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Predigt beim Festgottesdienst zum „Sonntag der Völker“ im Mariendom Linz

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Heimat teilen – Barmherzigkeit leben

Predigt beim Festgottesdienst zum „Sonntag der Völker“

25. September 2016, Mariendom Linz

Ein Lehrstück vom guten Leben

Die Perikope des Lukasevangeliums (Lk 16, 19-31) erzählt vom reichen Mann und vom armen Lazarus. Es werden zwei verschiedene Lebenssituationen skizziert. Der reiche Mann hat im irdischen Leben alles in Fülle gehabt, während der arme Lazarus in Not leben musste. Beide erhalten nach dem Tod ihren Anteil: Lazarus wird belohnt und der reiche Mann muss Not leiden.

Worte und Symbole, die um das Leben kreisen, haben eine große Faszination und Anzie- hungskraft: „Reden wir über das Leben!“, „Vital“, „Biologisch“. Was ist das Leben? Was ist nur die Reklameseite? Ein amerikanischer Werbemanager, so eine Geschichte, kommt in seinem Tod zu Petrus an das Himmelstor. „Was wählen Sie: Himmel oder Hölle?“ fragt Petrus. „Ja, kann ich denn wählen?“, ist der Manager verwundert. „Selbstverständlich“ antwortet Petrus.

„Da möchte ich zuerst informiert werden.“ – „Wie Sie wollen.“ Und Petrus führt den Wirtschafts- mann auf eine Wiese. Einige Engel singen da etwas gelangweilt Halleluja, sonst ist da nicht viel los. „Das ist der Himmel.“ „Nun ja ...“ Dann führt Petrus den Mann in einen Saal. Da wird geschmust, gegessen und getrunken. Da liegen sich alle in den Armen, sind ausgelassen, wechseln die Partner, es ist ein Mords-Hallo. „Das ist die Hölle“, sagt Petrus. „Wählen Sie!“

„Selbstverständlich die zweite Möglichkeit“, sagt der Manager ohne Zögern. Kaum hat er das gesagt, wird er von kleinen Teufeln gepackt und in einen stinkenden Raum geschleppt. „Du hast mich betrogen!“, schreit er zu Petrus. „Du hast mir etwas anderes vorgeführt.“ „Aus deiner Branche“, so Petrus zum Manager, „hättest du wissen müssen, dass wir nur die Reklameseite zeigen.“

Die Reklameseite, die das Paradies, das Glück, die unbeschwerte Schönheit, die Attraktivität, die Lösung aller Beziehungsprobleme, die Erfüllung der erotischen Sehnsüchte (Autos), die Sicherheit (Versicherungen), kurz, das Leben verspricht (Geldgeschäfte), hat meist eine Schattenseite, ein Kleingedrucktes. Und wenn es die Verschuldung der jungen Leute ist, die sich durch die Erfüllung mancher Träume oft Jahre verbauen.

Sünde ist oft ein falsches Ideal vom Ich und vom Leben, ein falscher Daseinsentwurf: sei es, dass man durch Genuss, Macht, Erkenntnis, Erlebnisse oder Strategien gottgleich sein will, sei es, dass man die eigenen Grenzen nicht anerkennen will oder kann. Sünde ist ja nicht einfach gleich ein Nein zu sich, zum Leben, zu den anderen, zu Gott, sondern ein Zu-kurz- Greifen von Entwürfen und Gütern im Hinblick auf Sinn. Auch und gerade in der Sünde will sich der Mensch Freude, Glück, Befriedigung, Identität verschaffen. Er will es dabei aber allein, ohne Gnade, ohne andere, ohne Gott, und er will es mit falschen Mitteln. Die Mittel sind nicht in sich schlecht. Sie greifen aber im Hinblick auf den Lebenssinn zu kurz, sie sind zu wenig.

Verabsolutiert führen sie zu Destruktion, Identitätsverlust und Zerstörung. „Das Furchtbare ist, dass man sich nie genügend betrinken kann.“1

1André Gide, Tagebuch 1889-1939, Bd.I, Stuttgart 1950, 105.

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Bei der Unterscheidung der Geister geht es um die Frage, welche Suche und Sehnsucht nach Leben auf den Weg des Lebens und welche zur Sucht, zur Flucht vor dem Leben, zur Zerstö- rung und zum Kater führt. Unterscheidung der Geister fragt über das unmittelbare Gefühl hin- aus nach den Zusammenhängen und den Konsequenzen von Wegen, die das Leben verspre- chen. Bei der Fähigkeit zur Unterscheidung der Geister2 geht es um ein Sensorium, Entwick- lungen, die im Ansatz schon da sind, aber noch durch Vielerlei überlagert werden, vorauszu- fühlen. Sie blickt hinter die Masken der Propaganda, hinter die Rhetorik der Verführung, sie schaut auf den Schwanz von Entwicklungen, z. B. was Versprechen von Arbeit und Brot, Selbstbewusstsein nach „Demütigungen“, Verheißungen großer Siege u. Ä. anlangt. Bei der Unterscheidung der Geister geht es um ein Zu-Ende-Denken und Zu-Ende-Fühlen von Antrie- ben, Motiven, Kräften, Strömungen, Tendenzen und möglichen Entscheidungen im individuel- len, aber auch im politischen Bereich. Was steht an der Wurzel, wie ist der Verlauf und welche Konsequenzen kommen heraus? Entscheidend ist positiv die Frage, was auf Dauer zu mehr Trost, d.h. zu einem Zuwachs an Glaube, Hoffnung und Liebe führt. Negativ ist die Destrukti- vität des Bösen, das vordergründig unter dem Schein des Guten und des Faszinierenden antritt. Unterscheidung der Geister ist so gesehen ein Frühwarnsystem, eine Stärkung des Immunsystems gegenüber tödlichen Viren.

Heimat teilen – Barmherzigkeit leben

Die Mystik der Bibel ist in ihrem Kern eine politische Mystik, näher hin eine Mystik der politi- schen, der sozialen Compassion. Ihr kategorischer Imperativ lautet: Aufwachen, die Augen öffnen! Jesus lehrt nicht eine Mystik der geschlossenen Augen, sondern eine Mystik der offe- nen Augen und damit der unbedingten Wahrnehmungspflicht für fremdes Leid.3 „Dein Ort ist / wo Augen dich ansehn. Wo sich die Augen treffen entstehst du. / Von einem Ruf gehalten, immer die gleiche Stimme, es scheint nur eine zu geben mit der alle rufen. / Du fielest, / aber du fällst nicht. / Augen fangen dich auf. / Es gibt dich / weil Augen dich wollen, dich ansehn und sagen dass es dich gibt.“ (Hilde Domin)4 Glücklich werden wir nur, wenn wir miteinander glücklich sind. Das Leben in Fülle gibt es nur im Miteinander, im Teilen. Die Heimat wird nur so lange Heimat bleiben, wie wir bereit sind zu teilen: Begabungen, materielle Güter, Zeit, Lebensraum, Wissen … Umgekehrt: Ein Egoist wird auf Dauer am Leben vorbeigehen. Das gilt auf persönlicher Ebene, das gilt aber auch auf globaler Ebene. Die Globalisierung hat die Phänomene Flucht und Migration noch einmal verschärft. Das heißt: Ein Kontinent kann auf Dauer nicht gut leben, wenn er sich von den anderen abschottet, wenn er nicht die Lebens- möglichkeiten, die Ressourcen, die Güter, die Begabungen teilt, nicht die anderen daran Anteil nehmen lässt. Durch Flucht und Migration wird die Ungerechtigkeit noch einmal deutlicher zum Ausdruck gebracht. Diese Ungerechtigkeit muss an Ort und Stelle, in der jeweiligen Heimat, in den Herkunftsländern bekämpft werden. Und das gilt erst recht für den Krieg. Unrecht und Krieg, z. B. in Syrien sind aber nicht losgelöst von den Interessen der anderen Mächte zu überwinden.

Papst Franziskus hat bei seiner Ansprache zu Flüchtlingen auf Lesbos (16.4.2016) gesagt:

„Verliert die Hoffnung nicht! Das größte Geschenk, das wir einander machen können, ist die

2 Vgl. dazu Ignatius von Loyola, Geistliche Übungen Nr. 313-336.

3 Johann Baptist Metz, Mit der Autorität der Leidenden. Compassion – Vorschlag zu einem Weltprogramm des Christseins, in: Feuilleton-Beilage der Süddeutschen Zeitung, Weihnachten 1997.

4 Hilde Domin, Wer es könnte. Gedichte, Hünfelden 2000, 17.

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Liebe: ein barmherziger Blick, eine Bereitschaft zuzuhören und zu verstehen, ein Wort der Ermutigung, ein Gebet. Mögt ihr dieses Geschenk miteinander teilen! Wir Christen erzählen gerne die Geschichte vom barmherzigen Samariter – einem Fremden, der einen Mann in Not sah und unverzüglich anhielt, um ihm zu helfen. Für uns ist das ein Gleichnis von Gottes Er- barmen, das allen gilt, denn Gott ist der Allbarmherzige. Es ist auch eine Aufforderung, die- selbe Barmherzigkeit denen zu erweisen, die in Not sind. Möchten doch alle unsere Brüder und Schwestern auf diesem Kontinent wie der barmherzige Samariter euch zu Hilfe kommen, in jenem Geist der Brüderlichkeit, der Solidarität und der Achtung gegenüber der Menschen- würde, der Europas lange Geschichte gekennzeichnet hat!“ Nach Amos (6, 1a.4-7) ist jeder für das eigene Leben verantwortlich, aber jeder hat die Verantwortung auch für die Mitmen- schen. Wir brauchen Phantasie der Liebe, der Barmherzigkeit in Not der Menschen, in Armut etc.

MigrantInnen und Flüchtlinge

Papst Franziskus hat zum Welttag der MigrantInnen und Flüchtlinge im Jahr 2016 wieder eine eigene Botschaft an uns gerichtet. Das Phänomen der MigrantInnen und Flüchtlingen ist eine Herausforderung für uns alle. Er findet die Antwort darauf im Evangelium der Barmherzigkeit.

Dieses Phänomen ist eine Herausforderung für die Betroffenen, d. h. für die Migranten und Flüchtlinge, aber gleichzeitig es ist eine Herausforderung auch für die Aufnahmegesellschaft.

Das konnte jeder in der letzten Zeit feststellen. Papst Franziskus schreibt, dass die Migrant- Innen unsere Brüder und Schwester sind, dass wir Hüter unserer Brüder und Schwestern sind.

Weiter betont er: Die Migranten sollen als Personen betrachtet werden und stellt fest, dass die Kirche an der Seite all jener steht, die sich darum bemühen, das Recht eines jeden auf ein Leben in Würde zu schützen. Er schließt seine Botschaft mit folgenden Worten: „Ich empfehle euch der Jungfrau Maria, Mutter der Migranten und Flüchtlinge, und dem heiligen Josef, die die Bitternis der Auswanderung nach Ägypten erlebt haben. Ihrer Fürsprache empfehle ich auch jene, die der pastoralen und sozialen Sorge im Bereich der Migrationen Energie, Zeit und Ressourcen zur Verfügung stellen.“

+ Manfred Scheuer Bischof von Linz

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