• Keine Ergebnisse gefunden

Predigt zum Sonntag des Wortes Gottes in der Kirche der Karmelitinnen in Linz

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Predigt zum Sonntag des Wortes Gottes in der Kirche der Karmelitinnen in Linz"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Deine Sprache verrät dich

Predigt zum Sonntag des Wortes Gottes

24. Jänner 2021, Kloster der Karmelitinnen, Linz

Deine Sprache verrät dich

„Du kommst aber nicht aus Oberösterreich!“ Wenn einer den Mund auftut und einige Worte sagt, dann wissen andere, woher er kommt und wie er tickt. Mit der Sprache vermitteln wir Zugehörigkeit, aber auch Einstellungen, Wertehaltungen und Beziehungen. Was wichtig ist, erschließt sich durch die Sprache. Und wofür wir keine Sprache haben, das verschwindet auch aus unserem Bewusstsein, aus unserem Leben.

„Babyelefant“ ist das österreichische Wort des Jahres 2020. Mit großem Abstand landete das Symbol für den Mindestabstand vor „Corona“ auf dem ersten Platz. Das Unwort des Jahres 2020 : „Coronaparty“ vor „Social Distancing“. Jugendwort des Jahres 2020: „Boomer“ als Be- zeichnung für die Generation der Babyboomer, also „jene, die nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Ende der 1960er Jahre auf die Welt gekommen sind“, Mit „lost“ schaffte es ein Schlüssel- wort für „ein Sich-nicht-Auskennen, völliges Danebenstehen, Ratlosigkeit bzw. unentschlosse- nes Verhalten“ auf den zweiten Platz. Zum rot-weiß-roten Spruch des Jahres wurde das

„Schleich di, du Oaschloch“ eines unbekannten Wieners, der diesen jenem Terroristen in Wien nachrief, der am 2. November vier Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt hat. Das Wort des Jahres 2019 war übrigens „Ibiza“, das Unwort „b’soffene G’schicht“.1

Im Brief über den Humanismus schreibt Martin Heidegger: „Die Sprache ist das Haus des Seins. In ihrer Behausung wohnt der Mensch“ (S. 53)2 Sprache ist untrennbar mit der menschlichen Existenz verbunden und dennoch keine Konstante, sondern stets in Entwicklung. Wir müssen Sprache lernen und sie prägt unseren Zugang zur Welt. „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“3 – Es ist, als ob hierzulande viele Zeitgenossen einen religiösen „Sprachverlust“ erlitten haben. Sie sind nicht mehr in der Lage, bestimmte menschliche Grunderfahrungen in religiösen Worten oder Zeichen auszudrücken. Christlich-kirchliche Vokabeln sind für sie wie „Chinesisch“. Wo liegen die Gründe für die religiöse Sprachlosigkeit vieler Zeitgenossen? Da ist zum einen die atheistische Prägung der vergangenen Großideologien zu nennen, die Religion als falsches Denken, als Opium für das Volk oder auch als Ressentiment der Zu-kurz-Gekommenen diskreditierten. Da wäre zum anderen auch manches an den schrecklichen Erfahrungen gerade des 20.

Jahrhunderts zu nennen, die Gräuel der Kriege und die ungeheuren Verbrechen, die den Glauben an einen guten und menschenfreundlichen Gott bis in die Wurzel erschütterten. Ein grundlegender Einwand ist der Verdacht, mit einem religiösen Glauben verliere der Mensch seine Autonomie, seine Fähigkeit zur Selbstbestimmung. Religion, und eben auch christliche Religion – so lautet der Vorwurf – sei ein Zustand der Fremdbestimmtheit.

1 https://oesterreich.orf.at/stories/3078846/#

2 Der Text des Humanismusbriefs findet sich in Band 9 (Wegmarken) der Heidegger-Gesamtausgabe. Andere Aus- gaben: Martin Heidegger, Über den Humanismus. Klostermann, Frankfurt am Main 2000, 53.

3 Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus. Logisch-philosophische Abhandlung 5.6

(2)

Kirchenjargon?

Trifft zu, was Friedrich Wilhelm Graf 2010 für die religiöse Sprache und für den Kirchenjargon diagnostiziert hat? „Ein wild vagabundierender Psychojargon, der Kult von Betroffenheit und Authentizität hat wohl nirgends sonst so großen Schaden angerichtet wie in den Kirchen. Hier sind argumentativer Streit, intellektuelle Redlichkeit und theologischer Ernst weithin durch Ge- fühlsgeschwätz, antibürgerliche Distanzlosigkeit und moralisierenden Dauerappell abgelöst worden. Wem nichts mehr einfällt, dem bleibt das Moralisieren, und darin sind die Kircheneliten besonders stark. Man denkt über schwierige, unübersichtliche Verhältnisse nicht nach, son- dern setzt „ein Zeichen“, in der Attitüde prophetischer Besserwisserei. … Besonders beliebt sind trinitarische Hohlformeln, etwa die Bekundung von „Zorn, Wut und Trauer“, oder eine appellative Sollenssprache, die dem Zuhörer gleich die Gesamthaftung fürs große Elend in der Dritten Welt aufbürdet.“4

Du hast Wort ewigen Lebens

Das Wort der Liturgie und die Sprachstile müssen Widerstand leisten gegen den Sog der un- geheuerlich inflationären Sprachproduktion. Liturgie ist nicht einfach ein Geräusch, ein Pala- ver. Der Augenblick, in dem z.nB. Jes 11 oder Lk 4,16–21 gelesen wird, ist selbst schon die heilige Zeit des Wortes, das Ereignis von Gegenwart. Das Wort, aus dessen Vollmacht die Kirche in ihrem Zeugnis zu sprechen hat, ist unüberholbar das Du-Wort Gottes. „Wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.“ (Joh 6,68) Es ist ein Ereignis der Sprache im Brennpunkt des personalen: Ruf und Namengebung, Anrede, Zuruf, heimliches Reden des Geistes im Herzen des Menschen, die gegenseitige Einwohnung im Wort. Das Wort Gottes ist

„kraftvoll und schärfer als jedes zweischneidige Schwert.“ (Hebr 3,12) – Der Gott, der mit Feuer antwortet, das ist der wahre Gott (1 Kor 18,24) „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir.“ (Ps 129,1) Wir leben vom Wort Gottes, nicht von der Deutung, der Interpretation oder der Hermeneutik.

Gott vollzieht sich im Wort und gibt sich im Wort. Das Wort Gottes ertönt in der Welt mensch- licher Worte. Vom Wort Gottes lebt der Glaube, er findet es im Zeugnis der Hl. Schrift, in der Predigt, in den Bekenntnissen eines vom Geist aufgewühlten Lebens. Der Hl. Schrift wird im Gottesdienst ein eigener, hoher Platz gegeben, das Lesen der Texte ist ein feierlicher Akt.

Zwei Extreme: Das eine ist der fundamentalistische Zugriff nach der endgültigen Eindeutigkeit des Textes. Dieser Zugriff übergeht die Dunkelheit und Rätselhaftigkeit, die in 1 Kor 13,12 angesprochen wird: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Wort.“ Das andere Extrem besteht darin, dass sich das gegenwärtige Wort in einen unendlichen Prozess der Ver- mittlung auflöst. Es gibt dann kein Jetzt des Verstehens, des Angesprochen und Ergriffenwer- den mehr.

„Das Brot und das Wort sind Kleingeld geworden. Wir beten um tägliche Abfallkübel.“ (Chris- tine Busta) Die Sprache der Kirche ist vielfach müde und kraftlos geworden. Bei den vielen Worten, von manchen sogar als Wortdurchfall, als Logorrhöe (Paul Michael Zulehner) disqua- lifiziert, ist nicht viel zu spüren von der Kraft der biblischen Rede und von wirklicher Zeitgenos- senschaft. Die Worte verfehlen das Geheimnis Gottes wie auch das Leben der Gegenwart.

Der Gott der Zumutungen ist verschwunden; alles, was den Menschen hart angeht, das unge- fragte Dasein, die Unausweichlichkeit der Freiheit, der Schmerz, Gut und Böse wird überspielt durch die Monotonie der Liebe. Das Tremendum wurde aus der Gottesrede entfernt, glättend, eliminierend, interpretierend, verschweigend, z. B. die Rede von der Hölle, vom Gericht und

4 Friedrich Wilhelm Graf, Was wird aus den Kirchen? in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1. April 2010, 35–36.

(3)

vom Zorn. Was ist mit den Fluchpsalmen, was mit dem Todesschrei Jesu, was mit dem Streit Hiobs mit Gott?

Gottfried Bachl am 08.03.2010: „Gott in meine Seele einebnen? In den Kosmos vermengen?

Zum Kumpel erniedrigen? Seine FREMDE achten!“ Die Auflösung Gottes in das Alleine, in den Kosmos oder die Evolution wäre Verrat an der Hoffnung und an der Liebe: „Was mich aus dem Kosmos anblickt, ist Schönheit, Liebe spüre ich nicht.“ (14.06.2010) Gott als bloß morali- scher Imperator wäre ein Dämon: „Der böse Gott: der nichts zu geben hat aber die ungeheu- erlichsten Forderungen stellt.“ (28.08.2010)

Das Evangelium ist das Buch des Lebens

„Wer die Schrift kennt, kennt Gottes Herz.“ (Gregor der Große) „Wer die Schrift nicht kennt, kennt Christus nicht.“ (Hieronymus) „Das Evangelium ist das Buch des Lebens des Herrn und ist da, um das Buch unseres Lebens zu werden. ... Die Worte der menschlichen Bücher wer- den verstanden und geistig erwogen. Die Worte des Evangeliums werden erlitten und ausge- halten. Wir verarbeiten die Worte der Bücher in uns, die Worte des Evangeliums durchwalken uns, verändern uns, bis sie uns gleichsam in sich einverleiben. ... Wenn wir unser Evangelium in Händen halten, sollten wir bedenken, dass das Wort darin wohnt, das in uns Fleisch werden will, uns ergreifen möchte, damit wir – sein Herz auf das unsere gepfropft, sein Geist dem unsern eingesenkt – an einem neuen Ort, zu einer neuen Zeit, in einer neuen menschlichen Umgebung sein Leben aufs neue beginnen.“5

+ Manfred Scheuer Bischof von Linz

5 Madeleine Delbrêl, Gebet in einem weltlichen Leben, Einsiedeln 1974, 17f.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Nichtsdestotrotz wollte ich meine Arbeit auch für Aussenstehende öffnen und sie daran teilhaben lassen, weshalb ich beschloss, die akustische Installation in eine interaktive

Um wie viel mehr werden wir das richtig und mit Recht auch vom Wort Gottes sagen: Dieses Wort ist nicht für alle; nicht je- der Beliebige kann das Mysterium dieses Wortes

Die ersten beiden Prämissen des für das LP rekonstruierbaren Arguments betreffen Berkeleys Auffassung von Relationen. Es ist in diesem Zusammenhang bereits darauf hingewiesen

Wir feiern das Fest der Erscheinung des Herrn, das heißt, der Stern ruft auch jene, die am weitesten weg sind auf, den nahen Gott zu suchen.. Ich sehe es gegenwärtig als eine

„Wo ist dein Bruder, dessen Blut zu mir schreit?“ Niemand in der Welt fühlt sich heute dafür verantwortlich; wir haben den Sinn für brüderliche Verantwortung verloren; wir

„In dieser Zeit der Gnade aber, da der Glaube in Christus bereits begründet und das Gesetz des Evangeliums offen dargelegt ist, gibt es keinen Grund mehr, ihn auf solche Weise zu

Möchten doch alle unsere Brüder und Schwestern auf diesem Kontinent wie der barmherzige Samariter euch zu Hilfe kommen, in jenem Geist der Brüderlichkeit, der Solidarität und

Das konnte sie nur bedingt bejahen, insofern der Mensch von sich aus die Vergegenwärtigung Jesu und das Denken an ihn nicht unterlässt: „Dass wir es uns aber absichtlich und