Ueber
das Verhältnis des deutschen Staates
zu theologie, kirche und religion.
ein versuch nicht -theologen zu orientieren
von
Patil de Lagarde,
doktor der theologieundPhilosophie
ordentlichem professorinder philosophischen fakultät der Universität Göttingen.
**>
Göttingen
1873
Dieterichscbe Verlagsbuchhandlung.
DukeDivm.tySchool
3
Ueber
das Verhältnis des deutschen Staates
zu theologie, kirche und religion.
ein versuch nicht -theologen zu orientieren
von
Paul aejjagarde,
doktor der theologieund Philosophie,
ordentlichem professorinder philosophischen fakultät der UniversitätGöttingon.
v3
Göttingen
1873
Dieterichsche Verlagsbuchhandlung.
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Vi tnJ%QM*
Die vorliegende abhandlung ist in ihren
grundzügen im mer 1859
niedergeschriebenworden, und im
october desselben jahres in beschränkter weise an die Öffentlichkeit getreten, sie sollte1867
für einen größeren leserkreis gedrucktWerden,
als kurze zeit lang der luxemburger handel hoffen ließ, daß Deutsch- land gelegenheithaben werde
sich zu einigen,wenn
jetzt endlich diese blätter, natürlich unter hinzufügung der auf die neuesten ereignisse sich beziehenden abschnitte,und außerdem
unter stärke- rer hervorhebung der person Iesu, sich in eine ihren grundan-schauungen
durchaus feindliche weithinauswagen,
so geschieht es nicht sowol in derannähme,
daßmehr
als hierund
da ein ein- zelner durch siewerde umgestimmt werden,
als indem bewußt
-sein, daß es in so ernsten
und
entscheidenden zeitläuften, wie die unsrigen, pflicht ist, das klar erkannteund
lange zeit hindurchge- prüfteandern
auch indem
falle mitzuteilen, daß sie nicht über- zeugt, sondernnur
angeregt, ja selbst indem
, daß sie dadurch in ihrer bisherigen ansieht bestärkt werden, die schrift ist durch- aus eine politische: theologische Schulweisheitistals nicht-theologennur
verwirrend geflissentlich vermieden: daß der Verfasser nicht ganzohne
gelehrte kenntnis der einschlägigen materien ist, wolleman
ausdem
Verzeichnisse seiner übrigen Schriften entnemen. er bittetum
gottes willen,von
seiner personund
allen andern ne-benpunkten
völlig abzusehnund nur
die sache auf ja oder nein ins äuge zu fassen,und
stellt alles weiteredem
anheim, in dessen ebenste er gearbeitet hatund
weiterhin zu arbeiten gedenkt.Göttingen zu Weihnachten 1872.
lutherischen alsin der unierten theologie
Wahrheitsmomente
enthalten sind, sowürde
sie ein viertes, höheres system zu bilden suchen, das dieWahrheitsmomente
ausden
bisherigen Systemen vereinigte.das friedliche nebeneinanderbestehn
von
fakultäten der katholi- schen, lutherischenund
unierten theologieund
die lange dauer dieses nebeneinanderbestehens beweist, daß sie alle drei zur Wissen- schaft kein Verhältnis haben, hätten sie es, sowürden
sie sich untereinander die existenzberechtigung absprechen, wie die Coper- nicanerden anhängern
des Ptolemaeus die existenzberechtigung ab- sprechen, siewürden
sich auf Eineform
vermindern, wie Ptole-maeus und Tycho Brahe dem
Copernicus endgültighaben weichen müssen.
wäre
die friedfertigkeit der dreigruppen
vielleicht als eine Wir-kung
des Strafgesetzbuches anzusehn,den
wissenschaftlichen beweisund
dessen folgenhemmt
kein Strafgesetzbuch,wenn
der Staat erzwingenkann,
daß Copernicusund Tycho Brahe
sich nicht die ehre abschneiden, daskann
er nicht verhindern, daß ersterer den letzteren mitgründen
widerlegtund
alle urteilsfähigen auf seine seite zieht.Die professoren der theologie sind
sammt und
sonders durchden von
ihnen beierwerbung
der licentiatur geleisteten eidund
die Verpflichtung auf die Statuten ihrer fakultät—
falls sie katho-liken sind, auch
noch
durchden
priestereid—
in betreff derme-
thode ihrer Untersuchungund
das schließliche resultat derselben, gleichvielob
in milderer oder strengerer weise, gebunden, lassen nicht selten die Statutenvon
fakultäten der protestantischen theolo- gieund an
einigen Universitäten auch,wenn
gleich in geringeremmaße,
die bei derpromotion von
licentiaten üblichen eidesformeln durch ihre Unklarheitund
vermutlich absichtlich vieldeutige fas-sung
der auslegung einen gewissen Spielraum, sowerden
wenig- stens inden
fällen,wo
jene Vieldeutigkeit nicht eingestandenermaßen von den
gesetzgebern beabsichtigt ist,nur
die wenigerem-
pfindlichen gewissen
von
dieser, übrigens auchnur
sehrmäßigen
freiheit gebrauch
machen, und immer noch
mindestensgezwungen
sein, lutherisches oder uniertes Christentum zu lehren.
die Wissenschaft
weiß am
anfange ihrer Untersuchungen nie,wo
dieselbenenden
werden: sie lehnt durchaus ab, sichim
voraus die flügel bindenund den
zielort ihres flugesangeben
zu lassen, theologen, welche irgendwie in betreff der resultateund
derme-
eingegangen sind,
haben
recht sich als diener der Wissenschaft anzusehn.Schließlich
haben
alle theologischen fakultäten Deutschlands rechtlich oder tatsächlich diebestimmung
geistliche für diekon-
fession auszubilden, der sie angehören: sie sind mithin durch die bedingungen selbstgebunden
, unter denen die priesterweihe oder die Ordination erteilt wird, sie dürfen nur ansichten vertreten, welcheden
beiihnen studierendengestatten, dasglaubensbekenntnisvon
Trient oder die ordinationsgelübde abzulegen,würde
diese Vorbedingung derweihung zum
priester oder der Ordination durch dasvon
den fakultäten vorgetragene unmöglich, sowürden
sie ihrebestimmung
nicht erfüllen, geistliche bestimmter konfessionen aus- zubilden.Aus dem
gesagten ergibt sich,daß
die theologischen fakultäten unsres Vaterlandes anstalten sind, welche das wissenum
die ka- tholische, lutherische, unierte religion mitzuteilen haben: sie be- richten,wo mehr
geschieht, ist das System an diesemmehr un-
schuldig.der objektive wert dieser fakultäten wird
darum
indem
werte der konfessionen beruhen,denen
sie sich verpflichtenund
für welche sie arbeiten.daraus folgt für uns die nötigung uns mit diesenkonfessionen zu beschäftigen,
wenn
wir uns ein urteil über die jetzt vorhandene theologie sollen erlauben dürfen.IL
Der
protestantismus ist eine historische bildung, welchenur
ausdem
Studium des sechszehnten, nicht aus der öffentlichenmei- nung
des auf die neigegehenden
neunzehnten Jahrhunderts richtig beurteiltwerden
kann.Es
ergibt sich ausden
schritten der reformatorenund den
symbolischenbüchern
der lutherischen wie der reformierten kirche unwiderleglich, daß der protestantismus das sein wollte, alswas
wir ihn auch heutenoch
bezeichnen, eine reformation, daß er also die katholische kircheim
wesentlichen anerkannteund
bestehn ließund nur
misbräuche abstellte.die katholische kirchenlehre blieb in allem,
was
sievon
gott, Christound dem
heiligen geiste aussagte, also in allem,was dem
modernen
bewußtseinam
anstößigsten ist,von
der reformation unangetastet, der streit zwischenden
Protestantenund
der kirche8
drehte sich lediglich
um
die artund
weise, in welcher die durchIesum
Christum,den
eingeborenensöhn
gottes, vollzogene erlösung des menschengeschlechtsvon
dersünde und
deren strafen angeeignet wird,und um
gewisse einrichtungen, durch welche dieden
refor-matoren
für die richtigegeltende aneignung dieser erlösungerschwertwurde und
dieman
daher protestantischer seits abzuschaffen sich gedrungen fühlte.Wer
diese sätze glaubt beanstanden zu müssen,möge nur
die in allerhänden
befindlichen beiden wichtigsten katechismen der reformation,den
kleinen lutherschenund den
heidelberger, ansehn,außerdem
die Schlußworte des ersten teiles der augsburgischen konfession lesen,und
bedenken,daß
die drei ältestenSymbole
der katholischen kirche, das apostolische, nicaenischeund
athanasische glaubensbekenntnis,von
den reformatorenund
ihren kirchen aus- drücklich als das eigne bekennlnis anerkanntwurden,
ausdem zusammenhange
gerissene, fürbestimmte
veranlassungenberechnete,noch
dazu beliebig aus jeder epoche derbewegung
ausgewählte privatäußerungen der einzelnen reformatoren beweisen fürgewissen- haftemenschen
gar nichts,wo
mit vollem bedachte, unter beirat der hauptsächlich beteiligten abgefaßteUrkunden
vorliegen, die ent-weder dem
kaiser zurkenntnisname
überreicht oderden gemein- den
zur belehrungund zum
unterrichte in diehand
gegebenwor- den
sind, also jedenfalls das enthalten,was
die reformatoren selbst alsden
durchschnitt desvon
ihnenund
ihrenanhängern
gelehrtenund
geforderten ansahen.Einige weitere betrachtungen
mögen
das gesagte bestätigen.Für
Deutschland ist Luther der trägerund
typus der reforma- tion:von ihm wird
daherim
folgenden ausschließlich die rede sein. Zwingliund
vollends Calvin sind völligvon
Luther verschie- den,und
ihre kirchen in den für die reformation in Deutschland eigentlich entscheidenden zeitenohne
einfluß,und zwar
so sehrohne
einfluß, daß der gebildete mittelstand unsrer tage vermutlich in Verlegenheit seinwürde, wenn man ihm
zumutete reformierte landschaften unsres Vaterlandes aufzuzählen.Soviel ist außer frage,
daß
zunächst gewissensnöte Luthern zudem
getrieben haben,was
er getan, der ablaßkram legteihm
als beichtiger
und
als Seelsorger die pflicht auf so zu handeln, wie er gehandelt.jedes gewissen
nun
erhält seine bestimmtheit durch sein ver-hältnis zu der sittlichen anschauung einer gemeinschaft.
Chinesen
und Botokuden
ist ein anderes, als das der Franzosen,und
unterden
Franzosen hatten Arnauldund
Pascal ein anderes, als die rouesam
hote des regenten. das gewissen steht nieund
nirgends auf Einer stufe mit der fähigkeit zu essen, zu trinkenund
zu verdauen, welche jedermensch von
natur mit sich hat: das ge- wissen istnur
da in geschichtlichgewordenen
zuständen, unterdem
einflusse des geistes der epoche,den
eseben
dadurch ira ganzen anerkennt, daß es ihn in einzelnenpunkten
bekämpft, ge- wissensbedenken empfindet dermensch
stets nur beieinem kon-
flikle, in
welchem ihm
heilige pflichten mitandern
ebenso heiligen inkämpf
geraten: das gewissen ist nichts als die fähigkeit zu sol-chem
konflikte. daraus folgt,daß vom
gewissenund
seiner frei-heit stets
nur
da die rede seinkann, wo
pflichtenund zwar
in ein systemzusammengefaßte
pflichten anerkannt werden. Luthers auflehnung gegen seine kircheim
punkte des ablasses, desmönch- tums,
des meßopfers hatte dieanerkennung
der kircheund
der kirchenlehre in allen übrigen stücken zur Voraussetzungund
zur bedingung. geradedarum
lag ein konflikt vor, weil einegemein-
schaft, welcherman
sich sonst beugte,bekämpft werden
mußte, weil Luther seine pfarrkinder, welche erim
auftrage der kircheund im
einverständnisse mit ihr zu gott zu leiten angestellt war, durch die schuld der kirche selbst zu gott zu leiten verhindertwurde, darum
lehnte er sich auf. es ist der reformation in kei-nem
ihrer anerkannten Vertreter eingefallen, ausdem rahmen
des christentumes,und zwar
des in geschichtlicher entwickelung be-stimmt
gestalteten christentumes herauszutreten: sie bekämpften,was
sie bekämpften, als entstellung einer zu rechtbestehenden,un-
bedingt anerkannten bildung.und, um
dies beiläufig auszusprechen,nur
weildem
so ist,kann von
einer union der protestantischen genossenschaften die rede sein, sie sind einig in allem, worin sie auch mit der katho- lischen kirche einig sind,und
sie sind zweitens einig in der ab- lehnung gewisser lehren, forderungenund
anspräche der katholi- schen kirche, uneinig hingegen in der motivierung dieser ableh-nung und
uneinig in der aus wähl des abzulehnenden, natürlich auch uneinig in der aufstellung des dogmatischen Systems.Nun
hat die Wissenschaft(wenn
hier sovornehmer
ausdruck gestattet ist) die behauptung aufgestellt, die reformation— man
10
pflegt auch an die Zwingiis
und
Calvins bei dieserbehauptung
mit zudenken — habe zwei principien gehabt, das formale und
das
materiale. nach jenem
wird (so sagt man)
keine andere erkennt-
nisquelle für die christliche religion statuiert als die bibel, nach
diesem wird die rechtfertigung
des menschen
vor gott allein durch
den
glauben an
Christum bewirkt.
sovieldürfte
man
leichtzugegebenerhalten,daßdiese principien nicht die treibende kraft der reformationgewesen
sind. Lutherund
Zwinglihaben was
sie getan, nicht principien zu liebe, son- dern aus Herzensbedürfnisse, einer pflicht folgend getan, jene bei-den
sogenannten principien sollen alsonur
die formein liefern, durch welcheman
sich einen Vorgang erklärt, der nicht diesen formein, sonderneinem
ethischen motive seine entstehung verdankt, es sind schulausdrücke, mittelst dererbequeme
gelehrte sich mitdem
lebenund
dessen schwerer kenntnis abfinden wollten.folgt nicht aus der zweiheit dieser principien, daß das
wort
princip hier nicht indem
sinne gebraucht ist, inwelchem
es in der wissenschaftlichen spräche gewöhnlich verwendetwird?
ein principiumkann nur
Eines sein.es ist weiter klar,
daß
wissenund
Wissenschaft überallnur
da ist,wo
die gewöhnlichen denkgesetzeangewandt werden und angewandt werden
können, eine besondere erkenntnisquelle braucht gar nicht ausdrücklich genannt zuwerden, wenn
die Sachenim
gewöhnlichen verlaufe behandelt werden, es fälltniemandem
ein, aus ßuffonund Linne
belehrungen über die assyrische oder deut- sche geschichte zu holen, benachrichtigungen über die quellen, ausdenen
zu schöpfen ist, läßt der lehrereinem
schülerzukommen, wenn
dieser die erforderliche litteraturkentnnisund
-Übersichtnoch
nicht hat. dabeikann
es sich treffen, daß er einennachweis darüber gibt,daß
gewissedocumente
entweder ganzund
gar ge- fälscht oder mit unrichtigen angaben—
absichtlich oder unabsicht- lich—
versetzt, oder daß sievon
andern abhängigund darum
als selbstständige Zeugnisse nicht zu
verwenden
seien, in solchen Untersuchungen redet aber kein vernünftigermensch von einem
formalen oder erkenntnisprincipe. soll dieser ausdruckvon
der reformation gebraucht einen einigermaßen verständigen sinn haben, somuß
dieser sinn ein polemischer sein, wieman
etwa sagenkann, man
lehne beidem
Studium der geschichte des staufischen zweiten Friedrich die diurnali des Matteo di Giovenazzo ab, weildies angeblich
jenem
kaiser gleichzeitigewerk
eine fälschung des sechszehnten Jahrhunderts ist, sokann man
sagen,man
wolle in einer theologischen Streitfrage kein andresdocument
als beweis- kräftig zulassen, als das neue testament, dawas
sonst an quellen- schriften vorhanden, nicht unbedingt echtund
authentisch sei. ge-wissermaßen
ähnlich ist es, daß das concilvon
Trient festgesetzt, alle dogmatischen Streitfragen seien aus der lateinischen kirchen- übersetzung zu erledigen, weildogmen
alsmehr
oder weniger zur Seligkeit notwendig zu wichtig seien, als daßanzunehmen
wäre, zu ihrer feststellung bedürfe es irgend welcher düfteleien ausdem
urtexte, weil vorauszusetzen, daß die amtliche Übersetzung so wich- tiges verkannt habe, ein nicht verstatteter Unglaube an göttlicher weit-
und
kirchenregierung sei. so meinte die reformation, daßin denzvvischen'den protestierendenund
derherrschenden kirche streiti- gen fragen die erörterunggenügend
durch das zurückgehn auf das nach den regeln dergrammatik
ausgelegteneue
testament geführtwerden
könne, daß nebenbeweise gelehrteren kreisen aus anderndocumenlen
gegebenwurden,
wie die sogenanntenmagdeburger
centuriatorenund was
ihnen folgt die kirchenväter mitmehr
oder weniger gelehrsamkeitim
protestantischen interesse durcharbeiteten, beweist gewiß die richtigkeit deroben
gegebenen ansieht, das formale prineip ist zunächstnur
für die gerade vorliegendecontro- verse aufgestelltworden und
sollte zur Vereinfachung des Verfah- rens dienen: lehren, welcheim
direkten Widerspruche mitdem von
der katholischen kirche anerkanntenneuen
testamentestanden,konnten
in der kirche nicht berechtigt sein, weil sie sonst sich selbst widersprochenhaben
würde.es
kann
'nicht geleugnet werden, daß das prineip zeitig in ei- nerwenig
überlegten weise verallgemeinertworden
ist: die an-wendung
desselben auf alle teile der christlichen glaubens-und
Sit- tenlehrewar, wenn
auch vielleichtim
sinne, sogewiß
nichtim
interesse der reformatoren. jetzt wenigstens steht unweigerlich fest,und
istjedem,
der sich nicht absichtlich gegen die Wahrheit verstockt—
vorausgesetzt, daß er diezum
urteilen nötigen Vor- kenntnisse besitzt—
, leicht nachzuweisen,daß im neuen
testa-mente weder
die kindertaufe,noch
die (sogar in unsern symboli- schenbüchern
behandelte) sonntagsfeier,noch
die freiheit der Chris- tenvon dem
angeblichvon
gott gegebenen sogenannten mosaischen gesetze,noch
die dreieinigkeit gelehrt wird, also sätze fehlen,12
welche
den
reformatoren zuden
grundartikeln christlichen glau- bensund
lebens gehörten: wiedenn
protestantische sekten, welche das tormale princip der reformation so weit ausdehnen, daß sie das neue testament oder die ganze (doch wahrlich verschieden ge-nug
begrenzte) bibel als alleinige quelle des dogmatischenund
re- ligiösen wissens betrachten, als baptisten die kindertaufe, als uni- tarier die dreieinigkeit aufgrund
der schritt bestreiten,und
wie sehr viele Engländer in betreff einer größeren oder kleineren an- zahl jüdischer gesetzeeinem mehr
oder weniger consequentenaber- glauben verfielen: es genügtzum
beweise dieses satzesan den
englischen sabbath zu erinnern.Wenn jemand,
der nicht geradezu der untersten klasse der bildungsbedürftigen angehört, Lessingswerke
zu kaufen wünscht, pflegt er sich zu sagen, daß dievon Lachmann und
Maltzahn be- sorgten ausgaben dieserwerke den abdrücken
vorzuziehen sind, welche dunkleehrenmänner ohne
sich zunennen zum
besten ih- rer börsen mit möglichstwenig aufwand an
fleißund
kostenmehr-
fach veranstaltet haben, es ist damit gesagt,daß Sammlungen von
schritten nichtvon
selbstzusammenlaufen,
wie wasseran einem
tiefsten punkte, daß sie besorgt
werden, und daß
derdem
besor-genden
eigene größere oder geringere gradvon
Zuverlässigkeitund
umsiehtden
wert derSammlung
größer oder geringer macht, sollte es nicht an der zeit sein, sich über die art rechenschaft zu geben, wie das neue testament (dasdoch
auch eineSammlung)
zu ständegekommen
ist?wer
hat esgesammelt?
welche grundsätzewaren
für die auswahl deraufgenommenen
büchermaßgebend?
sollte alles hinein,
was man an
christlicher litteraturbesaß?
oder abernur
apostolisches?war
dieSammlung
lokal? stets gleichum-
fänglich? gehörte sie
dem
ersten oderdem
zweiten Jahrhundertean?
niemand, der dasneue
testament braucht, hat ein recht, diese fragen unbeantwortet zu lassen, es sei denn,daß
er einerbestimm-
ten gemeinschaft angehört, derenansehn ihm
die beantwortungje*ner fragen erspart, es konnte
einem Preußen
gleichgültig sein»wie die leute hießen, welche
an dem
preußischen landrechte mit- gearbeitet,ob
sie ihren stofi älteren gesetzbüchernentnommen
oder nicht,ob
er systematisch untadelhaft geordnet ist: es genügte,daß
jenes landrecht indem
Staate,welchem
jenerPreuße
angehörte, zu rechte bestand,und daß
die Untertanen inden
meisten altpreußi- schenlandschaflen sichnach diesem
landrechte richten lassenmußten.wenden
wir das auf dasneue
testament an, so erhellt,daß
es all sein ansehnnur von
der gemeinschaft erhalfen hat, die eszusam-
menstellteund
sich seiner zuerst bediente, damit ist aber das formale princip der relormation in der fassung, in welcher es jetzt umläuft, beseitigt, es ist möglich, in einer controverseden
gegner auseinem von ihm
benutztenund
anerkanntendocumente
allein zu bekämpfen,und
nachzuweisen, daß einmühsames
weiteres zeu- genverhör nicht nötig sei, da dasvom
gegner anerkannte akten- stück hinreiche, ihnund
seine behauptungen zu widerlegen, es ist'aber völligunmöglich
, aus einervon
einerbestimmt
begrenz- tenund
in sich sehr sicheren gemeinschaft vorgelegtenSammlung von
schriften die lehren einer zeit vollständig zu erkennen, welche älter ist, als dieseSammlung,
dasneue
testament als solches ist einwerk
der katholischen kirche.ordnen
wiruns
dieser kirche dadurch unter,daß
wir dieses ihrwerk
unbesehensannehmen,
so wird esnur
folgerichtig sein, ihre auctorität auch in allen andernpunkten
unbesehens anzuerkennen,man kann
aus Widersprüchen desneuen
testamenles gegen die katholische kirchenlehreund
kir- chenpraxis folgern, daß die vorliegende lehreund
praxis nicht ur- sprünglich ist:man kann
aber ausdem neuen
teslamente nicht die vollständige kirchenlehreherleiten, sowenig man
ausdem
deut- schen handelsgeselzbuche folgern darf, es gebe in Deutschland kein kriminalrecht, dieselbe gemeinschaft, welche aus irgendeinem,
indem zusammenhange
dieser erörterung gleichgültigen gründe dasneue
testamentzusammentrug,
hat auchohne
frage das recht zu weiteren festsetzungen gehabt: dieannähme
liegt nahe,daß wer
das ansehn dieser gemeinschaft indem
einen falleohne bedenken und ohne
kritikannimmt, gezwungen
ist, es auch in andern gelten zu lassen, daß die reformatoren dies auch tun, istoben
schon bemerkt, soferne eine reihevon dogmen und
anschauungen, welche ihnen unumgänglich erscheinen, ausdem neuen
testamente nicht begründetwerden können,
gleichwohl aber festgehalten werden, wie das sogenannte apostolische glaubensbekenntnis nicht alle dog~men,
sondernnur
diejenigen umfaßt, welche gegen die ketzer der zeit, in welcher es entstand, gellend zumachen waren, und
wie deshalb sowohlAbraham
Calov unrecht hatte,wenn
er es als nicht vollständig tadelte, als Calixt,wenn
er es als grundlage der eini-gung
christlicher kirchengenügend
erachtete—
jener, weil er ver-langte,
was man
nicht hatte leisten wollen, dieser, weil ersich mit14
etwas befriedigt fand,
was
lange nicht ausreichte: ganz ebenso istder neutestamentliche
kanon
nichts, als dieSammlung
der bücher, welche die altkatholische kirche inihrem kämpfe
mitden
ketzernund
sekten des zweiten Jahrhunderts geeignet erachtete, als beweis- mittel zu dienen: es liegt in diesemkanon nur
solches material vor, welches die gegner gleich sehr anerkannten, es liegt aber nicht alles material vor, nachdem
die kirche beurteiltwerden muß,
sondern lediglich das,was
für einenbestimmten zweck
nötigwar:
wir dürfen alsoweder
etwas fürchristlich halten,was
diesenbüchern
widerspricht,noch auch
etwas blosdarum
für nichtchrist- lich, weil es sich in ihnen nicht findet.wollte
man
das gesagtebekämpfen,
somüßte
nachgewiesen werden, auf welcher grundlagedenn
das neue testament alsSamm-
lung
angenommen
wird, esmuß
dasselbe solange alsein traditio- nellüberkommenes,
das bedeutet in diesemzusammenhange,
ge- dankenlosübernommenes werk
angesehnwerden,
als nicht be-stimmt und
unzweideutig erklärt wird, wieman
gerade zu dieser Zusammenstellung altchristlicher Schriftstücke als einernormalen gekommen
istund
hatkommen
können.es dürfte einleuchten, daß, sowie
man
nichtmehr
die beweis- föhrung ineinem
streite mit der katholischen kirche in dessen In- teresse beschränken,sondern
eine geschichtliche Untersuchung füh- ren will, dasneue
testament alsSammlung
gänzlich zu beseitigen ist,und
die fragenach den
quellen der erkenntnis für die nicht- katholischeund doch
auf denselben Ursprung wie der katholicismus hinauswollende religion ganz einfach dahin zu beantworten ist:alle
documente
der christlichen urzeit, welche überhauptvorhanden
sind—
bücher, denkmäler, Verfassungen, kultusformen— zusam- men, auf die bei historischen Studien übliche und
durch lange
praxis und
bedeutende resultate bewährte weise benutzt, geben uns
aufschluß über die anfange unsrer religion. die frage ist einfach
eine historische, denn
Iesus oder (wenn man
lieber will) das evan-
gelium trat in einem bestimmten
augenblicke der geschichte auf,
und darum kann
unser wissen über Iesusund
das evangelium aufkeinem andern wege gewonnen
werden, als aufdem,
aufwelchem man
überhaupt geschichtliches wissen erwirbt.ÄJmlich ungünstig wird das urteil über neuere auffassungen des sogenannten materialen principes der reformation ausfallen.
es scheint
kaum
geleugnetwerden
zukönnen, daß
die refor-matoren
selbst mitdem
satze; dermensch werde
gerechtfertigtohne werke
allein durchden
glauben, zu sagen meinten, der Zugang zu den gnadenschätzen der kirche oder des christentumeswerde
nicht durch ablaßnemen, almosengeben,messehören und
ähnliches eröffnet, sondern dadurch, daß die einmal endgültig hergestellte Versöhnung gottesund
desmenschen — ich drücke mich
absicht-
lich so modern
als möglich aus —
mittelst des gemütes
ergriffen
und
angeeignet werde, es sind mitausname
des Wortes glauben, dessen bedeutung streitig war, damals alle ausdrücke der formel ineinem
geschichtlich völlig feststehenden sinnegenommen
worden,und
daher auch heutevon uns
zunehmen,
soferne es sich füruns darum
handelt, diegedanken
der reformationsperiode zu be- schreiben, also auch hier finden wir das princip als ein princip der polemik, nicht der dogmatik:man
schließt ausdem
unmittel- bar gegenwärtigen,dem
bewußtsein, dasman
über das eigne ver- söhntsein mit gott hat, gegen gewisse einrichtungen derpäpstlichen kirche, wiemesse und möuchtum, und
gegen die scholastische lehrevon den
guten werken, damit istwiederum
festgestellt, daß die katholische kirchenlehreim
großenund
ganzen unangetastet gelassenund nur
behauptet wird, der eintritt in das haushabe
durch eine andre türe statt zu finden als durch die, welcheman
gewöhnlich, aber misbräuchlich benutzt habe.
wäre
wirklich die rechlfertiguug allein durchden
glauben das princip der reformatorischen dogmatik, somüßte
einmaldies prin- cip die reformatorischen dogmatiken in der weise beherrschen, daß die ganze dogmatik ausihm
abgeleitetwürde,
somüßten
zweitensalle relbrmationskirchen dies princip in gleicher weise
haben und
gleich
hoch
stellen,weder
das einenoch
das andere ist der fall, es wird unterden
lesern dieser blältermancher
sein,dem
Hegels Philosophie nichtunbekannt
ist. vergleiche ein solcher die artund
weise, in der Hegel seinegrundanschauungen
durch sein gan- zes System hindurchführt, mit der Stellung, in welcher die recht- fertigung allein durch den glauben in der lutherischen dogmatik auftritt, in welcher sie dochden
geehrtesten platz hat: er wird bald zugeben, daß jene lehre Luthers ein princip der dogmatik nie- mals gewesen ist.war
sie aber das nicht, sowar
sie auch kein princip der religion, oder die lehrer der kirchewaren
diearmse-
ligsten stümper, die
man
sichdenken
kann, bei Hegel gibt es keinen ort, inwelchem
nicht das gesetz der entwickelung, das ge-16
setz,
daß
dnrch Verneinung die verneinte sache zu einerhöheren
bejahung hindurchgeht,und
ähnliche grundbegriffe des Systems sich als herrschend erwiesen: in der lutherischen dogmatik sehen wir das katholisch-scholastische gebäude unangetastet voruns
stehn bis auf einzelne loci, dieweggebrochen und
durch einen neuen,mit
der alten architektur nicht durchden
styl, sondernnur
durchmör-
tel in Verbindung gebrachten
anbau
ersetzt sind.und
wie willman
behaupten, daß jenes sogenannte materiale princip der reformation inden
kreisen Zwingiisund
Calvins, in der englischen kirche des sechszehnten Jahrhunderts eine herr- schende stelleeingenommen
hat?und wenn man
vollends dasneue
testament als ganzes zu rate zieht, so zeigt sich,daß
der begriffderrechtfertigung durchden
glau-ben
indemselben nur von
Paulusaufgestelltund von
Iacobus sogarbekämpft
wird,daß
ihn die synoptischen evangelien, Iohannesund
Petrus garnichtkennen, daß eralso ein diechristlicheurzeitbeherr- schendernichtgewesen
seinkann, auch Paulusweiß von
derneuen
Schöpfung zu reden, welche bei Iohannes als Wiedergeburt, bei P&- trus als teilhaftigwerden
der göttlichen natur bezeichnet wird, der eintritt desmenschen
in eineneue
höhereOrdnung
der dinge hebt seine schuld auf: dermensch
läßt die schuld mitseinem
früheren lebenund
mit der sünde dahinten,wie
der Schmetterling die hülle zurückläßt, der er entschlüpft ist. dieser gedanke wird, weilvon
Paulus, Petrusund
Iohannes ausgesprochen, für die ur- sprünglich christlicheanschauung vom
Verhältnisse desmenschen
zur schuld zu halten sein (ich gestattemir
weiter unten beiläufig eine erweiterung dieseranschauung),womit dann
freilichdem ma-
terialen principe nachgewiesen
wäre,
daß es auf einer einseitigkeit sogar des apostels beruht, der als nicht unmittelbarer jünger Iesuam
allerwenigsten zu irgend welcher einseitigkeit das allermindeste recht gehabt hat:und
weiter,daß
es die wirklich allgemein gel- tende,wenn
gleichvon uns beim
zustande unsrer quellenmehr
vorauszusetzende als zu erweisendeanschauung
der ältesten, alleinmaßgebenden
christlichen zeit zu übersehn ungescheutgenug
ge-wesen
ist.Der
protestantismus hat mit seiner1648
durch den westphäli- schen frieden erfolgten endgültigenanerkennung
als berechtigte re- ligionsform die letzte spur innerer kraft, welchenur
durchden
gegensatz zur herrschenden kirche bis dahin erhaltenworden
war,verloren: dadurch daß
ihm
die feierliche erlaubnis zu leben gege-ben wurde, ward ihm
der letztevorwand
zu lebengenommen,
der zersetzungsprocess aber,welchem
er seitdem verfiel, hat be- wirkt,daß
das sich protestantischnennende
Deutschland von allen den indem
katholischen Systemeund
dessenvom
protestantismus erhaltenen teilen in großermenge
aufgehäuften hindernissen seiner natürlichen entwickelung befreit wurde. diese befreiung beruht mithin nicht in dervortrefflichkeit, sondern in der innerenunhalt- barkeitund
der durch diese bedingten löslichkeit des protestantis-mus.
alle dieanschauungen
aber, welche die öffentlichemeinung
jetzt
dem
protestantismus zu verdanken meint, sind einmal in der deutschen, entweder wirklichbekannten oder zusammenphantasierten persönlichkeit der reformatoren (welche heutzutage als menschen, nicht als reformatoren auf das volk wirken), andrerseits darin be- gründet,daß
derprotestantismus, ebenweil ermehr und mehr
zerfiel, indem
räumlichihm anheimgegebenen
gebietemomenten
der kul- turgeschichte zutritt verstattete, welche in den geschlossenen Orga-nismus
der katholischen kirche nur viel schwerer eingang finden konnten,was
jetztnoch
an resten des wirklichen protestantismus inDeutschlandvorhanden
ist, verdanktsein dasein nicht einerunun-
terbrochenvon
Luther bis auf uns fortgehenden entwickelung, son- dern ist künstlich aus derrumpelkammer
hervorgeholt,und zwar nur darum
hervorgeholt, weilman
über die eigne Unfähigkeit, das der zeit nötige zu finden, klar war.Wem
dieseanschauung
der sache befremdlichvorkommen
sollte, den bitte ich folgende tatsachen zu bedenken.
Was
dieRömer
unter relligio verstanden haben,kann
uns hier gleichgültig sein:im
mittelalterwurde
religionden
personen zugeschrieben, welche ein ordens-, das heißtmönchsgelübde
abge- legt hatten: die Hugenotten in Frankreich, die sich durch die herbste sittenstrenge auszeichneten,wurden um
dieser willenmes-
sieursde
la religion— mönche ohne gelübde —
genannt, in
dem
lutherischen Deutschland treffen wir das wort religion vor- übergehend in den einleilungen zur zünftigen dogmatik:dem
wirk- lichen sprachgebrauche des deutschen Volkes gehört es erst seitetwa
1750
an, ist in diesen aus Englandund dem
deistischen lit- teraturkreise eingedrungen, der mit lordEdward
Herberts von Cherbury Schriften anfängt,und
bis Toland, Coilinsund
Tindal herunterreicht, das wort religion istim
entschiedensten gegensatze2
18
gegen das in derlutherischen, reformierten
und
katholischen kirche geltende wort glauben eingeführt,und
setzt überall die deistische kritik des allgemein christlichen oflenbarungsbegriffes voraus, wol- len wir danoch
behaupten,daß
wiruns im
kreise der reforma- tion befinden? unser mittelstand, dervon
religiösenmenschen durchgehend
mit achtung spricht, willvon
gläubigen sehr entschie-den
nichts wissen.Daß
zweitens die reformation die neugestaltung Deutschlands in keiner weise veranlaßt hat,daß
vielmehr alles,was
wiran
po- litischem leben haben, alleindem umstände
zuzuschreiben ist,daß
durch die Hohenzollern inBrandenburg und Preußen
ein auf eige-nen
fußen stehender Staat entstand,wer
wagte das zuleugnen?
ist es aber
wohl
vernünftig zu behaupten,daß
ein angeblich diegesammte
menschheit auf neuefundamente
stellendes ereignis,wie
die reformation, auf das land, indem
sie vollzogenwurde,
poli- tisch gar keinen einfluß als einen schädlichen hatte,und
dies land allen segen einervon
der reformation völlig unabhängigen, vor ihr schon arbeitendenund nach
ihr inihrem
energischsten träger herz- lichwenig
protestantischenmacht
verdankt?Man
denkt weiter an die theologieund
die religion selbst,wer
einen blick in die theologische litteratur Deutschlands ge-worfen
hat, weiß,daß
mitdem
sechszehnten Jahrhundert jede selbstständige tätigkeit aufhört, daßwas
in der ersten hälfte des siebenzehnten auf diesem gebietenoch
geleistetwird,
nachwir-kung
früherer Zeiten ist,und
die dogmatiker wie die exegeten der lutherischen kirchewenig mehr
sind als registratoren, die an-statt akten
dogmen und
exegetische grillen zubuche
tragen, (dr- ehen-und
dogmengeschichte versiegen ganz: die ethik ist in folge der lutherschen rechtfertigungslehre so in misachtung,daß
arbeiten aufihrem
gebiete sofort mitdem
verdachte der ketzerei behaftet sind,und darum womöglich
unterlassen werden,was
die religion angeht, so hat ein völlig unverdächtiger zeuge,Au-
gust Tholuck, inmehreren mühsamen Sammlungen
hinreichenden bericht über ihren zustand gegeben: es ist gut, daß der drei- ßigjährige krieg die möglichkeit offen läßt, wenigstens einen teilder Verwüstungen, die sich
im
religiösen leben Deutschlands zeigen, auf andre schultern als die der anerkannten kirchen abzuladen: die epoche, in welcher dasLuthertum
inden
ihm
zugesprochenen landschaften unbeschränkt geherrscht hat,ist
von
so dunkler färbuiig, daß sie der herrschenden religionwe-
nig ehre macht.Wie
es mitdem
protestantismus in der zeit seiner uneinge- schränktenmacht
stand, erhellt weiter ausden
versuchen, le-ben
in diese dürren gebeine zu bringen*Arnd,
Spener,Franke
haben dogmatisch sich allerdings keinerahweichung von
der luthe- rischen Orthodoxie schuldiggemacht,
die Orthodoxie hat aber mit richtigem instinkte gemerkt,daß
diebemühungen
diesermänner
tatsächlich in der einsieht wurzelten,
daß
das amtlich anerkannte leben der protestantischen kirche nichts als galvanisierter tod war,und
diesem instinkte entsprechend sindArnd, Spener und Franke
von der officiellen kirche behandelt worden, namentlichFranke
knüpftmeines
erachtens mit seiner methodisierung dererweckung
recht eigentlichan
Lutherund
dessen erfahrungen an, vermeint auch wohl, die rechtfertigungslehre der lutherischen kirche recht in fleischund
blut zu verwandeln, vergißt aber,daß
das konventikel keine kirche ist,und daß
das konventikel fürden
wert der kirche genau so viel beweist, wie vor zehn jähren das Vorhandenseinvon Baumgartenbrück
für den der juristischen fakultät in Berlin, oder überall notwendige privatstunden für die Zweckmäßigkeit des öffent- lichen Unterrichtes,neben dem
sie hergehen.Ich gestehe offen,
daß
ich über Leibnitznur
ausden
biogra- phischenwerken
über ihn,kaum
irgendwie auseignem
Studium seiner schritten unterrichtet bin,und
daß ich Leibnitzens schüler ChristianWolf,
der das System seines lehrers in die weitere ent- wickelung übergeleitet hat,nur
ausden
mitteilungenkenne,
dieman
inden handbüchern
über ihn zumachen
pflegt: gleichwohl glaube ich diebehauptung wagen
zu dürfen, daßLeibnitz, so freund- lich er sich zur Orthodoxie stellte,doch wohl kaum
auf etwas an- deres aus war, als auf eineneubegründung
des christentumes,und daß
in dieser absieht schon der beweis für die behauptung liegt,welche sonst aus
seinem
Verhältnissezum
katholicismus leicht zubegründen
ist,daß
erdem
protestantismus durchaus entfremdetwar:
alleswas
an Leibnitz hängt— und
dessen ist bekanntlich nicht ganzwenig —
wird Leibnitzensgrundanschauung
geteilt haben.Endlich unsre klassiker. ich leugne
rund
heraus, daßLessing, Göthe, Herder, Kant,Winkelmann vom
protestantischen Systemeund
der protestantischen kirche irgend wesentlich beeinflußt sind,2*
20
und
verschärfe das gewicht dieser leugnungnoch
dadurch, daß ichmich
ausdrücklich der amtlichen Stellung Herders zu erinnern er- kläre,wer
dermeinung
ist,daß
diese leugnungden
tatsachen ge- walt antut, wirdden
beweis für seinemeinung
zu führenhaben
:
kann
er diesen beweis nicht erbringen, so dürfte bei der für die jetzt herrschende Weltanschauung grundlegenden Stellung der ge-nannten
fünfmänner
feststehen,daß
wir uns des protestantismus in Deutschland tatsächlich entledigthaben:
mitWorten
zu spielenkann
liebhabern erlaubtwerden, nur wird
es nichtangemessen
sein, personen, die liebhabereien nachgehn,im
rate der nation irgend welches Stimmrecht zu erteilen.III.
Dieselben
demente,
welcheden
lose gefügten protestantismus zersetzten,und
es möglichmachten, daß
auf seinentrümmern
ein neues,nur
allerdings nicht religiöses, lebenemporwuchs, haben den
katholicismus,den
sie als geschlossenes ganze antrafen, ver- härtet.Der
katholicismus, mitwelchem
die reformatoren kämpften,ist seit
mehr
als viertehalb Jahrhunderten todt, oder,wenn man
lieber will,
im
sterben:was
jetztkatholicismus heißt, ist eine durchden
protestantismus, aber keineswegs durch ihn allein veranlaßte neubildung, welche die katholischen formeinund formen
behalten, den inhalt derselben in einigen, aber durchgreifend wichtigen fällen principiell geändert hat, welche durch das,was
sie behielt, ihren gläubigenund den
Staaten gegenüber ihre identität konstatieren zukönnen
meinte, durchdas,was
sie änderte, ihre Unverträglichkeit mitden
geschichtlichen neubildungen konstatiert hat. das vatica- nische concil des Jahres1870
ist durchaus nicht eine episode inder
katholischen,sondern
der Schlußakt in der gründungsperiode der neukatholischenreligion: es verhält sichzum
neukatholicismus, wie dieVersammlung von
Nicaeazum
katholicismus.Der
protestantismus selbst hat— und das ist ein neuer be-
weis seiner unbedeutendheit —
eine durchgreifende Veränderung
des katholicismus nicht hervorgebracht, die lehrsätze der kirche
sind den neuerem
gegenüber vorsichtiger und
schärfer gefaßt, der
klerus ist einer genaueren aufsieht unterworfen worden,
sonst ist
alles geblieben wie es war.
Ganz
andershaben
andremomente
gewirkt.Durch den
abschluß der Staatenbildung inEuropa wurde
derpositive begriff katholicismus zu
einem
negativen, durch das auf- blühen der exakten Wissenschaften die forderung der Unterordnung unter dasdogma
zur forderung der Verleugnung der Wissenschaft in deren konsequenzen, durch dasbekanntwerden
des begriffs ent- wickelung die lehrevon
einer einst einmal mitgeteilten dogmati- schen Offenbarung zur lehrevon
der allgenugsamkeit dieser Offen- barung.So wurde
der katholicismuszum
feinde der nationen, der ge- wissen, derVermehrung
des geistigen besitzes.Der
träger diesesneuen
katholicismus ist der Iesuitenorden, welcherden
protestantismus durchden
nachweis der inkonsequen- zen des protestantismus, die feindschaft der wesentlich aufden monarchien ruhenden
nationen durch die lehrevon
der suverä- nität des volkes, die exakten Wissenschaften dadurch, daß er sie aufden von ihm
gegründeten realschulen in seiner weise in diehand nahm,
das heißt, als ein gegenden
geist sich indifferentver- haltendes aggregatvon
kenntnissenansehn
lehrte, endlich die ein- sieht in die gesetze der geschichte durch die behauptungvon
der Wertlosigkeit dieser geschichte bekämpfte.Da
die nationenEuropas und
die Wissenschaft nicht wie aus der pistole geschossen ins dasein getreten sind, da sie sich all-mälig
und
durch die arbeit vielerim
mittelalter vorbereiteten, istauch
Roms
gegensatz gegen sie schonim
mittelalter vorhanden, es gibtmeines
erachtens keine reformatoren vor der reformation, aberwohl
Iesuiten vordem
Iesuitismus.Rom war im
mittelalterdie einzige macht, welchepolitik trieb, weil es die einzige fertigemacht war:
überall sonst bereiteteman
nur die möglichkeit vor, dereinst politik zu treiben, wie es
im
mittelalter keine historiker gab, sondern
nur
Chronisten, gab es auch keine geschichte, sondernnur
praeliminarien zur geschichte:der
mangel an
historikern beweist das nichtvorhandensein der hi- storie.Rom
hatdamalsden
richtigen instinkt gehabt, die Staaten- bildung inEuropa nach
kräften zu verhindernund
zu verzögern:gleichwohl
war am ende
des mittelalters diese bildungim
wesent- lichen vollendet.Deutschland hatte sich,
wenn
auch nichts weniger als nachdem
bedürfnisse seiner einwohner, konsolidiert. Frankreichund
England
haderten nichtmehr um
das erbe der Plantagenet. in Spanienwar
der letzte rest derMauren überwunden, und
alle die22
vielen
krönen
des weiten landesschmückten
Ein haupt. in Scan2- dinavien stand GustafWasa
wenigstens vor der türe. Italien fand sich allmälig in die rolle,nur
ein geographischer begriff zu sein,und
entschädigte sich für seinunglück mitdem
zweifelhaften glücke,den
Stellvertreter Christi in seiner mitte zuhaben und
ihnnur
ausItalienern gewählt zu sehn,von
derzeitan,wo
ein europäisches Staatensystem sichbemerkbar
macht, hatRom
die absolute berech- tigung der nationalitätgeleugnet,und
die katholicität, die ursprüng- lich vielleicht ein gegensatz gegen einzelnen aposteln folgende ge-meinden,
später ein individuenwie
nationen überherrschendes, aber nicht aufhebendes princip war, als das allein wesentliche auf erden gefaßt.Rom
erklärteund
erklärt, die nationalität gehöredem
nie- dern verlaufe der natürlichen dinge an,und
erklärt damit jedes wort, welches gott in der geschichte spricht—
ich verweise auf unten zu sagendes—
, für apokryph.Rom
erklärteund
erklärtdie nationalität für ein massenprincip,
um
mitdem
pöbel gegen die intelligenz, mit der demokratie gegen diekrönen
operieren zukönnen:
nationen vergehnvon
selbst,wenn
ihre centren vergehn,und was
eine nationohne
mittelpunktund ohne
inhalt ist, zeigt Paraguay, die musterschöpfung der Iesuiten.charakteristisch ist,
daß
Ignaz Loyolaund Franz
Xavier Bas-ken waren:
dieBasken
sind gar keine nation, sondern eine aus vorhistorischer zeit in die historische herübergerettete curiosität, ein lebendiges fossil.Was an
Copernicusund
Galileihängt, weiß jedernachdenkende
mensch,
die ganze kirchliche mythologie ist hinfällig,wenn
die erde auseinem im
mittelpunkte des Weltalls stehenden körper zueinem um
einenebensonne
kreisenden, höchstens mittelgroßen pla- tteten wird,um
dasgesammte
orthodoxe System, nichtum
die alberneJudenmähr von
Iosuessonne
handelte es sich, als diekirche das epur
simuove
zuhören bekam, und
siewußten und
wissen es, wenigstens Secchiweiß
es,daß
dieerde sichbewegt, aber sie be- handeln jetzt diese tatsache als für die Wissenschaftvom
geisteun-
bedeutend: sie wissen nichtsmehr von dem
gesammtbilde der Wis- senschaft, das vor Plato, Aristotelesund
allenden
großen Schola- stikern des mittelalters gestanden hatte: sie lassenden
Schluß nicht zuvon dem
physischen auf das ethische gebiet, die folge ist eine geistlose naturund
ein unnatürlicher geist: die folge ist ein vollständigermangel an harmonie
in der Weltanschauung: diefolge ist, daß,
wenn
derübernatürliche gott einmal nichtmehr
ge- glaubt wird, in der weit nichts übrig bleibtals materie: der materia- lisnuis ist das notwendige korrelat des Iesuitismus: das wasser in diesencommunicierenden
röhrensteht stets gleichhoch. Staatsmännerwerden
ausdem abnehmen
des materialismus aufdasabnehmen
des Iesuitismus schließen,und
so lange ersterer aufdem
alten flecke ist, wissen, daß ihre maßregeln gegenden
letzteren einen erfolgnicht gehabt haben.
buchstaben
haben
wertnur im
worte,und
Wörternur im
satze:wem
die elementeund
gesetze der natur nicht in Ein phi- losophisches System gehören, dessen lehren aufdem
ethischen ge- biete in einklang mitden
aufdem
physischen geltenden stehn, der verstehtweder vom
geistenoch von
der natur etwas.Was
die nationalen bestrebungen der Italiener des vierzehnten Jahrhundertsnur
angebahnt hatten, ein Wiederaufleben der klassi- schen Studien,nahm
einen ungeahnten aufschwung, als aufden
concilen zu Kostnitzund
Baselanwesende
Italiener in Sanct-Gallen, Fulda, Hersfeld handschriften wichtiger lateinischer autoren entdeck- ten, die bisher gar nicht oderunvollkommen
bekanntgewesen wa-
ren, die ereignisse, welche
dem
falleConstantinopels vorausgiengen, schließlich dieser fall selbst brachten griechische texte, vor allen Plato,und männer,
die diese schätze verstehn lehrten, nachItalien.Guttenbergs kunst
machte
möglich, dasneu
gefundene wie das längst besessene in weite kreise zu verbreiten: eigentliche gelehr- samkeitwar
erst durch sie wieder denkbar, später erweiterten die entdeckungen desColumbus den
horizont. die kirche sah sich mit ihreranschauung von
der geschichteund
mitdem
unbeschei- denen, aber wenigstens naiven glauben,daß nur
über ihr gottessonne
leuchte, über nacht lächerlichgemacht,und
ihre eignenWür-
denträger, wie kardinalBembus und
papslLeo X,
gaben das zu.es schien in der ersten Überraschung selbst in
Rom
untunlich,den von
der synagogeübernommenen
begriffheidentum
weiter geltend zumachen.
die
dem
evangelium zugefallenenJuden
der Östlichvom
Jor-dan
gelegenen landstriche sind— mir machen das verschiedene
anzeichen wenigstens höchst wahrscheinlich —
die Urheber der
mit bewundernswerter
epischer kraft durchgeführten anschauung
gewesen,
daß Iesus in den
langen Jahrhunderten vor dem
evange-
lium deutlicher und immer
deutlicher geahnt worden,
daß alles,
24
was ihm
begegnet, längst vorbereitet sei. eswar
dies unsnur noch
bruchstückweise bekannte, in einzelnen seiner teile als le- gende über das abendlandund zu den Muhammedanern
gedrun- gene epos, ausdem
die ältere exegese des alten testaments reich- lich geschöpft hat,wohl
auch mit die veranlassung zudem
nachher zu besprechendennamen
Christen: ich stehe nicht an, es für ein ganz einzigeswerk
zu erklären, dessen Wiederherstellung allermühe
wert wäre, es galt—
natürlich in unendlich prosamäßiger, theologisierter fassung—
in der katholischen kirche,und
hatden
begriff entwickelung dort allein lebendig erhalten, es
wäre
denk- bar gewesen,daß man den gedanken
ausgedacht, den einzelne—
namentlich künstler
—
wirklich gefaßt haben,den
die älteste kirche mitihrem
Sibyllenglauben mindestens nicht abgelehnt hat, auch unter Griechen, Aegypternund andren
nationen sei eine Vor- bereitung auf das evangelium in gottes planen gewesen, wieman
sie bei
den Juden
fand, aber der Iesuitismus entschied anders, eine höchstemacht
unter vielenhohen
sollte die kirche nicht sein, das sinnigedogma
der alten gläubigenvon
der allmäligwachsenden
Sehnsucht nachdem
heileund
dervon
stufe zu stufe deutlicherund
lauterwerdenden
Verheißung dieses heiles wird voll- ständig ignoriert, wie dasmoderne Judentum, um
ungestört überden
angeblichen Charakter desHebraismus zusammenfaseln
zukön- nen, was den
breitenmassen,
die es sichgewinnen
will, gefällt, so hat derIesuitismus,um dem
altkirchlichenbegriffe der entwicke- lung ausdem wege
zu gehn, das alte testamentund
seine theolo- gie geflissentlich vermieden: der für die kirchean
diesem haften- den,ihm
sounbequemen
idee wollte er lieber gar nicht ins ge- sicht sehn. die Verschiedenheiten desneuen
testamentes sind gleichfalls lästig,und
das neue testament selbst hat sie zubüßen:
auch seine exegese verfällt trotz Estius
und
Maldonatus. in der kirchengeschichte wird alles, dessen spätere entstehung nicht aus- drücklich bezeugt ist, für apostolisch angesehn. so istdenn
ein begriffvon
der geschichte entstanden, der die arbeiten des vati- canischen concilsund
derer, die dasselbe vorbereitet haben, zurei-nen
lächerlichkeiteilmacht,wenn
eingräberfeldderSteinzeitlebendig würde, dürfte es über die jetzigemenschenweit
etwagedanken
ha- ben, wie der erzbischof Beiiniund
die Verfasser der in Belgienund
Frankreich amtlich eingeführten lehrbücher der theologie.Rom
hat sich klüglich gehütet, sich die hintertüren nach deralten kirche zu versperren, je nach bedarf beweist es aus den Vä- tern der ersten Jahrhunderte seine harmlosigkeit, oder ereifert sich mit
den
kaiser-und
königsfeinden des mittelalters gegen die neue- sten ereignisse: es mutet der weit zu, sowohlClemens XIV,
der den Iesuitenorden aufhob, als Pius VII, der ihn wiederherstellte, fürunfehlbar zuhallen, natürlichist,wo
solch einIanustempel offen steht, der krieg niemals zu ende.Aber
die neukatholische kirche istden
Staaten gegenüber in der günstigen läge, ihre identität mit der altkatholischen nicht an- gefochten zu sehnund
nicht angefochten sehn zu können, das concilvon
Trient gehört schon—
das hatman
bisher verkannt,und
in diesem verkennen liegt die wurzel des Übels—
nicht der altkatholischen, sondern der neukatholischen entwickelung an: es ist nicht ein abschluß, sondern ein anfang. istnun
diesem tridentinum dadurch, daß aufgrund
desselben mit der curie verhandelt wurde, dieanerkennung
sämmtlicher europäischerStaaten außer Englandund
Scandinavien zu teilgeworden, und
zwar, so weitmeine
kennt- nisse reichen, eine bedingungslose,wenn
auch ausdrücklich in aus-übung
der fürstlichen majestätsrechte erteilte, so scheint es recht- lich unmöglich, dienotwendigen
folgen dieseranerkennung
nicht inden
kaufnehmen
zu wollen,wer seinem
nachbar die erlaub- nis gibt einemauer
zu ziehen, hat die befugnis nicht, darüber zu klagen,daß im
schatten diesermauer
nichts wächst.Was nun
das vaticanische concil angeht, so scheinen zuerst diegründe
gegen dasselbe, welche aus dermangelnden
freiheit der beratungenund
der nichtohne
nachhülfe zu ständegekommenen Zustimmung
der bischöfehergenommen
werden, unberechtigt,we-
nigstenswürden
durch, diesegründe
auch die beschlüsse andrer concilien, welcheman
nicht bemängelt,und
die rechtsgültigkeitvon abstimmungen
politischerVersammlungen,
auf welcheman
gro-ßen
wert legt, mit angefochten.zum
beispiel das concil, welches431
zuEphesus
bei einan- derwar,
hat einen wichtigen satz der kirchenlehre,und zwar
in einer auch für allkatholikenund
Protestanten bindenden weise de-finiert, nichts destoweniger findet sich sogar in den
noch
vorlie- genden, ganz einseitig, übrigensim
rechtgläubigenlager,zusammen-
gelesenen akten die klage darüber,
daß
die orthodoxe partei mit- telst sehr eigenartiger argumente der entscheidung nachgeholfen hat. belehrung hierüber ist reichlich zuhaben
: für den, welcher26
nicht viel lesen will, verweise ich auf
nummer 126
in Sylburgs ausgäbe der akten.die
abstimmung
des norddeutschen reichstages in der luxem- burger angelegenheit soll hiernur erwähnt werden:
das schulauf- sichtsgesetzund
die kreisordnung sindim
preußischen herrenhause in der art, diealle weit kenntund
billigt, durchgebracht, dieseund
ähnliche Vorgänge beweisennur gegen
das parlamentarische system, das sie notwendigmacht,
nicht aberan
sich gegen die sache, derman
durch sieden an maßgebender
stellegewünschten
fortgang sichert.und wenn
geltendgemacht
wird,daß
ein großer teilder bi- schöfe wider seine Überzeugung gestimmt, sowäre
freilich eine solcheabstimmung
etwas, über dasman vom
Standpunkte dermo-
ral ein durchaus feststehendes urteil hätte:
nur
sollteman
sich klar sein, daßdie art, wieein formell gesetzmäßigesvolum
zu ständegekommen
ist, juristisch dieWirkung
derabstimmung
nicht beein- trächtigt,wer
sechs geschwistern ein haus abkauft,mag
mit sei-nem
anstandsgefühleabmachen, ob
erden
einen der sechs, der zu verkaufen nicht lust hat, durch moralischenzwang dem
mis- liebigen geschäfte günstigstimmen
will: hat dermann ohne
inun-
gesetzlicher,
wenn
auchin unanständiger weiseveranlaßt zu sein, ja gesagt, so ister gebunden, in der diplomatischen spräche redetman von
offenhalten des protokolls,und
es ist oftgenug vorgekommen,
daß ein solches offenes protokoll erstnach geraumer
zeit die feh- lende Unterschrift erhielt,und dennoch
juristisch bindend wurde,zudem
hatte eine kirche, die so viele märtyrer unter ihren heiligen zählt, Vorbildergenug
für die, welche ihre Überzeugung nicht opfern wollten.was sodann
die aufdem
vaticanum beschlossene angeblicheänderung
des katholischendogmas
anlangt, so beschränkt sich diesedoch wohl nur
darauf,daß
ein gewohnheitsrechtzum
geschriebenen rechtegeworden
ist. hat der papst tatsächlich stets als der nach- folger des Petrus gegolten,und
ist Petrus tatsächlich stets in der läge gewesen, aufgrund von
Matthaeus 16,18
fürden
Stellvertre- ter Christi zu gelten, so scheint auch nicht beanstandetwerden
zukönnen,
daß der nachfolger dieses Petrus so gutohne
concil re- giere, wie Petrusohne
apostelconvent regierthaben
soll, läßtman
endlich die bischöfe den eid der treue
an den
papst schwören,den man
zuschwören
erlaubt, so ist es nichtvon
wesentlicher be-27
deutung,
ob man
sagt, die bischöfemüssen dem
papste in allem ge- horchenwas
erbefiehlt, oder derpapstkann
allesbefehlenwas
er will.die nach der gewöhnlichen,
von mir
nicht geprüften angäbe von Gregor VII herrührende formel des eides, welchen die bischöfedem
papste zu leistenhaben —
ichentnehme
siedem
römi- schen pontificale—
enthältzwar
nicht,was
ältere formein enthal- ten,daß
der bischof subiectus, das heißt sujet, des papstes sein wolle, aber sie nennt dasselbe,was im
neunten Jahrhunderte mit subiectus bezeichnetwurde
, in der spräche des'eilften fidelis et obediens,wo
fidelis die vasallentreue gegenüberdem
lehnsherrn bedeutet, also demselben ideenkreise angehört, der dieRömer
ge- legentlich jubeln ließ, der deutsche könig sei einhomo,
das heißt vasall, des papstes geworden,und
eben dieser eid,den
ich ganz nachzulesen bitte, enthält auchden
satz „haeretiker, Schismatikerund
gegen unsern herrnden
papst, beziehungsweise gegen dessen [kanonisch inden
besitz der tiarakommenden]
nachfolger rebel- lische personenwerde
ich nach kräften verfolgenund bekämpfen
(= pro posse persequar
etimpugnabo)".
läßtsich ein Staat solche formel gefallen,und
läßt er sich weiter gefallen, daß die katholi- schen priesterdem
sogebundenen
bischöfeden
eid desgehorsams
leisten, so darf er sich nicht
wundern, wenn
er mit allenmaß-
regeln, seine angehörigen gegen
anmaßungen
der curie zu schü- tzen, nichts ausrichtet, aber das vaticanum ist daran unschuldig.Nach dem
gesagten istmir
wenigstens völlig klar, daß die neukatholische kirche der geborene Widersacher jedes Staatesund
jeder nation ist: sie ist dieswegen
ihres materiellen inhaltsund wegen
der formellen Unmöglichkeit, in welcher sich schlechthin jeder Staat befindet,neben
derihm
zustehenden ausschließlichen, das heißtnur
diskutierbare einflüsse wie die der Wissenschaft, ne-ben
sichduldendenmacht
eine andere, nicht allein nicht diskutier- bare, sondern auch in keiner weise zu beeinflußende, weil durch angebliche leitung der Vorsehung arbeitende gewalt inseinem
be- reiche zu einfluß gelangen zu lassen.IV.
Ich