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Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss STELLUNGNAHME

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INT/588 – CESE 1290/2012 (DE) HK/ss

Rue Belliard/Belliardstraat 99 — 1040 Bruxelles/Brussel — BELGIQUE/BELGIË

INT/588

"Aktives Altern / Horizont 2020"

Brüssel, den 23. Mai 2012

STELLUNGNAHME

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum

"Horizont 2020: Fahrpläne für das Älterwerden "

(Initiativstellungnahme) _____________

Berichterstatterin: Renate HEINISCH _____________

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Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 14. Juli 2011, gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

"Horizont 2020: Fahrpläne für das Älterwerden"

(Initiativstellungnahme).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 8. Mai 2012 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 481. Plenartagung am 23./24. Mai 2012 (Sitzung vom 23. Mai) mit 184 gegen 3 Stimmen bei 4 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

*

* *

1. Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1 Um die großen Herausforderungen zu bewältigen und die Chancen zu nutzen, die mit dem demografischen Wandel für zukünftige soziale und wirtschaftliche Entwicklungen verbunden sind, müssen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in den kommenden Jahren verstärkt geeignete Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen und in einer Vielzahl von Bereichen ergreifen.

1.2 Eine koordinierte Forschung kann entscheidend zu geeigneten Maßnahmen auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene beitragen, indem sie fundierte Planungs- und Entschei- dungsgrundlagen bereitstellt.

1.3 Der EWSA schließt sich uneingeschränkt der schon wiederholt geäußerten Forderung an, dass europäische Forschung im Bereich Altern und Demografischer Wandel langfristig und inter- disziplinär, länderübergreifend oder zumindest vergleichbar durchgeführt werden sollte.

1.4 Für eine exzellente europäische Forschung ist auch eine entsprechende Infrastruktur und eine integrierende Koordination der Forschungsaktivitäten eine zentrale Voraussetzung. Eine zent- rale Koordination ist auch in Bezug auf die Schaffung eines Budgets und die Verteilung der Mittel erforderlich. Der Ausschuss empfiehlt daher die Einrichtung eines europäischen Zent- rums für Alternsforschung, das die Koordinierungsaufgaben übernehmen könnte.

1.5 Fahrpläne zur Konzeption langfristiger Forschungsprogramme sind nützliche Instrumente, um Schwerpunkte für zukünftige Forschung zu setzen. Aktuelle Roadmaps zu Altern und Demo-

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grafischem Wandel haben bereits wichtige Aspekte herausgearbeitet, die für "Horizont 2020"1 relevant sind.

1.6 Der Ausschuss begrüßt, dass im Schwerpunktbereich "Gesellschaftliche Herausforderungen"

des RP 8 eine Forschungspriorität "Gesundheit, demografischer Wandel und Wohlergehen"

vorgesehen ist2.

1.7 Über die in den aktuellen Roadmaps und dem "Horizont 2020" genannten aktuellen For- schungsschwerpunkte hinaus ermutigt der Ausschuss dazu, mit der zukünftigen europäischen Forschung auch noch deutlich innovativere und möglicherweise problematischere Bereiche des Alterns und des Demografischen Wandels zu adressieren. Dazu gehören Themen wie Gesunderhaltung und Rehabilitation, die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, die Anforde- rungen an ein zunehmend selbst- und mitverantwortliches Leben, das Lernen für ein langes Leben, die Auswirkungen der zunehmenden Technisierung von Lebensbereichen und die Fra- gen, die sich angesichts des demografischen, gesellschaftlichen und technischen Wandels für die europäische Gesellschaft stellen.

2. Begründung / Allgemeine Bemerkungen

2.1 Zur Bewältigung der Herausforderungen und Nutzung der Chancen, die mit dem demografi- schen Wandel verbunden sind, müssen in den kommenden Jahren dringend gut fundierte Pla- nungs- und Entscheidungsgrundlagen für richtungweisende Maßnahmen zur Verfügung ste- hen. Solche Grundlagen werden insbesondere durch geeignete Forschung bereitgestellt.

Ergebnisse aus Europäischen Forschungsprogrammen der vergangenen Jahre wie zum Bei- spiel dem 5., 6. und 7. Forschungsrahmenprogramm3, dem gemeinsamen Programm "Umge- bungsunterstütztes Leben"4 (AAL JP)5, dem Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (CIP)6 und den ERA-Net Aktivitäten haben die Nützlichkeit von Forschung bereits deutlich unter Beweis gestellt. Forschung kann damit entscheidend zur Bewältigung des demografischen Wandels und der Nutzung seiner positiven Potenziale auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene beitragen.

2.2 Fahrpläne (Roadmaps) dienen der Konzeption langfristiger Forschungsprogramme. Sie eig- nen sich dazu, mögliche zukünftige Entwicklungspfade oder Szenarien aufzuzeigen, auf not- wendige sektorübergreifende Verflechtungen hinzuweisen, relevante Kooperationspartner und

1 COM(2011) 809 final.

2 Siehe Fußnote 1.

3 ABl L 26 vom 1.2.1999, S. 1, ABl. L 232 vom 29.8.2002, S. 1 und. ABl. L 412 vom 30.12.2006, S. 1 sowie ABl. C 65 vom 17.3.2006, S. 9.

4 http://www.aal-europe.eu.

5 Siehe http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/10/1726&format=HTML&aged=1&language=DE.

6 ABl. L 310 vom 9.11.2006, S. 15., sowie ABl. C 65 vom 17.3.2006, S. 22.

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Akteure zu identifizieren, politische Handlungsspielräume und Finanzierungsoptionen aus- zuloten sowie Strategien für die Umsetzung der Prozesse und Ergebnisse zu entwickeln.

2.3 Forschungsbezogene Fahrpläne wurden in den letzten Jahren in vielen Bereichen entwickelt und eingesetzt. Aus der Vielzahl der aktuellen nationalen und internationalen Roadmaps seien hier nur einige wenige beispielhaft erwähnt: Die Schweizer Roadmap für Forschungsinfra- strukturen7; das deutsche BMBF-Projekt "Roadmap Umwelttechnologien 2020"8; die Road- map der US-amerikanischen Republikaner zur Zukunft Amerikas9; die ERA-Roadmaps zur Entwicklung energieeffizienter Gebäude10; die VPH-FET (Virtual Physiological Human- Future and Emerging Technologies) Forschungsroadmap11.

2.4 Fahrpläne für zukünftige Forschung und Innovation im Bereich Altern und Demografischer Wandel wurden schwerpunktmäßig zu Gesundheitsaspekten im weitesten Sinne entwickelt.

Dazu gehören unter anderen die Roadmaps aus den europäischen Projekten Future BNCI:

Future Directions in Brain/Neuronal Computer Interaction (BNCI) Research (2010-2011);

DIAMAP: Road Map for Diabetes Research in Europe (2008-2010); ROAMER: A Roadmap for Mental Health Research in Europe (2011-2014); WhyWeAge: A road map for molecular biogerontology (2008-2010)12, aber auch nationale Fahrpläne wie beispielsweise die Road- map für das Gesundheitsforschungsprogramm der deutschen Bundesregierung13.

2.5 Auch die thematisch breiter angelegten Fahrpläne im Bereich Altern und Demografischer Wandel, nämlich die in den europäischen Projekten FUTURAGE – A Road Map for Ageing Research14 und BRAID: Bridging Research in Ageing and ICT Development (2010-2012)15 entwickelten Roadmaps, benennen jeweils auch Gesundheitsaspekte als Forschungsprioritä- ten. Die FUTURAGE Roadmap führt drei gesundheitsbezogene Schwerpunkte auf: "Healthy Ageing for More Life in Years", "Maintaining and Regaining Mental Capacity" und "Bio- gerontology: from Mechanisms to Interventions"16. Im BRAID Projekt ist es das Setting

"Health and Care in Life".

7 Schweizerische Eidgenossenschaft, Eidgenössisches Departement des Innern EDI, Staatssekretariat für Bildung und Forschung SBF, Ressort Nationale Forschung, 2011: Schweizer Roadmap für Forschungsinfrastrukturen. Download:

http://www.sbf.admin.ch/htm/dokumentation/publikationen/forschung/11.03.30.NFO.RoadmapForschungsinfrastrukturen_d.pdf.

8 Schippl, J. et al.: Roadmap Umwelttechnologien 2020 – Endbericht. Karlsruhe: Forschungszentrum Karlsruhe 2009 (Wissen- schaftliche Berichte FZKA 7519).

9 http://www.roadmap.republicans.budget.house.gov.

10 http://www.eracobuild.eu.

11 https://www.biomedtown.org/biomed_town/VPHFET.

12 http://future-bnci.org; http://www.diamap.eu; http://www.roamer-mh.org; http://www.whyweage.eu.

13 Gesundheitsforschungsrat (GFR) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (Hrsg.) (2007): Roadmap für das Gesund- heitsforschungsprogramm der Bundesregierung. Bonn/Berlin: BMBF.

14 http://futurage.group.shef.ac.uk/road-map.html.

15 http://www.braidproject.eu.

16 The Future of Ageing Research in Europe. A Roadmap.

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2.6 Die Kommission will mit öffentlich-privaten und öffentlich-öffentlichen Partnerschaften17 weitere Instrumente zur Bewältigung der aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen bereitstellen18. Zu den gemeinsamen Initiativen gehören insbesondere die Europäischen Inno- vationspartnerschaften (EIP), darunter die Europäische Innovationspartnerschaft für Aktivität und Gesundheit im Alter (EIP AHA)19, die Digitale Agenda für Europa20, die JPI "Länger und besser leben – Möglichkeiten und Probleme des demografischen Wandels" (MYBL)21 sowie das geplante Programm "Horizont 2020"22.

2.7 Trotz dieser notwendigen und wichtigen Ansätze zur Bildung von Forschungs- und Innova- tionspartnerschaften bedarf es jedoch dringend weitergehender Forschungsaktivitäten. Die Welt – die Gesellschaft – die Technik – die Medizin – die alternden Menschen verändern sich kontinuierlich weiter. Deshalb wird immer wieder neue Forschung gebraucht, um sich mit entsprechenden (politischen) Maßnahmen rechtzeitig auf die neuen Gegebenheiten einstellen zu können und der Entwicklung nicht hinterher zu hinken.

2.8 Der EWSA begrüßt deshalb die Unterstützung der Europäische Kommission für gemeinsame Programmplanungsinitiativen und zur Entwicklung von Fahrplänen für zukünftige For- schungstätigkeiten im Bereich Altern und Demografischer Wandel23 sowie die Planung einer Forschungspriorität "Gesundheit, demografischer Wandel und Wohlergehen" im Schwer- punktbereich "Gesellschaftliche Herausforderungen" von "Horizont 2020"24.

3. Besondere Bemerkungen 3.1 Erforderliche Infrastruktur

3.1.1 Seit langem wird gefordert, dass europäische Forschung langfristig und interdisziplinär, län- derübergreifend oder zumindest vergleichbar durchgeführt werden sollte25. Diese Forderun- gen können an dieser Stelle uneingeschränkt übernommen und wiederholt werden. Dass bei

17 Als Beispiele von P2P-Partnerschaften werden unter anderem ERA-NET und ERA-NET Plus, Artikel 185-Initiativen und die gemeinsame Planung (Joint Programming – JP) genannt. Zu PPP in FuI gehören beispielsweise Gemeinsame Technologie-Initia- tiven (JTI) und Künftiges Internet.

18 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen (COM(2011) 572 final vom 21.9.2011).

19 Siehe IP/10/1288.

20 Siehe IP/10/581, MEMO/10/199 und MEMO/10/200.

21 Siehe http://www.jp-demographic.eu.

22 MEMO-11-435.

23 Siehe unter anderen ABl. C 132 vom 3.5.2011, S. 39 zu COM(2010) 546 final.

24 COM(2011) 809 final.

25 Siehe unter anderen ABl. C 74 vom 23.3.2005, S. 44.

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einer vergleichenden Forschung die jeweiligen strukturellen Bedingungen berücksichtigt wer- den müssen, ist selbstverständlich.

3.1.2 Forschung zum Themenbereich Altern muss zudem alle Akteure einbeziehen, die mit dieser Thematik befasst sind. Dazu gehören Natur-, Lebens- und Sozialwissenschaftler, Ingenieure und Designer, Produzenten und Dienstleister, politisch Verantwortliche, Architekten, Stadt- und Verkehrsplaner, Vertreter der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft und insbesondere die alternden Menschen selbst. Die geplante Integration verschiedener europäischer Förder- instrumente (ERA-Net, ERA-Net Plus und INNOVA und PRO INNO) zu einem flexibleren ERA-Net Instrument zur Vereinfachung der Teilnahme relevanter Akteure ist deshalb zu begrüßen.

3.1.3 Für eine exzellente europäische Forschung in einem Europäischen Forschungsraum (EFR) ist eine entsprechende Infrastruktur und eine integrierende Koordination der Forschungsaktivi- täten eine zentrale Voraussetzung. Eine zentrale Koordination ist auch in Bezug auf die Schaffung eines Budgets und die Verteilung der Mittel erforderlich. Dadurch werden For- schungsaktivitäten auf Länderebene keinesfalls überflüssig. Erstrebenswert ist jedoch eine höchstmögliche Kompatibilität der solitären nationalen Forschungen, damit Ergebnisse ver- gleichend analysiert und ausgewertet werden können. Der Ausschuss empfiehlt daher die Ein- richtung eines europäischen Zentrums für Alternsforschung, das die Koordinierungsaufgaben übernehmen könnte.

3.2 Weiterer Forschungsbedarf

3.2.1 Über die genannten generellen Anforderungen hinaus zeichnen sich Themenfelder ab, die in Zukunft verstärkt erforscht werden müssen. Derzeit erleben wir nicht nur einen nie da gewe- senen demografischen Wandel, sondern auch technische Entwicklungen, die das soziale Leben, die Gesundheitsversorgung und unser Verhältnis zur Umwelt nachhaltig verändern können.

3.2.2 Gesunderhaltung

Ein erster großer Forschungsbereich sollte alle Fragen umfassen, die mit dem Thema Gesund- erhaltung zusammenhängen, da physische und mentale Gesundheit zentrale Voraussetzungen für die Verwirklichung eines selbstverantwortlichen und aktiven Lebens im Alter sind. Ent- sprechende Forschungsfragen sind zum Beispiel:

• Wie können Menschen von Kindheit an zur Realisierung eines gesunden Lebensstils motiviert werden?

• Welche Strategien sind erforderlich, um eine gezielte Unterstützung und den Ausbau von Präventionsmaßnahmen zu erreichen?

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• Welche Behandlungs- und Rehabilitationsarten haben sich im internationalen Vergleich als besonders erfolgreich erwiesen? In welchen Bereichen besteht Nachholbedarf oder weiterer Forschungs- und Entwicklungsbedarf?

• Wie kann Patientenkompetenz gesteigert werden?

• Wie können länderübergreifende Gesundheitsgefahren, seltene Krankheiten sowie chroni- sche Krankheiten, Demenz und andere neurodegenerative Erkrankungen vermieden oder zumindest früher erkannt und behandelt werden?

• Nachholbedarf besteht an der Erforschung der Wirksamkeit von Medikamenten und ihren Wechselwirkungen bei älteren Menschen, vor allem auch bei alten Frauen. Bisher werden Medikamente überwiegend mit jüngeren Menschen erprobt, aber überwiegend von älte- ren eingenommen.

• Wir sollten die Rolle der chronischen Schmerzen beim Gesundheitszustand der älteren Menschen hervorheben, insbesondere wie wir die Schmerzen/das Unwohl der alternden EU-Bevölkerung reduzieren können.

• Bisher wenig erforscht sind auch Alkohol- und Drogenmissbrauch im Alter, ihre Ursa- chen sowie die physischen, psychischen und sozialen Folgen, die damit verbunden sind.

3.2.3 Ein längeres aktives Arbeitsleben

Ein längeres Verbleiben im Arbeitsleben wird angesichts der strukturellen Veränderungen des Altersaufbaus der Bevölkerung und der steigenden Lebenserwartung zu einer unumgäng- lichen Notwendigkeit. Daraus ergeben sich Forschungsfragen wie zum Beispiel:

• Welche Einstellung besteht bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gegenüber einer Flexibilisierung der Altersgrenze? Wovon hängen die jeweiligen Einstellungen ab (z.B.

Art der Arbeit / wohlfahrtsstaatliche Voraussetzungen / regionale Gegebenheiten usw.)?

• Wie müssen bildungs- und präventionsbezogene Rahmenbedingungen beschaffen sein, um eine Flexibilisierung zu ermöglichen bzw. auszubauen? Welche Erfahrungen wurden schon in einzelnen Ländern gemacht und lassen sich nutzen?

• Wie können Arbeitsplätze gestaltet, Arbeitszeiten organisiert und Arbeitsbelastungen gemildert werden, um Arbeitnehmern ein längeres aktives Arbeitsleben zu ermöglichen?

Welche Rolle können technische Neuerungen dabei spielen?

• Welche Möglichkeiten zur Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements werden in Unternehmen umgesetzt oder könnten umgesetzt werden, um zivilgesellschaftliches

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Engagement schon in Zeiten der Berufstätigkeit zu fördern? Welche Erfahrungen liegen aus den verschiedenen Ländern vor?

3.2.4 Selbstständig, selbstverantwortlich und mitverantwortlich leben

Durch den geringer werdenden Anteil jüngerer Menschen an der Bevölkerung werden auch personelle Unterstützungsmöglichkeiten für ältere Menschen abnehmen. Ältere werden des- halb zukünftig vermehrt selbst Verantwortung für den Erhalt ihrer Selbstständigkeit und gesellschaftlichen Partizipation übernehmen müssen. Damit verbundene Forschungsfragen sind unter anderem:

• Welches Verständnis von Selbstverantwortung älterer Menschen ist in verschiedenen Ländern zu beobachten und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die systemati- sche Stärkung und Förderung einer entsprechenden Lebensgestaltung?

• Welches Verständnis von Mitverantwortung älterer Menschen (zum Beispiel für nachfol- gende Generationen, für die Umwelt) ist in verschiedenen Ländern zu beobachten und welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Wie organisieren sich ältere Menschen selbst, wie organisieren sie Angebote für ihre Generation und nachfolgende Generatio- nen? Wie engagieren sie sich für ihre Mitmenschen, für ihre Nachbarschaft, für ihre Umwelt?

• Welche Formen kommunaler Unterstützung sind dieser Selbstorganisation förderlich?

Auch dies sollte in strukturell vergleichbaren (kommunalen, regionalen) Kontexten unter- sucht werden.

• Generell sollte in unterschiedlichen, jeweils strukturell vergleichbaren Kontexten (z.B. in städtischen und ländlichen Regionen verschiedener Länder) untersucht werden, wie Kom- munen eine aktive, verantwortungsbewusste Lebensführung älterer Menschen z.B. durch eine entsprechende Stadt-, Wohnungs- und Verkehrspolitik für Menschen jeden Alters fördern können.

• Wie lassen sich "Sorgende Gemeinschaften" als Ausdruck von geteilter Verantwortung schaffen und unterstützen? Wie arbeiten Familien, bürgerschaftlich engagierte Menschen und professionell tätige Menschen im Kontext der Pflege (zum Beispiel chronisch kör- perlich erkrankter oder demenziell erkrankter Menschen) bereits heute zusammen? Wie kann der Einsatz technischer Assistenzsysteme solche Gemeinschaften unterstützen? Wie gehen Unternehmen auf ihre Bedürfnisse ein? Welche Formen geteilter Verantwortung sind in den einzelnen Ländern erkennbar? Wie passen diese sorgenden Gemeinschaften in die Sozialpolitik der Länder und in die Sozial(struktur)planung der Kommunen?

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• Welche Wohn- und Lebensformen haben sich – wiederum im internationalen Vergleich – für ältere Menschen und dabei insbesondere für hochaltrige allein lebende oder demenz- kranke Menschen bewährt und lassen sich übertragen?

3.2.5 Bildung

Es gilt inzwischen als selbstverständlich, dass eine alternde Gesellschaft von jedem Einzelnen lebenslanges Lernen erfordert. Daraus ergeben sich Forschungsfragen wie:

• Wie kann lebenslanges Lernen zu einem Lernen für ein langes Leben werden?

• Was für Lernangebote sind über berufliche Weiterbildungsangebote hinaus für eine alternde Bevölkerung bereitzustellen? Wie müssen solche Angebote gestaltet sein, damit sie zu aktivem Lernen anregen?

• Was für spezifische Bildungsangebote werden für Menschen gebraucht, die sich bürger- schaftlich engagieren?

• Welche Bedeutung hat ästhetische Bildung für die Erhaltung von kognitiver und emotio- naler Plastizität sowie von Kreativität im Alter? Welche Folgerungen lassen sich aus einem internationalen Vergleich entsprechender Bildungsangebote ziehen?

• Welche Rolle spielen unterschiedliche Bildungseinrichtungen (Universitäten, Volkshoch- schulen usw.) für die Stärkung unterschiedlicher Kompetenzen, z.B. für den Umgang mit neuen Technologien, für bürgerschaftliches Engagement, für Pflegetätigkeiten, für die Weitergabe von sozialem oder fachlichem Wissen usw.?

3.2.6 Die Technisierung aller Lebensbereiche

Die zunehmende technische Durchdringung aller gesellschaftlichen Bereiche und die Not- wendigkeit der Nutzung technischer Systeme zur Unterstützung eines selbstständigen, aktiven und partizipativen Lebens im Alter ist in ihren langfristigen Auswirkungen noch kaum erforscht. Daraus ergibt sich ein dringender Forschungsbedarf zu Fragen wie:

• Welche technischen, organisatorischen, gestalterischen und Akzeptanz fördernden Maß- nahmen sind erforderlich, damit das Potenzial von Tele-Monitoring, Tele-Health und Tele-Rehabilitation effizient und ethisch vertretbar zur Verbesserung der Gesundheitsver- sorgung genutzt werden kann?

• Welche organisatorischen, rechtlichen, datenschutztechnischen und ethischen Anforde- rungen stellen sich bei der flächendeckenden Einführung solcher Systeme für die Organi- sation und Regulierung auf kommunaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene?

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• Welche langfristigen Auswirkungen hat der verstärkte Einsatz technischer Systeme auf die Beziehungen zwischen älteren Menschen und ihren Angehörigen, zwischen Patienten und Ärzten, zwischen Pflegebedürftigen und informellen oder professionellen Pflegen- den?

• Noch wenig erforscht sind auch die psychologischen, sozialen und ethischen Implikatio- nen, die mit der immer weitreichenderen Implantation von Sensoren und anderen techni- schen Artefakten in den menschlichen Körper verbunden sind. Welche Auswirkungen haben diese Möglichkeiten auf das Selbstbild und die Identität der betroffenen Personen auf der einen und auf die gesellschaftliche Sichtweise von Krankheit, Gesundheit oder Behinderung auf der anderen Seite?

• Ebenso wenig ist über die Möglichkeiten bekannt, wie ein würdevolles Lebensende bei- spielsweise durch Musik und Beleuchtung technisch – und dennoch emotional unterstüt- zend – begleitet werden kann.

3.2.7 Die europäische Gesellschaft der Zukunft

Ein letzter Forschungsbereich sollte alle Fragen umfassen, die mit aktuellen und künftigen Veränderungen der europäischen Gesellschaften verbunden sind. Entsprechende Forschungs- fragen betreffen unter anderem die Altersbilder, kulturellen Unterschiede, divergierenden Erfahrungen und bestehenden Ungleichheiten der Lebensverhältnisse in Europa:

• Welche Vorstellungen von aktivem Altern und Alter treffen wir angesichts des demogra- fischen Wandels in den verschiedenen europäischen Ländern an? Wie kann der Aus- tausch zwischen den Ländern die Entwicklung realistischer anstelle stereotyper Altersbil- der befruchten?

• Wie altern die Menschen in den unterschiedlichen Kulturen, die in den Mitgliedsstaaten in zunehmender Vielfalt vertreten sind? Welche Bedeutung haben Alter, Krankheit und Tod in der jeweiligen Kultur? Wie kann der Austausch von Erfahrungen organisiert wer- den und zu gegenseitigem Verständnis und gegenseitiger Bereicherung beitragen?

• Welche Bedeutung haben Musik und bildende Kunst im Prozess der Alterung in verschie- denen Kulturen? Welche Auswirkungen ergeben sich daraus und wie können positive Auswirkungen auch für andere nutzbar gemacht werden?

• Wie können die Erfahrungen, die aufgrund der steigenden Lebenserwartung und des schnellen gesellschaftlichen und technischen Wandels immer stärker zwischen und inner- halb der Generationen divergieren, überbrückt werden? Wie wird unter diesen Umständen gegenseitiges Verstehen und Lernen möglich?

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• Ähnliche Fragen stellen sich in Bezug auf die bestehenden – teilweise sogar wachsen- den – Ungleichheiten der Lebensverhältnisse zwischen und innerhalb der europäischen Länder.

• Eine weitere ungeklärte Frage ist, wie sich der länderspezifisch unterschiedliche Umgang mit dem Sterben auf die einzelnen alternden Menschen und die Gesellschaft insgesamt auswirkt. Gerade in einer alternden Gesellschaft sollte diese Frage und die möglichen Konsequenzen, die damit verbunden sein können, nicht ausgeklammert werden.

Brüssel, den 23. Mai 2012 Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON

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