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sieht er doch in der Macht des Templerordens den An- fang der französischen Militärgeschichte

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Anzeigen Pierre Ordioni: Le Pouvoir Militaire en France de Charles VII à Charles de Gaulle. T. 1.2. Paris: Albatros 1981.

T. 1: De Jeanne d'Arc à Bazaine. 515 S.

T. 2: De la Commune de Paris à la Libe- ration. 542 S.

Grundlegende und zugleich gewagte These des Verfassers ist, daß sich in den dreieinhalb Jahr- hunderten vor der Französischen Revolution, beginnend mit dem von Charles VII 1445 ge- schaffenen stehenden Heer, die pouvoir mili- taire zu einem »quatrième ordre« neben dem des Adels, der Geistlichkeit und dem tiers état ent- wickelt hat. Ordioni verwendet bewußt das Wort »ordre«, das sowohl Stand im Sinne von état als auch Orden bedeuten kann; sieht er doch in der Macht des Templerordens den An- fang der französischen Militärgeschichte. Char- les VII (1422 bis 1461) gilt als Gründer der neu- zeitlichen französischen Armee, doch konnte sich der König schon auf das populäre und na- tionale, von Jeanne d'Arc ausgehobene Heer stützen. Die Ordonnanzen von 1445 und 1448 schufen das stehende Heer aus schwerbewaffne- ten Reitern mit leichtbewaffneten Hilfstruppen und den Infanterieeinheiten der Bogenschützen.

Der Geist des Offizierkorps der neuen königli- chen Armee war vom Bewußtsein der Tradition und dem Willen zu ihrer Pflege geprägt, und dieser Geist sollte sich, so Ordioni, ungeachtet politischer Umwälzungen, Verfolgungen und Säuberungen bis in die jüngste Zeit erhalten. Al- lerdings werden die Ausführungen zur jüngsten Zeit im letzten Teil des zweiten Bandes der These nicht standhalten.

Aus der ausgebluteten Armee Louis XIV ent- stand dann unter Louis X V die Armee der »ré- volution royale«, die Armee des Jahrhunderts der Aufklärung, aus der letztlich die »Grande Armée« hervorgegangen ist. Ihr Sendungsbe- wußtsein wird mit einem Schreiben des Mar- schalls Noailles an den König von 1743 belegt, worin es heißt: »Le royaume de Votre Majesté est purement militaire. La gloire et l'amour des armes ont toujours distingué la Nation française de toutes les autres, et ce n'est que depuis un certain temps qu'il semble qu'on se fût attaché d'avilir l'état militaire« (T. 1, S. 93). Diese Ar- mee wurde in den folgenden vier Jahrzehnten zum »quatrième ordre«, denn in dieser Zeit er- hielt die »noblesse militaire« ihre königlichen Privilegien, die die »fidélité personelle« des Of- fiziers gegenüber dem König stärkten. Die von M G M 1/84 Noailles gegründeten Loges militaires sorgten 2 5 1 dafür, daß die pouvoir militaire alle folgenden

Erschütterungen überstand und im ersten Em- pire, in der Restauration, unter dem Bürgerkö- nig Louis-Philippe und schließlich im zweiten Kaiserreich ihren Einfluß behielt. Die Verflech- tung der Loge »Grand Orient« mit der Armee- führung wird als das Werk Napoléons III darge- stellt. Der Kaiser aber konnte die republikani- sche Unterwanderung der Armee nicht verhin- dern und soll folglich schon im Frühjahr 1870 an ihrer Fähigkeit zur nationalen Verteidigung gezweifelt haben. Der Geist der Republik war also schon 1870 für die Niederlage der Armee verantwortlich, ebenso wie 70 Jahre später. — Das erinnert an die Argumentation der »révolu- tion nationale« der Vichy-Zeit.

Im zweiten Band spürt man durchgehend die Wehklage des Verfassers über den Machtverfall der Armee als Ursache für Frankreichs Verlust seiner internationalen Machtstellung im 20. Jahrhundert. Es war die böse dritte Repu- blik, die die Armee zur »machine« machte, von der nichts anderes als Effizienz und Loyalität verlangt wurde, orientiert am abstrakten Begriff des devoir militaire. Eine durchaus interessante These, doch wäre zu fragen, ob nicht der ab- strakte devoir militaire schon die Anpassung der Armee an die verschiedenen regimes von 1789 bis 1871 ermöglicht hat.

Mit »Armée-Machine« sind denn auch zwei Ka- pitel überschrieben, die die Entwicklung von 1903 bis 1911 abdecken. In seiner Einstellung gegenüber der eigenen Staatsordnung war das höhere Offizierkorps in dieser Zeit zutiefst ge- spalten, ein Zustand, der bereits in der Dreyfus- Affäre sichtbar geworden war. Diese »armée- machine« war gekennzeichnet von einer Gleich- gültigkeit gegenüber den Krisen, die die Nation erschütterten. Andererseits aber haben in dieser Zeit die Kolonialpolitik und der damit verbun- dene neue Nationalismus eine geistige Homoge- nität mindestens in der Generalität geschaffen, die die Uberwindung der Krise ermöglichte.

Wenn dann der quatrième ordre nach dem Er- sten Weltkrieg trotz des Sieges von 1918 immer mehr an Prestige verlor, so war das auf die we- nig armeefreundliche Politik der Staatsführung zurückzuführen. Die negative Haltung der Volksfrontregierung gegenüber den militäri- schen Belangen hat schließlich die Armee der dreißiger Jahre geradezu in eine Krise gestürzt.

In einem großen Teil des Offizierkorps machte sich Verbitterung breit, da es sich von der Staatsführung verlassen fühlte, und aus den Worten des Verfassers selbst spricht diese Ver- bitterung: »Les vrais >collaborateurs< de l'Alle- magne national-socialiste dans la préparation de

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notre défaite et de l'occupation a u r o n t été les ministres de Front Populaire, et de leurs compli- ces dans l'administration« (T. 2, S. 354). So etwa ist auch in V i c h y die N i e d e r l a g e von 1940 b e g r ü n d e t w o r d e n .

U n t e r der V o l k s f r o n t r e g i e r u n g stand die f r a n - zösische A r m e e einer z w e i f a c h e n G e f a h r gegen- über: kommunistische U n t e r w a n d e r u n g und mi- litärische Überlegenheit Deutschlands. Z u r Ab- w e h r dieser G e f a h r e n entstand eine militärische Geheimorganisation, die o h n e an die traditio- nellen Instanzen der 2. u n d 5. Bureaus g e b u n - den zu sein arbeitete. Aufschlußreich ist hier der Nachweis, d a ß diese Geheimorganisation in V e r b i n d u n g stand mit der »Organisation Secrète d'Action Révolutionaire« (O.S.A.R.N.), die als

»Cagoule« b e k a n n t w u r d e u n d eine O r g a n i s a - tion faschistischen C h a r a k t e r s darstellte. D e r G r ü n d e r und F ü h r e r der C a g o u l e , Deloncle, ehemaliger Royalist u n d A n h ä n g e r d e r Action Française, stand später im Lager der entschieden pronazistischen Kollaborateure. Ein anderes Mitglied der O r g a n i s a t i o n , der M a j o r D e w a w - rin, wird später als Colonel Passy de Gaulles Geheimdienstchef in L o n d o n sein. Leider ist der Verfasser nicht n ä h e r darauf eingegangen, w a r u m Kollaboration wie Résistance in diesen Geheimorganisationen angelegt w a r e n , deren militärgeschichtliche B e d e u t u n g im g a n z e n überschätzt sein mag.

In den letzten Kapiteln des Buches g e h t es u m die pouvoir militaire des Vichy-Regimes wie der Résistance. H i e r gibt es keine n e u e n E r k e n n t - nisse. M a n c h e s ist aus zwei f r ü h e r e n Büchern des Autors erneut eingebracht1. Die V o r g ä n g e in N o r d a f r i k a hat O r d i o n i 1942 als Kabinetts- chef des P r ä f e k t e n von Algier aus nächster N ä h e miterlebt: Die Streitkräfte der »France Libre« bzw. »France C o m b a t t a n t e « finden ge- ringe Beachtung. Auch hätte m a n a u f g r u n d des Titels etwas m e h r über die Entwicklung d e r französischen Armee von de Gaulle bis de Gaulle, also von 1944 bis 1958 erwarten k ö n - nen. Aber vielleicht ist hier Befangenheit des ehemaligen Colonel O r d i o n i im Spiel. Er zeigt A c h t u n g vor den politischen u n d militärischen Fähigkeiten de Gaulles, d o c h spüren wir seine Verbitterung über die Politik der persönlichen Revanche des Generals.

Auch w e r nicht allen A u s f ü h r u n g e n des V e r f a s - sers zu folgen vermag, wird das Buch als eine F u n d g r u b e interessanter Aufschlüsse v o n Struk- t u r e n u n d Entwicklungen in d e r Geschichte der französischen Streitmacht über sechs J a h r h u n - d e r t e hinnehmen. D e r V e r z i c h t auf strenge S t r u k t u r i e r u n g wie auf ein Register erschwert

d e m Leser allerdings etwas die O r i e n t i e r u n g . D e r A u t o r ist eben auch écrivain, u n d das m a g ihm eine gewisse v o m Wissenschaftler nicht g e r n h i n g e n o m m e n e Freiheit geben. D a f ü r versteht er es, seine Bücher, so auch dieses W e r k , lebendig u n d interessant zu schreiben. D e r zweite B a n d enthält eine b r a u c h b a r e Bibliographie zur T h e - matik.

Elmar Krautkrämer

1 Tout Commence à Alger 1940-1944. Paris 1972;

Le Secret de Darían. Paris 31980.

Anthony Tihamér Komjâthy: A T h o u s a n d Years of the H u n g a r i a n A r t of W a r . T o - r o n t o : R á k ó c z i F o u n d a t i o n 1982. 210 S.

D a s vorliegende W e r k , v e r f a ß t von einem a m e - rikanischen D o z e n t e n , einst Absolvent der k ö - niglichen ungarischen M i l i t ä r a k a d e m i e » L u d o - wica«, gliedert sich in zwei H a u p t t e i l e . Im ersten wird der Leser mit 900 J a h r e n u n g a r i - scher Kriegsgeschichte k o n f r o n t i e r t . P r o f e s s o r K o m j â t h y versteht es, in k n a p p e n Sätzen die L a n d n a h m e der magyarischen S t ä m m e im D o - n a u b e c k e n u m 894 zu e r z ä h l e n . Die ungari- schen Krieger w u r d e n s e ß h a f t , als ihre R a u b - z ü g e nach W e s t e n mit der Zeit in N i e d e r l a g e n endeten. U n t e r K ö n i g Stephan d e m Heiligen w u r d e das N o m a d e n v o l k f ü r das C h r i s t e n t u m g e w o n n e n . Die K ö n i g e des H a u s e s A r p á d e n verstanden es, ihre Z e n t r a l m a c h t im D o n a u b e k - ken militärisch zu sichern, auch w e n n sie zeit- weilig, wie z.B. 1241 d u r c h die T a t a r e n i n v a s i o n , N i e d e r l a g e n erleiden m u ß t e n .

Im Buch wird viel über n a m h a f t e ungarische H e e r f ü h r e r des Mittelalters geschrieben: über J á n o s von H u n y a d i , der die O s m a n e n m e h r f a c h besiegte; über den Militärtheoretiker Graf M i - klós Zrinyi u n d später, im 18. J a h r h u n d e r t , über die »Kurutzen«, die Aufständischen des Fürsten Ferenc R á k ó c z i , der beinahe z e h n J a h r e lang d e m W i e n e r H o f mit Militärgewalt trotzte. Im Siebenjährigen Krieg f o c h t e n ungarische H u s a - renregimenter u n t e r der Fahne der Kaiserin M a - ria Theresia, wobei O b e r s t A n d r á s H a d i k 1757 sogar Berlin besetzte.

Auch das 19, J a h r h u n d e r t bietet reichlich Stoff f ü r die ungarische Kriegsgeschichte. 1848 rief Lajos Kossuth die N a t i o n z u m Kampf gegen H a b s b u r g auf. Die d a f ü r gebildeten H o n v é d ( L a n d w e h r ) - T r u p p e n t r o t z t e n m e h r als 15 M o -

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nate lang der gutausgebildeten österreichischen Armee. Ein Kapitel widmet Komjáthy der Ge- burt der k. u. k. Armee und in ihr — schon in der Donaumonarchie — der neuen ungarischen Honvéd-Armee, die nach 1867 entstanden war.

In großen Zügen werden auch die Ereignisse des Ersten Weltkrieges und Ungarns Anteil daran geschildert.

Dieser erste Teil unter dem Sammeltitel »Unga- rischer Soldat — ungarische Strategie« endet mit zwei aufschlußreichen Kapiteln. Sie skizzieren

»Die Verteidigung Ungarns unter der roten Fahne« (Der Feldzug der ungarischen Roten Ar- mee 1919 für die Integrität der Staatsgrenzen) und »Ungarische Soldaten in fremden Armeen«.

Der zweite Teil des Buches »Ungarischer Soldat

— deutsche Strategie« ist den politisch-militäri- schen Geschehnissen der Jahre 1919—1945 ge- widmet. Dazu werden folgende Kapitel vorge- stellt: Neugeburt der Honvéd-Armee (1920);

Ungarische Truppen an der Ostfront (1941—1943): das Schicksal der ungarischen 2. Armee am Don (1942—1943) und die Vertei- digung des Heimatbodens gegen die sowjetische Invasion 1944/45.

Der US-General Mark C. Clark schrieb das Vorwort zum Buch. Ein sehr guter wissenschaft- licher Apparat und eine ausführliche Biblio- graphie, die auch zahlreiche deutsche Veröf- fentlichungen zur Geschichte des Zweiten Welt- krieges beinhaltet, runden das Werk ab. Komjá- thys Arbeit ist verdienstvoll und hilft dem an Kriegsgeschichte interessierten Leser, auf knapp 210 Seiten einen Uberblick über den militäri- schen Behauptungswillen einer kleinen Nation in Südosteuropa zu gewinnen. Eine deutsche Übersetzung, mit geringfügigen Ergänzungen und einigen Korrekturen, wäre wünschenswert.

Peter Gosztony

F. M. v. Senger und Etterlin (Hrsg.) : Sol- daten zwischen Rhein und Weser. Heeres- geschichte in Nordrhein-Westfalen von den Anfängen der stehenden Heere bis zur 7. Panzergrenadierdivision der Bun- deswehr. Unter Mitw. von P. Beier u.a.

Koblenz, Bonn: Wehr & Wissen 1980.

190 S.

Der mittlerweile pensionierte Vier-Sterne-Gene- ral der Bundeswehr hat sich durch eine Vielzahl von Publikationen aus dem militärischen Be-

reich einen Namen gemacht. Insbesondere seine Bücher über die Panzerwaffe sind anerkannte Standardwerke geworden. Nunmehr versucht der Autor — jetzt als Herausgeber — das ge- schichtliche Werden von Soldaten in einem geo- graphisch eng begrenzten und überschaubaren Gebiet nachzuzeichnen. Das Buch selbst und die Idee dazu entstanden, als der General Komman- deur der 7. Panzergrenadierdivision gewesen war. Er hat damit versucht, das stets latente Be- dürfnis vieler Soldaten nach den geschichtlichen Wurzeln ihres Berufsstandes und ihres Herkom- mens zufriedenzustellen.

Die vorliegende Arbeit darf von Aufbau und Stil dokumentarischen Charakter beanspruchen.

Der erste Teil gibt in zehn knappen Kapiteln auf 78 Seiten einen Einblick in die Allgemeine Hee- resgeschichte in Nordrhein-Westfalen. Auf die- sen Seiten ist ein Abriß der Armee des Fürstbis- tums Münster (1672—1803) ebenso vertreten wie über die Armeen in Kur-Köln und Kleve oder, später im 19. Jahrhundert, das VII. Ar- meekorps. Senger selbst behielt sich vor, die po- litische Bedeutung der Landwehr zu untersu- chen.

Bei den Abhandlungen über die Artillerie sowie die Reichswehr und Wehrmacht im Rheinland wird bereits ein Strukturprinzip deutlich, das im Teil II des Werkes dominieren soll : die Stamm- linien. Für Militärs wie Historiker aufschluß- reich sind die Wurzeln der Infanterie, der Ka- vallerie, der Artillerie oder der Versorgungs- truppen. Aus vielen Chroniken einzelner Ver- bände haben die damals mit dieser Aufgabe be- trauten Offiziere akribisch das Werden eben dieser Verbände nachgezeichnet. Gut hundert Seiten beansprucht diese Arbeit. Verschiedene Organigramme vertiefen die einzelnen Textaus- sagen und verdeutlichen die historischen Ent- wicklungen; ein ausführliches Literaturverzeich- nis weist auf die Provenienz der Literatur und Quellen hin, die bis zu Militärkirchenbüchern des 18. Jahrhunderts zurückreichen.

Das Buch ist weder geeignet noch gedacht als Provokation oder als Diskussionsanstoß für die historische Fachwelt. Und — zugegeben — oft- mals sind die einzelnen Passagen etwas sehr trocken im Stil, eben »militärisch-einfach«; man merkt ihnen zuweilen an, daß sie mit viel Fleiß geschrieben wurden, doch insgesamt gesehen mindert dies nicht wesentlich die Qualität dieses Buches, das sich als eine »allgemeine« Heeresge- schichte von Nordrhein-Westfalen versteht.

Diesen Zweck erfüllt es zur vollen Zufrieden- heit. Dieter Ose

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Helmut Hiller: Otto der Große und seine Zeit. München: List 1980. 312 S.

Nur sehr spärlich hat die Geschichte Persönlich- keiten den Beinamen »der Große« zuerkannt.

Sucht man nach den Voraussetzungen für dieses Prädikat, mit dem die Antike beispielsweise nur Alexander bedachte, so sind diese wissenschaft- lich-systematisch kaum faßbar. »Das Prädikat«

— so Jacob Burckhardt in seinen »Weltge- schichtlichen Betrachtungen« — »wird weit mehr nach einem dunklen Gefühle als nach ei- gentlichen Urteilen aus Akten erteilt oder ver- sagt; auch sind es gar nicht die Leute vom Fach allein, die es erteilen, sondern ein tatsächliches Ubereinkommen vieler.« Der erste Sachsenkai- ser Otto I. gehört zu den wenigen Herrscherge- stalten in der deutschen Geschichte, dessen Per- sönlichkeit und Lebenswerk durch die Jahrhun- derte mit dem Ruhmeswort »der Große« in be- sonderer Weise gewürdigt worden ist.

Auf die Schwierigkeit, eine Biographie Ottos zu schreiben, zumindest »in der Weise, wie wir Neueren es für eine der vornehmsten Aufgaben des Historikers halten«, hat Gerd Teilenbach vor nahezu 30 Jahren schon hingewiesen. Der Umstand, daß die hochmittelalterlichen Könige gleichsam im »porträtlosen Jahrtausend« lebten, läßt ihr Dasein nur in vagen Umrissen erkenn- bar werden. Hierin mag wohl der Grund liegen, daß trotz zahlreicher Einzeluntersuchungen zu der langen, 37jährigen Regierungszeit Ottos des Großen (936-973) nach dem Zweiten Welt- krieg keine Biographie für einen allgemein inter- essierten Leserkreis erschien, auch nicht anläß- lich seines 1000. Todestages im Jahre 1973.

Helmut Hiller, Autor von Biographien über Friedrich Barbarossa und Heinrich den Löwen, hat den Versuch gewagt, diese Lücke zu schlie- ßen. Man darf diesen Versuch getrost als gelun- gen bezeichnen. Trotz popularisierender Ab- sicht verzichtet der Autor nicht darauf, sich möglichst eng an den Quellen zu orientieren und den neuesten Stand der Forschung zu be- rücksichtigen. Es gelingt ihm, sprachlich gefällig

»den Menschen in seinen Zeitverhältnissen« dar- zustellen, eine Forderung, die bereits Goethe an die Biographie gestellt hat. Die Illustration mit einer Reihe gut ausgewählter, zum Teil farbiger Bilder regt den Leser zusätzlich an, über dieses begrüßenswerte Buch den Zugang zu einem Zeitalter und zu einer Persönlichkeit zu finden, von der Thietmar von Merseburg schrieb: Seit Karl dem Großen hat niemals ein so großer Herrscher und Schützer unseres Landes den Königsthron innegehabt. Friedhelm Klein

Ernst-Dieter Hehl: Kirche und Krieg im 12. Jahrhundert. Studien zu kanonischem Recht und politischer Wirklichkeit. Stutt- gart: Hiersemann 1980. IX, 310 S.

( = Monographien zur Geschichte des Mittelalters. Bd 19.)

Seit den Karolingern war es vornehmste Pflicht der staatlichen Gewalt, des Königs und Kaisers, die römische Kirche zu schützen und zu vertei- digen. Die hierfür notwendigen Kämpfe galten als gerechte Kriege nach augustinischer Tradi- tion. Als das Königtum seit der Jahrtausend- wende die ständigen Friedensstörungen nicht mehr zu unterbinden vermochte, das Kaisertum als Schutzherr Roms im Investiturstreit ausfiel und die sich reformierende Kirche im Zuge der Kreuzzugsbewegung sich zunehmend als krieg- führende Partei mit eigenständigem Kriegsrecht begriff, mußte sie ihre augustinischen Traditio- nen zu Krieg und Kriegsteilnahme aktualisieren und ideologisch absichern.

Ernst-Dieter Hehl untersucht in seiner von Al- fons Becker betreuten Mainzer Dissertation die- sen Vorgang anhand der theologischen Lehr- meinungen, die die Kanonistik hierzu im An- schluß an die um 1140 veröffentlichte Kirchen- rechtssammlung des Mönches Gratian ausbil- dete. Hierbei folgt Hehl dem für ihn vorbildhaf- ten Ansatz von Carl Erdmann, der in einem grundlegenden Werk zur Entstehung des Kreuzzugsgedankens die Haltung der Kirche zum Krieg unter den Bedingungen der jeweils konkreten historischen Lage sich ausbilden sieht. Der Verfasser deutet die kirchenpolitisch für notwendig empfundene Kriegführung im Kontext der geistigen Auseinandersetzung um das Verhältnis von Regnum und Sacerdotium im 12. Jahrhundert, als es noch keinen klar ab- grenzbaren, ausschließlich nach weltlichem Recht zu gestaltenden politischen Bereich gab.

In der Summe des mittelalterlichen Gewaltver- ständnisses, die die Kanonistik des 12. Jahrhun- derts zieht, sieht Hehl eine wesentliche Voraus- setzung dafür, daß anschließend neuzeitliche staatliche Souveränitätsvorstellungen entstehen konnten.

Dieser Interpretationsrahmen wird anhand des von Gratian vorgelegten kirchenrechtlichen Ma- terials und der sich daran eigenständig entwik- kelnden Dekretistik, im besonderen die der Schule von Bologna textnah und ausführlich be- legt. Danach erscheint bei Gratian die Kirche als Herrin über Krieg und Frieden; dies verpflichtet aber die der staatlichen Gewalt lehnsrechtlich leistungspflichtigen kirchlichen Würdenträger,

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diese bei der Durchführung gerechter Kriege zu unterstützen. Zwar versachlicht sich damit par- allel zur Entwicklung des Lehnswesens im

12. Jahrhundert das Verhältnis von König und Kirche, dafür wird aber die notwendige Exi- stenz des nun abstrakt gedachten Staates noch stärker als bisher theologisch fundiert. Auch die bei aller Wissenschaftlichkeit äußerst realitätsbe- zogene Dekretistik bewirkte letztlich eine Stär- kung der Stellung der staatlichen Gewalt als Kriegsherr, der gegenüber — außer im Kirchen- staat — die Kirche keine konkrete militärische Befehlsgewalt besaß. Hehl kann nachweisen, daß die Kirche juristisch dem Staat nicht über- geordnet war, ihre Auctoritas vielmehr lediglich darin bestand, die weltlichen Fürsten an ihre Pflichten gegenüber der Kirche unter Andro- hung kirchlicher Strafen zu mahnen. Ihre Auc- toritas legitimierte jedoch, wenn ihr der Kriegs- grund hinreichend erschien, den Kampf und das Töten im Krieg. Auch wenn sich im 13. Jahr- hundert eine hierokratische Interpretation des Verhältnisses von Kirche und Staat durchsetzte, war für die politische Wirklichkeit künftig ent- scheidend, daß die staatliche Gewalt eine eigen- ständige Rechtfertigung gefunden hatte.

Ullrich Marwitz

Anton C. Schaendlinger: Die Feldzugsta- gebücher des ersten und zweiten ungari- schen Feldzugs Suleymans I. Wien: Ver- lag des Verbandes der wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs 1978. 131 S., 64 S. ( = Beihefte zur Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes. Bd 8.) Schon Joseph v. Hammer hatte auf den großen Quellenwert der ösmanischen Feldzugstagebü- cher hingewiesen und in seiner Geschichte des Ösmanischen Reiches eine Inhaltsangabe dersel- ben gebracht. Dem Verlangen Franz Babingers nach einer wissenschaftlichen Gesamtausgabe dieser Quellengattung, die vermutlich wegen ih- res anspruchslosen Stils und ihrer einfachen Sprache nicht die Beachtung der zeitgenössi- schen ösmanischen Historiker fand, ist nun Schaendlinger mit der Edition und Übersetzung der Handschrift aus der Österreichischen Natio- nalbibliothek H . 0 . 5 0 als erster nachgekommen.

Vermutlich war es der namentlich nicht be- kannte Zeremonienmeister des Ösmanischen

Reiches, der die Feldzugstagebücher führte, denn zumindest im 17. Jahrhundert waren diese ein Teil des sogenannten Zeremonialregisters.

In chronologischer Reihenfolge halten sie in knapper Formulierung Marschrouten und mili- tärische Ereignisse fest. Die beiden hier präsen- tierten Tagebücher umfassen die ungarischen Feldzüge der Osmanen von Mai bis Oktober 1521 bzw. April bis November 1526. Zentrales Ereignis des ersten Feldzuges ist die Eroberung Belgrads, die mit der Kapitulation der einge- schlossenen Festung am 29. August 1521 endete.

Der zweite Feldzug brachte den Osmanen mit der Vernichtung der ungarischen Armee bei Mohács am 29. August 1526 und der Besetzung und Brandschatzung von Ofen und Pest ihre be- deutendsten militärischen Erfolge.

Die Feldzugstagebücher verzeichnen neben den Marschbewegungen des ösmanischen Heeres, den militärischen Ereignissen und dem jeweili- gen Wetter zwar auch Ankunft und Abreise von hohen Beamten und Diplomaten sowie das Zu- sammentreten des Rates (dïwân) des Sultans, gehen aber auf die Hintergründe der taktischen und strategischen Entscheidungen und auf die Auseinandersetzungen, die darüber im Rat ent- standen, nicht ein.

Schaendlinger beginnt seine Arbeit mit einer Diskussion der Uberlieferung der Feldzugstage- bücher und ihrer Beziehungen zu dem berühm- ten Sammelwerk des Ferldün Ahmed, dem Munäa'ät es-selâtïn, in dem die Staatsschreiben der ösmanischen Sultane und die Feldzugstage- bücher der Sultane Selim I. und Suleyman I. ent- halten waren. Einer kurzen Beschreibung der Handschrift läßt Schaendlinger dann eine In- haltsangabe der beiden Tagebücher nebst einem Plan der Belagerung Belgrads und einem sol- chen der Schlacht bei Mohács folgen. Anschlie- ßend findet sich die Ubersetzung der Tagebuch- texte mit einem Anhang über den Autor und chronologische Probleme bei der Überprüfung der muslimischen Zeitangaben. Der türkische Originaltext der Tagebücher ist in Faksimile vollständig wiedergegeben, was die Übersetzung jederzeit nachprüfbar macht. Ausführliche An- merkungen, eine Bibliographie und ein Ortsre- gister runden die verdienstvolle Arbeit ab. Daß auf einen richtigen Buchdruck verzichtet und ei- nem Offsetsatz des Schreibmaschinenmanu- skripts der Vorzug gegeben wurde, wird durch den sehr niedrigen Preis des Buches vollauf ge- rechtfertigt.

Karl-Ernst Lupprian

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Alexander McKee: Die Mary Rose. Das größte Abenteuer der Meeres-Archäolo- gie. Wien, Hamburg/Zsolnay 1983.

185 S.

1545 sank im Verlauf des englisch-französi- schen Krieges vor Portsmouth und vor den Au- gen Heinrichs VIII. und seines Hofes die »Mary Rose«, ein 1510/11 gebautes Schlachtschiff — rund 600 Mann Besatzung und Truppen befan- den sich an Bord.

Diese Viermast-Karakke war Heinrichs persön- liches Eigentum; sie hatte ihren Namen nach der jüngeren Schwester des Königs und nach dem Wappenzeichen der Tudors. Im Krieg von 1513/14 hatte sie als Flaggschiff gedient, war in dieser Rolle aber im Konflikt 1523—25 von der noch größeren Karakke »Great Harry« (S. 26) abgelöst und in Heinrichs neuer Flotte auf den zweiten Platz verwiesen worden. In den Jahren danach wurde sie eingemottet und in die Re- serve versetzt, ehe 1536 eine Umrüstung er- folgte — anstelle der bunt zusammengestellten Bestückung von 1514 wurde das Schiff nun mit Standardgeschützen modernerer Art ausgerü- stet, statt 78 gab es jetzt 91 Geschütze (siehe dazu S. 26 f. zu den diversen Geschütztypen und Appendix, Tafeln 1—4).

Als sich Heinrich 1544 mit dem deutschen Kai- ser Karl V. zu einem gemeinsamen Unterneh- men gegen Paris verbündete, fiel seinen Streit- kräften die Aufgabe zu, von Calais nach Süden vorzustoßen und Boulogne zu erobern. Genau an dem Tag aber, an dem den Engländern dies gelang, am 18. September 1544, Schloß Karl V.

mit Franz I., einen Waffenstillstand — und Heinrich stand allein. 1545 traten die Franzosen gegen Heinrich an. Die englische Flotte und der Marinestützpunkt Portsmouth sollten vernichtet werden. Im Rahmen dieser Kampfhandlungen sank die »Mary Rose«. Alle seitdem erfolgten Versuche, das Schiff wieder zu heben — die letzten durch den Taucher John Deane in den dreißiger und vierziger Jahren des vorigen Jahr- hunderts — blieben erfolglos, sieht man einmal von Einzelfunden ab. Auch die genaue Lage des Schiffes versank wieder in der Anonymität.

Über 20 Jahre seines Lebens hat der Autor die- ses Buches damit verbracht, die »Mary Rose«

und die mit ihr versunkenen Menschen, Waffen und Geräte zu suchen, zu finden und schließlich

— im Oktober 1982 — zu heben. Den endgülti- gen Entschluß zu dieser Suche faßte McKee zu- sammen mit Taucherkameraden des Britischen Unterwasserclubs in Southsea 1965. In der Ge- schichte der Seefahrt war nämlich damals die

Zeit zwischen 1100 und dem frühen 18. Jahr- hundert äußerst dürftig dokumentiert (S. 51), sieht man von Ausnahmen wie André Franzens Wasa-Projekt 1950 bis 1959 ab. McKee startete als wissenschaftlicher Außenseiter und im Wi- derspruch zu den Ansichten der maßgeblichen Experten (S. 51 ff.). Schließlich konnte er sich jedoch einflußreicher Hilfe versichern und ein gigantisches Bergungsprojekt einleiten. Die ge- naue Auswertung der Funde wird unser Wissen um die Sozialgeschichte der Tudor-Zeit mit Si- cherheit bereichern (dazu u.a. S. 51, 164f. und passim).

Das vorliegende Buch ist ein Bericht über Suche und Bergung, dem ein kurzer historischer Teil vorangestellt ist. Es liest sich streckenweise fas- zinierend, weist aber doch die charakteristi- schen Mängel eines journalistischen Schnell- schusses auf.

Hans-Christoph Junge

Barbara Beuys: Der Große Kurfürst. Der Mann, der Preußen schuf. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1979. 420 S., 31 Ab- bildungen

Zwei Herrschergestalten des 17. Jahrhunderts hat bereits die zeitgenössische Geschichtsschrei- bung das Prädikat »Groß« vorbehalten, Lud- wig XIV. und Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg. Der erstere ist auch heute noch im historischen Bewußtsein der Menschen des 20. Jahrhunderts lebendig, der letztere dagegen eigentlich nur noch durch zwei Begebenheiten:

durch den Sieg in der Schlacht von Fehrbellin und den Schlußakkord aus dem Kleistschen Drama über den Prinzen von Homburg »In Staub mit allen Feinden Brandenburgs!«

Wie für Zar Peter den Großen, so wurden auch für Friedrich Wilhelm die Verhältnisse der Re- publik der Vereinigten Niederlande zeit seines Lebens zum Ideal, an denen er seine Maßnah- men auf dem Gebiet der Staatsverwaltung, des Militärwesens, des Rechtswesens und der reli- giösen Toleranz orientierte. Toleranz, Disziplin und gleiches Recht für alle hießen die Werte, an denen er sein und seiner Regierung Handeln ausrichtete. Daß ein kampfkräftiges und diszi- pliniertes Heer eine wesentliche Voraussetzung für die Wohlfahrt des Staates sei, hatte er wäh- rend des Dreißigjährigen Krieges erfahren, als sich die Heere der verschiedenen Koalitionen

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durch Kurbrandenburg und seine westlichen Be- sitzungen Jülich, Cleve, Mark und Ravensberg wälzten. Nach dem Ende dieses Krieges ver- suchte er, seine ausgebluteten Länder durch ge- schickt gewählte Koalitionen kriegerischen Aus- einandersetzungen zu entziehen, seine Bündnis- fähigkeit und sein politisches Gewicht durch den kontinuierlichen Ausbau der Streitkräfte zu erhöhen, das allgemeine Erziehungssystem sei- nes Landes nach den Grundsätzen von Come- nius, das Rechtswesen nach der Lehre von Pu- fendorf zu reorganisieren und den religiösen Frieden im Lande dadurch zu gewährleisten, daß er allen Religionsbekenntnissen freie Aus- übung ohne jegliche Benachteiligung garantie- ren wollte. Verfolgte Juden und Hugenotten fanden in Brandenburg Zuflucht. Sein neuer Staat kümmerte sich um das Wohl des einzel- nen, bemächtigte sich gleichzeitig aber immer weiterer Bereiche des Lebens. Der Staat wurde aber auch zum Garanten von Sicherheit, Fort- schritt und geistiger Freiheit. Der Kurfürst selbst liebte das Gespräch mit Wissenschaftlern ebenso wie den Umgang mit klugen Frauen; er träumte von einer Weltuniversität und haßte die religiö- sen Fanatiker. Er war sicherlich kein Held, aber ebenso sicher auch ein ungewöhnlicher Mensch voller Fähigkeiten und Widersprüche.

Nach der großen wissenschaftlichen Biographie über den Großen Kurfürsten von Opgenoorth ist das anzuzeigende Buch dagegen eine leben- dig geschriebene, die ganze Buntheit der dama- ligen Zeit ausbreitende und daher eine faszinie- rende Darstellung. Sie eröffnet einen guten Zu- gang zu den schwierigen wirtschaftlichen, religi- ösen, politischen wie auch militärischen Verhält- nissen des 17. Jahrhunderts und zu den dem Menschen von heute nur noch in sehr unvoll- kommener Weise bewußten politischen Zielen und Handlungsmotiven; vor allem aber ist sie eine hervorragende Hinführung zu den Anfän- gen des modernen brandenburgisch-preußischen Staates.

Manfred Kehrig

Wolfgang Johannes Bekh: Alexander von Maffei. Der bayerische Prinz Eugen. Hi- storische Biographie; Pfaffenhofen: Lud- wig 1982. 473 S.

Allessandro Marchese Maffei gehört zu den kurbayerischen Offizieren italienischer Abkunft,

deren Talent der Armee Max Emanuels den Ruf eintrug, neben den kaiserlichen Kontingenten das bedeutendste militärische Instrument des Reiches zu sein. Die von Bekh vorgelegte Bio- graphie zeichnet ein konturenreiches Bild nicht nur des Lebensweges, sondern auch der Lebens- umstände dieses Offiziers an der Schwelle zum 18. Jahrhundert.

Der junge Maffei, Sproß eines Veroneser Adels- geschlechts und Patenkind der Kurfürstin Hen- riette Adelaide von Savoyen, Gemahlin Ferdi- nand Marias, dient zunächst als Edelknabe im Gefolge des Kurprinzen Max Emanuel. Mit 21 Jahren nimmt er als Fähnrich in einem baye- rischen Infanterieregiment an der Befreiung Wiens von den Türken teil. Von diesem Zeit- punkt an bleibt seine Lebensgeschichte für 35 Jahre auch die Geschichte der kurbayeri- schen Armee. Den südosteuropäischen Kriegs- schauplatz verläßt er nach der Erstürmung Bel- grads schwerverwundet als Obristwachtmeister eines Regiments zu Fuß. Zu Beginn des Pfälzi- schen Erbfolgekrieges steht er am Oberrhein, um bereits wenige Jahre später wieder gegen die Türken zu kämpfen. In der Schlacht von Slan- kamen (1691) erneut blessiert, findet man ihn im weiteren Verlauf des Krieges in den Spanischen Niederlanden. Seit 1693 Oberst, ernennt ihn der Kurfürst 1696 zum Regimentsinhaber. Auch nach dem Frontwechsel Bayerns 1702 in kur- fürstlichen Diensten, erlebt er den Untergang der bayerischen Armee bei Höchstädt und folgt seinem Landesherrn nach Brüssel ins Exil. 1703 zum Generalwachtmeister befördert, gerät er bei Ramillies in Gefangenschaft, in deren Ver- lauf ihn Max Emanuel 1710 zum Generalfeld- marschall-Leutnant ernennt. In den letzten Jah- ren des Krieges Gouverneur von Namur, führt er 1717/18 die bayerischen Truppen erneut ge- gen die Osmanen. Der Sieg bei Belgrad wird zum Höhepunkt und Abschluß seiner militäri- schen Karriere. Aufgrund seiner Verdienste ver- leiht ihm Kaiser Karl VI. 1718 zusätzlich das Patent eines kaiserlichen Feldmarschall-Leut- nants. In den folgenden Friedensjahren bemüht er sich um Reformen in der kurfürstlichen Ar- mee. Wenige Jahre vor seinem Tod zum Pfleger von Neumarkt bestellt, stirbt Maffei 1730 in München.

Die Analogien zum Leben des nur ein Jahr jün- geren Eugen von Savoyen sind frappant und ha- ben den Verfasser dazu verleitet, ihn den bayeri- schen Prinz Eugen zu nennen. Diese Einschät- zung übersieht indes, daß Maffei die staatsmän- nische Größe Eugens nicht erreicht und in die- ser Hinsicht auch nie entsprechende Ambitionen

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entwickelt hat. Bekh wollte offenbar keine im strengen Sinne wissenschaftliche Biographie vorlegen. Insofern ist zu verschmerzen, daß er in den Abschnitten, die die allgemeine politische Situation der Zeit skizzieren, zum Teil ältere, von der neueren Forschung inzwischen über- holte, Auffassungen vertritt. So wird etwa die bayerische Position bei den Schleißheimer Kon- ferenzen von 1702 von ihm zu positiv darge- stellt, während er das Zerwürfnis zwischen Vil- lars und dem Kurfürsten 1703 zu einseitig Mo- nasterol anlastet. Max Emanuel selbst, die Geg- ner des Marschalls in Versailles und nicht zu- letzt der französische Gesandte in München, Ri- cous, tragen an dieser für die Katastrophe von 1704 bedeutsamen Entwicklung ein erhebliches Maß an Schuld. Vergleichbares gilt auch für seine Beurteilung der französischen Politik ge- genüber der Hohen Pforte 1683. Wie Jean Bé- renger jüngst nachgewiesen hat, ist eine türki- sche Eroberung Wiens von Seiten Ludwigs XIV.

zu keinem Zeitpunkt diplomatisch gefördert worden.

Bei dieser Detailkritik sollte jedoch nicht über- sehen Werden, mit welcher Akribie und Aus- dauer der Verfasser die Memoiren Maffeis, die die Grundlage seiner Arbeit bilden, durch Quel- lenfunde aus den Archiven von Verona, Mün- chen und Wien ergänzt hat. Die Darstellung der Lebensbedingungen des kurbayerischen Militärs während langer Kriegsjahre, die lebendige Be- schreibung inzwischen verlorengegangener Bau- zeugnisse der Epoche sowie die plastische Schil- derung zeitgenössischer Porträts geben dem Band einen ganz eigenen Reiz und vermitteln ein besonderes Lesevergnügen.

Bernhard R. Kroener

Der vollkommne Officier nach vorgeschlag- nen Grundsätzen von Major Baron O'Ca- hill. Nachdruck der zwoten Auflage Fran- kenthal 1787 bei Ludwig Bernhard Fride- rich Gegel. Koblenz, Bonn: Mönch 1979.

271 S.

Bei dem hier anzuzeigenden Bändchen dürfte es sich um den erstmaligen Nachdruck einer in Vergessenheit geratenen Militärenzyklopädie aus der Feder des Majors Baron O'Cahill han- deln, von dem nach Max Jähns bisher nur eine Geschichte der Feldzüge Friedrichs II. (1788)

sowie eine Sammlung von Lebensbildern be- rühmter neuzeitlicher Heerführer (1786) be- kannt gewesen waren.

Das Werk erinnert nach Titel und Aufbau an das von Hans Friedrich v. Flemming »Der voll- kommene teutsche Soldat«, das 60 Jahre zuvor erschienen war, ohne ihm ausdrücklich als Vor- bild und Vorlage gedient zu haben. Während die umfassendere militärwissenschaftliche Be- standsaufnahme Flemmings kulturgeschichtlich noch ganz dem 17. Jahrhundert verhaftet bleibt, artikuliert O'Cahill bereits im Zeichen der Auf- klärung das Anliegen, das innere Gefüge des stehenden Heeres zu reformieren, ohne deswe- gen den Rahmen der absolutistischen Staats- und Militärverfassung zu sprengen. Vorbild ist ihm hierfür besonders Preußen, denn »in der preußischen Geschichte wimmelts von Helden . . ., um sich daraus einen Helden als Muster zu nehmen« (S. 31). Zur Nachahmung empfehlen sich nach O'Cahill auch die Gnadenerweise Friedrichs des Großen an seine Offiziere und Soldaten, die »den Heldenmuth einer ganzen Armee« (S. 232) erhalten, des weiteren »die gute Harmonie, welche in der Königlich Preußischen Armee unter Officieren herrscht« (S. 242). An- satzpunkt seiner Verbesserungsvorschläge sind zunächst die jungen, noch kriegsunerfahrenen Offiziere der Regimenter. Diesen Personenkreis hält O'Cahill für noch besonders erziehungsfä- hig nach einem Bildungskanon, den er nach ei- gener Erfahrung in drei Abschnitte unterteilt und entsprechend ausgestaltet: die allgemeinen Wissensgebiete wie etwa Geographie, Ge- schichte, Völkerrecht und Sprachen, dann die im Felde unentbehrlichen handwerklichen Grundkenntnisse und Fertigkeiten sowie schließlich den Pflichten- und Tugendkatalog für den Offizier in Friedenszeiten.

Erklärtes Ziel dieses Leitfadens zur Selbsterzie- hung und Weiterbildung des Offiziers ist ein zweifaches: daß dieser »seinen Dienst mit Ge- nauigkeit und Treue ausübt, sich im Kriege menschlich und tapfer beträgt und in Friedens- zeiten durch ein wohlgeordnetes Studium seine Talente und sein Herz veredelt« (S. 270 f.) und dadurch imstande ist, die Untergebenen »mit Sanftmuth und Güte zu behandeln, sie mit Ge- duld anzuhören, ihnen in der Not beyzustehn, gerecht gegen sie zu seyn und sie nie außer für Fehler der Boßheit zu bestrafen« (S. 242). O'Ca- hills Forderungen, der Offizier habe sich täglich zu bemühen, den Soldaten ganz kennenzuler- nen, sein Zutrauen und seine Liebe zu gewin- nen, blieben seinerzeit weitgehend unerfüllt und haben, auch wenn sie zwischenzeitlich allgemein

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anerkannt sind, nichts von ihrer Vordringlich- keit verloren. So erscheint im besonderen der dritte Abschnitt als ein beachtenswertes Doku- ment dafür, daß zumal die modernen militäri- schen Wertvorstellungen und Leitbilder der In- neren Führung in Deutschland traditionsmäßig im späten 18. Jahrhundert zu suchen sind. Die dankenswerterweise nachgedruckte Enzyklopä- die des Majors Baron O'Cahill kann dazu anre- gen, dieses Forschungsdesiderat aufzugreifen.

Bedauerlicherweise unterblieb es seitens des Verlages, das militärgeschichtlich lehrreiche Werk quellenmäßig nachzuweisen, einzuleiten sowie wissenschaftlich zu kommentieren.

Ullrich Marwitz

Robert Greenhalgh Albion: Makers of Na- val Policy 1798—1947. Ed. by Rowena Reed. Annapolis, Md.: Naval Institute Press 1980. X, 737 S.

Der Weg der USA zur heutigen Weltmacht ist ohne den Aufbau der amerikanischen Flotte und ohne ihre Leistungen im Zweiten Weltkrieg nicht denkbar. Dieser Weg wird historisch nach- vollziehbar durch die hier vorliegende Untersu- chung über Entwicklungen und Entscheidungs- prozesse in der Naval Policy — ein Ausdruck, der mit Marinepolitik nur unzureichend über- setzt wird.

Die Arbeit entstand in den ersten Nachkriegs- jahren im Rahmen eines größeren amtlichen Forschungsprojekts zur Organisations- und Verwaltungsgeschichte der amerikanischen Ma- rine und konnte bereits 1950 abgeschlossen wer- den. Aufgrund einer Umstellung des gesamten Projekts unterblieb jedoch eine Veröffentli- chung; erstaunlicherweise hatte R. G. Albion auch keinen Zugang mehr zu seinem Original- manuskript, was die Herausgeberin der Arbeit, Rowena Reed, nur lakonisch feststellt und nicht näher erläutert.

Die jetzt vorgelegte Fassung ist eine Rekon- struktion auf der Grundlage der Rohentwürfe und einiger Teilveröffentlichungen aus dieser Zeit (s. S. VIII). Die Forschungsergebnisse nach 1950 konnten auf diese Weise nicht mehr einge- arbeitet, sondern nur von der Herausgeberin in einer kommentierten Bibliographie im Uberblick erfaßt werden (S. 697—711). Zur Begründung der Veröffentlichung einer 30 Jahre alten Arbeit weist Reed darauf hin, daß bislang über die

amerikanische Marinepolitik und -Verwaltung von 1798 bis 1947 noch keine vergleichbare zu- sammenfassende Untersuchung vorliege, die die politischen Entscheidungsprozesse im Bereich der Marineverwaltung herausarbeite und damit von der Marinepolitik unter gesamtstrategischen Aspekten abhebe.

Albion definiert und überprüft Institutionen und institutionelle Mechanismen, doch er vermeidet dabei eine Studie zur Organisationsstruktur mit Organigrammen, Verbindungslinien und Hier- archien. In 27 Kapiteln, die nicht streng chrono- logisch geordnet sind und oft sehr aufschlußrei- che Längsschnitte legen, spannt sich der Bogen von den ersten Ansätzen einer amerikanischen Marinepolitik im frühen 19. Jahrhundert über den Aufbau der Schlachtflotte vor 1914 bis zur systematischen Verstärkung der Marine unter F.

D. Roosevelt am Vorabend und während des Zweiten Weltkrieges. Albion arbeitet die Wech- selwirkungen zwischen Außen- und Innenpoli- tik klar heraus und macht immer wieder deut- lich, wie selbstverständlich die militärische Füh- rung im amerikanischen Regierungssystem dem Primat der Politik unterworfen ist und sich ihm beugt. Als ζ. B. die Marineführung bei der Vor- bereitung der Washingtoner Fünf-Mächte-Kon- ferenz zur Begrenzung der Seerüstungen für eine amerikanische Flottenstärke gegenüber Ja- pan im Verhältnis von 10 zu 5 und für eine Fort- setzung der entsprechenden Neubauten plä- dierte, um durch eine deutliche Überlegenheit Japan in Schach zu halten, ging Außenminister Hughes über diese Vorschläge hinweg und setzte eine stärkere Herabsetzung der Gesamt- tonnage für Schlachtschiffe durch. Selbst bei den eigentlichen Verhandlungen war die Mari- neführung nicht in der amerikanischen Delega- tion vertreten, sondern mußte sich auf die ein- flußlose technische Beratung beschränken (S. 232).

Insgesamt bietet der Band mit seiner enormen Materialfülle und -aufbereitung einen tiefen Einblick in das amerikanische Regierungssy- stem, in die Entscheidungsprozesse auf den Ge- bieten der Außen-, Sicherheits- und Militärpoli- tik bis 1947. Albion zeigt in beeindruckender Weise, mit welcher Offenheit und Transparenz in einer Demokratie militärpolitische Entschei- dungen vorbereitet und durchgesetzt werden.

Der Band kann auch dazu beitragen, unser manchmal so einseitig geprägtes Bild von den amerikanischen Streitkräften zu relativieren.

Im übrigen hat der Verlag bewiesen, welche vorbildlichen Qualitätsstandards mit einem Ma- nuskriptdruck erreichbar sind. Werner Rahn

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Heinz Stübig: Pädagogik und Politik in der preußischen Reformzeit. Studien zur Nationalerziehung und Pestalozzi-Re- zeption. Weinheim, Basel: Beltz 1982.

VII, 123 S. ( = Studien und Dokumenta- tionen zur deutschen Bildungsgeschichte.

Bd 21.)

Es ist die erklärte Absicht des Verfassers, mit den in diesen Sammelband aufgenommenen, in der Mehrzahl freilich bereits im Druck vorlie- genden, jeweils auf eine begrenzte Thematik ab- gestellten, doch insgesamt ein breites Spektrum abdeckenden Beiträgen die Bedeutung der nach der Katastrophe von 1806/07 unter maßgebli- cher Mitwirkung Humboldts betriebenen Bil- dungs- und Erziehungsreform für die Erneue- rung der staatlichen und sozialen Ordnung, mit- hin den Zusammenhang von Staats-, Heeres- und Bildungsreform, zumal das »Verhältnis von Politik und Pädagogik« in dieser Epoche preu- ßischer Geschichte zu demonstrieren, in der es zu einer weder zuvor noch nachher auch nur vergleichsweise erreichten »Annäherung von Geist und Macht«, zur Identifikation einer intel- lektuellen Elite mit dem Staat und seinen Inter- essen gekommen ist. Dieses Ziel wurde, wie Stü- big zu Recht konstatiert, von zahlreichen Refor- mern deshalb mit so großem Eifer verfolgt, weil sie wußten, daß die Modernisierung des Staates eine »innige Vereinigung von Staat und Nation«

und somit nicht nur eine Reform politischer und militärischer Institutionen, sondern auch einen neuen Menschen, nämlich den vom »Gemein- geist« beseelten Staatsbürger forderte.

Zentrale Themen der einzelnen Beiträge sind die Pestalozzi-Rezeption sowie die zahlreichen Ideen und Projekte einer Nationalerziehung, konzipiert damals von Philosophen, Pädagogen, Politikern und Offizieren, so von Fichte, Jach- mann, Stein sowie Scharnhorst und Gneisenau.

Das Interesse des Verfassers gilt vornehmlich den Heeresreformern, zumal ihrem Bemühen, Einsichten der modernen Pädagogik für die H u - manisierung des Dienstbetriebes und die Moti- vation der Soldaten zu einem aus freiem Willen geleisteten Einsatz für Staat und Nation zu nut- zen. Themen der einzelnen Beiträge sind: »Er- ziehung und Gesellschaft im Denken Gneise- naus« vor 1806, die Begegnung von Clausewitz und Pestalozzi in Yverdon im August 1807, die nationalpädagogische Substanz der Selbstver- waltungspläne des Freiherrn vom Stein, Gedan- ken der preußischen Heeresreformer über mili- tärische Jugenderziehung und schließlich Pro- jekte zur Nationalerziehung, und zwar einer-

seits von Heeresreformern, andererseits von en- gagierten Pädagogen bzw. Politikern wie Rein- hold Bernhard Jachmann und Karl Folien, dem anerkannten Führer der »Gießener Schwarzen«.

Zwar bringt das Buch keine Erkenntnisse, die für das Verständnis der Bildungsreform wie der Heeresreform über den gegenwärtigen For- schungsstand wesentlich hinausführen. Doch vermittelt es manche Anhaltspunkte für eine rechte Würdigung der vielfältigen Beziehungen von »Politik und Pädagogik« in dieser großen Zeit preußischer Geschichte, zumal der Bedeu- tung des Humanitätsgedankens der Aufklärung und des deutschen Idealismus für die Heeresre- form. Man begreift auch, warum Stein damals mit der Meinung weithin Zustimmung finden konnte, daß der Staat nicht ein »Verein zur Stei- gerung der Produktion in Landwirtschaft und Gewerben«, sein »Hauptzweck« vielmehr die

»religiös-sittliche und geistige Veredlung des Menschen« sei.

W. Gembmch

Hasso Dormann: Feldmarschall Fürst Wrede. Das abenteuerliche Leben eines bayerischen Heerführers. München: Süd- deutscher Verlag 1982. 223 S.

Wer kennt ihn nicht, den im Volksmund ver- breiteten Spruch über die beiden Standbilder in der Münchener Feldherrnhalle: der eine, Tilly, sei kein Bayer, der andere, Wrede, kein Feld- herr gewesen. Die vorliegende Arbeit über Carl Philipp Joseph Wrede, später Fürst und Feld- marschall, in der H. Dormann vor allem die mi- litärischen Etappen in dessen Leben darstellt, verdeutlicht wiederum, daß dieser bayerische Offizier zwar als energischer und verwegener Truppenführer gelten kann, jedoch kein militä- rischer Stratege war. Dazu boten sich ihm in der kleinen bayerischen Armee auch gar keine Gele- genheiten, trotz fortwährender Kriegsbeteili- gung zunächst gegen die Franzosen in den letz- ten Jahren des 18. Jahrhundens, dann gegen die Österreicher und Russen und schließlich erneut gegen Frankreich, als Napoleons Stern schon im Sinken begriffen war.

Wredes Aufstieg — und das hat der Autor sehr überzeugend zum Ausdruck gebracht — war dennoch im Rahmen der bayerischen Möglich- keiten glänzend: Obwohl bürgerlicher Her-

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kunft, wurde er seiner militärischen Verdienste und Anhänglichkeit zum bayerischen Herr- scherhaus wegen bis zum Abschluß der Befrei- ungskriege in den Fürstenstand erhoben und zum ersten Soldaten des Königreiches gemacht.

Das Wirken des früheren Juristen und späteren Offiziers endete jedoch 1815 nicht. Der Autor beschreibt, wie Wrede in der beginnenden Frie- densperiode nach dem Wiener Kongreß erneut an vorderster Stelle in Bayerns politischem Le- ben stand: als Ratgeber des Königs in militäri- schen Fragen, bei den Verhandlungen um Bay- erns Verfassung von 1818 und in der Führung der Adelskammer. Die zivilen Tätigkeiten sind sicherlich die hervorstechendsten Merkmale im Leben Wredes und werfen auch ein bezeichnen- des Licht auf das Wesen des bayerischen Staa- tes.

Selbst mit diesen enormen Einflußmöglichkeiten konnte Wrede aber nicht verhindern, daß Bay- erns Heer nach 1815 einen fundamentalen Wan- del erlebte: Seit den Koalitionskriegen gegen Frankreich hatte man sich scheinbar daran ge- wöhnt, der Armee eine stattliche Stärke zuzubil- ligen, die dem Umfang stehender Heere annä- hernd gleichkam. Nach der Niederwerfung Na- poleons setzte sich in Bayern aber die Erkennt- nis durch, eine Art schwacher Kadertruppe sei ausreichend für den Erhalt der äußeren Sicher- heit und bei Gefahr von außen bestehe immer noch die Möglichkeit, die vorhandenen Lücken bis zum Einsetzen der Kampfhandlungen aufzu- füllen. Dieses System, in gleicher Weise getra- gen von den Kammern des Landtags und den Monarchen, hatte mit Modifikationen Bestand bis in die 60er Jahre des 19. Jahrhunderts und dokumentierte überzeugend den reinen Vertei- digungswillen Bayerns. Wrede — so der Autor — konnte sich dem Willen Ludwigs I., durch eine Armeereduzierung erhebliche Mittel einzuspa- ren, genausowenig widersetzen wie seine Offi- zierskameraden. Dafür hätte es in der damali- gen Herrschaftsstruktur des Königreiches star- ker Kräfte als Verbündeter bedurft, die aber nir- gends zu finden waren. Die Generäle beschie- den sich.

Im Vorwort der Arbeit weist der Autor darauf hin, daß die Entstehung der vorliegenden Le- bensbeschreibung in direktem Zusammenhang mit der Namengebung einer Münchener Bun- deswehrkaserne stand. Folgerichtig stellte sich Dormann im letzten Kapitel auch die nicht un- problematische Frage, welche Wesensmerkmale des Feldmarschalls für Soldaten einer demokra- tischen Gesellschaft vorbildlich sein könnten.

Dabei erhält Wrede allerdings einen allzu hellen

Glorienschein, der sicherlich nicht mit der gan- zen Wirklichkeit seiner militärischen und zivilen Tätigkeiten übereinstimmt. Aber wozu auch?

Darf eine Persönlichkeit, an der man sich orien- tieren soll, nicht mit ihren vollständigen — wenn auch nicht immer beispielgebenden — Merkma- len dargestellt werden? Denn ob Wrede zum Wohle seiner Heimat, um einen vom Autor überlieferungswürdigen Aspekt zu nennen, ge- handelt hatte, als er gegen die Tiroler 1809, oder später an der Seite Napoleons in Rußland kämpfte, ist durchaus fraglich. Was ihn vor al- lem bestimmte, war seine Treue zum Haus Wit- telsbach und seine im allgemeinen faire Krieg- führung.

Wenn sich Wrede nach 1815 auch nicht einfach zum Zivilisten umformen ließ, wird mit der Ar- beit Dormanns doch ein Beispiel dafür geboten, wie sich ein engagierter Heerführer nach dem Krieg friedensmäßigen Bedingungen unterord- nen kann — ein durchaus nicht alltäglicher Zug.

Detlef Vogel

Gerhard A. Ritter: Staat, Arbeiterschaft und Arbeiterbewegung in Deutschland.

Vom Vormärz bis zum Ende der Weima- rer Republik. Berlin, Bonn: Dietz 1980.

146 S.

Der Münchener Historiker Gerhard A. Ritter verabschiedete sich auf dem 33. Deutschen Hi- storikertag in Würzburg 1980 aus seiner Tätig- keit als Vorsitzender des Historikerverbandes mit einem zu Recht sehr beachteten Schlußvor- trag. Der vorliegende Band bietet eine stark er- weiterte und mit Anmerkungen versehene Fas- sung. Ritter verläßt die ausgetretenen Pfade der bisherigen Forschung zur Geschichte der Arbei- terbewegung. Er untersucht die »strukturellen Voraussetzungen proletarischer Erfahrung« in der Phase der Entstehung des Industriestaates, beschreibt den tiefgreifenden Wandel, den Staat und Gesellschaft seitdem durchgemacht haben und fragt schließlich nach der Resonanz, den diese Wandlungsprozesse und die mit ihnen ein- hergehende Entwicklung einer modernen So- zialpolitik auf die Arbeiterschaft in Deutsch- land, auf ihr Denken und Verhalten kurz- wie langfristig gehabt haben. Zu Recht widmet Rit- ter der Analyse der Lage der Arbeiter im wilhel- minischen Deutschland breiten Raum, wobei er die starke Spannung zwischen einer partiellen

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Integration einerseits und einer nach wie vor ge- gebenen politischen und gesellschaftlichen Iso- lierung andererseits betont. Aus dieser Situation heraus werden Arbeiterparteien und Gewerk- schaften in der Revolution von 1918/19 vor die Aufgabe gestellt, Staat und Gesellschaft in Deutschland neu zu ordnen. »Diese Doppel- rolle, Arzt und Erbe, ist eine verflucht schwie- rige Aufgabe«, das meinte Fritz Tarnow 1931 im Blick auf die Aufgaben der Sozialdemokratie in der Weltwirtschaftskrise (S. 92). Die ambiva- lente Position der Arbeiterbewegung könnte nicht besser beschrieben werden, und zwar für die gesamte Weimarer Republik. Die Bedeutung des Ritterschen Buches liegt darin, daß es die tiefen historischen Wurzeln dieser Ambivalenz freilegt und damit auch das Verhalten der Lin- ken in der Krise der Weimarer Demokratie be- greiflich macht.

Angesichts der Neigung eines Teiles der For- schung, Geschichte der Arbeiterbewegung allein als Geschichte des Alltags der Arbeiter zu be- greifen, wie der Neigung eines anderen Teiles der Forschung, Geschichte der Arbeiterbewe- gung als ideologischen Grabenkrieg zu betrei- ben, ist Ritters Arbeit methodisch wie sachlich ein Wegweiser, der in die richtige Richtung weist.

Bernhard Unckel

David Blackbourn, Geoff Eley: Mythen deutscher Geschichtsschreibung. Die ge- scheiterte bürgerliche Revolution von 1848. Frankfurt a.M., Berlin, Wien: Ull- stein 1980. 139 S.

Deutscher Sonderweg — Mythos oder Rea- lität? München, Wien: Oldenbourg 1982.

87 S. ( = Kolloquien des Instituts für Zeitgeschichte.)

Selten in den vergangenen Jahrzehnten hat ein so schmales Bändchen zur neueren deutschen Geschichte ähnlich heftige Reaktionen inner- halb der Zunft provoziert wie Blackbourns und Eleys scharfe Kritik an der Historiographie des

»deutschen Sonderwegs«. Selten auch dürfte ein Buch, in dem von Militärischem so gut wie nicht die Rede ist, die weitere Forschung gerade auch zur Rolle der deutschen Armee im 19. und 20. Jahrhundert nachhaltiger stimulieren. Was also ist das Aufregende an diesem Buch?

Die von den Verfassern in zwei unterschiedlich akzentuierenden, aber im wesentlichen komple- mentären Essays vorgestellte Position enthält eine fundamentale Kritik sowohl der Methode als auch des Inhalts jener »Sonderweg«-These, derzufolge sich die deutsche Entwicklung seit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert gei- stes- wie auch sozialhistorisch vom »westlichen«

Modernisierungsprozeß, insbesondere von Eng- land und Frankreich, abgekoppelt habe; das so ermöglichte Uberleben und schließliche Wieder- erstarken »feudaler Resttraditionen« habe dann in Verbindung mit bestimmten historischen Zu- satzbedingungen die Grundlage für die spätere Breitenwirkung des Nationalsozialismus ge- schaffen. Schon die methodischen Vorwürfe ge- gen die auf dieser oder ähnlich formulierter These basierende Historiographie sind massiv;

kritisiert werden etliche zweifelhafte Implikatio- nen des »Sonderweg«-Ansatzes : die offenkun- dige Annahme eines quasi idealtypischen, zu- meist am - gründlich verkannten — englischen Beispiel exemplifizierten historischen »Normal- weges«, die Erwartung einer »bürgerlichen Re- volution« als einer notwendigen Begleiterschei- nung eines »gesunden« Modernisierungsprozes- ses, die Tendenz zu einer voreiligen Assoziie- rung von Bourgeoisie, Liberalismus und Demo- kratie, die Neigung schließlich auch zu einer »li- beralen Teleologie mit manichäischen Zügen«.

Zudem gefährdet nach Ansicht der Verfasser der von der traumatischen Erfahrung des Drit- ten Reiches und dem Bedürfnis nach dessen Er- klärung bestimmte Blickwinkel der meisten

»Sonderweg«-Historiker insofern die historische Autonomie früherer Epochen, als diese allzuoft nur als Vorgeschichte des Nationalsozialismus perzipiert würden.

Was die inhaltliche Seite der hier vorgetragenen Kritik angeht, so steht in ihrem Mittelpunkt die von Blackbourn formulierte Antithese, derzu- folge es auch in Deutschland durchaus eine er- folgreiche »bürgerliche Revolution« zumindest in jenem weiteren Sinne gegeben habe, daß sich die aufstrebende Bourgeoisie gegenüber einer noch weitgehend ständischen Ordnung gesell- schaftlich durchgesetzt habe. Insofern sei für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts eher von ei- ner Verbürgerlichung der Gesellschaft denn von einer »Feudalisierung des Bürgertums« zu spre- chen. Symptome solcher Verbürgerlichung wa- ren etwa die Herausbildung des bürgerlichen Rechtsstaates, die Entstehung einer vom Staat separierten, unabhängigen Öffentlichkeit (Presse, Versammlungs- und Vereinsfreiheit), ein tendenzieller Wertewandel vom ständischen

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Sozialprestige hin zu einem stärkeren Leistungs- und Erfolgsdenken, die Ausprägung eines öf- fentlichen Bildungs- und Kommunikationswe- sens (z.B. Gymnasium, Theater, Tourismus) u.v.a. Blackbourn folgert aus der Tatsache sol- cher Modernisierung, daß auch die staatlichen Einrichtungen dagegen nicht hätten immun blei- ben können, doch unterzieht er diese These — von einigen Ausführungen zur ökonomischen Funktion des Staates abgesehen — keiner ernst- haften Prüfung. Hätte er es getan, hätte er sich wohl auch und gerade mit der Rolle der preu- ßisch-deutschen Armee auseinandersetzen müs- sen, war diese monumentalste Verkörperung staatlicher Macht doch zugleich ein Bollwerk vorindustrieller und vorbürgerlicher Traditionen und somit eine sichtbare Widerlegung der Blackbournschen Verbürgerlichungsthese. Oder womöglich doch nicht? Gab es nicht auch in der Armee jenes für die wilhelminische Gesellschaft so typische Beieinander von Modernismen und

»fortschritts«-feindlichen Verhaltensmustern ? Immerhin legt der vehemente Angriff auf die

»Mythen deutscher Geschichtsschreibung« auf diese Weise offen, daß wir über Gestalt, Rich- tung und Ausmaß sozialen Wandels innerhalb der deutschen Streitkräfte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts noch immer viel zuwenig wis- sen.

Wie nachhaltig die erfrischend unbefangene Kritik Eleys und Blackbourns den allzu selbst- zufriedenen »Sonderweg«-Konsens deutscher Geschichts- und Sozialwissenschaftler relati- vierte, zeigen eindrucksvoll die Beiträge zu ei- nem diesem Problemkreis gewidmeten Kollo- quium des Münchener Instituts für Zeitge- schichte. Vieles von dem, was hier von Horst Möller, Thomas Nipperdey, Kurt Sontheimer, Ernst Nolte, Michael Stürmer und Karl Dietrich Bracher vor allem über die methodologische und politisch-moralische Dimension sowie über komparative Aspekte des Themas geäußert wurde, wäre ohne das Stimulans jenes Buches so kritisch differenzierend wohl nicht gesagt wor- den. Selten wurde von Wissenschaftlern freilich auch so unverblümt wie hier von Sontheimer dargelegt, warum es politisch ratsam wäre, selbst entgegen besserer wissenschaftlicher Einsicht an der Sonderwegthese festzuhalten. Fürwahr, ein

»Sonderweg« wenn schon nicht der deutschen Geschichte, so doch der deutschen Historiogra- phie!

Die neue, von Eley und Blackbourn eingeläutete Runde in der Sonderwegdiskussion hat die höchst komplexe historiographische Kernfrage 2 6 3 naturgemäß nicht entscheiden können, wohl

aber aufs neue an methodische und ideologiekri- tische Standards erinnert, die dem Konsens in der Sache zuliebe allzu leicht geopfert wurden.

Diese Standards wird auch die militärhistorische Forschung zur politischen und gesellschaftlichen Rolle der deutschen Armee im 19. und 20. Jahr- hundert neu verinnerlichen müssen.

Bernd Wegner

Alan Sked: The Survival of the Habsburg Empire. Radetzky, the Imperial Army and the Class War, 1848. London, New York: Longman 1979. XII, 289 S.

Joseph Wenzel Graf Radetzky v. Radetz (1766—1858) — sein Leben umfaßt beinahe ein Jahrhundert altösterreichischer Geschichte, sein Leben ist mehr als das Leben eines siegreichen Haudegens, an dem sich nostalgisch erwärmt werden kann, ermuntert vielleicht durch einen populären Marsch. Alan Sked, Lecturer in Inter- national History an der London School of Eco- nomics, weiß das. Er lenkt den Blick auf das, was Radetzky während der Revolution 1848/49 in Italien militärisch und politisch getan hat.

Diesem Interesse folgend geht er ungewohnte Wege und formuliert nach dem Beispiel seines Lehrers A. J. P. Taylor provozierende Thesen.

Auf der Basis ungedruckter Akten aus den Ar- chiven in Wien und London, gedruckter Quel- len und — leider nur eines Teiles — der einschlä- gigen Literatur gewinnt er die Überzeugung, daß die Habsburgermonarchie ohne die Leistun- gen Radetzkys 1848/49 auseinandergebrochen wäre. Diese Leistungen können aber nach seiner Ansicht nicht begriffen werden ohne Kenntnis dessen, was er »mental framework« oder »social psychology« nennt (S. XI). Diesem nur vage umrissenen Problemfeld nähert sich Sked in drei Schritten. In einem ersten beschreibt er das Le- ben in der österreichischen Armee zwischen

1815 und 1848, ohne freilich wesentlich Neues mitzuteilen; diese Feststellung muß auch für den zweiten Schritt gelten, der der Frage nach den Beziehungen zwischen Radetzky und den zivi- len Stellen im Lombardisch-Venetianischen Kö- nigreich gewidmet ist. In einem dritten Takt schließlich wird die These aufgestellt, österrei- chische Herrschaft sei in Oberitalien wie in der übrigen Monarchie stets der Devise »divide et impera« gefolgt; sie habe nicht allein die Natio- nalitäten gegeneinander ausgespielt, sondern

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auch die verschiedenen sozialen Gruppen und Schichten — wie z.B. 1846 in Krakau und Gali- zien, so 1848/49 in Norditalien.

In das Zentrum seiner Beweisführung stellt Sked die Proklamation Radetzkys vom 11. November 1848. Unverhüllt zeigt dieser Text das Bestre- ben, die Unter- und Mittelschichten auf dem Lande und in den Städten gegen den national gesonnenen italienischen Adel aufzuwiegeln.

Lord Palmerston will da schieren Kommunis- mus erkennen — und das ist nach Skeds Ansicht keine Übertreibung (S. 193). Darum stellt er die- sen Teil seines Buches unter die Überschrift:

»Radetzky as communist: The social psycho- logy of the revolutionary crisis«; darum spricht er von einem »class war« Radetzkys und seiner Armee gegen die Revolutionäre. Hätte hier nicht der kritische Historiker die Begriffe der Zeitgenossen überprüfen und ihren ideologi- schen Gehalt freilegen müssen? Der Vergleich mit dem Verhalten der Wiener Regierung und ihrer Armee in Krakau und Galizien 1846 und Hinweise auf die eine oder andere ähnlich ge- richtete Äußerung anderer Militärs oder Politi- ker, zum Beispiel auch Metternichs, helfen nur wenig weiter; dies alles ist noch immer nicht ein- dringlich genug erforscht und ein begründeter Vergleich darum kaum möglich. So findet denn auch Sked über neugierig machende Behauptun- gen nicht hinaus1. Graf Stadion hatte für den polnischen Osten der Monarchie immerhin ein Reformprogramm, und er hat dies auch gegen vielfältigen Widerstand in einigen wichtigen Teilen durchsetzen können2. Bei Radetzky ist dergleichen indessen nur schwer auszumachen.

Die von Sked mitgeteilten Überlegungen und Maßnahmen des Generals fügen sich nicht zu einem Ganzen, das über die Reaktion des Tages hinauswiese. Festzuhalten bleibt auch, daß beide, Stadion und Radetzky, alles andere im Sinn hatten als eine Änderung der Herrschafts- und Sozialstruktur der Monarchie. Von Kom- munismus sollte da niemand sprechen! Die neu- erlich angestoßene Diskussion, ob es in Öster- reich vor und während der Revolution eine kon- servative Reformpolitik gegeben habe, mag aus den Thesen Skeds einige Anregungen erhalten3, auch die Diskussion um das Verhalten von Re- gierung und Armee gegenüber Ungarn, Tsche- chen und Südslaven während der Revolution4. Kurzum: gewiß ein irritierendes, vielleicht ein anregendes Buch.

Bernhard Unckel

1 Vgl. dazu die sorgfältig abwägenden Darlegungen von G. Rohde: Polen und die polnische Frage von

den Teilungen bis zur Gründung des Reiches. In:

Handbuch der europäischen Geschichte. Hrsg.

von Th. Schieder. Bd 5 : Europa von der Französi- schen Revolution zu den nationalstaatlichen Bewe- gungen des 19. Jahrhunderts. Stuttgart 1981, S. 710 ff., bes. S. 713.

Leider benutzt Sked nicht die nach wie vor unent- behrliche Arbeit von H. Schütter: Aus Österreichs Vormärz. I. Galizien und Krakau. Zürich, Leipzig, Wien 1920.

Erwägungen in dieser Richtung neuerdings bei F.

Prinz: Nationale und soziale Aspekte der Revolu- tion von 1848. In: Ostmitteleuropa. Berichte und Forschungen. Hrsg. von U. Haustein, G. W. Stro- bel, G. Wagner. Stuttgart 1981, S. 192 ff., bes.

S. 197 ff.

Zum Stand dieser Diskussion vgl. die Literaturbe- richte von J. Breuilly: The Failure of Revolution in

1848. In: European Studies Review 11 (1981) 1 0 3 - 1 1 6 ; W. Grab: Die Revolution von 1848/49 in Deutschland und Osterreich. In: Jahrbuch des Instituts für Deutsche Geschichte 10 (1981) 423—444; wichtig auch D. Langewiesche: Die deutsche Revolution von 1848/49 und die vorre- volutionäre Gesellschaft: Forschungsstand und Forschungsperspektiven. In: Archiv für Sozialge- schichte 21 (1981) 458—498. Zu wenig beachtet die wichtige Studie von J. Sidak: Studije iz hrvatske povijesti za revolucije 1848—49. Zagreb 1979.

Roland Beck: Roulez tambours. Politisch- militärische Aspekte des Neuenburger Konflikts zwischen Preußen und der Schweiz 1856/57. Mit zahlreichen Abbil- dungen und Karten. Frauenfeld: Huber

1982. 167 S.

Das zwischen dem Neuenburger See und den Bergen des Schweizer Jura gelegene Fürstentum Neuenburg (Neuchâtel) gehörte seit 1707 zu den unmittelbaren Gebieten der preußischen Krone. Auf dem Wiener Kongreß wurde Neuenburg unter Aufrechterhaltung der Sou- veränitätsansprüche des Königs von Preußen als gleichberechtigter Kanton in die Schweizer Eid- genossenschaft aufgenommen. Damit entstand eine »unnatürliche Doppelstellung«, die früher oder später zu Konflikten führen mußte.

Als 1848 eine Volksabstimmung mit 5800 gegen 4400 Stimmen Neuenburg in eine Republik um- wandelte, blieben dem preußischen König — schon aufgrund der Unruhen im eigenen Land

— erst einmal die Hände gebunden. Während Friedrich Wilhelm IV. — freilich ohne Erfolg — auf ein Eingreifen der europäischen Mächte hoffte, wollten die Royalisten in Neuenburg 1856 nicht länger warten. Am 2. September

(15)

suchten sie, in vermeintlichem Einverständnis mit der preußischen Führung, die legitimen Rechte ihres Königs durch einen U m s t u r z wie- derzuerlangen. Republikanische Miliz und T r u p p e n der Nachbarkantone sorgten f ü r einen raschen Zusammenbruch des Umsturzes und nahmen 460 Royalisten gefangen. Diese dienten künftig der Schweiz als Druckmittel gegenüber dem preußischen König, um ihn zu einem Ver- zicht auf seine Rechte auf N e u e n b u r g zu veran- lassen. Als Preußen im Dezember 1856 im Falle der Nichtfreilassung der Gefangenen mit der Mobilmachung drohte, entschloß sich die Schweiz, ihre Kampfbereitschaft durch kon- krete eigene Mobilmachungsmaßnahmen zu do- kumentieren.

D e r Autor hat nicht nur diese Vorbereitungen detailliert herausgearbeitet, sondern auch die auf beiden Seiten produzierten Operationspläne ausführlich dargestellt. Dabei stützt er sich auf umfangreiches Quellenmaterial aus der Schweiz und aus den Archiven in Merseburg, Sigmarin- gen und Karlsruhe. Nicht zur D u r c h f ü h r u n g ge- kommene Operationspläne können nur sehr schwer verglichen werden, zumal es immer ver- schiedene Lösungsmöglichkeiten gibt. D e r Neuenburger Konflikt wurde auf dem V e r h a n d - lungswege gelöst. Die Gefangenen erhielten ihre Freiheit zurück, der preußische König verzich- tete auf das Fürstentum. Ihren politischen Erfolg sieht Beck (abverdienter Leutnant des schweize- rischen Heeres) in erster Linie in der klaren Wehrbereitschaft der Schweiz begründet, die auf die Ankündigung einer eventuellen Mobil- machung Preußens mit konkreten Verteidi- gungsmaßnahmen an der Grenze und der M o - bilmachung eines Drittels des Bundesauszugs reagiert hatte. Tatsächlich aber verdankte die Schweiz ihren Erfolg wohl mehr dem Umstand, d a ß Preußen sich die Linie der übrigen europäi- schen Großmächte zu eigen machen mußte, die eine nachhaltige Störung des Friedens in Europa nach dem eben beendeten Krimkrieg vermeiden wollten. Ein Vergleich der Operationspläne auf einer Karte (für den ich H e r r n H a u p t m a n n i. G.

Winfried Mertens zu danken habe) zeigt zudem gewisse Vorteile des preußischen Planes bei der W a h l des Geländes und der Aufstellung der Truppen. Dies hat der damalige Oberbefehlsha- ber der schweizerischen Armee in späteren Jah- ren selbst eingesehen (S. 133). Erfreulicherweise blieb f ü r die Zeitgenossen - und bleibt damit f ü r die historische Forschung - offen, ob die vertei- digungsbereite Schweiz einem preußischen Feld- zug hätte widerstehen können.

Reiner Pommerin

Hartmut John: Das Reserveoffizierkorps im Deutschen Kaiserreich 1890—1914.

Ein sozialgeschichtlicher Beitrag zur U n - tersuchung der gesellschaftlichen Militari- sierung im Wilhelminischen Deutschland.

Frankfurt a. M., N e w Y o r k : Campus 1981. 602 S. ( = Campus Forschung. Bd 224.)

Zur Verdeutlichung des Begriffs Reserveoffizier sei zunächst darauf hingewiesen, daß es sich hierbei um Militärpersonen des Beurlaubten- standes handelt, die nach Erfüllung bestimmter Bedingungen zu Offizieren der Reserve ernannt werden und im Kriegsfall das aktive Offizier- korps verstärken.

D e r Verfasser sieht seine Ausführungen, eine H a m b u r g e r Dissertation, in engem Zusammen- hang mit der Diskussion um den Militarismus, eine in den 1860er Jahren aufgekommene For- mulierung zur Bezeichnung der Vorherrschaft des Militärischen, insbesondere f ü r eine Gesin- nung und Haltung, die militärische Formen, Denkweisen, Haltungen und Zielsetzungen im soldatischen Bereich überspannt, darüber hinaus in den zivilen Bereich überträgt und in den poli- tischen Raum überwuchern läßt. Militarismus dieser Art, der sich in einer Ubertreibung des militärisch Notwendigen, so Manneszucht und Gehorsam, zum Schaden von W ü r d e und indivi- duellen Rechten des einzelnen Soldaten sowie in der N a c h a h m u n g militärischer Äußerlichkeiten

— Paraden, Uniformen, Ehrenzeichen — kon- kretisiert, ja selbst Wirtschaft, Kultur und Erzie- hung einseitig militärisch zu gestalten sucht, muß sich nicht auch darin dokumentieren, daß Offiziere in leitende politische Positionen gelan- gen.

Ausgehend von derartigen Prämissen, hat der Verfasser seine Untersuchung in 6 Kapitel un- terteilt. Die einzelnen Kapitelüberschriften seien deshalb genannt, weil sie die Bandbreite der auf- geworfenen Probleme erkennen lassen : Kap. 1 :

»Vom bürgerlich-liberalen Landwehr- zum re- feudalisierten Reserveoffizierkorps« (S. 24—53);

Kap. 2: »Der Einjährig-Freiwillige->Fahnenjun- ker< des Reserveoffizierkorps« (S. 54—237).

Hier werden só interessante Fragen wie die Aus- einandersetzung der wilhelminischen Gesell- schaft mit dem Einjährigen Privileg, der Kampf der Volksschullehrer um die Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Militärdienst, Offizier- korps und Antisemitismus sowie die Diskrimi- nierung sozialdemokratischer Aspiranten u n d Bewerber nationaler Minderheiten behandelt.

Kap. 3 befaßt sich mit den Ergänzungskriterien

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