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Ole Ravn: Fører uden folk. Frits Clausen og Danmarks National Socialistiske Arbejder-Parti.

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Ole Ravn: Fører uden folk. Frits Clausen og Danmarks National So- cialistiske Arbejder-Parti. Odense: Syddansk Universitetsforlag 2007 (= University of Southern Denmark Studies in History and Social Sciences; 354), 499 S.

Der Erfolg der Nationalsozialisten in Deutschland seit Anfang der 1930er Jahre führte zu Nachahmungen in anderen Län- dern. Auch im Dänemark der Zwischen- kriegszeit entstanden davon beeinflusst so genannte nationalsozialistische „Nachah- merparteien“, deren größte, die DNSAP (Danmarks National Socialistiske Arbej- der-Parti) mit Frits Clausen einen selbst- ernannten nationalsozialistischen Möchte- gern-„Führer“ hatte. Der 1893 geborene Nordschleswiger und ausgebildete Arzt war ein dänischer Nationalist, der keines- wegs die Deutschen mochte. Umso er- staunlicher mutet es an, dass er im Juli 1933 den Parteivorsitz der kleinen DNSAP übernahm und ihn bis 1943 hielt, als er zurücktrat und als Freiwilliger an die Ost- front ging. Erstaunlich ist dies deshalb, weil er damit den Vorsitz einer reinen Nachahmerpartei übernahm, und obwohl er versuchte, ihr eine dänisch geprägte Richtung zu geben, war die DNSAP doch eine vom deutschen Nationalsozialismus inspirierte und ihn kopierende dänische Partei, wie sich z. B. anhand der Über- nahme fast aller 25 Hauptprogrammpunk-

te der NSDAP zeigen lässt. Eine plausible Erklärung für diesen Widerspruch wird man in der hier besprochenen Biographie nicht finden. Bei Kriegsende wurde Clau- sen verhaftet und starb im Dezember 1947 im Gefängnis, als er auf seinen Gerichts- prozess wegen Landesverrats wartete.

Nun hat auch dieser kleine „Führer“ seine Biographie bekommen. Der dänische Lite- raturwissenschaftler Ole Ravn steckt da- hinter, und er zeichnet auf der Grundlage öffentlicher und privater Quellen sowie zeitgenössischen publizierten Materials ausgiebig das Leben und die politische Karriere des Arztes auf, der politisch als Konservativer anfing und später zum

„Führer“ der dänischen Nationalsozialis- ten aufstieg. Sein Nationalsozialismus war lange Zeit politisch wenig erfolgreich.

1939 aber schaffte die DNSAP mit drei Prozent der Stimmen und drei Mandaten den Einzug in das Parlament, den Folke- ting. Das wurde als Erfolg gefeiert, und Frits Clausen sah mit dem deutschen Ein- marsch und der Okkupation im April 1940 seine Stunde gekommen. Obwohl er und

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seine Partei sich den Deutschen anbieder- ten, kam er dennoch nicht zum Zuge und wurde bitterlich enttäuscht, nicht zuletzt weil er und seine Partei anscheinend für die deutschen Besatzer nur eine taktische Rolle spielten und ihnen nie eine ernsthaft erwogene Machtoption eröffnet wurde:

Die Politik der Zusammenarbeit mit der dänischen Sammlungsregierung und den großen Parteien war für die Deutschen vorteilhafter.

Weil die dänischen Nationalsozialisten po- litisch von peripherer Bedeutung blieben, ist Frits Clausen meistens spöttisch belä- chelt worden. Er ist als ein Phantast und aufgeblasener Narr, der unter Realitätsver- lust litt, bezeichnet worden. Ole Ravn ver- tritt eine andere Ansicht: Sein Anliegen ist es, ein nuancierteres – wenn auch nicht mit Clausen sympathisierendes – Porträt dieses

„Führers“ zu zeichnen. Deshalb kommt Clausen selber ausführlich zu Wort, z. B.

durch seine 1946–47 in der Gefängniszelle verfassten Erinnerungen. Dieser einfühlsa- me Zugang hat vom Ansatz her viele Ähn- lichkeiten mit dem der Quisling-Biographie des norwegischen Historikers Hans Fredrik Dahl (Vidkun Quisling, engl. Ausgabe 2003). Aber Frits Clausen hatte nicht das Format von Quisling, und Ole Ravn ist kein Hans Fredrik Dahl. Schwerer wiegt, dass er auch analytisch gesehen kein Histo- riker ist. Die Biographie ist reich an Zitaten und Zeitungsauszügen, nicht aber an Ana- lyse.

Das Ergebnis seiner Arbeit ist eine eher populärwissenschaftliche Biographie, die an Details, Zitaten und Einzelheiten sehr ergiebig und interessant, aber in ihrer Vor- gehensweise wenig analytisch ist und ei- gentlich auch nichts Neues erbringt. Es ist eine politische Biographie, die das politi- sche und weniger das private Leben von Frits Clausen beschreibt. Die Darstellung muss in der Verwertung der Quellen, vor allem der vielen Auslassungen von Frits Clausen, quellenkritisch und methodisch als etwas naiv charakterisiert werden – ein Beispiel wäre hier die Beschreibung Frits Clausens als Demokrat. Und weil Ole Ravn vorwiegend an Clausens eigenen Aussagen entlang argumentiert, fehlt der Biographie die notwendige politische und gesellschaft- liche Kontextualisierung ebenso wie kriti- sche Distanz zur porträtierten Figur. Dies ist auch ein Zeichen dafür, dass nicht jeder Politiker unbedingt eine ausführliche histo- rische Biographie braucht; das gilt hier um- so mehr, als diese Frits-Clausen-Biographie die politische und gesellschaftliche Bedeu- tungslosigkeit des aufgeblähten „Führers“

veranschaulicht. Dazu hätte es allerdings keines derart umfangreichen Werkes be- durft. Nötig wäre aber ein analytisch- kritisches Porträt Clausens, das Ravn aller- dings nicht liefert. Als historische Biogra- phie lässt das Buch zuviel an Wissenschaft- lichkeit vermissen.

Karl Christian Lammers (Kopenhagen)

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