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Predigt zum Festgottesdienst am Sonntag der Völker im Linzer Mariendom.

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Trennendes überbrücken

Predigt zum Festgottesdienst am Sonntag der Völker 29. September 2019, Mariendom Linz

Wer übersiedelt, weiß, dass es zu dem Schwierigsten gehört, sich von Dingen zu trennen. Und doch bietet ein Ortswechsel die Gelegenheit, sich von dem einen oder anderen Ballast zu befreien und das angehäufte Sammelsurium auszudünnen. Altes Mobiliar soll neuem weichen.

Man will Altlasten entsorgen, um nicht davon in der Gestaltung des neuen Wohnraums einge- engt zu werden.

Auch im emotionalen Strudel des Alltags ist oft die Rede davon, sich zu trennen von negativen Gedanken, von alten Mustern, von überholten Vorstellungen. Hier geht ebenfalls die damit verbundene mentale Entschlackung mit positiven Erwartungen einher. Sich von etwas zu tren- nen ist somit gemeinhin nichts – oder nichts ausschließlich – Negatives, sondern es dient der Vereinfachung des Lebens, der Rückbesinnung auf Dinge, die wirklich zählen und wichtig sind.

Auch in spirituellen und biblischen Zusammenhängen – „Verkauf zuerst alles, was du hast und verteil es an die Armen!“ (Lk 18,22) – kennen wir diesen Gedankengang.

Und doch: In einer Trennung liegt die Versuchung, es sich zu „einfach“ zu machen. Schadhafte Kleidungsstücke, die früher geflickt wurden, werden kurzerhand entsorgt. Eine Freundschaft, die zu anstrengend wird, lässt man einschlafen. Manche flüchten vor der eigenen Vergangen- heit und kappen jede Verbindung zu einem früheren Leben. Wir wissen: Wenn Belastendes einfach beiseitegeschoben wird, führt das zu Verdrängungen, nur um dann möglicherweise später mit voller Wucht zu Tage zu treten.

Trennendes zu überbrücken trägt in einem guten Sinn nicht zur Vereinfachung des Lebens bei. Jedenfalls dann nicht, wenn damit keine stramme Vereinheitlichung gemeint ist. Trennen- des zu überbrücken heißt: unterschiedliche Personen und Personengruppen, mehrere Mei- nungen unter einen Hut zu bringen, das erfordert einen langen Atem, ein gutes Aufeinander- Hören, eine Achtsamkeit auf die verschiedenen Stimmen, die lauten und die leisen Töne.

Trennendes zu überbrücken, das bedingt nicht automatisch eine gute Mischung, sondern das mischt erst einmal gehörig auf.

Trennendes zu überbrücken ist nicht der einfachere Weg, er ist vielmehr meistens der heraus- forderndere, aber spannendere und lehrreichere Weg. Die Schrifttexte des heutigen Sonntags legen nahe, dass es Gott nicht um eine Entschlackung des Lebens geht, das schlussendlich einer Bequemlichkeit Vorschub leistet. Gott geht es um eine Verdichtung des Lebens durch bewussten Verzicht: wenn das Eigene konfrontiert wird mit den konkreten Ansprüchen, Bedürfnissen und Sichtweisen anderer.

Papst Franziskus hat in seiner Botschaft zum Welttag des Migranten und des Flüchtlings 20191 skizziert, dass „die Anwesenheit von Migranten und Flüchtlingen eine Einladung“ darstellt, „ei- nige wesentliche Dimensionen unserer christlichen Existenz und unserer Menschlichkeit“ wie- derzuentdecken und benennt sie folgendermaßen: Sich den eigenen Ängsten zu stellen, die Nächstenliebe und die Menschlichkeit so zu konkretisieren, dass sie niemanden ausschließt und den Letzten an die erste Stelle setzt; sich vor Augen zu führen, dass es nichts weniger als

1 http://w2.vatican.va/content/francesco/de/messages/migration/documents/papa-francesco_20190527_world- migrants-day-2019.html

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um den ganzen Menschen und um alle Menschen geht, was schlussendlich dazu führen soll, immer mehr zum „Aufbau einer gerechteren Gesellschaft, einer vollkommeneren Demokratie, eines solidarischeren Landes, einer brüderlicheren Welt und einer offeneren christlichen Ge- meinschaft entsprechend dem Evangelium beizutragen“.

In gut einer Woche beginnt die so genannte Amazonien-Synode. Die Synode hat zum Ziel,

„aufmerksam auf diese Gegend der Welt zu hören, in der so vieles auf dem Spiel steht. Ein solches Hören bedeutet zugleich, anzuerkennen, dass mit Amazonien ein neues Subjekt auf der Weltbühne erscheint. Dieses neue Subjekt, das bisher weder auf nationaler noch auf Welt- ebene und auch nicht im Leben der Kirche angemessen respektiert worden ist, ist für uns jetzt ein privilegierter Gesprächspartner.“2 Die Erfahrungen der indigenen Völker und ihre Sehn- sucht nach dem „Buen Vivir“, dem guten Leben, dem Leben in Einklang mit der Natur, mit den Menschen und mit dem höchsten Wesen, sind Ausgangspunkt dieser Synode. Es wird um klare Botschaften hinsichtlich einer ökologischen Umkehr der Welt, aber auch hinsichtlich einer der Situation im Amazonasgebiet gerechten Rolle und gerechten Verständnis von Glaube und Kirche gehen. Die katholische Kirche als Ganze, aber auch die einzelnen Ortskirchen sind Hörende. Im Vorfeld ist zu beobachten, dass dieser Aspekt vernachlässigt wird. Es gibt viele – auch bei uns –, die diese hörende Dimension nicht im Blick haben und bereits die Auswir- kungen der Synode auf die Kirche hierzulande zu wissen meinen.

Die Synode ist ein wichtiger Beitrag, Brücken zu den Völkern Amazoniens zu errichten. Sie ist ein Beitrag, die Stimmen aus dieser so fremden Region, die schon aufgrund ihrer einzigartigen Biosphäre immense globale Bedeutung hat, in aller Freiheit zur Geltung bringen zu lassen. Sie ist ein Beitrag, sich von einem gewissen kirchlichen Eurozentrismus zu lösen, und ein Beitrag, kritische Anfragen an ein allzu bequemes Ausruhen auf gewachsenen pastoralen Gewisshei- ten hierzulande entgegenzunehmen.

Die Brücken, die durch die Amazonassynode geschlagen werden, werden helfen, Trennendes zu überwinden. Das wird keine einfach gestrickten Lösungen bringen, es wird die Kirche als Ganze aber hoffentlich in eine positive Auseinandersetzung darüber bringen, wie Glaube in der Welt von heute verkündet und gelebt werden kann.

+ Manfred Scheuer Bischof von Linz

2 Amazonien – Neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie, Instrumentum laboris, Nr.

5: https://www.adveniat.de/fileadmin/user_upload/Informieren/Aktuelles/Instrumentum_Labo- ris_Deutsch.pdf

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