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Kunstwerke. aus Wachs. » als wan es eine mahlereÿ währe« Wachsreliefs von Johann Eckstein. und weiteren Künstlern des 18. und frühen 19.

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(1)

Wachsreliefs von Johann Eckstein und weiteren Künstlern des 18. und frühen 19. Jahrhunderts

»… als wan es eine mahlereÿ währe«

D E R S C H W E R I N E R B E S TA N D

Kunstwerke

aus Wachs

(2)

K A R I N A N N E T T E M Ö L L E R

STA AT L I C H E S M U S E U M S C H W E R I N D E R S C H W E R I N E R B E STA N D

Kunstwerke

aus Wachs

(3)

6 Vorwort

K A R I N A N N E T T E M Ö L L E R

8

Wachs – ein wandelbarer Werkstoff

Vom Wachs in Mecklenburg

21 Spuren im Mittelalter 25 »Kunstück Von wacks« –

Vergangene Schätze im Schloss Güstrow 29 Wachs in den Kunstsammlungen des Herzogs

Christian Ludwig II. von Mecklenburg-Schwerin 38 Zum Staunen und Studieren –

Wachsobjekte zur Regierungszeit von Herzog Friedrich von Mecklenburg-Schwerin

42 »Von Ferne siehet es aus als gemahlet. und in der nähe ist es bosieret.« – Der Wachsbossierer Johann Eckstein 78 Wachsarbeiten zu Zeiten der Großherzöge

Friedrich Franz I. und Friedrich Friedrich II.

von Mecklenburg-Schwerin 85 Johann Heinrich Jacobi –

Bildhauer, Tischler, Modelleur und Wachsbossierer 94 Die museale Sammlung

M I C H A E L A R O S B A C H

96

Vielfalt der Mittel – Zu den Techniken der Wachskunstwerke von Johann Eckstein

K A R I N A N N E T T E M Ö L L E R

105

Katalog

Anhang

220 Hinweise zum Katalog 221 Abkürzungen

222 Glossar 226 Literatur 241 Personenregister 250 Abbildungsnachweis 252 Impressum

(4)

Wachs –

ein wandelbarer Werkstoff

»Unter allen diesen Thieren [Insekten] nun verdienen

die Bienen mit Recht den ersten Platz und die meiste Bewunderung, weil sie allein um der Menschen willen geschaffen worden sind.

Sie sammeln Honig, den süssesten, feinsten und heilsamsten Saft, bilden Wachsscheiben und Wachs, welches zu tausend Dingen nützlich ist; […].«*

KARIN ANNETTE MÖLLER

Abb. 1

Emblem, aus: de Covarrubias Orozco 1610, Nr. A 91, S. 191, Österreichische National- bibliothek, Sammlung von Handschriften und alten Drucken, Wien

Aus der zitierten Betrachtung der Honigbienen von Plinius d. Ä. spricht eine große Ehrfurcht diesen kleinen Tieren gegenüber, die bereits im Alten Ägypten gehalten wurden.1 Das Bienenwachs galt in der Antike als rein pflanzlicher Stoff, eine Vor- stellung, die sich bis weit in die Neuzeit hinein hielt. Erst um die Mitte des 18. Jahr- hunderts fanden Forscher heraus, dass es sich um ein Verdauungsprodukt der Bie- nen handelt.2 Das aus Estern langkettiger Alkohole und Fettsäuren bestehende Wachs wird über spezielle Drüsen am Bauch älterer Arbeiterinnen abgesondert.3 Es ist zunächst reinweiß, wird jedoch u. a. durch Verunreinigungen wie Pollen oder den Kot der Larven gelb bis goldgelb oder rötlich.4

Ebenso kam das Wissen um pflanzliche Wachse vom Wachsbaum oder der Wachspalme erst nach und nach hinzu. Ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhun- derts subsumierte man unter dem Begriff Wachs auch Materialien, die zwar ähn- liche Eigenschaften aufweisen, chemisch jedoch zu den Fetten gehören. Seit 1830 gibt es das Paraffin, industriell hergestelltes Wachs, das vor allem in der Kerzen- industrie Verwendung findet.

Wie schon Plinius d. Ä. betonte, erlauben die verschiedenen Eigenschaften von Wachs ein ganzes Spektrum von Verwendungsmöglichkeiten. Die Fähigkeit von Wachs, das keine feste physikalische Form mitbringt, jede mögliche Gestalt anzu- nehmen, fand ihren Niederschlag in einem auf Ovid basierenden Emblem in einem 1610 veröffentlichten Buch von Sebastián de Covarrubias Orozco. Unter dem Motto FORMAS FINGETVR IN OMNES – Es wird zu allen Formen gestaltet stellt es ein Kind ins Zentrum, das mit einer Wachstafel in der linken Hand vor Bienenkörben zu se- hen ist (Abb. 1).5

Mittelbar generiert Wachs zwar auch eherne Objekte: Seit Jahrtausenden er- möglicht es die Herstellung von Bronzen im Wachsausschmelzverfahren, als Hohl- oder Vollguss.6 Zunächst allerdings weckt der Gedanke an dieses Material die Asso- ziation von Weichheit und Empfindlichkeit. Vor allem Wärme, doch auch mechani- sche Einwirkungen oder Verschmutzungen setzen ihm zu; hingegen erlauben der Schmelzpunkt bei 63 bis 65°C und die Trocknung bei geringer Schwindung, wo- durch nur sehr selten Risse entstehen, unendliche bildnerische Möglichkeiten. Damit scheint es wohl weniger für dauerhafte Werke geeignet, für schnell festzuhaltende

* Plinius 2007, 2. Band, 11. Buch: Von den Insekten, S. 566

(5)

Abb. 2

Christoph Weigel:

Der Wachs- Zieher, Kupferstich, aus: Weigel 1698, Abb. nach S. 654, SLUB Dresden/Digitale Sammlungen, Signatur:

Technol.A.142

Nach den ersten bekannten Toteneffigies im 14. Jahrhundert in Form von ein- fachen, lebensgroßen Holzpuppen wurden die Inkarnatpartien von Funeral- oder Toteneffigies zunehmend aus Wachs gefertigt, während die Körper ansonsten aus Holz, Leder, Stroh, echten Haaren, die Augen oftmals aus Glas bestanden und in originale Gewänder gekleidet waren. Bei den kirchlichen Trauerfeierlichkeiten soll- ten sie den Verstorbenen vertreten.13

Wachs eignet sich besonders für eine schnelle Reproduzierbarkeit und wurde bereits im Altertum zur Herstellung von Kultobjekten und Amuletten verwendet.

In enormen Mengen wurde das Material, dem eine »Heiligkeit«, bzw. Stoffbedeut- samkeit, und eine »magische« Wirkung zugesprochen wurde, für Votive gebraucht, die so manche Kirche nicht nur im Mittelalter, sondern bis weit in die Neuzeit hin- ein füllten.14 Mitunter wurde das Gewicht eines Votanten in Wachs aufgewogen, weshalb vor mittelalterlichen Wallfahrtskirchen Wachswaagen standen.15 Neben Kerzen wurden Votive in Gestalt von Körperteilen, deren Genesung die Gabe galt, oder gar eines privilegierten Votanten in Lebensgröße geopfert (Abb. 2).16 Schon seit dem 13. Jahrhundert sind Ausführungen mit porträthaften Zügen überliefert, wobei die Werke anfangs dem Vorwurf der Idolatrie unterworfen waren.

Im Jahr 1478 wurden Giuliano und Lorenzo de’ Medici Opfer des Pazzi-Atten- tats.17 Während der Erstere starb, entkam Lorenzo verletzt. Aus Dankbarkeit für sein Überleben ließen Freunde durch Orsino Benintendi und Andrea del Verrocchio drei lebensgroße Wachsfiguren herstellen, die in verschiedenen Kirchen, zwei in Florenz und eine in Assisi, aufgestellt wurden – offenbar erstmals bewusst verbun- den mit der Botschaft von Prestige und Propaganda. Nach und nach galt weniger die eingesetzte Menge von Wachs, sondern die künstlerische Ausführung für die Wertschätzung der nunmehr individuellen Wachsfiguren, die sich im 16. Jahrhun- dert allmählich aus den sakralen Bindungen lösten und säkularisierten. Um die Porträtzüge möglichst lebensnah wiedergeben zu können, kamen bei der Florenti- ner Porträtplastik der Frührenaissance vielfach Totenmasken zum Einsatz. Auch später wurden in Europa meist offizielle, angesehene Künstler mit der Abnahme des letzten Antlitzes bedeutender Persönlichkeiten beauftragt.18

Aus Deutschland ist in einem Angebot eines Kunstagenten nach Kassel aus dem Jahr 1603 über eine andere mögliche Verwendungsoption von Wachsfiguren überliefert: »[…] Unnd kan man / solch fürstlich conterfet in ein gemach stellen und frembde / herschafft hinein füren, da dan dieselben anders nit vormeinen / mußten, als ob I[hro] F[ürstliche] G[naden] leibhaftig alda stünden.«19 Viele dieser lebensgroßen Wachsfiguren mit unterschiedlichen Bestimmungen sind verloren, zerstört, der Zeit anheimgefallen. Doch in Westminster Abbey,20 in Schloss Rosen- borg21 oder auch in der Ermitage in St. Petersburg, wo der italienische Bildhauer und Wachsbildhauer Carlo Bartolomeo Rastrelli solche Bildwerke fertigte, lassen sich Spuren dieser irritierenden, zwischen Schein und Sein oszillierenden Porträts aus dem 17. und 18. Jahrhundert finden, die der fürstlichen Repräsentation und Er- innerung (Memoria) dienten.22 Zur Begeisterung gerade der keroplastischen Bild- nisse hat – neben dem Faszinosum des Materials – offenbar auch die französische Kunsttheorie jener Zeit beigetragen, die vor allem Ähnlichkeit in der Darstellung forderte.23

Als Friedrich Wilhelm von Ketelhodt im Jahr 1790 zwei Schwarzburg-Rudol- städter Prinzen auf ihrer Tour durch Deutschland, die Schweiz und Frankreich be- gleitete, versetzte das Kasseler Kabinett von Herrscherbildnissen aus Wachs die Entwürfe jedoch geradezu prädestiniert. Zahlreiche Bildhauer, zunächst vor allem in

Italien, dann viele Medailleure in Europa7 und Porzellanplastiker8 formten ihre Ide- enskizzen, die sogenannten Bozzetti, daher aus Wachs. Architektonische Entwürfe9 oder ephemere Kreationen wie prächtige Tafel- und Raumdekorationen, etwa Schau- essen oder Blumenarrangements,10 bestanden vielfach aus Wachs.

Früh kam Wachs im Funeralwesen zu Einsatz. Die Verwendung der bei Leichen- prozessionen mitgeführten cerae, ferner von imagines maiorum, teils nach der To- tenmaske gefertigten Ahnenbildnissen, als auch von effigies,11 kostbar gekleideten und möglichst naturgetreuen Scheinleibern realer Personen, ist aus der römischen Antike überliefert.12 Totenmasken, die das Antlitz des Verstorbenen über seinen Tod hinaus bewahrten, lassen sich schon in der griechischen Antike nachweisen. Die Magie des naturnahen Abbildes spielte bereits im Altertum eine große Rolle.

(6)

Reisenden in Erstaunen: »[…] und der lezte Saal in welchen Sie geführt wurden, war derjenige in welchen die Abbildung sämtlicher regierenden Landgrafen und Landgräfinnen in Wachs von Philipp dem Großmüthigen an bis auf den lezt ver- storbenen Landgraf Friedrich, in ihrer eigenthümlichen Kleidung, in natürlicher Größe, auf […] eine täuschende Art sitzend befindlich sind, welche Versammlung bei plötzlicher Aufziehung eines Vorhangs, einen auffallenden Anblick machen.«24 Im Zuge der Musealisierung war dieses Spezialkabinett im Jahr 1779 im Kasseler Fridericianum eingerichtet worden, für das der Bildhauer Johann Wilhelm Kirchner eigens Fürstenporträts geschaffen hatte.25 Bis auf wenige Ausnahmen wurden die- se Porträtfiguren am Anfang des 19. Jahrhunderts eingeschmolzen.26

Ihren Weg zum späteren berühmtesten Wachsfigurenkabinett für ein breites Publikum hatte Marie Grosholtz, bekannt als Madame Tussaud, zu dieser Zeit be- reits begonnen.27 Vorläufer solcher auch als Wanderschauen und für eine breitere Öffentlichkeit zugänglichen Panoptika reichen in das 17. Jahrhundert zurück.28 Dem entgegen soll nicht unerwähnt bleiben, dass 1791 eine Wachsbüste von Philippe Curtius, dem Lehrer von Marie Grosholtz, im Pariser Salon gezeigt wurde – somit an dem Präsentationsort neuester Kunst.29

Bereits im Jahr 1711 hatte der Frankfurter Reisende Zacharias Conrad von Uffen- bach den Leidener Maler Willem van Mieris besucht, der zahlreiche Hände nach dem Leben abgegossen habe. Ein Herr Mey verwende eine spezielle Technik:

»Nemlich er trage die Formen nicht von Gips auf die Hände,30 sondern er lasse die Hände in ein Gefäß mit zerlassenem Wachs stecken, (als welches viel accurater als der Gips abforme) hernach giesse er die Hände mit Gips ab.«31

In Italien gestatteten Wachsbossierer wie der sizilianische Geistliche Gaetano Giulio Zumbo verstörende und auch Abscheu erregende Blicke auf wächserne menschliche Körper, die wegen ihres Verismus und ihrer Drastik Berühmtheit er- langten. Als »Treffliche Wachsarbeit« lobte der Reisende Johann Georg Keyßler ein charakteristisches Werk Zumbos, das er in den Großherzoglichen Sammlungen in Florenz bestaunt hatte und bei dem »die Verwesung der menschlichen Körper gleichfalls in Wachs vorgestellet« worden sei.32 Neben Saturn, dessen Gegenwart auf die Zeit und somit die Vergänglichkeit anspielt, schilderte das eindrückliche Bildwerk mehrere Personen, darunter ein Kind und eine Frau, im Verwesungspro- zess. Die überzeugende Darstellung der verschiedenen Stadien bis hin zum Gerip- pe wurde durch naturalistische Farbabstufungen, die genaue anatomische Wie- dergabe sowie durch die Ausschmückung mit eindringlichen Details wie Geschwü- ren, Eiter und Gewürm veranschaulicht. Keyßler kommentierte: »So unangenehm der menschlichen Eigenliebe ein solcher Schauplatz ist, so vortrefflich ist hingegen die Arbeit, welche alles in kleinen ausdrücket, und kann man sich kaum müde daran sehen.«

Der schnelle, temperaturbedingte Wechsel der Aggregatzustände beim Wachs hatte schon in der Renaissance zu seiner Anwendung in der Anatomie geführt, wenn beispielsweise Organe damit ausgegossen wurden, um ihre genaue Form festzuhalten und zum Studium sichtbar zu machen. Durch Bemalung konnten Oberflächen erzielt werden, die – wie bei Zumbo beschrieben – der Realität ver- blüffend nahe kamen. Im 18. Jahrhundert entstanden weithin bekannte, oft Akade- mien und Universitäten gehörende Sammlungen anatomischer Wachspräparate, die zum Teil Tausende realitätsnah gestaltete Studienobjekte umfassten. Eine der bekanntesten war wohl jene des 1775 gegründeten Imperiale Reale Museo di Fisica

e Storia Naturale, genannt »La Specola«, in Florenz.33 Seit dem frühen 19. Jahrhun- dert wurden vor allem in der Dermatologie Wachsmoulagen, Abformungen von krankhaften Körperteilen, als Schulungsmodelle eingesetzt. Wie schon bei den Porträtdarstellungen speiste sich ein großer Teil der Faszination aus der irritieren- den Ambivalenz von begeisternder Anziehung und abstoßendem Schauder, die wiederum auf der verstörenden Täuschung von Sehen einer- und Wissen anderer- seits beruhte.

Auch im Alltag war und ist Wachs seit früher Zeit von großem Nutzen. Bei an- tiken Schreibtafeln konnte mit einem Griffel in eine dünne Wachsschicht geritzt werden, die auf einem elfenbeinernen oder hölzernen Grund auflag.34 Diese buchartige Hülle der bekannten Konsulardiptychen war reich beschnitzt. Wegen seiner Kitt- und Klebewirkung wie auch der wasserabweisenden Konsistenz wurde Wachs zur Isolierung von Schiffen oder zum Oberflächenschutz, etwa als Baum- wachs, verwendet. Wenn Skulpturen in der Antike daher mit Wachsüberzügen ver- sehen wurden, erhielten sie zudem einen zarten Glanz. Im Mittelalter wurde über die Qualität und den Verkauf von Waren aus Wachs durch die Ärzte- und Apothe- kerzunft gewacht.35 Und noch im 18. Jahrhundert war Wachs in Arzneien und auf Pflastern zu finden.36

Bei der in der Antike verwendeten Technik der Enkaustik-Malerei bildete Wachs das Bindemittel. Die zwar langwierige und teure Malweise führte zu farbintensi- ven und besonders haltbaren Resultaten, weil das Wachs konservierend wirkte.

Das Wissen um diese Technik, die beispielsweise bei der Herstellung von Mumien Anwendung gefunden hatte, war wohl im 6. Jahrhundert verloren gegangen. Da- her gab es seit dem 16. Jahrhundert mit dem erwachenenden Interesse an der An- tike zahlreiche Bemühungen, diese Methode wieder zu finden. Im 18. Jahrhundert erregte beispielsweise der Comte de Caylus Aufmerksamkeit mit seinen diesbe- züglichen maltechnischen Untersuchungen. Auch der zeitweilig als kursächsischer und später als preußischer Hofmaler tätige Benjamin Calau befasste sich in einer 1769 veröffentlichten Schrift mit der enkaustischen Maltechnik.37 Calau entwickel- te offenbar ein eigenes Verfahren.

Die Brennbarkeit von Wachs sorgte schon früh für die Verarbeitung zu Kerzen, denen sowohl im profanen Bereich als auch aufgrund der Lichtsymbolik in der abendländischen christlichen Liturgie eine immense Bedeutung zukam (Abb. 2).

Der Begriff Kerze ist von cera abgeleitet, dem lateinischen Wort für Wachs.38 Bei der künstlerischen Verwendung von Wachs in der Neuzeit wog seine Emp- findlichkeit offenbar weniger als die spezifischen Wirkungsmöglichkeiten, die das Material durch Einfärben, Fassung oder gar in natürlicher Anmutung bot. Im An- hang seines Buches Der wohl anführende Maler widmet sich Johann Melchior Crö- ker eingehend der Verarbeitung und Verwendung von Wachs.39 Die Wachsbildne- rei, die sogenannte Keroplastik,40 nutzte zwei Grundtechniken: das Modellieren einer- und das Gießen in eine Form andererseits. Während das Modellieren aus freier Hand als »eine sehr künstliche Arbeit« beschrieben wird, erfordere dagegen das Gussverfahren mittels Gips- oder Holzformen »nicht so viel Kunst und Wissen- schaft«.41 Weiter ist bei Cröker zu lesen, dass die Kunst des Wachsbossierens von dem Ausführenden erfordere, »daß er die Zeichen=Kunst sehr wohl verstehe« und die Proportionen aller Details des jeweiligen Gegenstands kenne.42 Entgegen diesem Arbeiten »aus freyer Faust« sei die andere Herstellungsart einfacher, bedürfe aber wegen der Verwendung von Formen – meist aus Holz oder Gips – gegebenenfalls

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Vom Wachs

in Mecklenburg

Abb. 1 Bischofssiegel

aus der Dorf kirche in Groß Methling/Mecklenburg, um 1368, Wachs, H. 5,9 cm, B. 3,9 cm, SMS, Inv.-Nr. MK 73 Abb. 2

Rotes Sekretsiegel

des Schweriner Bischofs Conrad Loste aus einer Reliquien-Pyxis der Kirche in Stäbelow/Meck- lenburg, um 1500,

Lindenholz, Wachs, Textilien, Reliquien, H. 6 cm, Dm. 8,5 cm, SMS, Inv.-Nr. MK 48

Spuren im Mittelalter

In Mecklenburg wird Wachs im Mittelalter vielfach in Form von Siegeln fassbar, die Rechtsakte bekräftigten.1 Auf herzoglichen Siegeln findet sich häufig das Relief ei- nes Reiters.2 Während Stadtsiegel mit der Darstellung von Personen, Heiligen, Tie- ren, Architekturelementen oder selten auch Reitern ganz unterschiedliche Gestal- tungen aufweisen können, zeigen die erhaltenen Bischofssiegel den kirchlichen Amtsinhaber in ganzer Figur (Abb. 1, 2).3 Solche Siegel sind in der Schweriner Sammlung beispielsweise an Weiheurkunden erhalten, die Reliquiengläsern bei- gegeben wurden. Diese Behältnisse wurden vielfach mit Wachs verschlossen (Abb. 3, 4).4 Als Farben des Wachses waren vielfach Rot, ferner Weiß, Gelb, Grün oder bei Trauerangelegenheiten auch Schwarz in Gebrauch, deren Verwendung genau festgelegt war.5

Aus dem Kloster zum Heiligen Kreuz Rostock stammen zwei wächserne Tripty- chen mit Flachreliefs, die wohl dort auch ihren Ursprung haben (Abb. 5, 6).6 Die geringen Ausmaße prädestinieren sie für die individuelle Andacht eines Gläubi- gen. Der vielfache Gebrauch von Wachs gerade im sakralen Bereich liegt in seiner symbolischen Deutung begründet, die sich im Laufe von Jahrhunderten herausge- bildet hatte. Das von jungfräulichen Bienen mühevoll gesammelte Wachs galt nicht nur als kostbar, sondern zudem als Sinnbild der Reinheit.7 Schon Ambrosius legte es daher als Metapher für die Jungfräulichkeit Mariens aus, die Konrad von Würzburg im 13. Jahrhundert als Biene besang. Auf einen anderen Kirchenvater, Augustinus, geht die Deutung der Kerze als Christussymbol zurück. Er sah den Docht als Seele Christi, »die sich verzehrende Flamme als Zeichen seiner Gottheit und das ›[…] nach einem langwierigen Bleichungsprozeß gewonnene reine Weiß des Wachses […] als Sinnbild seines leidvollen Menschtums‹« an.8 Diese Auslegung

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Abb. 3 Reliquienglas

aus der Stadt kirche St. Nikolai in Wismar mit Weiheurkunde und rotem Wachssiegel des Ratzeburger Bischofs Johannes von Preen vom 28. Februar 1459 sowie Reliquien, Weihrauch und Bernstein, Glas: Rheinland?, vor 1459, H. 7,9 cm, Dm. 5,1 cm, SMS, Inv.-Nr. KG 3642

Abb. 4 Reliquienglas

aus dem Prämonstratenserinnen- kloster Rehna/Mecklenburg mit Teilen des Wachsverschlusses, Urkunde auf eine Altar weihe am 10. Oktober 1456 sowie Reli- quien, Weihrauch und Bernstein, einst zugehöriges Bischofs siegel verloren, Glas: Böhmen?, 14. – frühes 15. Jahrhundert, H. 9,5 cm, Dm. 5,7 cm, SMS, Inv.-Nr. KG 3638

Abb. 6

Reliefiertes Triptychon mit Maria lactans und dem Heiligen Petrus, Deutschland, Rostock, Kloster zum Heiligen Kreuz, um 1500, Wachs auf Pergament und Holz, Reste farbiger Fassung,

H. 12,5 cm, B. 9 bzw. 4,5 cm, T. Kasten 1,5 cm, SMS, Inv.-Nr. MK 41 Abb. 5

Reliefiertes Triptychon mit Heiliger Veronika und den Apostelfürsten Petrus und Paulus, Deutschland, Rostock, Kloster zum Heiligen Kreuz, um 1500, Wachs auf Pergament und Holz, Reste farbiger Fassung, H. 12,5 cm, B. 9 bzw. je 4,7 cm, T. Rahmen 2 cm, SMS, Inv.-Nr. MK 40

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Abb. 7

Matthäus Merian d. Ä.:

Elisabeth von Hessen-Kassel, Gemahlin des Herzogs Johann Albrecht II. von Mecklenburg, um 1637, Kupferstich aus:

Monumentum sepulcrale, Frankfurt am Main 1638, Blatt:

H. 31,5 cm, B. 20 cm, Platten- rand: H. 26,8 cm, B. 16,8 cm, SMS, Inv.-Nr. 18070 Gr

findet sich ähnlich in der berühmten Legenda Aurea des Jacobus de Voragine: »In der Kerze sind drei Dinge: Wachs, Docht und Flamme; die bezeichnen die drei, die da waren in Christo: das Wachs ist der Leib Christi, der ist von der Jungfrau geboren ohn alle fleischliche Befleckung, gleichwie die Bienen das Wachs erzeugen ohne leibliche Vermischung unter einander; der Docht, der im Wachs verborgen ist, be- deutet die reine Seele, die im Leibe war verborgen; die Flamme aber bedeutet die Gottheit: denn Gott ist ein verzehrend Feuer.«9

Anmerkungen

1 Als Beispiel dafür, dass Wachssiegel auch zur Kennzeichnung von Besitz verwendet wurden, sei auf das rote Siegel auf dem Boden der Prunkhumpens mit Hinterglasmalerei von Hans Jakob Sprüngli und Christoph Jamnitzer hingewiesen, vgl. Güstrow 2006, Kat.-Nr. A 4.7 m. Farbabb. u.

Anm. S. 221. 2 Vgl. hier Kat.-Nr. 1. 3 Hegner 2015, Kat.-Nrn. 151, 160 m. Farbabb. Die hier und im Folgenden genannten Siegel und Triptychen aus Wachs des Staatlichen Museums Schwerin wurden bereits in Bestandskatalogen veröffentlicht, sodass im Rahmen dieser Publikation darauf verzichtet werden kann. Eine Ausnahme bildet das Wachssiegel (hier Kat.-Nr. 1), das bislang un- veröffentlicht blieb. 4 Fischer 2011, Kat.-Nrn. 9–14 m. Farbabb.; Hegner 2015, Kat.-Nrn. 152 –157 m.

Farbabb. 5 Vgl. Zedler 1747, Sp. 207–211. 6 Hegner 2012, Text S. 16/17, S. 16 Abb. 6/7, S. 144, Kat.- Nrn. 6/7; Hegner 2015, Kat.-Nrn. 198/199 m. Farbabb. 7 Husemann 1999, S. 120/121 u. 195/196, auch im Folgenden; ferner Kornmeier 2003, S. 29/30; Waldmann 1990, S. 11. 8 Zitiert nach Huse- mann 1999, S. 121. 9 Zitiert jeweils nach ebenda, S. 197. Zur Deutung Mariae als Siegel der gött- lichen Botschaft durch Bernhard von Clairvaux und auch bei Konrad von Würzburg vgl. ebenda, S. 120/121. Vgl. ferner zur Bedeutung und Rolle der Kerze über die Jahrhunderte: Salzburg 1977, S. 3–10.

»Kunstück Von wacks« – Vergangene Schätze

im Güstrower Schloss

Im 16. und 17. Jahrhundert waren Kunstwerke aus Wachs in Europa sehr beliebt. Vor allem farbige, gerahmte Porträts fungierten vielfach als Geschenke.1 In Mecklen- burg sind Objekte dieser Art archivalisch nachweisbar. Die hessische Prinzessin Eli- sabeth ging im Jahr 1618 die Ehe mit Herzog Johann Albrecht II. von Mecklen- burg-Güstrow ein (Abb. 7). Nach einem Verzeichnis, das ihre Kunstwerke auflistet, befanden sich in ihrem Besitz mehrere Wachsarbeiten. Bei dem »Erstlich s. f. G Landgraff Moritzen Conterfait in wacks posiert«2 handelte es sich um ein Geschenk des Dargestellten, ihres Vaters Moritz des Gelehrten. Ein weiteres Porträt stellte

»Den König Und Königin Von böhmen […]«3 dar, die ihre Taufpatin war. Besonderen persönlichen Wert wird Elisabeth »Ein handt Von wacks ist meiner Fraw Mutter seliger Gewessen« beigemessen haben.4 Ihre Mutter Agnes, Tochter des Grafen Jo- hann Georg zu Solms-Laubach, war gestorben, als die Prinzessin erst sechs Jahre

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Abb. 8

Weibliches Porträt, um 1600, farbiges Wachs, Holz, Glas, Gips, Dm. 11,3 cm, T. 2,3 cm, Museums- landschaft Hessen Kassel, Sammlung Angewandte Kunst, Inv.-Nr. KP B VII.38

Abb. 9

Bildnis einer höfischen Dame, um 1600, Wachs, bemalt, Perlen, Eichenholz, Glas, Dm. 12,4 cm, T. 4,6 cm, Museums- landschaft Hessen Kassel, Sammlung Angewandte Kunst, Inv.-Nr. KP B VII.37

Abb. 10

Bildnis einer höfischen Dame mit Blume, um 1600, Wachs, bemalt, Perlen, Papier, Textil, Buchsbaumholz, Glas, Dm. 14,2 cm, T. 3,7 cm, Museums- landschaft Hessen Kassel, Sammlung Angewandte Kunst,

Abb. 11

Porträtfigur des Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel, 1. Viertel 17. Jahrhundert, Wachs, Seide, Baumwolle, Metall, in einem mit Seide ausgeschlage- nen hölzernen Schrein, H. 31 cm, Museumslandschaft Hessen Kassel, Sammlung Angewandte Kunst, Inv.-Nr. KP B VII.160

alt war. Zwei Wachsarbeiten hatte ihr »mein hertzliebe frewlein Elenora Maria fürstin zu anhalt Verehrt«, »ein Nacket weibchen« und ein wächsernes »Kindt- chen«, das »auf einen stülchen« beschrieben wird.5 Von zwei weiteren »Kindt- chen« hatte die Prinzessin das eine, das mit dem »füßchen in der handt« saß, selbst gekauft. Ebenso ging »Ein Kunstück Von wacks die Charitas mit drey Kindern […]« auf ihren Erwerb zurück.

Wegen der Kinderlosigkeit der Ehe ging das Privateigentum Elisabeths als so- genannte »Mecklenburger Erbschaft« nach Kassel zurück, wo sich einzelne Schatz- kunststücke dieser Provenienz erhalten haben.6 Drei dort befindliche wächserne Damenbildnisse sind jedoch lediglich vermutungsweise als jene zu identifizieren, die im Nachlassinventar der Herzogin beschrieben werden als »drei in Wachs pousirte Brustbilde, in runden Kapseln« (Abb. 8–10).7 Mit größerer Wahrschein- lichkeit könnte das ebenfalls dort befindliche, ganzfigurige Porträt ihres Vaters aus ihrem Nachlass stammen. Darin ist es als »Landgraf Mauritz von Wachs pusiertt in

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Katalog

»Das Wachsposiren ist eine sehr reinliche und artige,

sonderlich aber curiösen Liebhabern und geschickten Leuten, wohl anständige Kunst. Es heist aber Wachsposiren so viel als aus Wachs allerley artige Figuren und Bilder, entweder aus freyer Faust, oder mit Hülffe der darzu gehörigen Formen, zu machen und an das Licht zu bringen.«*

* Zitiert nach Cröker 1736, S. 297/98; vgl. auch Zedler 1747, Sp. 242.

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Abb. 2

Siegel des Herzogs Erich I. von Sachsen-Lauenburg, aus:

Posse 1893, Taf. 33,3, SLUB Dresden, Signatur: Hist.Sax.C.10.m-2

1

Siegel des Herzogs Erich I.

von Sachsen-Lauenburg

Deutschland, 14. Jahrhundert/vor 1360 Relief aus hellerem und dunklerem Wachs, Pergament

H. 9,1 cm, B. 9 cm, T. 3,3 cm

Zustand: Siegelbild: zweifach zerbrochen, Rand- bereiche mit Umschrift nur fragmentarisch vorhan- den, Oberfläche stark abgerieben, pulvrige, offene Abriebstellen durch abgebaute, versprödete Wachs- substanz, zerbrochene, gelöste Fragmente des Sie- gelbildes vermutlich zu einem späteren Zeitpunkt mit einem firnisartigen, braunen, glänzenden Kleb- stoff fixiert, kleine Fraßlöcher erkennbar; Siegel- schüssel: Ober fläche dunkel glänzend, hellere Stel- len wohl durch Versprödung und Abbau der Wachs- substanz, blättrige Struktur an den Kanten sichtbar, Umschriftfragment oben am Rand1 Risse, Ausbrüche und Verluste am gesamten Rand, Partie mit dem Kopf des Reiters verloren

Herkunft: alter Bestand Inv.-Nr. KH 1516 (alt: WK 9010)

Das runde Siegel setzt sich aus zwei Schichten zu- sammen. Der obere, flache Teil des Siegelbildes be- steht aus hellerem und der untere, dickere – die so- genannte Siegelschüssel – aus dunklerem Wachs, das vermutlich weitere Zusätze enthält. Das Siegel- feld, das erhabene Bildmotiv des Siegels, ist wohl später mit gelblichem Leim auf der Siegelschüssel fixiert worden. In die Masse der Siegelschüssel sind verso in eine mandelförmige wulstartige Erhebung mit den Fingern vier Vertiefungen gedrückt worden (Abb. 1). Dieser Fond ist umfassender intakt als die obere Partie. Zwischen den beiden Teilen befinden sich Pergamentstreifen, die am Rand sichtbar sind.

Diese sogenannte Pressel diente zur Befestigung des Siegels an Urkunden.

Das Siegel zeigt ein Pferd und einen Reiter im Profil von links, der insbesondere aufgrund verlorener Ausbrüche im Bereich des Kopfes kaum erkennbar ist. In der Rechten hält der Reiter eine Fahne, deren vorderes Stück offenbar mit Blüten in Rauten ver- ziert ist, während das Ende in drei gemusterten Streifen ausläuft. Diese sind jeweils mit einer beid- seitig gerandeten Perlenreihe geschmückt. Der drei- eckige, unten spitz zulaufende Schild an seinem lin- ken Arm ist mit einem gestreiften Wappen versehen, das alternierend vier erhabene und drei vertiefte Querbalken aufweist. Das darüber liegende Relief- motiv ist stark abgerieben. Die linke, vergleichsweise plump wirkende Hand des Reiters fasst die Zügel.

nach links voran, den rechten Vorderlauf weit nach oben gewinkelt. Es trägt – wie im Mittelalter üblich – eine Pferdedecke, deren feines Material vor allem beim rechten Vorderlauf subtil in Falten ausgearbei- tet ist und nach unten mit einer Randborte ab- schließt. Auf dem Hals des Pferdes wie auch dem hinteren Bauchbereich werden erhabene Zweige mit drei dreilappigen Blättern als weiteres Ziermotiv der mantelartigen Decke sichtbar. Auf dem ansons- ten neutralen Grund erscheinen – ebenfalls relie- fiert – vier spitzzackige Sterne, einer vor dem Pferd, einer unter dessen Bauch und zwei hinter, d. h.

rechts von dem Tier.

Mit dem weitgehenden Verlust der Randzone des Siegelbildes ging auch die Umschrift fast völlig ver- loren; nur ein nicht lesbarer Rest hat sich am unteren Rand erhalten. Auf der Vorderseite der Siegelschüssel rechts oben am Rand sind zudem einige erhabene Buchstaben – vielleicht »ILTH« –2 vorhanden. Da sie nicht zusammen mit dem Relief des Siegelbildes hergestellt worden sein können, spricht ihr Vorhan- densein für eine nicht originäre Zusammengehörig- keit der beiden – überdies grob zusammengeleim- ten – Siegelbestandteile, eine sogenannte Mariage.

Siegel dienen einerseits zur Beglaubigung von wich- tigen Schriftstücken wie Urkunden und Verträgen und andererseits zum Nachweis der Unversehrtheit eines juristisch relevanten Verschlusses, beispiels- weise von Briefen, Türen oder Behältnissen.3 Mittels eines Siegelstempels, auch Typars, oder eines Pet- schafts, das einen Griff aufweist, konnte das darauf befindliche Motiv in weiche, erhärtende Massen ge- drückt werden. Bei Schriftstücken wurde das Siegel zunächst direkt auf das Pergament aufgebracht; ge- gen Ende des 12. Jahrhunderts setzten sich zuneh- mend an der Pressel befestigte Hängesiegel durch.

War in den vorchristlichen Kulturen und in der Anti- ke Ton in Gebrauch, wurde im Mittelalter meist mit Wachs gesiegelt, während sich in der Renaissance der weniger hitzeempfindliche Siegellack durch- setzte.4 Bei dem vorliegenden Siegel handelt es sich typologisch um ein Reitersiegel.5 Bislang wurde es als Siegel der Stadt Schwerin geführt.6 Dieses zeigt den Sachsenherzog Heinrich den Löwen, der als ihr Gründer gilt. Das Pferd schreitet, während es ab dem Jahr 1328 im Galopp dargestellt ist, später zu- dem mit nach vorn wehender Fahne. Zwei im Landes- hauptarchiv Schwerin erhaltene rotbraune Wachs - siegel, das große Stadtsiegel aus dem Jahr 1326 und das Sekretsiegel von 1331, zeigen diese beiden Vari-

Bei genauerer Betrachtung des vorliegenden Wachs- siegels lassen sich im Vergleich mit den Versionen des Schweriner Stadtsiegels so gravierende Unter- schiede feststellen, dass die vorgenommene Zuwei- sung nicht zu halten ist. Neben der Farbigkeit des Wachses und anderen Details sprechen dafür insbe- sondere die markanten Sterne auf dem neutralen Fond des Wachssiegels, das gestreifte Wappen auf dem Schild wie auch die beim Schweriner Stadtsie- gel nicht vorkommende Pferdedecke. Darüber hin- aus setzt sich das hier vorgestellte Wachssiegel durch seine überaus feine Ausführung, die die Ver- wendung eines besonders feinkörnigen Materials voraussetzt, deutlich von den erhaltenen Schweriner Stadtsiegeln ab.

Tatsächlich handelt es sich um einen Wachssiegelab- druck, der von einem Typar Herzog Erichs I. von Sach- sen-Lauenburg herrührt (Abb. 2).8 Für diese Identifi- zierung liefert das Wappen auf dem Schild den ent- scheidenden Anhaltspunkt. Der Laub- oder Rauten- kranz (Schapel) darauf findet in der bei Schweriner Siegeln nicht vorhandenen Blattzier der Pferdedecke eine Ergänzung.9 Auch in der Haltung des Pferdes und vielen der markanten Details, die bei dem Schwe- riner Wachsrelief trotz der Materialverluste zu erken- nen sind, wie die unterschiedliche Musterung der Fahne, die vier Sterne auf dem Fond und selbst die Reste der Umschrift stimmen mit dem Siegel des ge- nannten Herzogs überein.10 Mit der Kenntnis des durch Otto Posse veröffentlichten Siegels sind nicht

Abb. 1

Rückseite von Kat.-Nr. 1

(13)

Reiters oder die Gestalt der Fahne im vorderen Be- reich zu erkennen; auch weitere Einzelheiten wie das Schwert oder der diagonal gestellte Rautenkranz auf dem Wappen lassen sich nunmehr erahnen und selbst einzelne Buchstaben der Umschrift. Diese lau- tet: »† S’ . ЭRICI · DЭI · GR’A · DVCI’ · SAXONIЭ · ANGA- RIЭ · ЭT · WЭSTFALIЭ ·«.11 Das Wachssiegel aus Sach- sen-Lauenburg stammt somit aus einem Fürsten- tum, das Mecklenburg unmittelbar benachbart war.

Anmerkungen

1 Der Papierrestauratorin Ulrike Schneider, SMS, danke ich herzlich für Hinweise auf Mantel und Sterne als für das Schweriner Stadtsiegel ungewöhnliche Elemente. Für die aufschlussreiche, eingehende Betrachtung des Wachssiegels am 31.5.2017 bin ich Dr. Andreas Röpcke, Leitender Archivdi- rektor a. D., Schwerin, sehr dankbar. Mein Dank gilt auch dem von ihm konsultierten Heraldiker Dr. Ralf-Gunnar Werlich, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, der den Wachsab- druck sogleich einem Sachsenherzog zuwies. 2 Nach Dr. A.

Röpcke am 31.5.2017. 3 Lat. sigellum = Bildchen, auch Siegel- abdruck. 4 Stieldorf 2004, S. 59–61. 5 Ebenda, S. 24/25.

6 Die Beschreibung auf der Karteikarte zitiert nach Teske 1885, S. 60/61. Vgl. ferner Schwerin 1867, S. 29, Nr. 114; Teske 1885, S. 60/61, Nr. 1; Trummer 1913, S. 27, Nr. 1 u. Taf. 1; Röpcke 2010. Nach freundlicher Information von Dr. Andreas Röpcke vom 2.6.2017 zeigt nur noch das Stadtsiegel von Gießen die Darstellung seines Stadtgründers. 7 Röpcke 2010; Teske 1885, S. 61, Nr. 2 u. folgende, mit veränderter Umschrift; Trummer 1913, S. 27, Nr. 2 u. Taf. 1; Schwerin 1913, S. 26, Nr. 503, Sekret- siegel, sog. Kleines Siegel. 8 Für den freundlichen, kollegia- len Austausch zu dem Objekt und letztlich die Bestimmung des Siegelabdrucks am 5.6.2017 danke ich Prof. Dr. Wilfried Schöntag, Präsident des Landesarchivs Baden-Württemberg (früher: Landesarchivdirektion) a. D., Stuttgart, sehr herzlich.

Nach seiner Ansicht ist es »bemerkenswert […], dass der Perga- mentstreifen für die Anbringung des Siegels an die Urkunde auch durch den obersten Eindruck gelegt worden ist.«, zitiert nach einer E-Mail vom 6.6.2017. Dies hängt möglicherweise mit den späteren Eingriffen zusammen. 9 Posse 1893, S. 26.

10 Ebenda, Taf. 33,3. 11 Zitiert nach ebenda, S. 66, nach dem Original stempel im Staatsarchiv Hannover.

2

Bildnis eines Herrn

Vermutlich Deutschland, um 1730/1750 Relief aus farbigem Wachs in weißlichem Gelb bzw. Grün sowie zwei rötlichen Tönen, Perücke und Augenbrauen anbossiert, partiell farbig staffiert, auf dunkelbraun, nahezu schwarz gestrichener Laubholzplatte, in einem glas gedeckten, recht- eckigen, profilierten und schwarz gebeizten Holz- rahmen mit leicht glänzendem Harzüberzug Rahmen: H. 24,74 cm, B. 21,6 cm, T. 5,6 cm Relief: H. 15,5 cm, B. 11,5 cm, T. 3 cm Platte: H. 17 cm, B. 14 cm

Zustand: im Rahmen alte Anobienlöcher

Aufschriften: unten seitlich am Rahmen in weißer Lack farbe »5802. K«, verso ein perforiertes Etikett mit in Blau gedruckter doppelter Rahmung und schwarzem Aufdruck »Grossh. E.« sowie hand- schriftlich »105.«, ferner in Rot, gerahmt »447«, mit rotem Kugelschreiber durchgestrichen, weiter oben über dem Aufkleber mit demselben Stift notiert

»KH 2085«

Herkunft: vor 1900 aus großherzoglichem Besitz Inv.-Nr. KH 2085

(alt: GHE 105: »105 In Wachs bossierte Figur in schwarzem Rahmen. Porträt eines Mannes in Brustbildform«; Pl. 5802; 447)

Restaurierung: 2013

Der dargestellte Mann ist in Halbfigur frontal ins Bild gesetzt, wendet jedoch den Kopf zu seiner lin- ken Seite. Auch der nachdenklich wirkende Blick aus den horizontal leicht versetzten Augen folgt dieser Richtung und widmet sich nicht dem Betrachter.

Das von einer schwarzen Perücke mit über der Stirn zurückgelegten Haaren und seitlichen Locken ge- rahmte Gesicht ist schmal, ebenso die Nase und die Lippen. Selbst seine Statur wirkt zierlich und erfährt ihre Präsenz vor allem durch die mit dem dunklen Fond kontrastierende lichte, großflächige Farbigkeit des aus weiß-gelblichem Wachs bestehenden Jus- teaucorps, der wohl später mit einer weißen Lasur versehen wurde, sowie des Hemdes und des Jabots.

Die tonal abgestimmten Farbwerte der nur als ge- ringe Farbfläche erscheinenden, roten Weste und des Manteltuchs in etwas hellerem Rotbraun, das den unteren Büstenabschnitt bildet, fügen sich in diesen begrenzten, ausgesuchten Farbklang ein.

Subtile gemalte, farbige Akzente setzte der Künstler beispielsweise an den Augen oder den Lippen. Die an Seiden glanz erinnernden Lichtreflexe auf der Wachs- oberfläche betonen die Plastizität des Porträts. Durch die Abnahme bzw. Reduktion von späteren Überzü- gen im Rahmen der Restaurierung kommen die ge- stalterischen Nuancen des Reliefs wesentlich deutli- cher zur Wirkung.

Der rechte Arm des Dargestellten folgt senkrecht dem Körper und wird im unteren Bereich von der Draperie umschlossen, die seinen weiteren Verlauf kaschiert. Der linke Arm hingegen, auf der »aktiven«

Seite, ist angewinkelt, vollrund ausgearbeitet und

die Hand ruht verborgen in der partiell aufgeknöpften Weste. Diese Geste erlaubt es dem Wachsbossierer, nicht nur den breiten, starren Ärmelaufschlag des Justeaucorps, sondern am Handgelenk auch den da- mit im Kontrast stehenden Ärmel des Hemdes her- vorschauen zu lassen. Dessen vielfach gefältelte Darstellung suggeriert einen wesentlich feineren Stoff. Den stärker flächigen Partien, vor allem an der Jacke, setzt der unbekannte Künstler eine Fülle von Details entgegen: je nach Stoffart unterschiedliche Faltenbildungen, Knopf- und Knopflochreihen und sogar ein zartes graviertes Muster an der Raffung des Ärmelbündchens des Hemdes.

(14)

Das Motiv der verborgenen Hand ist in der Porträt- kunst des 18. und 19. Jahrhunderts häufig anzutref- fen.1 Unter den vielen Beispielen in der Malerei und Grafik sei das Halbfigurenbildnis Erbprinz Friedrich von Mecklenburg-Schwerin erwähnt (Abb. 1). Der europaweit und auch für den Schweriner Hof tätige Maler Balthasar Denner schuf es im Rahmen eines mehrere Gemälde umfassenden Porträtauftrages durch den späteren Herzog Christian Ludwig II. im Jahr 1735.2 Selbst Georg David Matthieu, der Hofpor- trätmaler seines Sohnes, des Herzogs Friedrich, ver- wendete um 1770 das Motiv der hidden hand für seine Figurentafel Johann Völlers, Kammerdiener der Herzogin Luise Friederike.3 Gleich mehrere Büsten mit dieser – allerdings gespiegelten – Geste lassen sich im Werk des Elfenbeinschnitzers Carl August Lücke d. Ä. aufspüren (Abb. 2). Über das Leben dieses vermuteten Vaters von Carl August Lücke d. J., der von 1738 bis 1756 am Schweriner Hof bestallt war, ist de facto nichts bekannt.4 So wird für die betreffen- den Porträtbüsten eine Entstehung zwischen 1720 und 1740 angenommen. Das wesentlich zierlicher aufgefasste Wachsrelief scheint hier zeitlich etwa anzuschließen zu sein. So wird es nicht – wie bislang angenommen – am Anfang des 18. Jahrhunderts, sondern eher um dessen Mitte entstanden sein.

Anmerkungen

1 Ein erwogener Zusammenhang mit freimaurerischem Ge- dankengut scheint nach freundlicher Auskunft von Knut Matzat, Schwerin, am 29.6.2014 nicht zuzutreffen. Mit Bezug zu AT, Mose, 4, 6 stünde die Hand für das Tun, der Griff zur Brust bzw. dem Herzen für das Gefühl. Zusammen ergäbe sich die Botschaft: Wir sind, was wir tun. Vgl. http://vigilant citizen.com/vigilantreport/the-hidden-hand-that-changed- history/vom 20.10.2009, letzter Zugriff: 26.6.2014. 2 LHAS 2.12-1/26-9 Hofstaatssachen, Kunstsammlungen, Angebote und Erwerbungen, Akte 29, Balthasar Denner, vgl. »Specifica- tion« des Malers, ausgestellt in Neustadt b. Ludwigslust, 21.7.1735. 3 Schwibbe 1978, S. 37, Kat.-Nr. 51 (mit weiterer Lite- ratur) und Farbabb. Frontispiz. 4 Theuerkauff/Möller 1977, Kat.-Nr. 97 m. Abb.; Theuerkauff 1984, Kat.-Nr. 37; Theuerkauff 1994, Abb. 6; vgl. auch Carl August Lücke d. Ä.: Büste eines un- bekannten Mannes, zeitlich problematisch angenommen als C. F. Gellert, GRASSI Museum für Angewandte Kunst, Leipzig, Inv.-Nr. 1940.99, signiert: »CAL[ligiert]ük: fe:«.

Abb. 1

Balthasar Denner: Erbprinz Friedrich von Mecklenburg- Schwerin, 1735,

signiert, Öl auf Kupfer, H. 60,5 cm, B. 38,5 cm, SMS, Inv.-Nr. G 268

Abb. 2

Carl August Lücke d. Ä.:

Büste eines unbekannten Mannes, signiert, Elfenbein,

H. 7,7 cm, B. 5,8 cm, T. 3,5 cm,

GRASSI Museum für Angewandte Kunst, Leipzig, Inv.-Nr. 1940.99

3

Profilbildnis eines Herrn

Deutschland, um 1760/1770

Relief aus leicht gelblichem, gegossenem Wachs, nachträglich mit Warmleim auf einem Papier- machégrund befestigt, der auf der Vorderseite matt und rückseitig glänzend mit Tempera gefasst ist, in rundem, profiliertem und glasgedecktem Kapselrahmen aus dunkelbraun gebeiztem Laub- holz mit einem leicht glänzenden Harzüberzug, der rückseitige Papiermachégrund verso mittig konkav gebildet

Rahmen: Dm. außen 9,15 cm, Dm. innen 6,8 cm, T. gesamt 2,6 cm, T. Holzrahmen 1,2 cm,

Abdeckglas Dm. 7,2 cm

Wachsrelief: H. 4,6 cm, B. 2,7 cm, T. ca. 1 cm Zustand: Kratzer in der planen, vermutlich nicht originären Glasscheibe

Aufschriften: rückseitig auf einem ausgeschnitte- nen, vergilbten Papierstück mit schwarzer Tinte

»500.«, darunter, ebenfalls auf dem Etikett mit roter Tinte »1012«, mit rotem Kugelschreiber durch- gestrichen, mit diesem rechts daneben notiert

»KH 2097«, darunter ein kleines perforiertes Etikett mit dem Aufdruck einer Rahmung in Blau und handschriftlich in blassgrauer Tinte »3255«, mit Bleistift durchgestrichen, zudem unleserliche Auf- schrift mit rotem Kugelschreiber, ferner Reste eines weiteren Etiketts

Herkunft: im September 1936 Überweisung aus der Sammlung Wossidlo (Mecklenburgisches Bauern- museum) Schwerin, von 1944 bis 1946 kriegsbedingt nach Grasleben ausgelagert, anschließend bis zur Rückkehr nach Schwerin im Herbst 1961 im Zentra- len Kunstgutlager in Schloss Celle verwahrt Inv.-Nr. KH 2097

(alt: 3255; Pl. 500; 1012) Restaurierung: 2013

Das Relief zeigt das Bruststück eines Herrn im Profil nach links vor schwarzem, neutralem Grund. Die fein ausgearbeiteten Gesichtszüge verraten ein mittleres Alter des Dargestellten. Das leicht gelbli- che Wachs dieser Inkarnatpartien wurde mit einer zart bräunlichen Lasur versehen und an Lippen und Augen farbig akzentuiert. Der Mann trägt eine Perü- cke mit zurückgelegtem, seitlich gelocktem Haar. Im Nacken mündet es in einem von einer schwarzen Schleife (Crapad) zusammengehaltenen Zopf. Ob dieser in dem üblichen Haarbeutel liegt, ist nicht zu ermitteln, da hier eine alte Wachsergänzung vor- liegt. Sowohl bei der Perücke als auch der Kleidung, die offenbar aus Hemd und Jacke besteht, sind die Details später grau, wohl in öliger Tempera, über- malt worden. So ist die Ausarbeitung der länglichen Knopflöcher oder des gewellten Hemdrandes bzw.

des Jabots durch den dicken grauen Anstrich fast gänzlich negiert worden. Durch die Abnahme wei- ßer Ausblühungen an dem von einem Hemdkragen oder Halstuch umschlossenen Hals im Zuge der Res- taurierung wurde die tonal leicht abgesetzte Farbig- keit des hier anbossierten Wachses wieder sichtbar.

Zusammen mit dem Gesicht ist nun die einstige subtile Anlage des Reliefs zu erahnen.

Die modischen Details, die beispielsweise an Dar- stellungen von Daniel Chodowiecki, Anton Graff oder Christian Gottlieb Geyser erinnern, verweisen in die Zeit um 1760/1770. Auch wenn manche Ge- sichtszüge Profilporträts des Dichters Christian Fürchtegott Gellert zu ähneln scheinen, insbeson- dere dem spiegelbildlichen Kupferstich Geysers,1 ist eine Identifizierung des Dichters nicht möglich.

Anmerkungen

1 Vgl. bspw. das Exemplar in der Sächsischen Landesbiblio- thek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden.

(15)

14

Caspar Bernhard Hardy

Mutter mit Kind

Köln, 1780er Jahre1

Relief aus vermutlich gebleichtem, eingefärbtem Bienenwachs mit trockenen Pigmenten und Lär- chenterpentin, in Beige/Hellrosa für das Inkarnat, Dunkelgrün für das Kleid, Weiß für Bluse, Wickel- tuch und wohl auch die Augen, Grün/Ocker für das Tuch, Braun für die Haare der Mutter, Grün-Weiß für die Decke, Rotbraun für das Sitzpolster, bossiert, graviert an Haaren und Fingernägeln, Gesicht und Stoffmuster mit öliger Tempera gefasst, rückseitig wohl ungebleichtes, gelbbraunes Bienenwachs aufgegossen zur Montierung auf der rechteckigen, rückseitig schwarz gestrichenen Glasplatte,2 einfa- cher Kastenrahmen aus Nadelholz mit profilierter, golden gefasster Zierleiste, zum Teil mit Ocker bzw.

Goldbronze übermalt, an den Rahmeninnenseiten wohl nicht originale, matt schwarz gefasste Nadel- holzbrettchen, ohne hölzernen Rückseitenschutz, U-förmiger Haken zur Aufhängung3

Rahmen: H. 22,8 cm, B. 19 cm, T. max. 6,8 cm Relief: H. 14,5 cm, B. 11 cm, T. ca. 4,5 cm

Gläserne Rückseitenplatte: H. 20,2 cm, B. 16,2 cm, T. 0,3 cm

Zustand: weitgehend originär erhalten, bis auf eine kleine Retusche am Kopftuch

Aufschriften: rechts auf dem Rahmen in weißer Öl- farbe »5800. K.«, rückseitig auf der Platte ein von Hand zugeschnittenes, partiell abgeriebenes, recht- eckiges Etikett, darauf handschriftlich mit Tinte

»Aus dem Schlosse / zu / Ludwigslust.«, vom Schriftzug rechts mit Bleistift »5593«, unten rechts mit rotem Farbstift »445« eingerahmt, diese Zahl mit rotem Kugelschreiber durchgestrichen und in der oberen rechten Ecke hinzugefügt »KH 2083«, darunter ein weiteres Papieretikett mit blau ge- druckter Rahmung und in Schwarz »Grossh. E.«

sowie handschriftlich mit Bleistift »Ludwg / 5593«

Herkunft: 1817 Ankauf des Großherzogs Friedrich Franz I. mit der Sammlung des Kölner Kurfürsten Maximilian, vgl. Engel 1817, unter Nachtrag, für 30 Reichstaler: »Eine Mutter mit einem schlafenden Kinde auf dem Schooße in colorirtem Wachs, un vergleichlich schön, unter Glas und Rahmen.«, im November 1899 Überweisung aus dem Schloss Ludwigslust

Inv.-Nr. KH 2083

(alt: GHE 5593: »Mutter mit Kind [mit anderer Schrift ergänzt:] Aus dem Nachlaß d. Kurfürsten Maximilian zu Köln. [rechts senkrecht hinter Klammer:] Wachsbilder [weiter rechts hinter ganzseitiger Klammer:] Aus dem Großh. Schloß zu Ludwigslust. Nov. 1899.«; Pl. 5800; 445) Ausstellung: 2016 ständige Ausstellung Schloss Ludwigslust

Restaurierung: 2012

Das mehrfarbige Kniestück einer Mutter mit ihrem Säugling ist in einen vergoldeten hochrechteckigen Kastenrahmen vor einen schwarzen Fond gesetzt.

Zu beiden Seiten der Szene ist viel Raum gelassen, nach oben sogar fast ein Drittel der Gesamthöhe.

Die junge Frau sitzt offenbar auf einem Kissen oder Sitzmöbel, dessen roter Bezug nur als kleine, strah- lend rotbraune Fläche am unteren Rand sichtbar ist.

Ihr Körper ist annähernd frontal gegeben mit leich- ter Wendung zu ihrer linken Seite. Das Gesicht er- scheint nahezu im Profil von rechts. Ihr dunkles Haar ist großzügig von einem gestreiften Tuch in Ocker

Caspar Bernhard Hardy (1726–1819)

Caspar (auch Kaspar) Bernhard Hardy wurde am 26. August 1726 als Sohn eines Apothekers in Köln geboren. Er schlug den Weg eines Geistlichen ein und wirkte als Domvikar an der Margarethenkapelle.

Daneben beschäftigte er sich zeitlebens mit verschiedenen Künsten und Naturwis- senschaften. So betätigte er sich als Maler, Emailleur, Bronzebildner, schnitzte in Perl- mutt und schuf zudem auch physikalische Instrumente. Besonderen Ruhm brachten ihm seine Wachsbossierungen ein.

Am 17. März 1819 starb er hochbetagt in seiner Heimatstadt.

(16)

bis zu einem weißlichen Hellgrün umschlungen, dessen Zipfel vor dem Dekolleté verknotet sind. Die junge Mutter trägt ein dunkelgrünes Kleid, eben- falls mit einem Muster aus Längsstreifen,4 darunter eine dünne Bluse in gebrochenem Weiß, deren am rechten Arm sichtbarer Ärmel mit Bündchen etwa bis zum Ellenbogen reicht. Mit geneigtem Kopf ist sie in den Anblick ihres schlafenden Kindes vertieft, das auf ihrem Schoß und ihrem linken Arm liegt. Es ist in eine Decke in zartem Hellgrün und ein weißli- ches Tuch, vielleicht eine Windel, gehüllt, wobei die linke Brust- und Schulterseite des Kindes unbedeckt bleiben.

Der Verfertiger dieses Reliefs war der Kölner Domvi- kar Caspar Bernhard Hardy.5 Autodidaktisch und be- reits in jugendlichem Alter begann er, sich in der bildenden Kunst zu artikulieren. Während seines fast 93-jährigen Lebens befasste sich der im Jahr 1754 zum Priester geweihte Apothekersohn mit un- terschiedlichsten künstlerischen Techniken. Er zeich- nete, malte in Öl-, später in Emailfarben, verlegte sich auf die enkaustische Malerei, wirkte als Bild- hauer in Bronze, schnitzte in Perlmutt und übte das Glasschleifen aus. Darüber hinaus war Hardy an Op- tik und Mechanik interessiert, stellte elektrische Maschinen, Hohlspiegel, Linsen und Globen her und erfand ein Mikroskop, von dem er je ein Exemplar an die französische Kaiserin Josephine und den St. Pe- tersburger Hof lieferte.6 Als Ergebnis eigenen Mikro- skopierens entdeckte er eine neue Art der Rädertier- chen. Bekannt geblieben ist er jedoch vor allem durch seine Bossierungen in Wachs, und dies trotz seiner eigenen Befürchtungen, »daß sein Material so wenig Ansprüche auf Dauer machen konnte«.7 Zunächst waren es Flach-, dann Hochreliefs und auch Statuetten. Hardy war mit dem Botanikprofes- sor, Rektor der Universität und passionierten Kunst- sammler Ferdinand Franz Wallraf befreundet, der 1799 zu seinem 50. Künstlerjubiläum eine lange Ode auf ihn verfasste.8

An Hardys Beschäftigungen war lange Zeit sein älte- rer Bruder Johann Wilhelm beteiligt, ein Apotheker, mit dem er gemeinsam wohnte, der aber schon 1799 starb. So mancher Kölnreisende setzte die zeitge- nössisch als bescheiden und mit Forschergeist aus- gestattet beschriebenen Brüder Hardy auf ihr Pro- gramm.9 Der prominenteste Besucher Caspar Bern- hard Hardys ist wohl Johann Wolfgang von Goethe.10 Im Juli 1815 erlebte er den »munteren Greis« von fast 90 Jahren, der in der frühen Jugend »unendlich feine,

historische kleine Arbeiten« geschaffen habe.11 Spä- ter habe Hardy »halbe Figuren in Wachs [gefertigt], beinahe rund, wozu er die Jahreszeiten und sonst charakteristisch-gefällige Gegenstände wählte, von der lebenslustigen Gärtnerin mit Frucht- und Ge- müsekorbe bis zum alten, vor einem frugalen Tisch betenden Bauersmann, ja bis zum frommen Ster- benden. Diese Gegenstände, hinter Glas, in unge- fähr fußhohen Kästchen, sind mit buntem Wachs, harmonisch, dem Charakter gemäß koloriert.« Dass Goethe von Hardys Wachsarbeiten angetan war, ist nicht nur diesen Worten zu entnehmen: Er kaufte zudem acht dieser sorgsam gearbeiteten Reliefs.12 Ein anderer Zeitgenosse namens Horstig13 erläuterte die von Goethe beschriebene Entwicklung Hardys noch ausführlicher: von detailreichen Miniatur- Land- schaften, »worin Bäume, Häuser, Berge, Seen, Wäl- der und Thiere bis aufs kleinste in Wachs« nachge- bildet sind zu seinen späteren, auf die Darstellung von Empfindungen gerichteten Werken.14 Hardy habe späterhin erkannt, »daß das Wachs alle mögli- che Eindrücke aufnehme, folglich das erste von der Natur selbst, wie es schien, verordnete Mittel zum leidenschaftlichen Ausdrucke sey. So fieng nun an die weiche Masse unter seinem Drucke zu weinen und zu lachen, zu trauern und zu frohlocken und eine Gestalt nach der andren wand sich von der schöpferischen Seele los und begann im Wachse zu athmen.« Wie Hardy auch selbst bekannte, galt sein Bemühen, »die menschlichen Leidenschaften im Wachse abzubilden und sie so, wie ich sie im Leben kennen lernte, nach dem Leben darzustellen – die Hoffnung, die durch den Schmerz blickt, die Trostlo- sigkeit, die Ungeduld, die stille Ergebenheit, die ru- hige Liebe, die leidenschaftliche Liebe u. s. w. Immer waren, wo möglich, zwei Bilder einander entgegen gestellt.« In der Tat fügte Hardy Werke zu Pendants und inhaltlich zusammengehörigen Gruppen, wo- bei er vielfach Gegensatzpaare bildete: Mann-Frau, alt-jung, ruhig-unruhig, genügsam-geizig,15 züch- tig-kokett, sterbend-auferstehend.16 Der Vergleich erlaubte es dem Betrachter, das Besondere jedes einzelnen Bildes zu erkennen und die – mitunter moralische – Botschaft der Reihe leichter zu erfas- sen. So schuf Hardy Serien der fünf Sinne, der Tugen- den und Laster, der Künste und Wissenschaften, paarweise aufeinander bezogene Viererreihen der Künste, Jahreszeiten, Elemente oder der Lebensalter des Mannes und der Frau. Dabei konnten die einzel- nen Motive in unterschiedlichen Konstellationen

jagdlichen und Genrethemen auch mythologische Gestalten wie Diana, Herkules oder Minerva, histori- sche Personen aus der Antike wie Kleopatra und – an- gesichts eines katholischen Geistlichen erstaunlich selten – zudem religiöse Darstellungen wie Judith, der Heilige Bruno oder Maria Magdalena. Er bildete nicht nur sein eigenes Gesicht in Wachs ab, sondern folgte ganz den Strömungen seiner Zeit, indem er

genossen porträtierte: Rousseau, Voltaire, Franklin, Newton, Washington oder Lavater. Physiognomi- sche Studien, die aus den Gesichtszügen Rück- schlüsse auf den Charakter eines Menschen abzu- leiten suchten, wurden zu jener Zeit viel diskutiert, allen voran jene des zuletzt genannten Lavater aus den 1770er Jahren.17 Für ihn war Tugend mit Schön- heit, Laster mit Hässlichkeit verbunden. Solche Überzeugungen fanden Eingang in die Bildniskunst, sehr eindrucksvoll bei Franz Xaver Messerschmidt, und scheinen auch für Hardy relevant gewesen zu sein. Schließlich wollte er vor Augen führen, wie sich Wesenseigenheiten oder extreme Momente insbe- sondere in der Mimik, ferner in der Körperhaltung ausdrücken. Wie zeigen sich Geiz oder Genügsam-

Abb. 1

Caspar Bernhard Hardy: Vier Lebensalter der Frau, Köln, wohl 1780er Jahre, Wachs, bossiert, Glas, Spiegelglas, zeitgenössischer Kastenrahmen, vergoldet und bronziert, je H. 21,5 cm, B. 17 cm, T. 7,3 cm, Grisebach 2014, Kat.-Nr. 319

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