wieder- herzustellen. So errichtete Tornow nach gotischem Muster einen neuen, steileren Dachstuhl mit Hilfe einer Metallkonstruktion, was dazu führte, dass die Kirche höher wirkte, aber die noch vorhandenen Türme ge- genüber der Zeit vor dem Brand kleiner wirkten. Das größte Werk

Tornows war die Wiederherstellung des gotischen Liebfrauenportals, ein Projekt, das bereits vor der deut- schen Annexion geplant worden war. Dazu mussten zunächst die Umbauungen des Domes aus der Zeit des 18. Jahrhunderts abgebro- chen werden. In den Jahren 1897 bis 1903 ersetzte er den klassizistischen Portikus des Liebfrauenprotals des Franzosen Jacques-François Blondel, der durch den Brand gar nicht zu Schaden gekommen war, durch ein neogotisches Marienportal mit goti- schem Skulpturenschmuck. So kommt es, dass das heute verschlos- sene Westportal auf den Besucher den Eindruck macht, als stamme es aus dem Mittelalter, dabei ist es nur gut 100 Jahre alt.

Im jungen Kaiserreich verstand man irrtümlich die Gotik als original deutsche Baukunst. In den gotischen Kathedralen des Mittelalters sah man ein Sinnbild urdeutscher Schaffenskraft im Heiligen Römi- schen Reich unter den Staufer-Kai- sern. An dieses mittelalterliche Kaiserreich wollte das 1871 begrün- dete neue Kaiserreich anschließen, und die Rufe nach Vollendung der seinerzeit noch unfertigen gotischen Kathedralen, wie beispielsweise des Ulmer Münsters, mehrten sich. Dem deutschen Architekten Tornow ist es zu verdanken, dass der gotische, ei- gentlich französische, Stil der Met- zer Kathedrale wieder mehr zur Geltung kommt. Bodo Bost (siehe auch S. 2 und S. 24)

Faule r Han del S . 4

Das Ostpreußenblatt

(2)

Nach 850 Jahren, in denen die Pa- riser Kathedrale Kriegen, der Französischen Revolution und der NS-Besatzung widerstand, fiel No- tre-Dame de Paris nun unter der progressiven Regierung von Präsi- dent Emmanuel Macron den Flammen zum Opfer.

Montagabend, wenige Stunden bevor der Präsident eigentlich den Franzosen mitteilen sollte, welche Maßnahmen er ergreifen würde, um die politische Krise zu überwinden, in der sich das Land aufgrund der Gelbwestenproteste seit November befindet, brach im Dachstuhl von Notre-Dame ein verheerendes Feuer aus. Obwohl mehrere Fernsehsender, unter an- derem LCI, von mehreren Brand- herden berichteten, stand schon zwei Stunden später, als das Feuer noch wütete, offiziell fest, dass es keinen Grund zur Annahme von Brandstiftung gebe und die Bau- stelle auf dem Dach der Kathedra- le ursächlich sei.

Seit Dienstag wird die Un - glücks stelle zwar von polizei- lichen Spurensicherern unter- sucht, und gegenwärtig gilt offi- ziell ein Kurzschluss an den Auf- zügen, die an den Gerüsten der Dachbaustelle befestigt sind, als Brandauslöser, doch damit blei- ben viele Ungereimtheiten: Marc Eskenazi, der Sprecher von AXA, dem Versicherungsunternehmen des Gerüstbauers Europe Echa- faudages, gibt an, dass der Feuer- alarm nicht durch die Brandmel- der an den Aufzügen, sondern durch den der Kathedrale ausge- löst worden sei.

Diese Version wird vom Organi- sten Johann Vexo gegenüber der Zeitung „Ouest-France“ bestätigt:

„Gegen 18.25 Uhr oder 18.30 Uhr ertönte ein Alarm. Diesen Alarm kannten weder der Priester noch die Sängerin, die mich begleitete noch ich, wir hatten ihn nie zuvor gehört. Er begann mit einer Sire- ne, dann eine Nachricht auf Fran- zösisch und Englisch, die die Be- sucher aufforderte, das Gebäude ruhig zu verlassen. … Ich dachte sofort an eine Fehlermeldung, ich glaubte nicht an einen Brand.

Kein Rauch, kein Geruch. … Ich habe die Schaltstelle der Alarm- anlage gesehen, auf der ein Feuer auf dem Dachboden angezeigt

wurde. Doch ich glaubte es immer noch nicht. Als ich die Kathedrale verließ, war es 18.45 Uhr. Ich sah keinen Feuerwehrmann, keinen Rauch, keinen Geruch.“

Der Pariser Staatsanwalt Rémy Heitz erklärt, dass um 18.20 Uhr auf dem Bildschirm des Sicher- heitsdienstes von Notre-Dame ein roter Punkt erschienen sei, der ei- ne Anomalie angezeigt habe. Ein Sicherheitsmann untersuchte die angegebene Zone unter dem Dach ergebnislos und benachrichtigte

nicht den Priester, genau so wie es das Sicherheitsprotokoll vor- sieht: Nur im Fall eines Feuers werden die Geistlichen benach- richtigt, die dann selbst die Ansa- ge zur Evakuierung machen.

Der automatische Alarm ertönt laut Protokoll erst, wenn es schon richtig brennt. Doch am Montag funktionierte dieses System nicht, der automatische Alarm erklang in der Kirche, obwohl noch kein Feuer zu entdecken war. Ein zwei- ter Alarm erschien dann um

18.43 Uhr auf dem Bildschirm der Sicherheitsleute. Als ein Sicher- heitsmann erneut nachschaute, brannte das Gebälk bereits.

Anfangs wurde offiziell die Hy- pothese verbreitet, dass Schweiß- arbeiten oder die Nachlässigkeit der Handwerker auf dem Dach den Brand ausgelöst hätten. Doch die Firma Le Bras Frères, die sich um die Renovierung des 96 Meter hohen Spitzturmes kümmerte, weist diese Anschuldigungen ka- tegorisch zurück: Der letzte Ar-

beiter habe bereits um 17.50 Uhr die Baustelle verlassen, und das Sicherheitsprotokoll, das vorsieht, dass am Tagesende der Strom auf der Baustelle vollständig abge- stellt und der Schlüssel zur Bau- stelle in der Sakristei abgegeben wird, sei korrekt umgesetzt wor- den. Auch habe es keinerlei Schweißarbeiten gegeben, es sei lediglich am Gerüstaufbau gear- beitet worden.

Polizeiquellen bestätigen dies.

Benjamin Mouton, Architekt, Lei-

ter der Monuments Historiques und von 2010 bis 2013 Dombau- meister an der Pariser Kathedrale, war für die Umsetzung eines neu- en Feuerschutzprogrammes ver- antwortlich. Er erklärte: „In 40 Berufsjahren habe ich noch nie ein solches Feuer gesehen. Die Brandschutzmaßnahmen in der Kathedrale sind auf höchstem Ni- veau. … ein Sicherheitsmann kann innerhalb weniger Minuten sa- gen, ob es brennt. Wir haben vie- le Holztüren durch Brandschutz-

türen ersetzen lassen, wir haben alle Elektrogeräte begrenzt und im Dachstuhl komplett untersagt.“

Ein anonymer Experte des Bau- gewerbes, den das Fachblatt „Bati- actu“ zitiert, fügt noch hinzu: „Das Feuer konnte nicht durch Kurz- schluss entstehen. Man benötigt eine echte Hitzequelle am An- fang, um ein solches Feuer zu ent- fachen. Eiche ist ein besonders re- sistentes Holz.“

Während es also mehr Fragen als Antworten zu den Brandursa-

chen gibt und ganz Frankreich ins Mark getroffen ist durch den Ver- lust eines nationalen Symbols, dessen Wiederaufbau nach Ex- pertenmeinung mehrere Jahr- zehnte dauern wird, kündete Prä- sident Emmanuel Macron bereits einen Tag nach dem Brand an, dass er die Kathedrale innerhalb von fünf Jahren neu aufbauen las- sen will – pünktlich zu den Olym- pischen Spielen in Paris.

Einen Tag später verkündete Premierminister Edouard Phi -

lippe die Ausschreibung eines internationalen Architekturwett- bewerbs, „um Notre-Dame mit ei- nem neuen Spitzturm auszustat- ten, der den Techniken und den Herausforderungen unserer Zeit entspricht“. Dabei sind die Origi- nalpläne des Bauwerks und des Spitzturms aus dem 19. Jahrhun- dert vorhanden. Ein Schelm, der nichts Böses ahnt? Selbst Leser eher macronistischer Publikatio- nen wie des „Figaro“ befürchten Schlimmstes. Eva-Maria Michels

Einfamilienhaus bevorzugt

Berlin– Im vergangenen Jahr be- saßen 31 Prozent der privaten Haushalte Einfamilienhäuser. Der Einkommens- und Verbrauchs- stichprobe zufolge war das Einfa- milienhaus damit weiterhin die häufigste Form des Immobilien- besitzes, gefolgt von Eigentums- wohnungen mit 14 und Zweifa- milienhäusern mit fünf Prozent.

Unbebaute Grundstücke und sonstige Gebäude mit jeweils vier Prozent sowie Wohngebäude mit drei und mehr Wohnungen (zwei Prozent) gehörten zu den selteneren Formen des Immobi- lieneigentums bei den Privat- haushalten. Insgesamt besaßen 48 Prozent der privaten Haushal- te mindestens eine Immobilie.

Mit zunehmender Haushaltsgrö- ße steigt der Anteil der Immobi-

lieneigentümer. J.H.

Mehr Fragen als Antworten

Beim Feuer von Notre-Dame schlossen viele sofort Brandstiftung als Ursache aus – Doch es bleiben Zweifel

Fortschritte auf der Krim

Simferopol– Die Versorgung der Halbinsel Krim mit Wasser und Strom macht Fortschritte. Nach- dem sich die Krim-Bewohner vor fünf Jahren mit großer Mehrheit für einen Übertritt zur Russi- schen Föderation entschlossen hatten, unterbrach die Ukraine neben den Verkehrs- auch sämt- liche Wasser- und Stromverbin- dungen, was zu schwerwiegen- den sozialen und ökologischen Verwerfungen führte. Russland reagierte mit der Verlegung von vier Seekabeln aus dem Kuban- gebiet durch die Straße von Kertsch auf die Krim mit einer Kapazität von zusammen 800 Megawatt sowie dem Bau zweier Wärmekraftwerke in Se- wastopol und Simferopol, die beide im März eröffnet werden konnten und imstande sind, wei- tere 940 Megawatt Strom zu lie- fern. Gemeinsam mit den schon zuvor durch Russland ange- schafften gasbetriebenen Klein- kraftwerken für die Hochsaison, die vor allem über eine bereits Ende 2016 fertiggestellte „Gas- brücke“ unterhalten werden, dürfte damit 2019 erstmals die Stromversorgung des Gebiets umfassend sichergestellt sein.

Größere Probleme macht hinge- gen die Wasserversorgung, bei der sich Russland einstweilen neben einer Stilllegung größerer Teile der bisherigen Landwirt- schaft auf eine Verringerung der Verluste im Leitungssystem so- wie die Erschließung örtlicher Ressourcen durch die Anlage neuer Staubecken, Umleitungen einzelner natürlicher Wasserläu- fe, die Bohrung zahlreicher Brunnen und den Bau dreier neuer Wasserwerke fokussiert.

Auf diesem Weg soll bis zum En- de des laufenden Jahres auch ei- ne umfassende Wasserversor- gung gewährleistet werden. Frei- lich geht ein erheblicher Teil der Maßnahmen zulasten der fragi- len Süßwasserlinse unter der Halbinsel, die durch nachrücken- des Salzwasser verdrängt wird.

Diese wohl schwerwiegendste Auswirkung des Kiewer Ökokrie- ges gegen seine abtrünnigen Untertanen kann nur durch eine Wasserzufuhr vom Festland sinn- voll gestoppt werden, welche für eine adäquate Wasserversorgung der Halbinsel unabdingbar ist.

Die Pläne für ein diesbezügliches Leitungssystem über die Straße von Kertsch sind allerdings noch nicht erkennbar gediehen und wären auch obsolet, wenn der neugewählte ukrainische Staats- präsident zu einer konstruktive- ren Zusammenarbeit mit Russ- land finden würde. T.W.W.

Wien zeigt, wie es geht

Enteignung von Wohnraum kein Thema – Österreichs Hauptstadt setzt auf sozialen Wohnungsbau in großem Stil

W

ie Berlin hat auch Wien mit steigenden Einwoh- nerzahlen zu kämpfen.

Allerdings ist die Enteignung großer Wohnungsunternehmen in der Donaumetropole kein Thema. Das Wiener Modell des sozialen Wohnungsbaus findet inzwischen sogar weltweit Be- achtung.

Österreichs Hauptstadt inve- stiert schon seit gut 100 Jahren in sogenannte Gemeindebauten. Im Gegensatz zu anderen großen Metropolen ist die Stadt Wien auch nie der Versuchung erlegen, den eigenen Wohnungsbestand über Privatisierungen zu Geld zu machen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Stadt lässt sich die Wohnbauförderung sogar jedes Jahr mehrere hundert Millionen Euro kosten, sodass der kommu- nale Wohnungsbestand jedes Jahr größer wird. Als Resultat ge- hören der Stadt Wien mittlerwei- le 220 000 Wohnungen ganz di- rekt, weitere 200 000 Wohnungen hat die Stadt mit unterschied- lichen Modellen gefördert.

Das Wiener Modell zeichnet noch eine weitere Besonderheit

aus: Vom sozialen Wohnungsbau in Wien profitieren nicht nur Einkommensschwache, sondern auch die Mittelschicht. Als Ober- grenze gilt ein Nettoeinkommen von 44 000 Euro für eine Einzel- person. Auf dieser Grundlage bringen gut 75 Prozent der Wie- ner die Voraussetzung für eine städtische Wohnung mit.

Als Resultat leben von den knapp zwei Millionen Einwoh- nern der Stadt gut 60 Prozent in einer der kommunalen Wohnun- gen oder aber in einer Wohnung, die über ein öffentliches Förder- modell entstanden ist. Insgesamt hat sich die Stadt damit einen Ruf als ausgesprochen mieter- freundliche Stadt erworben.

Claus Michelsen, Ökonom am Deutschen Institut für Wirt- schaftsforschung (DIW) in Berlin, nennt die österreichische Haupt- stadt ein positives Beispiel für ei- nen funktionierenden, günstigen Mietmarkt.

Mittlerweile hat die Stadt Wien noch schärfere Vorgaben an In - vestoren auf dem Wohnungs- markt auf den Weg gebracht. Seit März gilt eine Novelle der Bau-

ordnung, die vorschreibt, dass bei großen Wohnungsbauprojek- ten auf zwei Dritteln der Fläche geförderte Wohnungen errichtet werden müssen. Lediglich ein Drittel der Wohnnutzfläche soll frei finanziert werden. Die Vorga- be gilt für Projekte ab 5000 Qua- dratmetern Gesamtgröße.

Bislang galt die Regelung, dass bei großen Neubauprojekten je- weils die Hälfte der Fläche als so- zialer Wohnungsbau ausgewie- sen werden muss. Der Wiener Landtag legte zudem eine maxi- male Nettomiete von fünf Euro pro Quadratmeter bei den geför- derten Wohnungen fest.

Der Österreichische Haus- und Grundbesitzerbund hat die im März in Kraft getretene Novelle der Bauordnung als zu weitge- hend kritisiert und eine Warnung vor einem Rück gang der Bauakti- vitäten in Wien ausgesprochen.

Nicht nur in Wien spielt der soziale Wohnungsbau eine wich- tige Rolle. In ganz Österreich liegt der Anteil dieses Sektors bei fast einem Viertel des gesamten Wohnungsbestands. Betrachtet man nur den Bereich der Miet-

wohnungen, dann liegt der An- teil in Österreich sogar bei etwa 60 Prozent.

Ganz anders sieht es mittler- weile in der Bundesrepublik Deutschland aus: Hier hat die öf- fentliche Hand seit Ende der 90er Jahre hunderttausende Wohnungen an Investoren ver- kauft. Nach Angaben des Bundesinstituts für Bau-, Stadt und Raumforschung (BBSR) in Bonn verkauften allein Kommu- nen oder Wohnungsunterneh- men mit kommunaler Mehrheits- beteiligung im Zeitraum von 1999 bis Mitte 2011 rund 379 000 Wohnungen im Rahmen von großen Transaktionen.

Bund und Länder haben mit 532 000 Einheiten sogar noch deutlich mehr Wohnungen abge- geben. Käufer waren in vielen Fällen international agierende Finanzinvestoren, die sich mit dem Kauf großer Immobilienpa- kete als wichtige Größen auf dem bundesdeutschen Wohnungs- markt etabliert haben.

Auf der anderen Seite hat sich die Zahl der Sozialwohnungen in der Bundesrepublik Deutschland

im Zeitraum der Jahre 2002 bis 2017 mehr als halbiert. Die Zahl der Sozialwohnungen ging von 2,57 Millionen auf nur noch 1,22 Millionen zurück.

Im Kontrast zu dieser Entwick - lung steht ein hoher Bedarf an preiswerten Wohnungen durch Faktoren wie die Massenzuwan- derung und die Zunahme prekä- rer Beschäftigungsverhältnisse.

Nach Berechnungen des Prestel- Institutes fehlen bundesweit in- zwischen vier Millionen Sozial- wohnungen.

Derweil versucht auch die Poli- tik umzusteuern. Bereits vergan- genes Jahr kündigte die Bundes- regierung in Berlin ein Paket im Umfang von fünf Milliarden Euro an, damit in den nächsten drei Jahren 1,5 Millionen Wohnungen gebaut werden können. Sieht man vom Verkauf von 60 000 Bundeswohnungen der Bauen und Wohnen (Buwog) im Jahr 2004 ab, dann hat es in Öster- reich im Gegensatz zur bundes- deutschen Entwicklung keine Privatisierungen von großen öf- fentlichen Wohnungsbeständen gegeben. Norman Hanert

MELDUNGEN

A K T U E L L

Brannte Anfang der Karwoche lichterloh: Ein Kurzschluss soll angeblich das Feuer von Notre-Dame ausgelöst haben Bild: pa

(3)

MELDUNGEN

Beauftragte tagten in der Hauptstadt

Ausgerechnet einen Mann ihres eigenen Landesverbandes, Wirt- schaftsminister Peter Altmaier, der innerparteilich in arge Be- drängnis geraten ist, soll CDU- Chefin Annegret Kramp-Karren- bauer jetzt opfern, um Platz für ihren einstigen Mitbewerber um den Parteivorsitz, Friedrich Merz, zu machen.

Als ihr treu ergebener Kanz- leramtschef zur Zeit der Zuwan- derungskrise spielte der Saarlän- der Peter Altmaier die Rolle des Blitzableiters für die Bundeskanz- lerin, als diese in arge Bedrängnis geriet. Jetzt richtet sich die Kritik der konservativ geprägten Wirt- schaftsverbände eigentlich gegen die zögerliche Kramp-Karrenbau- er, aber sie trifft den Wirtschafts- minister Altmaier. Die Wirt- schaftsverbände fordern jetzt die Auswechselung von Altmaier durch Friedrich Merz.

Eine Personaldebatte jedoch kann sich die Union jetzt nicht leisten, denn diese würde unwei- gerlich auch zu einer Debatte um die Bundesverteidigungsministe- rin und die Bundeskanzlerin füh- ren. Viele, die eigentlich Angela Merkel meinen, aber es nicht zu sagen wagen, üben an Altmaier Kritik. Nicht zufällig haben sich deshalb Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus und Alexander Dobrindt, sein Vize von der CSU, und nicht gerade ein Altmaier- Freund, demonstrativ hinter Alt- maier gestellt. Dabei ist bekannt, dass es in der Politik alles andere als ein gutes Zeichen für einen Minister ist, wenn seine Partei- freunde es für nötig halten, ihn ungefragt zu verteidigen.

Merz würde zwar gerne Mini- ster werden, wie er selbst gesagt hat, aber ob er dabei an das Kabi- nett Merkel denkt, ist eine andere Frage. Immerhin hat er sich einst wegen Merkel aus der Politik zu- rückgezogen. Wenn er jetzt unter ihr wiederkäme, würde dies bei Merkel, die ja laut ihres Partei- freundes Wolfgang Schäuble kri- tikunfähig ist, sicher neue Kon- flikte heraufbeschwören. Viel-

leicht hat diese Angst vieler CDU- Granden Merz bereits das Amt des Parteivorsitzenden gekostet.

Kramp-Karrenbauer braucht den einstigen Konkurrenten.

Merz steht für einen Parteiflügel, den die Parteichefin einbinden muss. Sie kann sich dann anderen Aufgaben widmen, als Flügel zu- sammenzuhalten, und ihre Rolle als integrative Parteichefin besser ausspielen. Gerade, weil man Merz lieber heute als morgen brauchen könnte, schließt die Union demonstrativ die Reihen hinter Altmaier, der sich nie zu schade war, die Drecksarbeit während der Asylkrise durchzu- stehen. Dass die Wirtschaft ihren verständlichen Unmut über die

Große Koalition nun bei Altmaier ablädt, sei unfair, sagen seine CDU-Freunde.

Dass die CDU das lukrative Fi- nanzministerium verloren und das undankbare Wirtschaftsmini- sterium dafür erhalten hat, war auch ein Resultat ihres Wahlde- bakels bei der letzten Bundes- tagswahl. Und dieses war ein Re- sultat der Merkel’schen Asylpoli- tik, für die jetzt Altmaier indirekt wieder den Kopf hinhalten muss.

Der Jurist Altmaier hat das Wirt- schaftsressort nicht aus Eignung oder Neigung erhalten, sondern weil es sonst wohl niemand übernehmen wollte. In einem Jahr, in dem neben der EU-Wahl noch vier Landtagswahlen und

etliche Kommunalwahlen anste- hen, könnte Merz die einstige Kernkompetenz der Union we- sentlich besser nach außen dar- stellen. Viele in der Union sehen in ihm den Idealtyp eines Wirt- schaftsministers.

Altmaier, das bewies er in sei- nem Amt als Koordinator in der Zuwanderungskrise, scheut Kon- flikte und hat wie die Kanzlerin die Neigung, diese auszusitzen, statt sie zu lösen. Dies ist jedoch in der Wirtschaft, wo Entschei- dungen, die auf sich warten las- sen, Geld kosten, pures Gift. Des- halb ist Altmaier bei der Indu- strie und dem Mittelstand, zwei einstigen CDU-Domänen, in Un- gnade gefallen.

Nach der knappen Entschei- dung über den Parteivorsitz sind die von vielen erwarteten Verwer- fungen in der Union ausgeblie- ben. Die Partei wirkt wieder be- friedet. Einstige glühende Merz- Unterstützer haben ihren Frieden mit der neuen Parteichefin ge- macht. Trotzdem weiß Kramp- Karrenbauer, dass es besser ist, Merz an der eigenen Seite statt als Gegner zu haben. Die vorzeitige Debatte um ihn in der Union be- weist, dass die neue Chefin ihren Kurs der Unschärfe beenden muss. Dies ist nicht nur für die Wirtschaft Gift, auch in Umfragen konnte die Union seit dem Wech- sel an der Spitze im Dezember noch nicht zulegen. Bodo Bost

Sauerländer statt Saarländer

Die Saarländerin Kramp-Karrenbauer steht unter Druck, ihren Landsmann Altmaier für Merz zu opfern

Wiesbaden– Pünktlich zum Oster- fest, wenngleich auch erst nach Redaktionsschluss dieser Zeitung, hat das Statistische Bundesamt Zahlen zur Eierproduktion in Deutschland veröffentlicht:

0,82 Eier pro Tag oder 298 Eier an 365 Tagen – so viele Eier hat eine Legehenne in Deutschland im Jahr 2018 durchschnittlich gelegt. Da- mit wurden 2018 rund 12,3 Milliar- den Eier für den Konsum produ- ziert. Die Zahl der Eier je Henne war weitgehend unabhängig von der Haltungsart: So legte ein Huhn in Freilandhaltung 298, in Boden- haltung 300 und in Kleingruppen- haltung und ausgestalteten Käfigen 302 Eier pro Jahr. Die Hennen in ökologischer Haltung legten mit durchschnittlich 285 Eiern etwas weniger als ihre Artgenossinnen in konventioneller Haltung. Zu den größten Eierproduzenten zählten Niedersachsen mit 4,8 Milliarden, Nordrhein-Westfalen mit 1,4 Milli- arden und Bayern mit 1,1 Milliar- den Eiern. Dabei war die Boden- haltung in fast allen Ländern die vorherrschende Haltungsform.

Einzige Ausnahme war Mecklen- burg-Vorpommern. Dort stammte fast jedes zweite Ei aus der Frei-

landhaltung. J.H.

E

rstmals in Friedenszeiten be- kommt eine deutsche Armee jüdische Militärgeistliche – um der „gewachsenen Vielfalt“ un- ter den Soldaten Rechnung zu tra- gen, wie es aus dem Bundesvertei- digungsministerium heißt. Erstmals gab es in Deutschland 1870/71 im deutsch-französischen Krieg in der preußischen Armee jüdische soge- nannte Feldgeistliche.

Rund 185 000 Soldaten dienen in der Bundeswehr, 3000 davon sind Muslime und nur 300 sind Juden.

Die großen christlichen Kirchen stellen schon seit Jahrzehnten Mili- tärseelsorger für die Bundeswehr.

Dies ist in einem Staatsvertrag mit den Kirchen geregelt. Ein solcher Staatsvertrag soll nun auch mit dem Zentralrat der Juden geschlossen werden. Der Zentralrat soll künftig die Kandidaten für die Militärseel- sorge vorschlagen, die Auswahl ob- liegt jedoch der Bundeswehr. Ange- dacht sind ein orthodoxer und zwei liberale jüdische Militärrabbiner.

Bis zur Aussetzung der Wehr- pflicht 2011 gab es kaum jüdische Soldaten in der Bundeswehr. Denn für Überlebende des Holocaust und ihre Nachkommen bis zur dritten Generation gab es eine Freistellung von der Wehrpflicht. Erst nachdem ab 1990 rund 200 000 jüdische

„Kontingentflüchtlinge“ nach Deutschland kamen, die zwar Op-

fer des Antisemitismus in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion waren, aber nicht des Holocaust, zog es eine nennenswerte Anzahl von Juden freiwillig in die Bundes- wehr. Ihr Anteil ist sogar höher als ihr Bevölkerungsanteil. Deshalb soll jetzt nach 100 Jahren wieder ei- ne jüdische Militärseelsorge einge- führt werden. Für den „Lebens- kundlichen Unterricht“, der sich mit der Berufsethik der Soldaten in der Bundeswehr befasst, wirkt sich die Einstellung jüdischer Militär- rabbiner positiv aus. Es ist wichtig, gerade in Zeiten des wachsenden Antisemitismus das Thema Juden- tum authentisch im Rahmen dieses Lebenskundlichen Unterrichts zu vermitteln. Da können Militärrabbi- ner auch Anlaufstelle für nichtjüdi- sche Soldaten sein.

Der Zentralrat begrüßt die Zusa- ge des Verteidigungsministeriums.

„Die Berufung von Militärrabbi- nern ist ein Zeichen für das ge- wachsene Vertrauensverhältnis der jüdischen Gemeinschaft in die Bundeswehr als Teil unserer demo- kratischen Gesellschaft“, erklärte Zentralrats-Präsident Josef Schu- ster. Es sei über 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs an der Zeit, eine jüdische Militärseelsorge in der Bundeswehr zu etablieren und damit an eine alte Tradition anzu- knüpfen, schrieb er in einem Bei-

trag für die „Frankfurter Allgemei- ne Zeitung“.

Eine jüdische Militärseelsorge gab es in Deutschland bislang nur in Kriegszeiten. Im Krieg von 1870/71 nahmen etwa 14 000 Juden auf deutscher Seite teil, 337 erhiel- ten das Eiserne Kreuz oder andere Auszeichnungen. So war es folge- richtig, vier jüdische Feldrabbiner zu ernennen. Auch im Ersten Welt- krieg gab es eine institutionalisierte jüdische Militärseelsorge. Fast 100 000 Juden dienten in Heer und Marine, 12 000 davon waren gleich zu Kriegsbeginn 1914 als Freiwillige zu den Fahnen geeilt. Rund 30 000 wurden mit zum Teil höchsten Aus- zeichnungen dekoriert. 12000 jüdi- sche Soldaten verloren ihr Leben.

Für die 3000 muslimischen Sol- daten der Bundeswehr wird die von Bundesverteidigungsministerin Ur- sula von der Leyen angekündigte Einrichtung einer Militärseelsorge wesentlich schwieriger, nicht nur wegen der ungeklärten Frage des Islam zur Gewalt im Namen der Re- ligion. Ohne eine zentrale Institu- tion für die islamischen Glaubens- richtungen könne aus rechtlichen Gründen gegenwärtig kein Staats- vertrag geschlossen werden, räumt die Ministerin ein. Geplant sei aber, muslimische Geistliche über soge- nannte Gestellungsverträge an die Bundeswehr zu binden. B.B.

Rabbis für die Bundeswehr

Nach 100 Jahren gibt es wieder jüdische Militärseelsorger

D E U T S C H L A N D

Berlin – Zum zweiten Mal seit ihrer Gründung im vergangenen Jahr tagte die Konferenz der Aussiedler- beauftragten des Bundes und der Länder. Neben Fragen der Kultur- förderung, der Eingliederung von Spätaussiedlern und der Problema- tik bei der Nachweisführung von Dokumenten und Urkunden aus den Herkunftsländern war Haupt- thema rentenrechtliche Benachtei- ligung von Spätaussiedlern. Der persönliche Austausch in der Kon- ferenz sei wichtig, er stärke die ge- meinsame Vorgehensweise, so die hessische Beauftragte Margarete Ziegler-Raschdorf. J.H.

Legehennen waren fleißig

Mit großen Schritten auf dem Weg ins Bundeswirtschaftsministerium: Friedrich Merz Bild: Imago

(4)

Seit Ecuador mit Lenín Moreno einen neuen Präsidenten hat, weht dort ein anderer politischer Wind. Das hat jetzt auch der Whistleblower Julian Assange zu spüren bekommen.

Warum hat Ecuador dem au- stralischen Enthüller Julian As- sange das Asyl entzogen und der britischen Polizei den Zugang zur dortigen ecuadorianischen Bot- schaft gestattet, damit sie Assange verhaften konnte? Diese Frage muss man angesichts der offiziell angegebenen Gründe stellen.

Denn diese sind derart an den Haaren herbeigezogen, dass man sie nicht ernst nehmen kann.

Assange, so heißt es, habe Ecua- dor samt Londoner Botschaft be- droht, es habe bei seiner Einbür- gerung in den ecuadorianischen Staatsverband Unstimmigkeiten gegeben, er habe sich verwerflich verhalten und es an der Achtung gegenüber Ecuador fehlen lassen und Ähnliches mehr. So die Qua- lität der offiziellen Begründung durch die Regierung in Quito.

Allerdings sieht Rafael Correa,

der Vorgänger des derzeit regie- renden Präsidenten Lenín More- no, andere glaubhaftere Gründe.

Wie der Investigativ-Journalist Jason Ditz auf der Web-Seite

„Antikrieg“ berichtet, hat der In - ternationale Währungsfonds (IWF) mit der Regierung von Ecuador eine Vereinbarung getroffen, wo- nach das Land eine Finanzhilfe von zehn Milliarden Dollar be- kommt, unter der Voraussetzung, dass Assange aus der Botschaft in London ausgewiesen wird. Dies war eine Bedingung der USA.

Die Kräfteverhältnisse im IWF sind so, dass die USA mit den EU- Ländern eine Sperrminorität hält, weil Entschlüsse mit 85 Prozent der Anteile gefasst werden müs- sen. Die Enthüllungsplattform Wi- kiLeaks, die Assange zum Teil noch von seinem Asyl aus geleitet hatte, trat im Vorfeld des Handels

„Geld gegen Assange“ mit dem Hinweis an die Öffentlichkeit, dass der Ansuche Ecuadors nur unter Bedingungen im Interesse der USA stattgegeben würde.

Ecuador scheint keine Wahl ge- habt zu haben. Der Wirtschaft des

Landes geht es schlecht, das Brut- toinlandsprodukt sinkt, nach Kaufkraft ist es eines der schwächsten von ganz Südameri- ka, und das, obwohl Ecuador über Erdöl verfügt. Das alles macht Quito nicht nur vom IWF, son- dern vor allem von den USA ab- hängig. Seit dem Jahr 2000 hat Ecuador keine eigene Währung mehr, sondern der US-Dollar ist offizielles Zahlungsmittel.

Gleichwohl hatte der frühere Präsident Rafael Correa versucht, eine von den USA möglichst un- abhängige Politik zu führen. Dass er Assange Asyl gewährt hatte, war Ausdruck dieses Bemühens, und das hat ihm in den USA viel Feindschaft eingetragen. Sein Nachfolger Moreno ist von ande- rer Art und, obwohl ein erklärter Linker, den USA gegenüber eher willfährig. So gehört er der latein- amerikanischen Allianz an, die unter US-Protektorat gegen Vene- zuela geschmiedet worden ist.

Correa, der nach seinen zwei erlaubten Amtsperioden vor der Verfolgung durch seinen Nachfol- ger Moreno nach Belgien geflüch-

tet ist, übt harsche Kritik an des- sen Verhalten in der Asyl-Sache.

Er bezeichnete es als „einen der schrecklichsten Akte, die jemals aus Servilität, Bosheit und Rach- sucht ausgebrütet wurden“. Zu- dem bezeichnete er seinen Nach- folger als „Verräter“.

Zwar hat Scotland Yard Assange verhaftet, doch es steht außer Fra- ge, dass ihn die USA in ihre Ge- walt bringen wollen. Sonst hätte der Handel mit dem IWF keinen Sinn. Zudem bemüht sich das Ju- stizministerium in Washington um ein unspektakuläres Vorgehen.

Man wirft Assange neuerdings le- diglich vor, er habe ein Passwort geknackt, wodurch die Pentagon- Papiere zugänglich geworden seien. Durch dieses Manöver will man die denkbare Möglichkeit aus der Welt schaffen, dass Assange in den USA die Todesstrafe droht.

Der jetzige Klagepunkt rechtfertigt nicht mehr als fünf Jahre Haft. Bei einer drohenden Todesstrafe näm- lich könnte Großbritannien As- sange nicht in die USA ausliefern, wo man auf ihn wartet.

Florian Stumfall

O

bwohl sein Name eng mit WikiLeaks verbunden ist, war Julian Assange nicht der Gründer der Enthüllungs- plattform. Doch er gehörte zu den Männern der ersten Stunde und war lange ihr Sprecher, auch noch während einiger Jahre seines Asyls in Ecuadors Botschaft in London. Seit er seinen Asyl-Sta- tus verloren hat, ist WikiLeaks endgültig sein Schicksal.

Geboren wurde Assange 1971 in Townsville im australischen Queensland. Er studierte Physik und Mathematik in Melbourne, allerdings ohne Abschluss. Das war sehr typisch für ihn: Seine mathematische Fakultät erstellte im Rahmen eines Vertrages mit der US-Armee eine Studie zur Verbesserung von militärischem Gerät. Er aber wollte seine Hand nicht für die „Optimierung einer Killer-Maschine“ reichen.

Jedenfalls legte Assange doch ein gewisses Talent für die digita- le Technik an den Tag. Er sammel- te Erfahrungen als Programmierer und gründete zusammen mit an- deren eine Hacker-Gruppe na- mens „International Subservices“.

Es ging für ihn wechselhaft wei- ter. Assange kassierte eine Bewäh- rungs- und Geldstrafe wegen Hackens. Auf der anderen Seite beschäftigte er sich erfolgreich mit einer Software für Verschlüs- selungen, und darüber hinaus er- fand er ein Dateisystem, was ihm eine gewisse finanzielle Bewe- gungsfreiheit verschaffte. Jeden- falls konnte er sich, als er im Jah- re 2006 zu WikiLeaks stieß, der Arbeit an diesem Portal ehren - amtlich widmen.

Das Auf und Ab wurde zum Kennzeichen des Lebens von As- sange. Er wurde wegen seiner Ar- beit für WikiLeaks mehrfach in

Haft genommen, zensiert, von Ge- heimdiensten abgehört und ver- klagt, wenn auch ohne Erfolg für die Kläger. Anno 2011 stellte er ei- nen damals 18-jährigen Burschen mit Namen Sigurdur Thordarson als Volontär ein. Was Assange nicht wusste: Dieser Mit arbeiter war ein Spitzel des FBI und damit beauftragt, seinen Chef auszu- spionieren. Dies war das erste do- kumentierte Mal, dass Assange ins Fadenkreuz der US-Dienste geriet.

Seine Lebensphase, die in die Gegenwart führte, begann 2010, als in Schweden gegen ihn der Vorwurf einer Vergewaltigung er- hoben wurde. Dieser wurde mitt- lerweile zwar zurückgezogen, überschnitt sich aber zeitlich mit dem großen Streit, der ihn jetzt das Asyl gekostet hatte und des- sen Erledigung sich in den USA

abspielen dürfte. FS

Zeitzeugen

W

ikiLeaks, so die Selbstdar- stellung, „ist spezialisiert auf die Analyse und Veröffentli- chung großer Datensätze von zensierten oder anderweitig ein- geschränkten offiziellen Materi- alien zu Krieg, Spionage und Korruption. Sie hat bisher mehr als zehn Millionen Dokumente und zugehörige Analysen veröf- fentlicht.“ Zehn Millionen – das ist entschieden zu viel. Einige der wichtigsten seien angeführt.

April 2010: Luftangriffe in Bagdad: Die Veröffentlichung zeigt Filmsequenzen aus dem Bordvideo eines US-Kampfhub- schraubers. Man sieht, wie die Bordkanonen und Raketen auf Zivilisten schießen. Es gibt Tote und Verletzte, darunter auch Kinder und zwei Berichterstatter der Agentur Reuters. Diese Sze- ne macht WikiLeaks schlagartig weltberühmt.

Oktober 2010: Kriegstagebü- cher. Hunderttausende von Do- kumenten über die Kriege in Af- ghanistan und im Irak werden ins Netz gestellt. Sie umfassen den Zeitraum von 2004 bis 2009. Dies war die größte Si-

cherheitspanne in der Militärge- schichte der USA. Dadurch wur- de bekannt, dass unter den ge- meldeten 110 000 Toten im Irak 66 000 Zivilisten waren.

April 2011: Die Guantanamo- Files. Das veröffentlichte Materi- al belegt nicht nur die un- menschliche Behandlung der Häftlinge, sondern auch die ho- he Zahl von Unschuldigen, die in dem US-Lager eingesperrt sind, unter ihnen Jugendliche.

März/Juli 2016: Hillary-Clin- ton-Archiv. Die Sammlung von rund 30 000 E-Mails und An- hängen aus dem privaten Rech- ner der damaligen Präsident- schafts-Kandidatin Hillary Clin- ton nähren den Verdacht, dass die Demokraten um Clinton innerhalb der eigenen Partei ge- gen ihren Widersacher Bernie Sanders eine Kampagne geführt haben.

März 2017: CIA-Hacker. Hier- bei geht es um Dokumente zu den Hacking-Methoden der CIA und den Möglichkeiten über Software-Tools Autos, Fernseher Web-Browser und Computer zu

manipulieren. FS

Edward Snowdon – Neben As - sange ist der frühere CIA-Mitar- beiter der weltweit bekannteste Enthüller von skandalösen Staats- geheimnissen der USA. Er hat sich der Strafverfolgung ins russi- sche Asyl entziehen können und schrieb zur Festnahme des „Kolle- gen“ in London: „Bilder des ecua- dorianischen Botschafters, der die britische Geheimpolizei in die Botschaft einlädt, um einen Her- ausgeber vom preisgekrönten Journalismus aus dem Gebäude zu schleppen, werden in die Ge- schichtsbücher eingehen. As - sanges Kritiker mögen jubeln, aber dies ist ein dunkler Augen- blick für die Pressefreiheit.“

Christine Lagarde – Die Chefin des Internationalen Währungs- fonds ist mit den finanziellen Pro- blemen Ecuadors gut vertraut.

Erst im Januar traf sie anlässlich des Weltwirtschaftsforums in Da- vos mit dem Präsidenten Ecua- dors, Lenín Moreno, zusammen.

Damals sagte sie dem Anden- Land bereits 4,2 Milliarden US- Dollar zu. „Das Abkommen“, so Lagarde, „unterstützt die Wirt- schaftspolitik der ecuadoriani- schen Regierung in den nächsten drei Jahren.“

Maria Paula Romo – Ecuadors Innenministerin hat dieser Tage auf dem Flughafen der Haupt- stadt Quito einen schwedischen Software-Entwickler festnehmen lassen, der nach Japan fliegen wollte. Dem Verdächtigen, dessen Namen die Behörden derzeit ge- heim halten, wird vorgeworfen, ein „sehr enger Mitarbeiter“ As- sanges zu sein. Der Mann lebe schon seit Jahren in Ecuador und sei eine „Schlüsselfigur“ von Wi- kiLeaks. Die Innenministerin in Quito fuhr fort: „In Ecuador gibt es einen Plan der Destabilisie- rung, der mit geopolitischen Interessen zu tun hat. Wir haben Beweise für eine Beziehung des nun Festgenommenen zu Ricardo Patino, der Außenminister war, als Julian Assange Asyl gewährt wurde.“

Rafael Correa – Der studierte Ökonom war von 2007 bis 2017 zwei Legislaturperioden lang der Präsident Ecuadors. Er nannte seine Regierung mit Latino-Pathos eine „Revolution der Bürger“, konnte aber gleichwohl und trotz seiner eher linken Ausrichtung auf erhebliche wirtschaftliche und soziale Erfolge verweisen. So sank während seiner Amtszeit die Armut im Lande um rund 40 Pro- zent. Die Regierung seines Nach- folgers Lenín Moreno ermittelt gegen ihn wegen Entführung und Bildung einer kriminellen Verei- nigung. Der Hintergrund ist ein gescheiterter Putschversuch im Jahre 2012. Einen der Anführer, Fernando Balda, habe Correa ge- waltsam von Kolumbien nach Ecuador bringen lassen.

Filou mit Computerwissen

Die Karriere des Julian Assange – Früh im Fadenkreuz des FBI

Fauler Handel mit den USA

Nach sieben Exiljahren wurde Julian Assange verhaftet – Weil vermutlich Geld floss

So gefährlich ist WikiLeaks für die Politik

Das verflixte siebente Jahr für einen Botschaftsflüchtling: Julian Assange bei seiner Festnahme durch die Londoner Polizei Bild: Imago

Plattform enthüllte US-Kriegsverbrechen

D E R F A L L J U L I A N A S S A N G E

Bild: Asamblea Nacional del EcuadorBild: Youtube

Chefredakteur:

Dr. Jan Heitmann

Verantwortliche Redakteure: Politik, Wirtschaft, Berlin, Mensch & Zeit: Hans Heckel; Kultur, Lebensstil, Leserbriefe:

Harald Tews; Geschichte, Preußen:

Dr. Manuel Ruoff; Buchseite, Bildredak- tion, Ost preußen heute: Manuela Ro- senthal-Kappi; Heimatarbeit: Christiane Rinser-Schrut; Die Pommersche Zei- tung: Brigitte Stramm.

Korrespondenten: Norman Hanert (Ber- lin), Edyta Gladkowska (Allenstein), Ju- rij Tschernyschew (Königsberg).

Verlag und Herausgeber: Landsmann- schaft Ostpreußen e. V., Anschrift von Verlag und Redaktion: Buchtstraße 4, 22087 Hamburg.

Druck: Schleswig-Holsteinischer Zei- tungsverlag GmbH & Co.KG, Fehmarn- straße 1, 24782 Büdelsdorf. – ISSN 0947-9597.

Die Preußische Allgemeine Zeitung ist das Organ der Landsmannschaft Ost- preußen (LO) und erscheint wöchent- lich zur Information der Mitglieder des Förderkreises der LO.

Bezugspreisepro Monat seit 1. Januar 2019: Inland 12 Euro einschließlich 7 Prozent Mehrwertsteuer, Ausland 14,50 Euro, Luftpost 18,50 Euro. Abbe-

stellungen sind mit einer Frist von ei- nem Monat zum Quartals ende schrift- lich an den Verlag zu richten.

Einzelverkaufspreis:2,90 Euro.

Anzeigen: Ingrid Stuthmann.

Es gilt Preisliste Nr. 33.

Konten: Commerzbank AG, IBAN: DE64 2004 0000 0634 2307 01, BIC: COBA- DEFFXXX oder Postbank Hamburg, IBAN: DE44 2001 0020 0008 4262 04, BIC: PBNKDEFF (für Vertrieb).

Für unverlangte Einsendungen wird nicht gehaftet.

Telefon (040) 4140 08-0 Telefon Redaktion (040) 4140 08-32 Fax Redaktion (040) 4140 08-50 Telefon Anzeigen (040) 4140 08-32 Telefon Vertrieb (040) 4140 08-42 Fax Anz./Vertrieb (040) 4140 08-51

Internet:

www.preussische-allgemeine.de E-Mail:

redaktion@preussische-allgemeine.de anzeigen@preussische-allgemeine.de vertrieb@preussische-allgemeine.de

Landsmannschaft Ostpreußen:

www.ostpreussen.de Bundesgeschäftsstelle:

lo@ostpreussen.de

WO C H E N Z E I T U N G F Ü R DE U T S C H L A N D

DA S OS T P R E U S S E N B L AT T

(5)

Diese Berliner zieht’s nach Brüssel

Von T HEO M AASS

S

eit einigen Tagen hängen an vielen Stellen in Berlin Wahlplakate zur EU-Parlamentswahl am 26. Mai. CDU und SPD sehen dem Wahltag mit Sorge entgegen, Grüne und AfD mit Optimismus.

Deutschland entsendet 96 Abgeordnete.

Die Grünen haben mit Franziska Keller (sie lässt sich lieber „Ska“ Keller nennen) sogar eine Brandenburgerin als bundesweite Spitzenkandidatin ihrer Partei nominiert. Ihr Wahlslogan „Kommt der Mut – Geht der Hass“ soll die Weltoffenheit und multikultu- relle Grundeinstellung ihrer Partei demon- strieren.

Dabei hat Keller sehr extreme Ansichten.

2017 forderte sie die Ansiedlung ganzer orientalischer Dorfgemeinschaften in Mittelosteuropa. „Die Weigerung, Flüchtlinge aufzunehmen, verstößt gegen EU-Recht“, dagegen müsse man notfalls auch mit Zwangsmaßnahmen vorgehen.

Mit dem Berliner Nicolaus Fest auf

Platz 6 der Bundesliste zeigt die AfD deutlich in Berlin-Brandenburg Präsenz. Der

frühere stellvertretende Chefredakteur der

„Bild“-Zeitung gehört zu den gemäßigten Vertretern seiner Partei und verfehlte bei der jüngsten Bundestagswahl den Parlaments- einzug.

CDU und SPD werben mit weniger bekannten Gesichtern aus der Region um Stimmen. Zwar kann Gaby Bischoff nach ihrer Nominierung auf Platz 9 der SPD- Bundesliste mit dem Einzug ins Parlament rechnen, aber die Funktionärin der IG Metall ist in der Hauptstadt weitgehend unbekannt.

Ähnlich geht es der CDU-Kandidatin Hildegard Bentele, die sich nun schon das vierte Mal um ein Mandat im EU-Parlament bewirbt und hofft, dass ihr diesmal Erfolg beschieden ist. Bentele will einen Europabezug in die Berliner Verfassung aufnehmen lassen. Zudem möchte sie einen Ort schaffen, „an dem sich Europa in der Stadt konkretisiert“. Ob solche Vorhaben beim Wähler zünden?

Martina Michels gehört dem EU-Parlament an. Das frühere SED-Mitglied saß zuvor bis 2013 im Berliner Abgeordnetenhaus. Selbst bei einem sehr schwachen Ergebnis für die Linkspartei dürfte der Platz 5, auf dem Michels nominiert wurde, für den Wiedereinzug ausreichen.

Für den bestplatzierten FDP-Kandidaten aus Berlin könnte es dagegen eng werden.

Der gebürtige Belgier Carl Grouwet ist Büroleiter des FDP-Bundestagsabgeordneten Hartmut Ebbing, kommt also bereits aus den Innereien des Polit-Establishments und durchläuft eine Parteikarriere alten Schnitts.

Die Liberalen müssten schon sensationell abschneiden, damit Grouwet durchkommt. Er sitzt auf Listenplatz 12.

Die Kleinstadt Luckau in der Nieder- lausitz gilt nicht nur wegen des histo- rischen Altstadtkerns und einer gut er- haltenen mittelalterlichen Stadtmauer als touristischer Geheimtipp. Die ma- lerische Gartenstadt am Rande des Spreewalds begeht in jedem Frühjahr auch ein Tulpenfest. In diesem Jahr wurde Luckau allerdings von einem ganz besonderen Pech heimgesucht.

Gut fünf Wochen vor dem traditio- nellen Fest gruben Diebe über Nacht aus Rabatten fast 1500 Tulpenzwie- beln aus und machten sich mit ihrer Beute davon. Vermutet wird, dass die Täter für ihren Raubzug sogar einen Anhänger mitbrachten, um die Tul- pen abzutransportieren. Der Tatort war ausgerechnet der Eingangsbe- reich des Geländes, auf dem im Jahr 2000 Brandenburgs erste Landesgar- tenschau stattgefunden hat. Insge- samt richteten die unbekannten Tä- ter bei ihrem Raubzug Mitte März ei- nen Schaden von mehreren Tausend Euro an.

Für die Kleinstadt bahnte sich mit dem dreisten Diebstahl eine kleine Katastrophe an: „Neue Pflanzen in die- ser Größenordnung zu bestellen, das hätte unser Budget gesprengt“, so eine Organisatorin des Tulpenfestes. Vor wenigen Wochen bestand somit die Gefahr, dass Tausende Besucher zu Ostern leere Blumenbeete vorfinden.

Allerdings mobilisierte der freche Tulpenklau unter den Bürgern der

Stadt eine Welle der Hilfsbereitschaft.

Unter dem Motto „Tulpen für Luckau“

wurde ein Spendenaufruf gestartet, der auf eine bemerkenswerte Reso- nanz traf. Maja Jentsch, die Chefin des Gartengeländes, berichtete von Spen- dern, die sogar im eigenen Garten Blu- menzwiebeln ausgruben, um sie zum Gelände der ehemaligen Landesgar- tenausstellung zu bringen.

Andere überwiesen Geld, damit neue Tulpenzwiebeln beschafft wer- den können. Eine örtliche Konditorei kreierte eigens ein

Tulpen-Törtchen und spendete den Erlös.

Am Ende führte das Engagement von Bürgern, Vereinen und Firmen zum Er- folg. Die Bepflan-

zung der leergeräumten Rabatten konnte noch rechtzeitig wiederholt werden. Wie geplant konnte das Luk- kauer Tulpenfest zum Osterfest be- ginnen.

Im Fall einer Berliner Parkanlage steht ein vergleichbar glückliches En- de noch aus. Auch im Pankower Bür- gerpark haben bislang unbekannte Tä- ter Anfang April eine Spur der Verwü- stung hinterlassen. In den Nachtstun- den des Wochenendes vom 5. bis 7. April rissen die Täter unter anderem zwei Engelsfiguren von ihren sechs Meter hohen Sockeln auf dem Dach ei- nes Rosenpavillons. Die Figuren lande- ten zunächst auf dem Dach des Pavil-

lons, dann auf dem Boden und an- schließend in der vorbeifließenden Panke.

Beide Plastiken sind dabei vermut- lich so stark beschädigt worden, dass sie nicht mehr zu reparieren sind. Die sinnlose Aktion richtete zudem auch am Dach des historischen Gebäudes Schaden an. Das Gebäude wird derzeit restauriert, nachdem es immer wieder mit Graffiti beschmiert worden war.

Die Randalierer beschädigten zudem auch die Sandsteinsäulen des Pavillons und demolierten obendrein noch meh- rere handgefertigte Parkbänke. Die Zer- störungswut der Täter richtete sich schließ- lich auch noch gegen das Ziegengehege ei- nes Kleintierzoos. Die Polizei beziffert den Schaden, den die Unbekannten anrichteten, auf insgesamt mindestens 50 000 Euro.

Bei der Pflege und Entwicklung des Parks hat in den vergangenen Jahren der Bürgerpark-Verein Pankow eine wichtige Rolle gespielt. Christian Friedrich, der Vorsitzende des Vereins, kommentierte die Verwüstungen: „Na- türlich tut es da umso mehr weh, zu sehen, wenn solche schönen und wert- vollen Figuren sinnlos zerstört wer- den. Das muss in Zukunft verhindert werden.“

Anwohner fürchten schon seit län- gerer Zeit, dass der Pankower Bürger-

park eine Entwicklung nimmt, wie sie bereits im Mauerpark oder im Görlit- zer Park („Görli“) zu beobachten ist.

Tatsächlich macht sich in der Panko- wer Parkanlage bereits seit dem Jahr 2015 zunehmend eine Drogenszene breit. Insbesondere im Westteil des Parks an der Grenze zum Wedding wird mit harten Drogen wie Heroin und Kokain gehandelt. Drogenabhän- gige entsorgen ihre Spritzen in Bü- schen entlang der Panke.

Ähnlich wie dies schon an anderen Drogenumschlagplätzen Berlins zu be- obachten war, agiert die Drogenszene auch im Pankower Park zunehmend aggressiv. Berichtet wird unter ande- rem über völlig enthemmte Beschimp- fungen von Spaziergängern durch Dro- genhändler. Zusätzlich zieht auch eine alte Bahnhofsbaracke immer mehr Ob- dachlose an.

Anwohner des Parks wünschen sich vor allem mehr Präsenz der Polizei, um der Entwicklung im Pankower Bürgerpark entgegenzusteuern. Bis- lang sind allerdings sogar die Bemü- hungen gescheitert, Parkwächter an- zustellen. Selbst Geld für eine Prakti- kumsstelle für einen solchen Park- wächter war offenbar bislang nicht vorhanden. Zunehmend wahrschein- lich wird damit eine generelle Schlie- ßung des Parks über Nacht, und wie im Fall der Gartenanlage in Luckau nun diskutiert wird, langfristig auch der Einsatz von Videotechnik zur Si-

cherung. Norman Hanert

Randalierer haben die wertvollen Statuen auf dem Sims (oben im Bild) abgerissen:

Der Rosenpavillon im Pankower Bür- gerpark, Aufnah- me vom Sommer

Bild: pa

I

m September 2018 wurde die ehemalige Jugendarrestanstalt am Kirchhainer Damm in Ber- lin-Lichtenrade zum Abschiebe- gefängnis umgebaut. Aber es steht fast leer und verursacht Personal- kosten. In Berlin leben rund 12 000 ausreisepflichtige abge- lehnte Asylbewerber. Nur wenige Hundert von ihnen wurden 2018 abgeschoben. Wenn die Innenver- waltung trotz aller Schwierigkei- ten doch abschieben will, sind die Betroffen häufig „verschwunden“.

Neben dem Kirchenasyl haben sich verschiedene „Helferorgani- sationen“ etabliert.

Jüngst trat „Bürger*innen-Asyl“

öffentlich in Erscheinung. Ein Ak- tivist unter dem Pseudonym Pas - cal Roth, ein 31-jähriger Student, der gerade an einer Doktorarbeit schreibt, äußerte im RBB-Fernse- hen: „Wir wollen so viele Ab- schiebungen wie möglich verhin- dern.“ Der öffentlich-rechtliche Sender berichtete über Roth in wohlwollendem Stil. Es gehe vor

allem darum, die Sechsmonats- frist zu überbrücken, in der Deutschland „Geflüchtete“ an die EU-Partner überstellen könne, aus denen sie in die Bundesrepu- blik gelangt seien und die eigent- lich für das Asylverfahren zustän- dig wären. Der RBB berichtete

noch über eine weitere Aktivistin.

Sie versteckt einen Mann aus Er- itrea. Der sei „geflüchtet“, weil er in seiner Heimat keinen Wehr- dienst leisten wolle.

Um diese Praxis zu unterbin- den, dass Ausreisepflichtige sich verstecken oder versteckt werden, wurde eigentlich das Abschiebe- gefängnis eingerichtet. Zurzeit sitzt in Lichtenrade ein einziger Gefährder ein. Bei der Eröffnung

durch Innensenator Andreas Gei- sel sprach der Politiker noch von

„einem weiteren Schritt für noch mehr Sicherheit“. Um den einzi- gen Häftling kümmern sich zwei Justizvollzugsbeamte, neun Ange- stellte, zwei Sanitäter und ein Arzt − und das im Dreischichtbe- trieb.

Berlins Linkspartei-Chefin Kati- na Schubert erklärte im Landes- parlament, dass sie verpflichten- de Ausreisen für abgelehnte Asyl- bewerber grundsätzlich ablehne − auch wenn es sich um Terroristen handele. Die Linkspartei bildet mit SPD und Grünen in Berlin die Regierung.

Die Hauptstadt-Grünen wenden sich ebenso gegen Abschiebun- gen. Laut Experten-Beobachtung ist die Berliner (Nicht-)Abschie- bepraxis mit dafür verantwortlich, dass sich kriminelle Araber-Clans an der Spree besonders stark aus- breiten. Sie fühlen sich hier siche- rer als in abschiebefreudigeren Bundesländern. Frank Bücker

Abschiebung klappt nicht

Im Lichtenrader Spezialgefängnis sitzt nur ein einziger Mann

Blinde Zerstörung in grüner Idylle

Luckauer Tulpenfest und Pankower Bürgerpark wurden Opfer von Verwüstungen

CDU wittert Amtsmissbrauch

Soll verspätet ausgezahlte Dürrehilfe SPD im Wahlkampf helfen?

D

as von Julia Klöckner (CDU) geführte Bundes- agrarministerium hat der rot-roten Landesregierung in Brandenburg Vorwürfe im Zu- sammenhang mit der Auszahlung der sogenannten Dürrehilfe für Landwirte gemacht. Aus Sicht des Ministeriums hätten die vom Bund kommenden Mittel bereits im Jahr 2018 entweder an die be- troffenen Bauern weitergeleitet oder aber an den Bund zurückge- ben werden müssen.

Das Land Brandenburg zahlt die Hilfen samt einer eigenen Ko- finanzierung aber erst in diesem Jahr aus. Brandenburgs Agrarmi- nister Jörg Vogelsänger (SPD) wies die Vorwürfe des Bundes- agrarministeriums zurück. Der Landeshaushalt sei erst am 1. Ja- nuar 2019 in Kraft getreten, vor- her hätte die nötige Kofinanzie- rung aus dem Landeshaushalt nicht ausgezahlt werden können.

Der CDU-Landtagsabgeordnete D i e t e r D o m b r o w s k i ä u ß e r t e

gegenüber dem „Tagesspiegel“

den Verdacht, „dass in der SPD die Absicht besteht, möglichst nah am Termin der Landtagswahl mit Geld für gute Stimmung bei den Landwirten zu sorgen“.

Die CDU warf inzwischen auch Ministerpräsident Dietmar Woid-

ke (SPD) vor, er mache auf Kosten der Steuerzahler Wahlkampf für seine Partei. Anlass war Woidkes Antwort in einem Interview der

„Berliner Zeitung“. Darin hatte er auf eine Frage zum Wahlkampf der SPD geantwortet: „Wir müs- sen zu den Menschen“, und in dem Zusammenhang darauf hin- gewiesen, dass er kürzlich seinem neunten Bürgerdialog als Mini- sterpräsident beigewohnt habe.

Aus Sicht der CDU ein Beleg da- für, dass Woidke sein Regierungs- amt für Wahlkampfzwecke nutzte.

Der parlamentarische Ge- schäftsführer der CDU-Landtags- fraktion, Jan Redmann, forderte Woidke zur Zurückhaltung auf und verlangte, die Brandenburger SPD solle die Kosten für weitere Bürgerdialoge selber überneh- men. Woidke ist auch Landesvor- sitzender der märkischen SPD.

In Brandenburg werden am 26. Mai parallel zur Wahl zum EU-Parlament auch die Kommu- nalparlamente neu gewählt. Am 1. September küren die Branden- burger dann einen neuen Land- tag. Laut einer aktuellen Umfrage ist die rot-rote Koalition von einer eigenen Mehrheit weit entfernt.

Für den Sender RBB ermittelte Infratest Dimap für die SPD 22 und die mitregierende Linkspar- tei 16 Prozent. Als zweitstärkste Kraft kommt die CDU auf 20 Pro- zent, die AfD liegt mit 19 Prozent nur knapp dahinter. N.H.

Kirchen und Aktivisten unterlaufen

die Gesetze

Anwohner fürchten Entwicklung wie im »Görli«

P R E U S S E N / B E R L I N

»Woidke soll seine Bürgerdialoge aus der

Parteikasse zahlen«

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die ständige Ausstellung infor- miert die Besucher auf rund 90 Quadratmetern über Ge- schichte, Tradition und kultu- rellen Stellenwert der Bratwurst im gesellschaftlichen Leben im

Eine „leichte Öffnung“ in den letzten Monaten macht Filipović hingegen bei der öffentlich-rechtlichen RTS aus – auch als Folge der vom Europaparlament moderierten

Davon werden USD 6 Milliarden über die Institution für arme Länder (International Development Association) und über die Institution für mittlere Einkom-

Management proposes that the current SEC submission and circulation period of 10 days for emergency operations and Level I Project Restructurings (20 days for DPFs, including CAT

Auch der bemer- kenswerte Vorgang, dass sich die Gruppe aufgrund des starken As- similationsdrucks untereinander mied und sich als solche irgend- wann einfach nicht

Mit diesen Worten resümierten Vertreter des Jugend- und Fürsorgeamtes 1973 ihr Referat anlässlich der Vor- steherkonferenz, in dem sie für rasche und weitreichen- de Reformen

Alle Angaben in dieser Broschüre beziehen sich auf die hier aufgeführten Produkte und gelten nicht für andere Produkte der KABE AB.. Bitte informieren Sie sich über den genauen

Eine Verkrampfung der Atemmuskulatur (Bronchospasmen) kann verstärkt werden. Es ist nicht auszuschließen, dass im Urin, Kopfschmerzen, Schwindel, Benommenheit, Krämpfe,