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Predigt zum Tag des Judentums in der Kirche der Karmelitinnen in Linz.

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In den Wohnungen Jesu (Joh 1,35–42) Predigt zum Tag des Judentums

17. Jänner 2021, Kirche der Karmelitinnen, Linz

Die jüdische Herkunft der hl. Teresa von Avila1

Es gilt heute als erwiesen, dass die hl. Teresa von Avila die Tochter eines Judäo-Konvertiten (Conversos) namens Alonso war. Dessen Vater war Juan Sanchez, ein wohlhabender jüdischer Geschäftsmann in der Bekleidungsbranche, einer damals unter den spanischen Juden sehr verbreiteten Beschäftigung. Die Familie stammte aus Toledo, das vor der Vertreibung im Jahre 1492 Heimat einer großen jüdischen Gemeinde war. Im Jahr 1485, sieben Jahre vor der Vertreibung, drang die Inquisition bis Toledo vor und forderte die Krypto- Juden auf zu widerrufen, mit dem Versprechen, die Bestrafung zu mildern, wenn sie sich darauf einließen. Juan Sanchez trat vor und bekannte seinen Abfall. Zur Strafe musste er ein gelbes Gewand, das sogenannte Sanbenito, anziehen und an sieben Freitagen nacheinander durch die Stadt gehen, wobei er den Beschimpfungen der Bevölkerung ausgesetzt war. Er wurde von seinen drei Söhnen begleitet, darunter Alonso, dem Vater der künftigen heiligen Teresa. Er war etwa zehn Jahre alt, als er an der Demütigung seiner Familie teilnahm. Um der öffentlichen Schande zu entgehen, zog Juan Sanchez 1493 nach Avila um, wo er im alten jüdischen Viertel von einem Verwandten ein Haus kaufte. Dort sollte Teresa geboren werden.

Teresas Mutter Beatriz gehörte zu einer wohlhabenden ländlichen Familie. Sie war die Witwe des Johann von Ahumada. – Teresa war sich ihrer jüdischen Abstammung bewusst, wenn sie darüber auch nie sprach. Ihr Schweigen ist verständlich, da die Judäo-Konvertiten trotz ihrer Bekehrung von der nichtjüdischen spanischen Gesellschaft schwer benachteiligt wurden. – Nur wenige Orden gewährten den Judäo-Konvertiten Zugang. Die Karmeliten waren zunächst eine Ausnahme, gingen nach Teresas Tod jedoch allgemein dazu über. Ein Autor behauptet, dass fast alle Nonnen von St. Joseph, Teresas erster Gründung, „unreinen Geblüts“, also jüdischen Ursprungs, gewesen seien. Teresas Entscheidung für den Karmeliterorden ist teilweise aus dessen Tradition zu erklären, sich ohne Unterbrechung auf die Zeit von Elias und Elischa zu berufen, auf diese beiden wird die Gründung des Ordens in Palästina auf dem Berg Karmel zurückgeführt. Elias wurde von den Juden als Hüter ihrer mystischen Tradition verehrt, von den Christen als Vorbild christlicher und karmelitischer Spiritualität. Ihre Verehrung der Menschheit Jesu, für Maria und den heiligen Joseph bekommt einen neuen Stellenwert, wenn man bedenkt, dass alle drei Juden waren.

Der jüdische Hintergrund der „Inneren Burg“2

Professor G. A. Davies erkennt in Teresas Schriften einen jüdischen Hintergrund, vor allem in der „Inneren Burg“, die als eine Burg mit sieben Räumen vorgestellt wird, ein Bild, das als Rahmen für die Beschreibung der Seelenreise auf der Suche nach der Vereinigung mit Gott

1 P. Elias Friedmann OCD, Die jüdische Herkunft der heiligen Teresa von Avila, aus: Südafrikanische Sonntags- zeitung Southern Cross vom 27. November 1994: http://www.osse-schalom.de/avila.htm; Ulrich Dobhan, Art.

Teresa von Avila, in: LThK 3 9, 1487–1490; DSp 15, 611–658; Erika Lorenz, Teresa von Avila. Eine Biographie mit Bildern von H.N. Loose, Freiburg i. B. 1994.

2 Ulrich Dobhan, Elisabeth Peeters Einführung in „Wohnungen der Inneren Burg.“ In: Terese von Avila, Wohnungen der Inneren Burg. Vollständige Neuübertragung. Gesammelte Werke Bd. 2. Herausgegeben, übersetzt und ein- geleitet von U. Dobhan OCD, E. Peeters OCD. Freiburg, Basel, Wien 3 2007.

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dient. Dasselbe Bild findet sich im Sohar, dem klassischen Buch der jüdischen Mystik.3 Ein Abschnitt des Sohar heißt Hekalot oder Wohnungen. Er beschreibt sieben Kammern gleich sieben ineinandersteckenden Schachteln, durch die ein Mystiker gehen muss, um zur Schau des Thrones Gottes zu gelangen. Engel bewachen die Türen von der einen zur nächsten, außer der sechsten, die keine Tür zur siebten hat. Der Schauende erbittet sich ein magisches Siegel, um durch die Türen gehen zu können. Der Durchlass der sechsten ist besonders herausfordernd und gefährlich, Anlass zu schweren Prüfungen und gegebenenfalls sogar todbringend. Gottes Thron in der siebten Kammer ist aus Kristall, wie ein Diamant, Feuer und Licht strömen von ihm aus und erleuchten alle die Kammern. Das Ende der Seelenreise ist die liebende Vereinigung mit Gott, versinnbildlicht durch den Liebeskuss, der die Seele unter Umständen vom Leib trennen und daher tödlich sein kann. Die Parallelen zwischen dem Sohar und der „Inneren Burg“ sind ein Beleg dafür, dass Teresa sich dieser Lehre bewusst gewesen sein muss.4

Lebensgewohnheiten Jesu

Meister, wo wohnst du? Das ist eine Frage: wie lebst du? Was sind deine Gewohnheiten? Wie gestaltest du den Alltag? Um „Wohnungen“ Gottes geht es in der inneren Burg. Die erste Wohnung der „inneren Burg“ Teresas ist die Selbsterkenntnis. Teresa von Avila weiß um die Bedeutung der Selbsterkenntnis und der menschlichen Reife für die Gotteserfahrung: „Glaub nicht, dass du Gott erreichen könntest, wenn du nicht durch deine eigene Seele hindurch- gehst.“ Dazu gehört die Bereitschaft zur Selbsterkenntnis, wo ich auf Kosten anderer lebe und so das Leben anderer vermindere. Die Selbsterkenntnis muss zur Umkehr zu einem Leben zugunsten anderer führen. „Die Seele muss nicht erst zum Himmel aufsteigen, um mit ihrem ewigen Vater zu reden und sich an ihm zu erfreuen. Sie braucht auch nicht laut ihre Stimme erheben; denn er ist ihr so nahe, dass er sie hört, auch wenn sie ganz leise zu ihm spricht. Um ihn zu suchen, bedarf es keiner Flügel; sie darf nur einsam in ihr Inneres blicken, wo sie ihn finden wird. Hier betrachte sie ihn; sie stelle sich ja nicht fremd gegen einen so guten Gast, sondern rede mit ihm als ihrem guten Vater, trage ihm als ihrem Vater ihre Bitten vor, klage ihm ihre Leiden und flehe ihn um Hilfe an!“5

Die eigene Biographie, der Leib und das Innere des Menschen sind in der biblischen und mys- tischen Tradition privilegierte Orte der Erfahrung Gottes (Gen 2,7; Ps 139; Jes 43,1-5; Lk 19,5;

1 Kor 3,16; 1 Kor 6,20). Gott in uns: Es geht aber nicht um eine platte Identifizierung von Selbst und Gott. Das Selbst ist Eigentum Gottes, Wohnung Gottes, Tempel Gottes. Gott ist jedoch nicht Besitz der Seele. Gotteserfahrung in der Selbsterfahrung ist auch die Erfahrung eines anderen, die Erfahrung einer Beziehung und Differenz. Von Seiten Gottes kann durchaus die Durchkreuzung oder Unterbrechung von liebgewordenen Formen der Selbsterfahrung kom- men. Der Mensch kann dabei die Erfahrung machen, dass er bei Gott unbedingt erwünscht und vorbehaltlos angenommen ist, er kann sich beim Namen angesprochen und gerufen wis- sen, er kann Gastfreundschaft gewähren, warten, harren, bitten, klagen, loben, danken, auf- merksam sein, hören, schauen, staunen, Gott ertragen und aushalten, vor ihm standhalten, fasziniert sein, verliebt sein, in Liebe entbrennen, von der Gegenwart ergriffen und gepackt

3 Das Sohar ist eine uneinheitliche Sammlung von Schriften, die zumeist von dem jüdischen Rabbi Moses de Leon stammen, er ließ sich im 13. Jahrhundert in Avila nieder, das sich dann zum Mittelpunkt der spanischen Kabbalah entwickelte. Vgl. Klaus S. Davidowicz, Art. Sohar, in: LThK 3 9, 687.

4 Zwar würde niemand behaupten, dass sie das Sohar je gelesen hätte, dessen Lehre war jedoch in den Kreisen der Juden und der Judäo-Konvertiten volkstümlich geworden und wurde in der Familie mündlich weitergegeben.

Prof. Davies schließt, dass Teresa Teile davon aus den Kreisen der Judäo-Konvertiten übernahm, in denen sie erzogen worden war. Sicher ist, dass sie mit der mystischen Literatur der Juden nicht unmittelbar in Berührung gekommen ist.

5Teresa von Avila, Weg der Vollkommenheit (SW VI) 142.

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oder verzaubert sein, verweilen, sich an Gott hingeben, mit Tränen erfüllt werden, Gott erlei- den, oder auch einfach nichts spüren und sich selbst vergessen. Die Mystiker sprechen von der Vereinigung mit Gott. Teresa verwendet dafür Metaphern wie Wasser. Auch erotische Bil- der des Kusses, der Umarmung, der Vereinigung und der mystischen Vermählung haben in der Gottesbeziehung Platz (wie auch bei Johannes vom Kreuz, 1543-1591). In diesen mysti- schen Metaphern durchdringen Göttliches und Menschliches einander.

Jesus betrachten

So finden bei Teresa Selbsterkenntnis, Selbstannahme, Selbstbewusstsein und die Selbstlo- sigkeit der Liebe eine geglückte Verbindung. Über die Menschheit Jesu hinaus will sie sich in ihrem Beten nie in abstrakte, platonische oder esoterische Höhen bewegen. Sie bleibt dem Leib, dem Menschen treu. In der Geduld des Reifens weiß sie um Gesetze des Wachstums auch im geistlichen Leben. „Manche ermüdet es sehr, falls sie weichherzig sind, immer an die Leidensgeschichte zu denken, doch erfahren sie Wonne und Nutzen, wenn sie Gottes macht und Größe in seinen Geschöpfen und seine Liebe zu uns betrachten, die in allen Dingen auf- leuchtet. Das ist eine wunderbare Art des Vorgehens, solange man die häufige Betrachtung des Leidens und Lebens Christi nicht unterlässt, denn er ist es, von dem alles Gute zugekom- men ist und zukommt.“ (Leben XIII 13; S. 212f.).

Da sie von der bleibenden Bedeutung der Menschheit Jesu für unser Gottesverhältnis ausgeht und diese Beziehung von der Erfahrung des leidenden Christus geprägt ist, kommt ihr Beten aus der Erfahrung des Leidens und der Leidenden. Ihre Spiritualität blendet das Kreuz, die Krisen, das Scheitern nicht aus. Geistliches Leben ist keine billige Harmonisierung der Ab- gründe des Lebens, kein lockeres Drüberfliegen über Golgatha, keine gnostische Hybris, die erhaben wäre über den steinigen Weg der Geschichte. Teresa lebt aus der Einwurzelung in Gott, der ein Freund des Lebens ist. So ist ihre Mystik eine aus der Herzmitte des Evangeliums gespeiste Inkarnations- und Kreuzesmystik, die den Abstieg Gottes in die Welt mit vollzieht.

Teresa lebt aus einer inneren Erfahrung heraus. Sie will auf die Gegenwart Gottes im Innersten des Menschen aufmerksam machen. Die innere Erfahrung und der Blick auf den biblisch tra- dierten Jesus, die Beziehung zum anderen, zur Kirche, der Bezug zur Geschichte bedingen einander.

„Dios solo basta“ – „Gott allein genügt“ ist durchaus eine „Variation“ des elijanischen „Entwe- der–oder“, das kein „und“ einer Ergänzung oder Modifikation zulässt. Und doch ist das „Gott allein genügt“ (Dios solo basta) offen für das „Gott finden in allen Dingen“. Eines der köstlichs- ten Worte von ihr ist: „Also meine Töchter, es gibt keinen Grund zum Traurigsein …, denn wisst, dass, falls es sich um die Küche handelt, der Herr auch zwischen den Kochtöpfen zu- gegen ist und uns bei unseren inneren und äußeren Fähigkeiten hilft.“ (Innere Burg, 6. Woh- nung)

Christusmystik in der Eucharistie

„Hier aber ist er ohne Not, voll Herrlichkeit, die einen stärkend, andere ermutigend, bevor er in den Himmel auffuhr, unser Gefährte im Allerheiligsten Sakrament, in dessen Macht es an- scheinend nicht lag, sich auch nur einen Augenblick von uns zu entfernen. … Ich habe deutlich gesehen, dass wir durch diese Tür eintreten müssen (vgl. Joh 10,9), wenn wir wollen, dass uns Seine erhabene Majestät große Geheimnisse offenbart.“ (Das Buch meines Lebens 22,6 S 325)

„Meint ihr etwa, das Allerheiligste Sakrament sei nicht eine ganz großartige Nahrung sogar für unsere Leiber und eine großartige Arznei sogar gegen körperliche Krankheiten? … Sie hatte aber auch eine so tiefe Frömmigkeit und einen so lebendigen Glauben, dass sie in sich hin- einlachte, wenn sie manche Leute an bestimmten Festtagen sagen hörte, dass sie gern in jener Zeit gelebt hätten, als Christus in der Welt umherzog, weil sie meinte, was ihnen das

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denn schon ausmache, wenn sie ihn doch im Allerheiligsten Sakrament genauso echt hätten wie damals?

Von dieser Person aber weiß ich, dass sie sich viele Jahre lang, obgleich sie nicht sehr voll- kommen war, jedesmal, wenn sie kommunizierte, bemühte, einen starken Glauben zu haben, um zu glauben, dass er es selbst war, nicht mehr und nicht weniger, wie wenn sie Christus mit den leiblichen Augen in ihre Wohnung hätte einkehren sehen, und dass sie ihn in einem so armseligen Haus wie dem ihrigen zu Gast hatte. Und sie ließ dann von der Beschäftigung mit allen äußeren Dingen ab und verkroch sich in eine Ecke, im Bemühen, ihre Sinne zu sammeln, um mit ihrem Herrn allein zu sein. Sie betrachtete sich zu seinen Füßen und verblieb da im Gespräch mit ihm – auch wenn sie keine frommen Gefühle empfand.“ (Weg der Vollkommen- heit 61,3–4, S.278f)

+ Manfred Scheuer Bischof von Linz

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